Stiftskirche St. Gallen

Stiftskirche St. Gallen
Die Ostfassade der Stiftskirche mit den charakteristischen Doppeltürmen

Die Stiftskirche St. Gallen (eigentlich Stiftskirche St. Gallus und Otmar) ist ein römisch-katholischer Kirchenbau in der Stadt St. Gallen in der Schweiz. Sie dient dem Bistum St. Gallen als Kathedrale und war seit ihrer Erbauung zwischen 1755 und 1766 bis 1805 die Kirche des Klosters St. Gallen. Die Stiftskirche wurde zusammen mit dem Stiftsbezirk 1983 als UNESCO-Welterbe in die Liste der schützenswerten Weltkulturgüter aufgenommen.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Der neu gebaute Stiftsbezirk auf einer Darstellung von 1769

Die Initiative zum Neubau der Stiftskirche geht ins 18. Jahrhundert zurück, als die alte Kirche des Klosters St. Gallen, die im Kern aus dem 9. Jahrhundert stammte, immer baufälliger wurde. Basierend auf den Plänen von Gabriel Loser und Johann Caspar Bagnato führte Peter Thumb zwischen 1755 und 1757 das Langhaus und die Rotunde aus. Der Abriss der alten Gebäude begann am 2. Mai 1755, die Grundsteinlegung für den Neubau fand am 29. August 1756 unter Abt Coelestin Gugger von Staudach im bereits teilweise fertigen Rohbau statt.

Die Innen- und Aussendekoration wurde von Johann Christian Wentzinger für 52.000 Gulden als Gesamtwerk ausgeführt, wobei er die meisten Arbeiten nicht persönlich ausführte, sondern sie nur entwarf, plante und konzipierte. Die Arbeiten am Kirchenschiff waren im Sommer 1760 im Wesentlichen abgeschlossen; am 15. November 1760 fand die Einsegnung statt.

Grundriss (mit dem inneren Klosterhof)
Das Innere der Stiftskirche St. Gallen

Der Neubau des Chors der Kirche wurde erst 1760 beschlossen. Bis dahin diente der alte gotische Chor als Notkirche. Die Bauleitung ging dafür von Peter Thumb auf Johann Beer über. Weitere Nebengebäude und die Türme wie auch die Innenausstattung wurden in den folgenden Jahren ausgeführt. Die Türme wurden 1766 als letzte Teile des Bauwerks vollendet, im Inneren dauerten kleinere Arbeiten noch bis 1772.

Die kühne Kuppelkonstruktion im Langhaus war bautechnisch schlecht ausgeführt worden, so dass bereits 1773 erste Renovationsarbeiten nötig wurden. Die Probleme der Statik konnten mit dem nachträglichen Einbau eines Gerüsts behoben werden.

Nach der Aufhebung des Klosters St. Gallen 1805 wurden kleinere Änderungen im Inneren der Kirche vorgenommen. Der Thron des Abtes wurde etwa versetzt und der Hochaltar zum Gemeindealtar umfunktioniert. Bauschäden machten weitere Renovationen notwendig, in deren Zuge Antonio Moretto bis 1824 mehrere Deckengemälde neu ausführte. Weitere umfassende Renovationen wurden 1841 bis 1845 (Ostfassade), 1866/1867 (umfassende Innenrenovation) und 1928 bis 1938 (umfassende Aussenrenovation) durchgeführt. Die letzte umfassende Renovation wurde von 2000 bis 2003 vorgenommen.

Seit 1824 ist die Stiftskirche Kathedrale des Bistums St. Gallen.

Bau und Ausstattung

Die Stiftskirche gilt als eine der letzten monumentalen Sakralbauten des Spätbarocks. Harmonisch gliedern sich der Rotunde nach Westen und Osten in symmetrischer Anlage Schiff und Chor an. Die malerische und plastische Ausstattung zwischen Rokoko und Klassizismus ist das Werk süddeutscher Meister. Die Stuckaturen stammen von den Gebrüdern Johann und Mathias Gigl, die Stuckreliefs von Johann Christian Wentzinger. Die Gemälde sind das Werk Joseph Wannenmachers.

