TGV Duplex

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TGV Duplex auf der LGV Méditerranée, kurz vor Avignon

Der TGV Duplex ist eine Bauart des französischen Hochgeschwindigkeitszuges TGV. Sie wurde entwickelt, um höhere Kapazität auf der überlasteten Hochgeschwindigkeitsstrecke LGV Sud-Est anbieten zu können.

Ein Zug wird aus zwei Triebköpfen und acht doppelstöckigen Mittelwagen gebildet. Die Triebzüge befinden sich im Eigentum der Société nationale des chemins de fer français (SNCF). Der erste Zug wurde 1996 ausgeliefert; es folgten mehrere Nachbestellungen. Die Züge erreichen eine Höchstgeschwindigkeit von ca. 320 km/h. Beim Bau wurden statt Stahl Aluminium und Verbundwerkstoffe eingesetzt. Am 3. April 2007 wurden von der SNCF 80 weitere TGV-Duplex-Garnituren bestellt.

Mit dem Duplex begann die dritte Generation der französischen Hochgeschwindigkeitszüge. Mit den zwei Sitzebenen und einer Kapazität von 545 Sitzplätzen pro Zug bietet der Duplex die höchste Sitzplatzkapazität aller TGV-Triebzüge. Die Duplex-Triebzüge erbringen heute die größte Beförderungsleistung im TGV-System.

Inhaltsverzeichnis

Entwicklung

Triebkopfende des TGV Duplex im Bahnhof von Marseille
Zweistöckige Mittelwagen erhöhen die Beförderungskapazität um 45 % gegenüber einem einstöckigen TGV

Wenn eine Hochgeschwindigkeitsstrecke sich ihrer Kapazitätsgrenze nähert, gibt es mehrere Möglichkeiten, die Kapazität zu erhöhen. Durch Verkürzung der Blockabschnitte, also des räumlichen Abstands zwischen zwei Zügen, kann man die Anzahl der Züge auf der Strecke und damit deren Beförderungskapazität erhöhen. Aus diesem Grund sind kompliziertere elektronische Zugsignalsysteme und hochleistungsfähige, zur Verkürzung des Bremsweges notwendige Bremsen erforderlich. Wenn diese Möglichkeiten bis zu einem gewissen Maße – auf einigen vom TGV befahrenen Streckenabschnitten beträgt die Zugfolge nur noch drei Minuten – ausgeschöpft sind, werden durch die technischen Schwierigkeiten, die bei der Verbesserung der Bahnsignal- und Bremstechnik auftreten, auch andere Lösungen interessant.

Die Strecke LGV Sud-Est von Paris in den Südosten Frankreichs nach Lyon ist die am stärksten belastete Hochgeschwindigkeitsstrecke in Frankreich und hat seit ihrer Eröffnung 1981 schon fast die Kapazitätsgrenze erreicht. Zur Entschärfung dieses Problems wurden je zwei Zugeinheiten gefahren, aber auch das bot noch keine ausreichende Passagierkapazität. Dazu kam der Nachteil, dass auch die Bahnsteige in den Bahnhöfen eine für den Zugverband ausreichende Länge aufweisen mussten. Es blieb nur die Möglichkeit, die Züge höher zu bauen. Das war die Idee für den TGV Duplex, in dem die Fahrgäste auf zwei Ebenen übereinander sitzen sollten. Damit wurde die Fahrgastkapazität um 45 % gegenüber einem gleich langen einstöckigen TGV erhöht.

Wie bei allen anderen TGV-Zugtypen können zwei TGV-Duplex-Zugeinheiten gekoppelt eingesetzt werden. Auch gemischte Zugkompositionen aus einem TGV Duplex und einem TGV Reseau sind häufig zu sehen.

