Thesaurierungsbegünstigung

Thesaurierungsbegünstigung

Die Thesaurierungsbegünstigung ist eine steuerliche Regelung, die im Rahmen der Unternehmenssteuerreform in Deutschland ab 1. Januar 2008 eingeführt worden ist. Gesetzliche Grundlage ist § 34a des Einkommensteuergesetzes (EStG). Mit der Regelung ist eine Angleichung an die gesunkene Steuerbelastung für Kapitalgesellschaften beabsichtigt. Gleichzeitig soll ein Anreiz für eine bessere Eigenkapitalausstattung entstehen. In Deutschland gab es bereits in den Jahren 1931 und 1950 eine vergleichbare Regelung, die jedoch in beiden Fällen aufgrund mangelnder Praktikabilität zurückgenommen wurden.[1] [2]

Inhaltsverzeichnis

Funktionsweise

Nicht entnommene - also im Unternehmen belassene - Gewinne von Personenunternehmen (Mitunternehmer und Einzelunternehmer) werden auf Antrag ganz oder teilweise mit einem Steuersatz von 28,25 % (zzgl. Solidaritätszuschlag und ggf. Kirchensteuer) versteuert. Dies ist nur unter bestimmten Voraussetzungen nach § 34a Abs. 1 EStG möglich, wie z.B. eine Mindestgewinnbeteiligung von 10% bei Mitunternehmeranteilen.


Berechnung nicht entnommenen Gewinns nach § 34a Abs. 2 EStG

  Nach § 4 Abs. 1 oder § 5 EStG ermittelter Gewinn des Wirtschaftsjahres
 - maximum (0, Entnahmen im Wirtschaftsjahr - Einlagen im Wirtschaftsjahr)
 ------------------------------------------------------------------------
 = Nicht entnommener Gewinn


Außerbilanzielle Korrekturen

Die Behandlung von außerbilanziellen Hinzurechnungen und Abzügen sind im BMF - Schreiben vom 11. August 2008 geregelt.

  • Steuerfreie Gewinnanteile

Sind in dem nach § 4 Abs. 1 oder § 5 EStG ermittelten Gewinn steuerfreie Gewinnanteile (z.B. Auslandsgewinnanteile nach DBA, steuerfreie Teileinkünfte) enthalten, können diese nicht Gegenstand der Thesaurierungsbegünstigung sein. Eine Entnahme dieser steuerfreien Gewinnanteilen mindert zwar den nicht entnommenen Gewinn, allerdings um exakt den Wert, der ohnehin nicht thesaurierbar wäre. Dies hat zur Folge, dass steuerfreie Gewinnanteile zusätzlich entnommen werden können, ohne dass dies einen negativen Einfluss auf die Höhe des thesaurierungsfähigen Betrages hat.[3]

  • Nichtabzugsfähige Betriebsausgaben

Soweit der im zu versteuernden Einkommen enthaltene Gewinn aufgrund außerbilanzieller Hinzurechnungen entstanden ist, kann die Steuerermäßigung nicht in Anspruch genommen werden, da diese Beträge zusätzlich verauslagt wurden und damit nicht entnahmefähig sind. Dies gilt z. B. für die nach § 4 Abs. 5 EStG nichtabzugsfähigen Betriebsausgaben oder nach § 4 Abs. 5b EStG für die Gewerbesteuer.


Widerruf nach § 34a Abs. 1 Satz 5 EStG

Der Steuerpflichtige kann den Antrag auf Thesaurierungsbegünstigung bis zur Unanfechtbarkeit des Einkommensteuerbescheides des Folgejahres zurücknehmen. Diese Regelung wird als notwendig angesehen, um den Steuerpflichtigen nicht einem unkalkulierbaren Risiko bei Wahl der Thesaurierungsbegünstigung auszusetzen - insbesondere, wenn es im Folgejahr zu unvorhersehbaren Verlusten kommt.


Nachversteuerung

Wird die Thesaurierungsbegünstigung in Anspruch genommen, ermittelt das Finanzamt jedes Jahr den - potentiell - nachversteuerungspflichtigen Betrag nach § 34a Abs. 3 EStG:

  Nicht entnommener Gewinn
 - Steuerbelastung in Höhe von 28,25 % zzgl. Solidaritätszuschlag
 + Nachversteuerungspflichtiger Betrag des Vorjahres
 - Bereits festgesetzte Nachsteuer
 + Nachversteuerungspflichtiger Betrag aus Wirtschaftgut-Übertragungen auf diesen Betrieb
 - Nachversteuerungspflichtiger Betrag aus Wirtschaftgut-Übertragungen auf anderen Betrieb
 - Beträge, die für die Erbschaftsteuer(Schenkungsteuer)anlässlich der Übertragung des Betriebs oder Mitunternehmeranteils
  entnommen wurden
 ------------------------------------------------------------------------
 = Nachversteuerungspflichtiger Betrag

Werden die begünstigten Gewinne in einem späteren Wirtschaftsjahr entnommen, ist eine Nachversteuerung mit einem Steuersatz von 25 % (zzgl. Solidaritätszuschlag und ggf. Kirchensteuer) durchzuführen. Eine Nachversteuerung ist immer dann vorzunehmen, wenn der Saldo aus Entnahmen und Einlagen die Gewinne des laufenden Jahres übersteigt, also die Höhe des nicht entnommenen Gewinnes einen negativen Wert ausweist.

