Staschynskij-Fall

Staschynskij-Fall

Die als Staschynskij-Fall bekannt gewordene Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGHSt Bd. 18, S.87 ff.) befasste sich am Beispiel der Mordtaten des KGB-Agenten Bogdan Nikolajewitsch Staschynskij (* 4. November 1931) mit der Problematik der Abgrenzung zwischen Täterschaft und Teilnahme im Strafrecht.

Staschynskij, der im KGB in der Abteilung für Terrorakte im Ausland beschäftigt war, wurde 1957 mit dem Auftrag, von der Führungsspitze der Sowjetunion als störend empfundene Exilpolitiker zu liquidieren (führende Mitglieder der Organisation Ukrainischer Nationalisten (OUN) und des russischen Nationalen Bundes der Schaffenden), nach Berlin beordert. Auftragsgemäß ermordete er im Herbst 1957 Lew Rebet vom „nationalen Bund“ und im Sommer 1959 Stepan Bandera, den Vorsitzenden der OUN. Als Tatwaffe verwendete er einen pistolenähnlichen Gegenstand zum Versprühen von Blausäuregas, welches er seinen Opfern heimtückisch direkt ins Gesicht applizierte. Am Tag des Baus der Berliner Mauer floh er mit seiner deutschen Ehefrau nach West-Berlin und kam am 1. September 1961 in Untersuchungshaft.

Um Staschynskij, dem lebenslange Freiheitsstrafe nahezu gewiss erschien, zu einer kürzeren Strafe verurteilen zu können, bemühten sich die deutschen Gerichte mit einem Kunstgriff um Abhilfe: Um eine für Gehilfen einer Tat gesetzlich vorgesehene Strafmilderung zu ermöglichen, erklärten sie Staschynskij in seinem Prozess im Jahre 1962 zu einem reinen Gehilfen, der vor Ort – bei seinen in Deutschland begangenen Taten – in Wirklichkeit nur dem eigentlichen Täter – dem in Moskau verbliebenen Chef des KGB – Beihilfe zu dessen 2 Morden geleistet habe und verurteilten ihn deshalb zu einer Freiheitsstrafe von nur 8 Jahren. Das Urteil des Landgerichts wurde vom Bundesgerichtshof bestätigt, der dabei die griffige Formel verwendete, „Täter ist, wer die Tat als eigene will.“ und damit argumentierte, Staschynskij habe seine Taten als fremde, nämlich als Taten des KGB-Chefs gewollt und statt Täterwillen nur Gehilfenwillen gehabt. Diese als „animus-Theorie“ bezeichnete Konstruktion des Bundesgerichtshofs ist nie gänzlich aufgegeben worden, wird aber in dieser Form der reinen Lehre auch nicht mehr vertreten. Entscheidend dürfte gewesen sein, dass die Gerichte mit diesem Urteil auf dem Höhepunkt des Kalten Krieges ein Signal an ausländische Geheimdienstler aller Hierarchiestufen senden wollten, wer bei solchen Taten mit welchen Konsequenzen zu rechnen hat.

Um Urteile wie das des BGH im Stachschynskij-Fall in Zukunft möglichst zu unterbinden, hat der Deutsche Bundestag als Gesetzgeber in § 25 StGB Täterschaft in dessen Absatz 1 mit der Formulierung: "Als Täter wird bestraft, wer die Straftat selbst oder durch einen anderen begeht.", ausdrücklich klarzustellen versucht, dass jeder, der sämtliche Tatbestandsmerkmale in eigener Person verwirklicht, (grundsätzlich, da zumindest zum Zeitpunkt der Gesetzesneufassung für Teilnehmer an Erschießungskommandos noch rechtlich ungeklärt) als Täter zu betrachten sei, um so der sich mit diesem Fall andeutenden Tendenz in der Rechtsprechung, eigenhändige Tatbestandsverwirklichung lediglich unter Berufung auf den angeblich fehlenden Täterwillen zu bloßer Teilnahme mit der Folge obligatorischer Strafmilderung abzuwerten, entgegenzutreten.

Staschynskij lebt seit seiner Haftentlassung unter einer neuen Identität in der Bundesrepublik Deutschland.

2005 erschien in Russland das Buch Wieviel kostet es, die Heimat zu verraten? [1]. In dem Buch wird beschrieben, dass Staschynskij mit amerikanischer Hilfe die neue Identität erhalten habe und seit seiner Freilassung in den USA lebe. Das Buch enthält auch den interessanten Hinweis, dass das KGB seit diesem Fall „Mord als gewöhnlichem Mittel zur Erreichung politischer Ziele außerhalb des sozialistischen Lagers“ eine Absage erteilt habe.

Siehe auch

Quellen

  1. (Д. П. Прохоров: Сколько стоит продать родину?, Санкт Петербург Москва 2005, ISBN 5-7654-4469-5)
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