Staustrahltriebwerk

Staustrahltriebwerk
Von einem Staustrahltriebwerk angetriebener Flugkörper der NASA.
Triebwerkstests in den USA 2002.

Ein Staustrahltriebwerk (engl. Ramjet, als Überschallausführung Scramjet) ist ein luftatmendes Strahltriebwerk, bei dem die Kompression der dem Verbrennungsraum zugeführten Luft nicht durch bewegliche Teile wie Verdichter erfolgt, sondern allein durch Ausnutzung der hohen Strömungsgeschwindigkeit des Gases selbst.

Staustrahltriebwerke können daher keinen Standschub erzeugen und funktionieren erst bei hohen Geschwindigkeiten. Zum Start werden meist abwerfbare Hilfsraketen (Booster) verwendet. Eine auch im Stand funktionierende Variante des Staustrahltriebwerks ist das Verpuffungsstrahltriebwerk, das unter anderem in der V1 eingesetzt wurde.

Triebwerke nach diesem Funktionsprinzip sind schon Anfang des 20. Jahrhunderts von René Lorin beschrieben worden, sind aber weiterhin selten und wurden bisher vor allem bei Luftabwehrraketen wie der SA-4 Ganef und SA-6 Gainful, Bomarc, der Luft-Luft-Rakete MBDA Meteor oder dem Marschflugkörper Navaho praktisch eingesetzt.

Inhaltsverzeichnis

Grundlage

Das Funktionsprinzip und der grundsätzliche mechanische Aufbau dieser Triebwerke ist verglichen mit Gasturbinen-basierten Antrieben sehr einfach. Die Beherrschung der Aerodynamik bei den Operationsgeschwindigkeiten (bis zur zehnfachen Schallgeschwindigkeit) ist jedoch anspruchsvoll.

Grundsätzlich gewinnt ein Strahltriebwerk seinen Schub durch die Verbrennung von Treibstoff. Für eine effektive Verbrennung ist aber eine Verdichtung der zugeführten Luft notwendig. Bei geringen Fluggeschwindigkeiten wird meist ein Turbofan-Triebwerk benutzt, das einen mehrstufigen Axialverdichter verwendet.

Bei höheren Fluggeschwindigkeiten ergibt sich durch die Stauwirkung des Triebwerks jedoch eine konkurrierende Druckerhöhung, wodurch der Anteil des Axialverdichters an der Druckentwicklung abnimmt. Bei Mach 1 sind es jeweils ca. 50 %, bis Mach 3 sinkt der Anteil auf ca. 0 % ab. Bei mehrfacher Schallgeschwindigkeit nimmt somit der Wirkungsgrad konventioneller Gasturbinen-Strahltriebwerke ab, während andererseits der Staudruck bereits zu einer ausreichenden Luftkompression führt.

Auf diesem Prinzip beruhen Staustrahltriebwerke, die jedoch nicht im Stand oder bei sehr niedrigen Geschwindigkeiten arbeiten, da dann mangels Staudruck keine Kompression erfolgt. Zum Erreichen ihrer Operationsgeschwindigkeit müssen sie daher stets durch ein Hilfstriebwerk oder andere Mittel beschleunigt werden. Ihr optimales Leistungsspektrum beginnt meistens dort, wo auf Gasturbinen basierende Strahltriebwerke ihr Optimum verlassen.

Zu den Vorteilen gegenüber Turbofan-Triebwerken gehören das niedrige Gewicht, die Verschleißarmut und die Fähigkeit, unterschiedliche Brennstoffe zu verwenden. Gegenüber Raketentriebwerken besteht der Vorteil in dem höheren Wirkungsgrad, da der Oxidator nicht im Treibstoff mitgeführt werden muss, sondern der Luftsauerstoff genutzt wird.

Funktion

Querschnitt: Links wird die Luft hineingedrückt, in der Mitte der Treibstoff zugeführt und rechts der Schub erzeugt.

Das Staustrahltriebwerk besteht im Wesentlichen aus einer Röhre, in deren Mitte sich an der Eintrittsöffnung der Diffusor befindet. Dies ist ein Konus, dessen Durchmesser in Richtung der Luftströmung zunächst zunimmt, wodurch sich für den Luftstrom eine Verengung und damit – für überschallschnelle Strömungen – eine Verringerung der Strömungsgeschwindigkeit ergibt; der Druck steigt, die Luft wird komprimiert.

