Stabbrandbombe

Stabbrandbombe
Eine Lancaster wirft während der Operation Hurricane eine Luftmine (links) und danach Brandbomben auf Duisburg ab.

Die Stabbrandbombe, auch Brandstab oder Elektron-Thermitstab ist eine auf der Magnesium-Aluminium-Legierung Elektron basierte Brandbombe, die mit Thermit als Anzündladung entzündet wurde. Sie wurde im Zweiten Weltkrieg eingesetzt. Die britische Variante wurde in den Jahren 1935/1936 im Auftrag des britischen Ministry of Defence durch Imperial Chemical Industries (ICI) entwickelt. Eine sehr ähnliche Waffe wurde aber auch von der deutschen Luftwaffe verwendet.

Inhaltsverzeichnis

Technische Beschreibung

Britische INC 4 LB Stabbrandbombe
Gleicher Typ - im April 2010 in ca. 0,75 m Tiefe in der Berliner Kleingarten-Kolonie „Lebensfreude" gefunden

Als Beispiel für die vielen verschiedenen Typen und Baumuster soll hier die über Deutschland in großen Mengen abgeworfene englische 1,7 kg schwere Stabbrandbombe vom Typ INC 4 LB (Incendiary, Gewicht vier Pfund (libra)) beschrieben werden. Diese Stabbrandbombe besaß einen sechseckigen Körper mit 4,2 cm Durchmesser und 57 cm Länge. Davon entfielen ca. 20 cm auf das sechseckige, aus dünnem Blech bestehende Leitwerk und 4,7 cm auf den etwa 0,6 kg schweren Stahlkopf. Die eigentliche Bombenhülle aus Elektron war auf ihrer ganzen Länge mit einer 25 mm messenden Bohrung versehen, die mit eingepresstem Thermit gefüllt war. An ihrem oberen Ende, verdeckt durch das Leitwerk, befand sich der Aufschlagzünder, der über einen Anfeuerungssatz die Thermitfüllung in Brand setzte. Zur Sicherung gegen unbeabsichtigtes Auslösen wurden die Stabbrandbomben nur in Bündeln von teilweise bis über 100 Stück transportiert. Dabei blockierte ein federbelasteter Sicherungsstift, der durch die Nachbarbombe eingedrückt wurde, die Zündnadel des Aufschlagzünders. Erst beim Abwurf über dem Zielgebiet trennten sich die Bomben aus dem Bündel und schärften sich dadurch.

Die Brenndauer betrug ungefähr acht Minuten; während dieser Phase trat eine starke Stichflamme aus der Stabbrandbombe hervor und zerschmolz diese zu einer weißglühenden brennenden Metallschmelze. Ein direktes Löschen der Stabbrandbombe mit Wasser war nicht möglich, es ließ sich jedoch die unmittelbare Umgebung der Bombe mit Wasser abkühlen bzw. mit Sand abdecken und so der Brandschaden in Grenzen halten.

Ab 1942 gab es eine Modifikation dieser Brandwaffe, die zusammen mit den normalen Stabbrandbomben abgeworfen wurde: Diese modifizierten Brandstäbe enthielten zusätzlich eine kleine Sprengladung mit starker Splitterwirkung, welche zeitversetzt (in der Regel einige Minuten) nach Auslösung der Brandbombe explodierte. Dadurch sollten die Lösch- und Rettungskräfte auf Distanz zur abgeworfenen Brandwaffe gehalten und somit ein frühzeitiges Löschen verhindert werden.

Produktion

Die Produktion der ersten Elektron-Thermitstäbe begann im Oktober des Jahres 1936 bei ICI. Dieses erste Produktionslos, vergeben vom britischen Verteidigungsministerium, umfasste 4,5 Millionen Stück. Zu Beginn des Zweiten Weltkrieges standen in Großbritannien mehr als fünf Millionen Elektron-Thermitstäbe zur Verfügung. Im Verlaufe des Krieges wurden mehr als 100 Millionen Stück produziert, mehr als 80 Millionen davon wurden über deutschen Städten abgeworfen.

Einsatzgebiet

Einsatzgebiet des Elektron-Thermitstabes ist ein dichtbebautes Stadtgebiet mit möglichst hohem Anteil an Holzbauten. Nur im Zusammenwirken mit brennbaren Stoffen, insbesondere Holz, entfaltet diese Brandbombe ihre Wirkung. Der Elektron-Thermitstab ist somit als eine Entzündungswaffe zu verstehen. Stärkste Wirkung entfaltet er im Masseneinsatz gegen dicht bebaute mittelalterliche Altstädte.

