Stefan Keller

Stefan Keller

Stefan Keller (* 18. Februar 1958 in Birwinken, Kanton Thurgau) ist ein Schweizer Schriftsteller, Journalist und Historiker.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Nach der Matura (1976) studierte er Germanistik, Geschichte und Philosophie an der Universität Konstanz sowie an der Freien Universität Berlin. 1982 schloss er sein Studium mit einer Arbeit über zeitgenössische Lyrik ab (Abschluss Magister Artium). Danach unterrichtete Keller von 1982 bis 1985. Später begann er als freier Autor zu publizieren. Ab 1984 war er Lektor und Hersteller im sozial-geschichtlichen Drumlin-Verlag in Weingarten (Deutschland). Prägende Freundschaften mit dem linken Arboner Journalistenpaar Ernst und Gerda Rodel-Neuwirth sowie mit Niklaus Meienberg. Seit 1988 ist Stefan Keller Redaktor der Wochenzeitung (WOZ) in Zürich. Für sein zweites Buch „Grüningers Fall“ hat ihm 1997 die Universität Basel nachträglich einen Doktortitel verliehen.

1998 wurde Stefan Keller Vizepräsident der neu gegründeten Paul Grüninger Stiftung in St. Gallen. Seit 2000 ist er im Stiftungsrat der Kulturstiftung des Kantons Thurgau und seit Ende 2005 ist er Präsident des Sektors Presse der Mediengewerkschaft comedia. 1990 und 1994 erhielt Stefan Keller den Zürcher Journalistenpreis. Ebenfalls 1990 wurde er mit dem Publizistikpreis des Landes Kärnten ausgezeichnet. Ein Stiftungshonorar der Hans Habe Stiftung bekam er 1998.

Seine ersten Bücher „Maria Theresia Wilhelm, spurlos verschwunden“ (1991), über die psychiatrische Verfolgung einer Bergbauernfamilie, und „Grüningers Fall“ (1993), über den Polizeihauptmann Paul Grüninger, der 1938/39 mehrere hundert, vielleicht einige tausend jüdische Flüchtlinge rettete, waren international betrachtete Erfolge.

„Die Zeit der Fabriken“ (2001), die dritte grosse historische Reportage Kellers aus der Ostschweiz, erzählt die Geschichte der Lastwagenfabrik Saurer und ihrer Arbeiter, die exemplarische Geschichte der «roten» Stadt Arbon am Bodensee im 20. Jahrhundert. Kellers viertes Buch «Die Rückkehr» (2003) berichtet vom jüdischen Flüchtling Joseph Spring, der 1943 als Sechzehnjähriger von Schweizer Grenzwächtern an die Gestapo ausgeliefert wurde, Auschwitz überlebte und 55 Jahre später zurückkehrte, um von den Schweizer Behörden Gerechtigkeit zu verlangen. Eine Wiedergutmachungsklage Joseph Springs gegen die Schweizerische Eidgenossenschaft wurde am 21. Januar 2000 vom Schweizer Bundesgericht abgelehnt.

Bücher

Als Autor:

  • Maria Theresia Wilhelm, spurlos verschwunden. Geschichte einer Verfolgung, Zürich 1991 (französische Übersetzung: Absence prolongée, Lausanne 1993).
  • Grüningers Fall. Geschichten von Flucht und Hilfe, Zürich 1993.
(französische Übersetzung: Délit d'humanité, Lausanne 1994).
  • Die Zeit der Fabriken. Von Arbeitern und einer roten Stadt, Zürich 2001.
(französische Übersetzung: Le Temps des fabriques, Lausanne 2003).
  • Die Rückkehr. Joseph Springs Geschichte (2003).

Als Herausgeber:

  • Leben, Lieben, Leiden im Büro. Geschichten aus der sauberen Arbeitswelt, Zürich 1991 (Hrsg. zusammen mit Marianne Fehr und Jan Morgenthaler)
  • Vom Wert der Arbeit. Schweizer Gewerkschaften – Geschichte und Geschichten, Zürich 2006 (Hrsg. zusammen mit Valérie Boillat, Bernard Degen, Elisabeth Joris, Albert Tanner und Rolf Zimmermann; französische Übersetzung: La valeur du travail, Lausanne 2006)

Öffentliche Werkbeiträge

  • 1991: Lotteriefonds des Kantons St. Gallen (für «Grüningers Fall»).
  • 1998: Kulturstiftung des Kantons Thurgau (für «Die Zeit der Fabriken»).
  • 1999: Kulturstiftung Pro Helvetia und Kulturförderungskommission des Kantons Zürich (für «Die Rückkehr»).
  • 2005: Förderbeitrag des Kantons Thurgau.
  • 2008/2009: London-Stipendium der Landis & Gyr Stiftung Zug.

Werke

Die Rückkehr: Joseph Springs Geschichte

Der Berliner Jugendliche Joseph Sprung wurde von den Nazis durch halb Europa gejagt. Er lebte mit falschen Papieren in Brüssel, Montpellier und Bordeaux und arbeitete sogar unerkannt als Dolmetscher. Er überstand Invasionen und Eisenbahn Katastrophen, hatte aber auch noch nie ein Mädchen geküsst, als er im November 1943 den Schweizer Grenzbehörden in die Hände fällt. Mit sechzehn Jahren wird der Flüchtige von den Schweizer Grenzwächtern an die Gestapo ausgeliefert und als Jude denunziert.