Im anfolgenden Verbrennungsraum sinkt der Durchmesser des Diffusors wieder. Der durch die Kompression erhitzten Luft wird an dieser Stelle Kraftstoff zugeführt, der sich selbst entzündet und eine Expansion des Gases herbeiführt. Das heiße Gas tritt dann nach hinten aus, wird durch die Entspannung in der Düse beschleunigt und in der Strömungsrichtung möglichst axial ausgerichtet. Dies ermöglicht so die Nutzung des Schubes an der Brennkammervorderseite.

Die notwendige Kompression für eine effektive Verbrennung ist meistens erst ab einer Luftgeschwindigkeit von etwa 1.000 km/h gegeben. Einen optimalen Lauf gewährleisten die meisten Staustrahltriebwerke erst ab doppelter Schallgeschwindigkeit (oberhalb von Mach 2 bzw. 2.400 km/h). Allerdings gab es auch Staustrahltriebwerke die bereits bei ca. 320 km/h gestartet werden konnten und dann das Luftfahrzeug beschleunigten.[1]

Unter-/Überschall

Anhand der Kompression sind zwei Varianten von Staustrahltriebwerken zu unterscheiden:

Unterschallverbrennung

Im Ramjet wird bei der Kompression die einströmende Luft unter die Schallgeschwindigkeit abgebremst, gefolgt von einer Unterschallverbrennung. Um die Einströmgeschwindigkeit in die Brennkammer auf Unterschall zu verringern und damit den Druck zu erhöhen, wird im Bereich des Triebwerkseinlaufs ein Diffusor mit divergenter Formgebung angeordnet. Es wird dieselbe Luftmasse, die das Triebwerk in einer Zeit t durchläuft, auch in der Zeit t ausgestoßen. Hier steigt die Geschwindigkeit des Mediums, wenn sich der Rohrquerschnitt verringert: Eine der Brennkammer folgende Lavaldüse beschleunigt das ausströmende Gas anschließend wieder auf Überschall. Der Arbeitsbereich dieses Triebwerkstyps liegt bei Fluggeschwindigkeiten bis Mach 5 mit Kohlenwasserstoffen und bis Mach 7 mit Wasserstoff.

Angewendet wurde diese Technik erstmals bei der Lockheed X-7 in den 1950er Jahren.

Überschallverbrennung im Scramjet

Beim Scramjet (Supersonic Combustion RamjetÜberschallverbrennungs-Ramjet) wird die einströmende Luft bei der Kompression nicht unter die Schallgeschwindigkeit abgebremst, und auch die Verbrennung findet als Überschallverbrennung statt. Der Arbeitsbereich von Scramjet-Triebwerken liegt dann zwischen Mach 5 und (projiziert) Mach 15.

Entscheidend für die Gasbeschleunigung ist hier die Dichte ρ des Gases: Im Gegensatz zur Lavaldüse des Ramjet führt hier eine Erweiterung des Düsendurchmessers zu einer Beschleunigung des austretenden Mediums. Grund dafür ist die nun freie Entspannung des Mediums, wodurch eine größere Expansion und somit auch eine höhere Austrittsgeschwindigkeit erzielt werden kann.

Scramjet-Triebwerke werden über ihre gesamte Länge hinweg überschallschnell (> Mach 3) durchströmt und müssen den resultierenden deutlich höheren Temperaturen standhalten können. So entsteht z. B. bei einer Geschwindigkeit von Mach 8, abhängig von der Luftdichte, eine Temperatur von 3000 bis 4000 °C. Bei der mindestens Mach 6 schnellen X-51 umströmt deshalb der Treibstoff das über 1000 °C heiße Triebwerk zur Kühlung und nimmt die Hitze auf, wobei er verdampft. Die Kühlungskanäle sind dabei mit einem Katalysator beschichtet und der Treibstoff (JP-7) wird in kleinere (leichtere) Moleküle zerlegt wie z.B. Wasserstoff oder Ethylen. Diese werden dann verbrannt.[2][3]

Ein weiteres Problem der Überschallverbrennung besteht in der kurzen Verweilzeit der Luft im Triebwerk. Dadurch kann sich der Treibstoff schlechter mit der Luft und dem darin enthaltenen Sauerstoff durchmischen. Dieses Problem ist durch geeignete Maßnahmen bei der Triebwerksausgestaltung zu lösen.

Der Scramjet besitzt weiterhin einen Isolator, ein Rohrstück mit konstantem Querschnitt, um die bei Geschwindigkeiten über Mach 3 drohenden ungewollten Verdichtungsstöße und Blockaden zu verhindern.