Die Gemälde in der Rotunde zeigen die Ankunft Gottes in Gegenwart der Seligen, während in den Schiffskuppeln Gallus, Otmar, Magnus und Wiborada, die grossen Gestalten der Geschichte des Klosters, dargestellt sind. Das Doppel-Chorgestühl mit Reliefs aus dem Leben des heiligen Benedikt geht auf Joseph Anton Feuchtmayer zurück.

Die Doppeltürme der Ostfassade sind auf die Pfalzgebäude ausgerichtet. Sie sind 68 m hoch. Das Giebelrelief zeigt Mariä Himmelfahrt, unterhalb sind die Statuen der Heiligen Desiderius und Mauritius zu sehen.

Die Ostkrypta geht im Kern bis ins 9. Jahrhundert zurück. Hier befindet sich der Überlieferung zufolge das Grab des Heiligen Gallus. Ein Stück seines Schädels wird noch hier in einem Reliquiar gezeigt. In der Westkrypta befinden sich die Gruft des Heiligen Otmar und der Bischöfe von St. Gallen.

Die Kirche wird in der Mitte von einem türkis-goldenen Gitter abgetrennt. Es diente ursprünglich der Unterteilung zwischen dem Raum der Mönche und dem Raum der Kirchenbesucher. Heute wird die Messe am Altar unmittelbar vor dem Gitter gelesen, etwa in der Mitte der Kirche.

Die Fassade ist, bis auf die Ostseite mit den Türmen, sehr schlicht gehalten. Einzig die vier Statuen, die den Eingang auf der Nordseite prägen, stechen hervor.

Orgeln

Die Stiftskirche verfügt über drei Orgeln: die grosse Domorgel auf der Westempore, sowie die Epistel- und die Evangelienorgel im Chor.

Die Geschichte der Orgeln reicht weit ins Mittelalter zurück. In der Zeit seit dem barocken Umbau der Kirche begnügte man sich lange mit den beiden Chororgeln, die 1768 und 1770 von Viktor Ferdinand Bossard (1699-1772) gebaut worden waren. Erst 1808-1810 erhielt die Kirche eine grosse Westempore für eine neue, grosse Hauptorgel, die 1811-1815 von Franz und Josef Frosch (München)erbaut wurde. Dieses Instrument hatte 60 Register auf vier Manualen und Pedal. Das Orgelgehäuse wurde 1811 von dem Stuckateur und Bildhauer Josef Simon Mosbrugger (Tschoppernau, Bregenzer Wald) erbaut. Die „Frosch“-Orgel wurde von 1872 bis 1875 von Johann Nepomuk Kuhn völlig umgebaut, wobei ein Manual wegfiel. Es hatte 55 Register, von denen 14 ganz oder teilweise neu gefertigt wurden. Das Gehäuse blieb unverändert.

Hauptorgel

Hauptorgel

Im Zuge der Gesamtrestaurierung der Kirche (1961 bis 1967) wurde die heutige Hauptorgel konzipiert und 1968 durch Orgelbau Kuhn (Männedorf) gebaut. Von der alten Orgel von 1815 wurden nur die beiden seitlichen Pedaltürme übernommen. Im Übrigen wurde der Aufbau völlig neu entworfen. Das Instrument hat Schleifladen und mechanische Trakturen.

I Positiv C–g3
Quintatön 16′
Harfenprincipal 8′
Copula 8′
Principal 4′
Rohrflöte 4′
Sesquialtera II 22/3
Superoctave 2′
Octävlein 1′
Mixtur III 2/3
Dulcian 16′
Krummhorn 8′
Schalmei 4′
Tremulant
II Hauptwerk C–g3
Principal 16′
Gambe 16′
Praestant 8′
Offenflöte 8′
Gemshorn 8′
Quinte 51/3
Octave 4′
Koppelflöte 4′
Pommer 4′
Terz 31/5
Quinte 22/3
Octave 2′
Flachflöte 2′
Cornett V 8′
Grossmixtur V-VII 2′
Kleinmixtur IV 11/3
Bombarde 16′
Trompete 8′
III Schwellwerk C–g3
Gedackt 16′
Holzoctave 8′
Metallgedackt 8′
Viola 8′
Unda Maris 8′
Principal 4′
Harfpfeife 4′
Querflöte 4′
Quinte 22/3
Nachthorn 2′
Terz 13/5
Plein jeu IV 2′
Basson 16′
Trompette harm. 8′
Hautbois 8′
Clairon 4′
Tremulant
IV Kronwerk C–g3
Rohrgedackt 8′
Quintade 8′
Principal 4′
Spitzgedackt 4′
Flautino 2′
Zink III 13/5
Nasat 11/3
Scharf V 1′
Farbcymbel III 1/14
Holzregal 16′
Vox Humana 8′
Tremulant
Pedal C–f1
Principal 32′
Praestant 16′
Flötbass 16′
Subbass 16′
Octave 8′
Spitzflöte 8′
Basszink III 51/3
Octave 4′
Blockflöte 4′
Mixtur V 22/3
Piffaro 2′
Kontrafagott 32′
Posaune 16′
Fagott 16′
Trompete 8′
Clairon 4′
Singend Cornett 2′
  • Koppeln: IV/I;, III/II; I/II; III/I; III/P; II/P; I/P.
  • Balanciers