Über das Sammellager Drancy bei Paris, wurde er in das KZ Auschwitz verlegt. Sechzig Jahre später kehrt Joseph Sprung in die Schweiz zurück. Heute heisst er Joseph Spring, lebt in Australien und verlangt die ihm zustehende Gerechtigkeit. Wegen Beihilfe zum Völkermord klagte er die Schweizer Regierung an. In einem Aufsehen erregenden Prozess beschliesst das schweizerische Bundesgericht im Jahr 2000: Die Auslieferung eines jüdischen Jugendlichen an die Nazis kann gerichtlich nicht mehr beurteilt werden. Joseph Spring hatte zumindest eine symbolische Wiedergutmachung verlangt. Im November 2003 reiste er in die Schweiz zurück, um seine Geschichte zu erzählen: Die Geschichte eines Überlebenden, der ein ganzes Land verklagte, einen Prozess einging um Gerechtigkeit zu verlangen diesen verlor und dennoch das letzte Wort behält.

Die Zeit der Fabriken

Der Arbeiter Emil Baumann war bereits tot, als unerwartet sein einstiger Vorgesetzter Hippolyt Saurer starb. Ganz Arbon trauerte um den Lastwagenfabrikanten Saurer. Fast ganz Arbon hatte damals auch um Baumann getrauert, für dessen Tod nach Meinung der Arbeiter die Zustände in Saurers Fabrik verantwortlich waren. Emil Baumann starb nämlich kurz nach einer Auseinandersetzung mit seinem Chef Saurer. Wir schreiben das Jahr 1935 es beginnt alles mit zwei Toten. Der junge Dreher Emil Baumann begeht Selbstmord, weil ihn sein Meister schikaniert und weil er mit den neuen Arbeitsbedingungen nicht zurechtkommt. Sofort tritt die Kollegschaft in Streik. Dann stirbt der Unternehmer und Ingenieur Hippolyt Saurer.

Er erstickte nach einer Mandeloperation an seinem eigenen Blut. Ausgehend vom Tode dieser beiden Männer erzählt Stefan Keller die Geschichte einer Kleinstadt im Osten der Schweiz, ihrer Konflikte, Triumphe und Niederlagen. Die Stadt Arbon am Schweizer Bodenseeufer, wird von den „Roten“ (von den Sozialdemokraten, den Linken) regiert. Die Fabrik Adolph Saurer AG war und ist für ihre (Militär-) Lastwagen noch heute legendär. Arbon gilt als Beispiel für viele Orte in der Schweiz: „Die Zeit der Fabriken“ ist auch eine Geschichte der Schweizer Industrie und Arbeiterbewegung. Angefangen mit den Motorkutschen der Gründerzeit bis hin zu den Saurer- Vergasungslastwagen der Nazis. Von den grossen Streiks nach 1918 bis zum Abbau fast aller Arbeitsplätze in den 1990er-Jahren. Vom Widerstand eines Redaktors gegen Zensoren im Zweiten Weltkrieg bis zum „Abwehrkampf“ der Gewerkschaft gegen ausländische Kollegen.

Grüningers Fall

Die grosse historische Reportage über den St. Galler Polizeihauptmann Paul Grüninger, der in den 1930er-Jahren, seinem Gewissen und nicht den Gesetzen folgend, zahlreichen Juden und Jüdinnen das Leben rettete. Die Fakten sind bekannt: In den Jahren 1938/39 rettete der St.Galler Polizeihauptmann Paul Grüninger hunderten wenn nicht tausenden von österreichischen, jüdischen Flüchtlingen das Leben, indem er sie mit falschen Papieren ausstattete und ihnen so eine legale Einreise in die Schweiz ermöglichte. Wegen Amtsplichtverletzung und Dokumentenfälschung wurde er von seinem Dienst suspendiert, für sein Verhalten musste er schwer büssen. Er wurde zu einer Gefängnisstrafe verurteilt. Das Buch macht deutlich, dass heute nicht Grüninger auf der Anklagebank sitzen müsste, sondern die inhumane Flüchtlingspolitik der Schweizer Regierung während der Nazizeit.

Maria Theresia Wilhelm, spurlos verschwunden

Mitte der 1930er-Jahre lernt Maria Theresia Wilhelm als Gastarbeiterin den Schweizer Wildhüter Sandbühler kennen, der in der Folge seine erste Frau verlässt. Die Ehe zwischen Maria Theresia Wilhelm litt von Anfang an unter behördlichen Regelungen. Maria Wilhelms Mann, im Roman Ulrich Gantenbein genannt, wird bald nach der Eheschliessung in die Psychiatrische Klinik eingewiesen.

Seine Frau wurde von den Nachbarn kaum geduldet und zerbrach ebenfalls. Auch sie kam schliesslich in eine Psychiatrische Klinik und erlebte dort die aus heutiger Sicht unmenschlichen Therapiemethoden. Schliesslich wurde Maria Theresia Wilhelm im Juni 1960 entlassen. Unterwegs, um Schuhe zu kaufen verschwand sie auf mysteriöse Weise.

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