Darüber hinaus ist eine Nachversteuerung vorzunehmen, wenn der Betrieb

  • verkauft oder aufgegeben wird
  • in eine Kapitalgesellschaft oder eine Genossenschaft eingebracht oder umgewandelt wird
  • den Gewinn nicht mehr nach § 4 Abs. 1 Satz 1 oder § 5 ermittelt
  • oder wenn der Steuerpflichtige dies beantragt.

Spätestens mit Tod des Steuerpflichtigen wird also eine Nachversteuerung durchgeführt. Der Steuersatz für den ursprünglich begünstigen Betrag beträgt dann insgesamt 48,32 % Einkommensteuer inklusive Solidaritätszuschlag. Um die für den Steuerpflichtigen in Einzelfällen negativen Folgen abzumildern, hat man eine Reihe von Ausnahmen von der Nachversteuerung vorgesehen. So führt die Entnahme für die Zahlung der Erbschaft-/Schenkungsteuer nach § 34a Abs. 4 Satz 3 EStG nicht zur Nachversteuerung. Auch bei der Überführung oder Übertragung von einzelnen Wirtschaftsgütern in ein anderes Betriebsvermögen des Steuerpflichtigen nach § 6 Abs. 5 Satz 1–3 EStG kann auf Antrag die Nachversteuerung durch gleichzeitige Übertragung des nachversteuerungspflichtigen Betrags nach § 34a Abs. 5 EStG vermieden werden. Auch bei unentgeltlichen Übertragungen von Betrieben oder Mitunternehmeranteilen nach § 6 Abs. 3 EStG ist eine Nachversteuerung nicht vorgesehen, da der nachversteuerungspflichtige Betrag auf den Rechtsnachfolger übergeht (§ 34a Abs. 7 EStG).

BMF-Schreiben zu Unklarheiten [4]

Die Thesaurierungsbegünstigung gilt als komplizierte steuerliche Regelung, die einige unter Experten umstrittene Unklarheiten enthält, von denen einige erst durch ein Schreiben des Bundesfinanzministeriums (vom 11. August 2008, Az. IV C 6 - S 2290-a/07/10001) geklärt wurden.

  • Bei Inanspruchnahme der Thesaurierungsbegünstigung soll das nicht thesaurierbare Einkommen mit dem Steuersatz besteuert werden, mit dem es besteuert worden wäre, wenn keine Thesaurierungsbegünstigung in Anspruch genommen worden wäre. Dies war unter Experten umstritten, da die Thesaurierungsbegünstigung somit unter einer Art Progressionsvorbehalt steht, der im Gesetz jedoch nicht vorgesehen ist.
  • Die Gewerbesteuer soll ausdrücklich als "nichtabzugsfähige Betriebsausgabe" und nicht als "Entnahme" behandelt werden, was nach dem Wortlaut des Gesetzes auch möglich gewesen wäre, da sie in beiden Fällen keine abzugsfähige Betriebsausgabe mehr ist. Die wesentliche Auswirkung dieser Bestimmung ist jedoch, dass die Zahlung der Gewerbesteuer nicht durch eine Einlage in gleicher Höhe kompensiert werden kann.

Beide Festlegungen des BMF-Schreibens gelten als eher nachteilig für Unternehmer, die die Thesaurierungsbegünstigung in Anspruch nehmen wollen.

Gewerbesteuer und steuerfreie Gewinnanteile

Unklar ist die Saldierbarkeit von Gewerbesteuer und steuerfreien Gewinnanteilen. Die Gewerbesteuer als nichtabzugsfähige Betriebsausgabe erhöht das zu versteuernde Einkommen im Vergleich zum Bilanzgewinn. Steuerfreie Gewinnanteile hingegen mindern das zu versteuernde Einkommen. Es wird in der Literatur vereinzelt die Auffassung vertreten, dass beide Werte saldiert werden, und somit bei gleicher Höhe dazu führen können, dass doch der volle Bilanzgewinn thesauriert werden kann; [5] dies ist jedoch nicht unumstritten.