Geschichte

Die erste Klasse des TGV Duplex

Die Machbarkeitsstudie für den Duplex war 1987 abgeschlossen. 1988 wurde ein Modell in Originalgröße gebaut, um die Reaktion der Kunden auf das Doppelstockkonzept zu testen, das bis dahin eher mit Regional- und Nahverkehrszügen für Pendler als mit Hochgeschwindigkeitszügen für den Fernverkehr in Verbindung gebracht wurde. Ein TGV Sud-Est wurde zur Simulation der unteren Zugebene mit der Innenausstattung der unteren Zugebene eines Doppelstockzuges im Betriebseinsatz getestet und etwas später in jenem Jahr wurde ein anderer TGV Sud-Est umgebaut, um das dynamische Verhalten eines Zuges mit einem höheren Schwerpunkt zu ermitteln. Die Gespräche mit GEC-Alsthom begannen wenig später und im Juli 1990 erhielt die Firma den Auftrag, einen Zug des Typs TGV-2N, wie er damals genannt wurde, zu bauen. Die Einzelheiten des Auftrags wurden nicht vor der offiziellen Bekanntgabe zu Beginn des Jahres 1991 veröffentlicht. Von diesem Zeitpunkt an bis zu ersten Tests eines doppelstöckigen Zuges im November 1994 mussten einige technische Hürden genommen werden. Kurz nach der ersten Probefahrt konnte bereits ein Triebzug mit acht Wagen bei einer Geschwindigkeit von 290 km/h auf der Süd-Ost-Strecke getestet werden. Der Triebzug wurde zu diesem Zeitpunkt noch von Triebköpfen des TGV Réseau angetrieben, da sich die Triebköpfe des TGV Duplex noch in Entwicklung befanden. Der erste Triebkopf des TGV Duplex wurde am 21. Juni 1995 mit den Doppelstockwagen gekoppelt.

Im Spätsommer 1999 bestellte die SNCF zwölf weitere TGV-Duplex-Einheiten für den Einsatz auf der LGV Méditerranée. Zu diesem Zeitpunkt verfügte die SNCF über 30 LGV-Duplex-Züge. Die neuen Züge sollten 545 Sitzplätze beinhalten und bis Ende 2002 ausgeliefert sein.[1]

Im Herbst 2000 bestellte die SNCF weiter 22 TGV-Duplex-Züge. Das Auftragsvolumen belief sich auf insgesamt rund 420 Millionen Euro bzw. 19 Millionen Euro je Zug[2], die Auslieferung war zwischen Oktober 2002 und Februar 2004 vorgesehen. Jeweils die beiden Wagen der 1. Klasse, je ein Wagen der 2. Klasse und sechs Laufdrehgestelle sollten dabei von Bombardier gefertigt werden. Der Anteil des Unternehmens lag bei 74 Millionen Euro. Darüber hinaus wurde eine Option auf 60 weitere Züge abgeschlossen.[3] Während Anfang 2004 noch die Auslieferung der im Oktober 2000 bestellten Züge lief, sollten in den Jahren 2005 und 2006 18 weitere Züge ausgeliefert werden, die im November 2001 bestellt worden waren.[4]

Anfang 2004 bestellte die SNCF sieben weitere komplette TGV-Duplex-Garnituren sowie 15 Acht-Wagen-Kompositionen ohne Triebköpfe. Der Wert des an Alstom Transport und Bombardier Transportation vergebenen Auftrags beläuft sich auf 305 Millionen Euro, wovon 231 Millionen Euro auf Alstom entfielen. Die Fahrzeuge sollten unmittelbar im Anschluss an die im November 2001 bestellte Serie, ab Januar 2006, ausgeliefert werden.[4]

Alstom bot der Deutschen Bahn AG auf eine Ausschreibung von Viersystem-Hochgeschwindigkeitstriebzügen im März 2008 eine Weiterentwicklung des TGV Duplex an. Die Züge mit der Bezeichnung RGV 2N2 wurden – ohne weitreichende Veränderungen – an die Bedürfnisse der DB angepasst. Als nachteilig erwies sich der hohe Aufwand, die Triebköpfe für 1,5/3 kV Gleichspannung zu ertüchtigen. Ferner wären grundlegende Änderungen bei Instandhaltung, Catering und Fahrzeugsoftware erforderlich gewesen. Als nachteilig erwies sich auch die fehlende Möglichkeit, die Fahrzeuge mit vorhandenen DB-Hochgeschwindigkeitszügen zu kuppeln. Die DB entschied sich letztlich Ende 2008 für das konkurrierende Angebot des Velaro D.[5]