Scramjet-Flüge

Der erste Nachweis von Überschallverbrennung in einem Flugkörper gelang am 30. Juli 2002 mit dem Versuch HyShot2 durch die HyShot Group der University of Queensland, Australien. Im Gegensatz zur X-43 der NASA war der hierbei verwandte Scramjet allerdings nicht in einen aerodynamischen Flugkörper integriert. Das Versuchstriebwerk wurde durch eine zweistufige Boosterrakete auf einer parabelförmigen Bahn in die Höhe geschossen, um beim Herabfallen in ca. 30 km Höhe den eigentlichen Versuch durchzuführen. Die erreichte Fluggeschwindigkeit betrug ca. Mach 7,6.

Die US-amerikanische NASA führte ihre Versuche mit dem X-43A-Flugkörper dagegen auf horizontalen Flugbahnen durch. Am 26. März 2004 erreichte der unbemannte Flugkörper mit Hilfe des Scramjet-Antriebs die siebenfache Schallgeschwindigkeit und hielt sie für einige Sekunden. Die nötige Operationsgeschwindigkeit für das Scramjet-Triebwerk wurde durch eine Pegasus-Trägerrakete erreicht.

Am 16. November 2004 erreichte die NASA mit ähnlichem Versuchsaufbau knapp Mach 10. Dabei wurde die Pegasus-Trägerrakete mit der X-43A von einer B-52 in 12 km Höhe aus gestartet. Der eigentliche Flug der X-43A dauerte knapp 20 Sekunden auf über 33 km Höhe und erreichte Mach 9,8 (etwa 11.000 km/h oder 3,05 km/s).

2007 erreichte der Experimentalflugkörper HyCAUSE (Hypersonic Collaborative Australia/United States Experiment) über dem Versuchsgelände Woomera in Australien, Mach 10.[4][5][6]

2009 wurden Testflüge im HIFiRE(Hypersonic International Flight Research Experimentation)-Programm fortgesetzt.[7]

Sonderformen

Unterschiedliche Wege der Luft durch das J58-Triebwerk der SR-71 bei verschiedenen Geschwindigkeiten
Test des Pratt & Whitney Rocketdyne SJY61-Triebwerks für die Boeing X-51 beim Übergang zu JP-7

Im Projekt Pluto wurde Ende 1950er Jahre mit hohem Aufwand ein nuklearer Ramjet entwickelt, der im Tiefflug mit Mach 3 eine Anzahl von H-Bomben in die UdSSR tragen sollte. Das Triebwerk wurde 1961 erfolgreich getestet, das Projekt jedoch aus politischen Gründen eingestellt, bevor eine Flugerprobung begann.

Das Aufklärungsflugzeug Lockheed SR-71 besitzt Pratt & Whitney J58 Triebwerke, die als variable-cycle-Triebwerk Turbo- und Ramjet-Funktionen in sich vereinen: Bei niedrigen Geschwindigkeiten wird allein die Turbojet-Funktion genutzt, ab Mach 3 wird durch Verschiebung des Einlasskonus ein Teil des Luftstromes an den Turbinen vorbei als Ramjet genutzt, bei der Höchstgeschwindigkeit von Mach 3,2 entstehen dann 80 % des Schubs auf diese Weise.

Die US-Konzerne Pratt & Whitney und United Technologies haben im Rahmen des FALCON-Programms ein Triebwerk entwickelt, das sowohl Unter- als auch Überschallverbrennung in einem einzelnen Triebwerk ermöglicht. Es kann im Geschwindigkeitsbereich von Mach 2,5 bis Mach 6 arbeiten, wobei der letzte Test im September 2007 stattfand.

Siehe auch

Literatur

  • W. H. Heiser, D. T. Pratt: Hypersonic Airbreathing Propulsion. American Inst. of Astronautics and Aeronautics, Reston 1994, ISBN 1-56347-035-7.
  • E. T. Curran: Scramjet propulsion. American Inst. of Astronautics and Aeronautics, Reston 2000, ISBN 1-56347-322-4.
  • Corin Segal: The scramjet engine – processes and characteristics. Cambridge Univ. Press, Cambridge 2009, ISBN 978-0-521-83815-3.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Umgerechnet aus „ca. 200 mph“: Web Archive: Ramjet Performance Primer.
  2. Deutschlandfunk: Im Hyperschalltempo über den Pazifik.
  3. spaceflightnow.com/news/n1005/16waverider/.
  4. Scramjet hits Mach 10 over Australia newscientist.com.
  5. DARPA scramjet nudges Mach 10 theregister.co.uk.
  6. HyShot uq.edu.au; HyShot en.wikipedia.org, abgerufen am 14.Mai 2011.
  7. Woomera hosts first HIFiRE hypersonic test flight dailytelegraph.com.au, abgerufen am 14.Mai 2011.

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