Beispiel: Der steuerpflichtige Gewinn (ohne Abzug von Gewerbesteuer und ohne Berücksichtigung steuerfreier Einnahmen) beträgt 70.000 €, es liegen steuerfreie Einnahmen in Höhe von 20.000 € vor und es muss Gewerbesteuer in Höhe von 20.000 € gezahlt werden. Unklar ist, ob in diesem Fall 70.000 € oder 50.000 € thesaurierbar sind.

Anwendung

Die Begünstigung der nicht entnommenen Gewinne i. S. d. § 34a EStG ist erstmals für den Veranlagungszeitraum (VAZ) 2008 anzuwenden (Vgl. § 52 Abs. 48 EStG).

Eine Tarifbegünstigung gibt es für nicht entnommenen Gewinne aus

Für Veräußerungsgewinne, bei denen der Steuerpflichtige den Freibetrag nach § 16 Abs. 4 EStG oder die Tarifermäßigung nach § 34 Abs. 3 EStG in Anspruch nimmt, ist eine Tarifbegünstigung nach § 34a EStG nicht möglich.

Kritik

In der Praxis wird davon ausgegangen, dass die nach der Thesaurierungsbegünstigung anfallende Steuerbelastung aus Mitteln zu begleichen ist, welche der regulären Besteuerung oder sonstigen Einkunftsquellen entnommen sind; im Gegensatz zu einer Begleichung der entfallenden Einkommensteuerschuld aus Mitteln, die ebenfalls nach § 34a EStG begünstigt worden sind. Letzteres ist aber aus dem Wortlaut des § 34a Abs. 3 Satz 2 Teilsatz 1 EStG zu interpretieren. Denn wäre z.B. die Einkommensteuerschuld durch private Mittel beglichen worden, so entstünde nach angeführtem Teilsatz ein nicht nachzuversteuernder Betrag in Höhe der theoretischen Steuerbelastung nach § 34a Abs. 1 EStG. Oder anders ausgedrückt, der nachzuversteuernde Betrag stimmt NICHT mit dem letztlich verbleibenden Thesaurierungsbetrag überein im Gegensatz zur allgemeinen Praxis bei Kapitalgesellschaften.

Die sinnvolle Anwendung der Thesaurierungsbegünstigung läge daher in der Geltendmachung der Begünstigung auf den Gewinn inkl. der nach § 34a EStG geschuldeten ESt und der Begleichung der sich daraus ergebenen Einkommensteuerschuld durch eine nicht abzugsfähige Ausgabe nach § 12 Nr. 3 EStG. Diese Praxis soll aber nach angeführtem BMF-Schreiben nicht möglich sein. U.a. deswegen ist die Behandlung von außerbilanziellen Korrekturen in der Literatur nicht unumstritten.[6]

Außerdem:

  • Altrücklagen, die nach erstmaliger Inanspruchnahme der Thesaurierungsbegünstigung entnommen werden, führen sofort zur Nachversteuerung. Es können also Gewinne, die vor Einführung der Regelung zum 1. Januar 2008 erzielt und im Unternehmen belassen wurden, ebenfalls nicht mehr nachversteuerungsfrei entnommen werden. Dies könnte dazu geführt haben, dass bis zum 31. Dezember 2007 sämtliches Altkapital entnommen oder durch Fremdkapital ersetzt wurde. Das Ziel der Eigenkapitalstärkung wurde dadurch gerade zunächst nicht erreicht.
  • Ein weiterer Kritikpunkt ist, dass nur Personengesellschaften, die den Gewinn durch Betriebsvermögensvergleich ermitteln, von der Regelung profitieren können.
  • Die Vorschrift gilt als äußerst kompliziert und führt daher keinesfalls zu einer Vereinfachung der Besteuerung.

Quellen

  • Gragert/Wißborn, NWB Fach 3, Seite 14621
  • Ley/Brandenberg, FR 2007, Seite 1085
  • Schultes-Schnitzlein/Keese, NWB Fach 3, Seite 14683
  • Thiel/Sterner, DB 2007, Seite 1099
  • Messerer, Unternehmensteuerreform 2008, Richard Boorberg Verlag, 2007, ISBN 978-3-415-03956-8
  • BMF-Schreiben vom 11. August 2008, Az. IV C 6 - S 2290-a/07/10001
  • Neubert, Bob/ Plenk, Tobias, Einfluss der Unternehmensteuerreform 2008 auf die Rechtsformwahl von Unternehmen, in: Steuern und Studium 2008, S. 37-44

Nachweise

  1. http://www.boorberg.de/sixcms/media.php/74/34a-Sonderband_Gesamt_gesamt_1.pdf
  2. Bühler, Ottmar (1953): Steuerrecht der Gesellschaften und Konzerne. 2. Aufl. Berlin, Frankfurt a.M., Seite 7
  3. Gesetzesentwurf mit Kommentar
  4. BMF Schreiben vom 11. August 2008
  5. Anmerkung Nr. 24
  6. Sonderdruck zu §34a EStG, Richard Boorberg Verlag
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