Ab 2011 soll die zweite Generation des TGV Duplex auch zwischen Paris und München (über Stuttgart) zum Einsatz kommen.[6]

Am 30. Mai 2011 übergab Alstom-Chef Patrick Kron den ersten von 55 TGV-Duplex-Triebzügen der 3. Generation an SNCF-Präsident Pepy. Die ersten beiden neuen Triebzüge sollen Ende 2011 in den kommerziellen Betrieb gehen. Die Auslieferung der übrigen Einheiten soll bis 2014 andauern. Diese Züge wurden im Juni 2007 bestellt. Sie berücksichtigen unter anderem Änderungen aufgrund der TSI und verfügen über eine Viersystemausrüstung (für Frankreich, Niederlande, Schweiz und Luxemburg). Einige Einheiten sind darüber hinaus für den Betrieb in Spanien geeignet.[7]

Ab 2012 sollen die Züge in Deutschland in Doppeltraktion verkehren können. Dafür fanden ab Oktober 2010 Testfahrten in Süddeutschland statt. 2011 sollen Zulassungsfahrten folgen.[8]

Weiterentwicklung

Die TGV-Duplex-Züge wurden im Lauf der Zeit kontinuierlich weiterentwickelt.

  • Wagenkästen aus Aluminium − Die maximal zulässige Achslast von 17 Tonnen machten eine starke Gewichtsreduzierung erforderlich. Eine Aluminium-Strangpress-Konstruktion wie bei den deutschen ICE-Zügen führte für die gesamte Struktur zu einer Gewichtsreduzierung von 20 %.
  • Verbesserte Formgebung und aerodynamische Gestaltung − Die Nase der Triebköpfe und der Übergang zwischen den Wagen wurden dahingehend überarbeitet und verbessert, dass der Duplex bei einer Reisegeschwindigkeit von 300 km/h nur einen um 4 % höheren Luftwiderstand als ein normaler einstöckiger TGV aufweist. Die Nase unterscheidet sich erheblich von Coopers Originalentwurf und wurde, wie der gesamte Zug, von dem Industriedesigner Roger Tallon entworfen.
  • Aufprallsicherheit − Knautschzonen und eine stabile Auslegung der Fahrgastbereiche bieten im Falle eines Zusammenstoßes eine verbesserte Sicherheit. Der Rahmen der Triebköpfe ist so ausgelegt, dass er eine Dauerbelastung von 500 Tonnen von vorne aushalten kann und er verfügt über Sollbruchstellen, um die Aufprallenergie aufnehmen und damit unschädlich machen zu können.
  • Aktive Stromabnehmer − Der Stromabnehmer Faiveley CX des Duplex besitzt eine aktive Steuerung, die den Pantograph pneumatisch antreibt. Zwei kleine Gaszylinder in der Hebevorrichtung können die Steifigkeit des oberen Stromabnehmerbereichs beeinflussen, um den Kontakt des Stromabnehmers mit der Oberleitung bei jeder Geschwindigkeit sicherzustellen.
  • Alle Räder werden gebremst − frühere Versionen des TGV, darunter die von der Bahngesellschaft Eurostar eingesetzten Züge des Typs British Rail Class 373 verfügten nur auf den nicht angetriebenen Achsen über Scheibenbremssysteme. Die höhere Masse der Duplex-Triebköpfe erlaubt direkt auf den Rädern der angetriebenen Achsen die Installation von Backenbremsen (cheek discs) statt der Verwendung der herkömmlichen Klotzbremsen. Das erhöht zwar die Bremsleistung nicht so stark, schont aber die Radlauffläche und rauht sie weniger auf. Somit wird das Laufgeräusch während der Fahrt reduziert.
  • Geräuscharme Dachlüfter − Die Dachlüfter der TGV-Triebköpfe produzieren beim Halt im Bahnhof das am deutlichsten wahrzunehmende Geräusch, ein lautes Brummen. Um dieses Geräusch zu reduzieren, wurden die Dachlüfter überarbeitet und technisch anders ausgelegt.

