Hermann Aubin

Hermann Aubin

Hermann Aubin (* 23. Dezember 1885 in Reichenberg/Böhmen; † 11. März 1969 in Freiburg im Breisgau) war ein sudetendeutscher Historiker.

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Leben und Wirken

Aubin war seit 1920 am Institut für geschichtliche Landeskunde an der Universität Bonn als Gründer und 1. Direktor damit beschäftigt, Volkstumsforschung in den westlich an Deutschland angrenzenden Gebieten zu treiben, mit dem Ziel, diese Regionen, einschließlich der niederländisch- oder flämisch-sprachigen, früher oder später mit jedem Mittel in das Reich einzugliedern. Von 1925 bis 1929 war er Professor an der Justus-Liebig-Universität Gießen und dann bis 1945 (unterbrochen von einer Gastprofessur in Kairo Anfang der 1930er Jahre) an der Universität Breslau. Nach dem Krieg war er von 1946 bis 1954 Professor für mittelalterliche Geschichte an der Universität Hamburg.

Aubin beeinflusste wesentlich die Ostforschung in der Zwischenkriegszeit und im Nationalsozialismus. Bereits in der Zwischenkriegszeit prägte er zusammen mit Adolf Helbok, Max Hildebert Boehm und anderen die Historiographie nach ethnozentrisch-nationalen, rassistischen und antisemitischen Paradigmen. 1930 forderten sie die Wende zur Volksgeschichte.

Während des Nationalsozialismus zählte Aubin neben Albert Brackmann zu einer Gruppe national orientierter Historiker, die die „vernunftrepublikanische“ Phalanx der Gruppe um Meinecke und Oncken nach und nach aus den wissenschaftlichen Institutionen und Zeitschriften verdrängte. An seiner Breslauer Fakultät etablierte Aubin eine Professur für Rassenforschung. Als einzigem nationalsozialistischen Verband trat er der Nationalsozialistischen Volkswohlfahrt bei.[1].

Aubin war Mitverfasser einer Denkschrift vom 11. Oktober 1939 der „Publikationsstelle Berlin-Dahlem“ im Geheimen Preußischen Staatsarchiv zur „Eindeutschung Posens und Westpreußens“ und zur sofortigen „Umsiedlung“ von zunächst 2,9 Millionen Polen und Juden.[2] Bemerkenswerterweise wurden seine konzeptionellen Überlegungen zur Entwicklung des östlichen deutschen „Kulturbodens“ noch 1942 in Großbritannien gedruckt. 1944 wurde er zum korrespondierenden Mitglied der Bayerischen Akademie der Wissenschaften ernannt.

In der Bundesrepublik Deutschland trug Aubin wesentlich zur Wiedereinrichtung der Ostforschung bei. Nach einer Lehrstuhlvertretung in Göttingen 1945 hatte er von 1946 bis 1954 einen Lehrstuhl an der Universität Hamburg inne. 1949 gründete er den „Johann Gottfried Herder-Forschungsrat“ und war dessen Präsident von 1950 bis 1959. Ab 1952 gab er die Zeitschrift für Ostforschung heraus.[2] 1953 wurde er zum Präsidenten des Verbandes der Historiker Deutschlands gewählt und war dessen Vorsitzender bis 1958. Von 1932 bis 1967 war er zudem Alleinherausgeber der Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte (VSWG). Von 1959 bis 1964 war Aubin Präsident der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, der er seit 1932 angehörte; er leitete von 1959 bis 1968 die Abteilung „Deutsche Handelsakten des Mittelalters und der Neuzeit“.

Nach Eduard Mühle hat Aubin noch in den 1950er und 1960er Jahren die nationalsozialistische Ost- und Volkstumspolitik als positiven Beitrag zu einer Lösung der ostmitteleuropäischen Nationalitätenprobleme dargestellt.[3]

In den Vertriebenenverbänden und besonders im sudetendeutschen Milieu hatte Aubin großen Einfluss. Gegenüber Polen und Tschechen forderte er „Symbiose anstelle von Rivalität“. Erst in den 1970er Jahren geriet seine NS-Vergangenheit in die Kritik.

Literatur

  • Riccardo Bavaj: Kulturraumwissenschaft als Grenzverteidigung. Geohistorie und Raumideologie im 'Denkschriften-Krieg' der Weimarer Reichsreformdebatte, in Christophe Duhamelle, Andreas Kossert, Bernhard Struck (Hrsg.): Grenzregionen. Ein europäischer Vergleich vom 18. bis zum 20. Jahrhundert. Frankfurt 2007.
  • Michael Burleigh: Germany Turns Eastwards. A Study of Ostforschung in the Third Reich. Cambridge u. a. 1988.
  • Herbert Grundmann: Nekrolog Hermann Aubin. In: Deutsches Archiv für Erforschung des Mittelalters 25 (1969) S. 621.
  • Ingo Haar: Historiker im Nationalsozialismus. Deutsche Geschichtswissenschaft und der „Volkstumskampf“ im Osten. Göttingen 2000.
  • Eduard Mühle: Für Volk und deutschen Osten. Der Historiker Hermann Aubin und die deutsche Ostforschung. Düsseldorf 2005
  • Willi Oberkrome: Volksgeschichte. Methodische Innovation und völkische Ideologisierung in der deutschen Geschichtswissenschaft 1918–1945. Göttingen 1993.
  • Ferdinand Seibt: Hermann Aubin. Eine Würdigung zu seinem 80. Geburtstag. In: Sudetendeutscher Kulturalmanach 6 [1965], S. 172–175.
  • Ferdinand Seibt: Ostkunde und Ostforschung mit neuen Zielen, in: Horst Glassl, Franz Olbert (Hrsg.): Gräben und Brücken. Berichte und Beiträge zur Geschichte und Gegenwart Ostmitteleuropas. Festschrift für Ernst Nittner zum 65. Geburtstag. München 1980.
  • Henning Trüper: Die Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte und ihr Herausgeber Hermann Aubin im Nationalsozialismus. (= Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte: Beihefte; Nr. 181). Steiner, Stuttgart 2005, ISBN 3-515-08670-6.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Eduard Mühle: Hermann Aubin (1885-1969), Historiker. In: Portal Rheinische Geschichte.
  2. a b Ernst Klee: Personenlexikon zum Dritten Reich, Frankfurt 2003, S. 20f. ISBN 3-10-039309-0.
  3. Eduard Mühle: Der europäische Osten in der Wahrnehmung deutscher Historiker. Das Beispiel Hermann Aubin. In: Gregor Thum (Hrsg.): Traumland Osten. Deutsche Bilder vom östlichen Europa im 20. Jahrhundert. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2006, ISBN 3-525-36295-1, S. 110-137, hier S. 131.

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