Chororgeln

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Die beiden Chororgeln wurden 1768 und 1770 von Viktor Ferdinand Bossard (1699-1772) erbaut. Sie sind spiegelbildlich zueinander angeordnet und befinden sich im Chorraum, jeweils seitlich über dem Chorgestühl. Die Spieltische sind links und rechts in das Chorgestühl eingebaut. Die Orgeln wurden 1966-1967 durch Orgelbau Mathis restauriert.

I Epistelorgel C–f3
Gross Bourdon 16′
Principal 8′
Copell 8′
Quintatön 8′
Viola (Schwebung) 8′
Octav 4′
Flut dous 4′
Flageolett 2′
Larigott 11/3
Fournitur III 2′
Cornetto II 22/3
Trompeten 8′
Pedal Epistelorgel C–d1
Praestant 16′
Subbass 16′
Principal 8′
Cello 8′
Mixtur III 4′
Bombard 16′
Trompeten 8′
II Evangelienorgel C–f3
Principal 8′
Gamba 8′
Copell 8′
Flaut travers 8′
Octav 4′
Flauto 4′
Quint fleuten 22/3
Superoktav 2′
Tertia 13/5
Mixtur III 11/3
Vox humana 8′
Tremolo
Pedal Evangelienorgel C–d1
Subbass 16′
Principalbass 8′
Cello 8′
Octava 4′

Geläut

Die Stiftskirche verfügt über ein eindrucksvolles barockes Geläut. Die 9 Glocken in den beiden Türmen stammen von unterschiedlichen Giessern, die grösstenteils im Bodenseeraum tätig waren. Die beiden grossen Glocken im rechten Turm der Ostfassade sind bedeutende Zeugnisse der Zuger Glockengiesser Keiser. Aufgrund dieser Glocken ist das Geläut das tontiefste der Schweiz. Die Dreifaltigkeitsglocke übertrifft sogar die Berner Münsterglocke an Tontiefe.

In den beiden Turmlaternen sind zwei weitere Glocken untergebracht.

Musiktheoretisch gesehen entspricht das Gesamtgeläut keiner erkennbaren harmonischen oder melodischen Struktur.

Nr. Name Gussjahr Giesser, Gussort Masse(kg) Nominal Inschrift/Bemerkung
1 Dreifaltigkeit 1768 Peter Ludwig I. Keiser ca.8100 e0
2 Herz Jesu 1767 Peter Ludwig I. Keiser 5400 g0
3 Muttergottes 1633 Jean Girard, La Mothe (Lothringen) 2750 h0
4 Michael / Ave Maria 1767 Peter Ludwig I. Keiser 1950 cis1
5 Gallus / Konventsglocke 1702 Andreas Aporta, Feldkirch 1700 d1
6 Schutzengel 1766 Johann Heinrich Ernst, Lindau 1202 f1
7 Heiligkreuz 1772 Johann Leonhard IV. Rosenlächer, Konstanz 552 a1
8 St. Johannes 1707 J. B. Ernst /Andreas Aporta, Feldkirch 492 c2
9 Armen-Seelen 1616 Hieronymus Gesus, Konstanz 403 dis2

Ansichten

Siehe auch

Literatur

  • Erwin Poeschel: Die Kunstdenkmäler des Kantons St. Gallen. Band III: Die Stadt St. Gallen: Zweiter Teil – das Stift. Birkhäuser, Basel 1961.

Weblinks

 Commons: Stiftskirche St. Gallen – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

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