Im Kombinationseinsatz mit einer geringen Anzahl kurz vorher abgeworfener Sprengbomben und Luftminen kann ein Massenabwurf von Elektron-Thermitstäben großflächige Feuersbrünste hervorrufen. Die Luftminen decken Dächer ab und zertrümmern Fensterscheiben. Dadurch ermöglichen sie den Zutritt von Luftsauerstoff an die Brandherde und verhindern, dass die Stabbrandbomben von den schrägen Dächern auf die Straße fallen. Außerdem behindern speziell Sprengbomben mit Zeitzündern die Lösch- und Bergungsarbeiten.

Unter entsprechenden Einsatzbedingungen, insbesondere gegen Siedlungen in Talkessellage und bei Erzeugen eines in Windrichtung offenen Trichters, erfolgt der Masseneinsatz von Elektron-Thermitstäben zum Hervorrufen sogenannter Feuerstürme. Der Elektron-Thermitstab kann als Terrorwaffe betrachtet werden, da er aufgrund seines planmäßigen Einsatzgebietes, der dicht bebauten Innenstadt, in erster Linie zur Massentötung von Zivilisten durch Ersticken oder Verbrennen dient. Ein sonstiger militärischer Einsatz ist nur in wenigen, sehr begrenzten Ausnahmefällen sinnvoll, da sich diese Waffe nicht zur Bekämpfung von Punktzielen eignet, sondern nur bei Einsatz gegen sehr große bebaute Flächenziele eine für den Angreifer günstige Kosten-Nutzen-Relation bietet.

Bekannte Einsätze der Elektron-Thermitstäbe waren die Bombardierung von Coventry durch die deutsche Luftwaffe sowie die Luftangriffe auf Dresden, Lübeck, Darmstadt, Kassel, Koblenz, Braunschweig, Wuppertal, Hildesheim, Pforzheim, Würzburg, Osnabrück und Hamburg durch die britische Luftwaffe während des Zweiten Weltkrieges. So wurden zum Beispiel über Dresden während eines einzigen Angriffs mehr als 650.000 Elektron-Thermitstäbe abgeworfen.

Die deutschen Stabbrandbomben

Deutsche 1-kg-Stabbrandbombe aus dem Zweiten Weltkrieg

Auf deutscher Seite war die erste Elektron-Brandbombe bereits Juli 1918 fertig entwickelt und einsatzbereit, ein erster Einsatz August 1918 soll jedoch auf direkten Befehl des deutschen Kaisers nicht erfolgt sein. Die deutsche Luftwaffe setzte 1937 erstmals (durch die Legion Condor) die Elektron-Thermit-Stabbrandbombe B 1 E in Spanien ein.[1] Im weiteren Verlauf des zweiten Weltkriegs wurde nur noch die ebenfalls 35 cm lange und 1,3 kg schwere Type B 1,3 E mit stählernem Kopfstück verwendet.

Von beiden Varianten wurden ebenfalls Modifikationen mit einer "Zerleger"-Sprengladung von 8 bis 15 Gramm PETN eingesetzt, die zwischen 30 Sekunden und fünf Minuten nach der Auslösung der Brandbombe detonierte. Eine Weiterentwicklung war die B 2 EZ: Sie bestand aus einer B 1,3 E, die am Kopf eine zusätzliche Sprengladung von 60 Gramm PETN besaß. Beim Aufschlag der Bombe wurde die eigentliche Brandbombe wie üblich gezündet und gleichzeitig der Zusatzsprengkopf abgestoßen, der nach zwei, vier oder sechs Minuten detonierte.

Siehe auch

Literatur

  • Wolfgang Thamm: Fliegerbomben. Die Spreng- und Brandbombenentwicklung in der Luftwaffe. Von der einfachen Fliegerbombe zur modernen Abwurfmunition und ihre Einsätze - mit Gegenüberstellung der Entwicklungen in England, USA und Russland sowie anderer Staaten. Bernard & Graefe Verlag, Bonn 2003, ISBN 3-7637-6228-0.
  • Wolfgang Fleischer: Deutsche Abwurfmunition bis 1945. Sprengbomben, Brandbomben, Sonderabwurfmunition, Abwurfbehälter, Zünder. Motorbuchverlag, Stuttgart 2003, ISBN 3-613-02286-9.

Weblinks

  1. http://www.h-ref.de/krieg/luftkrieg/guernica.php

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Synonyme:

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