Generationen

Die einzelnen Baureihen des TGV Duplex gliedern sich in mittlerweile vier Generationen:

  • 1. Generation: 89 Züge, mit den Nummern 201 bis 289, die unter 1,5 kV Gleichstrom und 25 kV, 50 Hz Wechselstrom verkehren können.
  • Réseau Duplex: 19 Züge, mit den Nummern 601 bis 619, die teilweise als Zweisystemzüge, ähnlich der ersten Generation, teilweise als Dreisystemzüge (Nummern 613-615), zusätzlich unter 3,0 kV Gleichstrom, ausgeführt wurden
  • Dasye: 52 Züge, mit den Nummern 701 bis 752, welche mit Triebköpfen des TGV POS ausgestattet sind.
  • 2N2: 2 Züge, 53 Züge weitere bestellt. Sollen zwischen 2010 und 2015 gebaut werden und als Dreisystemzüge ausgeführt werden.

Die Marokkanische Staatsbahn bestellte Mitte Dezember 2010 für 400 Millionen Euro 14 TGV-Duplex-Züge mit je acht Mittelwagen.[9]

Technische Daten

  • Bauzeitraum: 1995–1998 (1. Bauserie), 2001–2004 (2. bis 4. Bauserie), 2004–2006 (5. Bauserie), 2007–2009 (Duplex Dasy)
  • Einsatzgebiet: Alle TGV-Linien mit Ausnahme der LGV Est.
  • Höchstgeschwindigkeit: 320 km/h
  • Spannungssysteme: 25 kV 50 Hz Wechselspannung oder 1,5 kV Gleichspannung
  • Antrieb: 8 Drehstrom-Synchronmotoren, 8.800 kW (~12000 PS) bei 25 kV Versorgungsspannung.
  • Länge und Gewicht: 200 m / 380 Tonnen
  • Zusammensetzung: 1 Antriebseinheit + 8 Wagen + 1 Antriebseinheit, 545 Sitze
  • Kennzahlen: 23 kW/Tonne / 0,70 Tonnen/Sitz / 16,15 kW/Sitz
  • Äußerliche Kennzeichen: Sitzanordnung auf zwei Ebenen, einteilige Frontscheibe, runde Nase

Siehe auch

Weblinks

 Commons: TGV Duplex – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Meldung Weitere TGV Duplex für die SNCF. In: Eisenbahn-Revue International, Heft 10, Jahrgang 1999, ISSN 1421-2811, S. 433.
  2. Meldung Korrigenda und Nachtrag. In: Eisenbahn-Revue International, Heft 12/2000, ISSN 1421-2811, S. 549.
  3. Meldung Mehr TGV Duplex. In: Eisenbahn-Revue International, Heft 11/2000, ISSN 1421-2811, S. 511 f.
  4. a b Meldung SNCF erweitert TGV-Flotte. In: Eisenbahn-Revue International, Heft 3/2004, ISSN 1421-2811, S. 120.
  5. Frank Panier: Neue Hochgeschwindigkeitstriebzüge der DB für den internationalen Einsatz. In: Eisenbahntechnische Rundschau, Heft 9/2010, September 2010, ISSN 0013-2845, S. 520–530.
  6. Künftig doppelstöckige TGV bis München. Der Mobilitätsmanager (Onlineausgabe), 3. November 2010.
  7. Third generation TGV Duplex handed over . In: Railway Gazette International (Onlineausgabe), 2. Juni 2011.
  8. Probefahrt mit einem französischen Doppeldecker. In: DB Welt, Ausgabe Dezember 2010, S. 14.
  9. Marokko: Beschaffung von 14 TGV Duplex. Meldung auf Eurailpress.de, 15. Dezember 2010.

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