Unternehmenssteuerreform 2008

Unternehmenssteuerreform 2008
Basisdaten
Titel: Unternehmensteuerreformgesetz
2008


Art: Bundesgesetz
Geltungsbereich: Bundesrepublik Deutschland
Rechtsmaterie: Steuerrecht
FNA: -
Datum des Gesetzes: 14. August 2007
(BGBl. I S. 1912)
Inkrafttreten am: überwiegend 18. August 2007
GESTA: D047
Bitte beachten Sie den Hinweis zur geltenden Gesetzesfassung.

Die Unternehmensteuerreform 2008 in Deutschland ist ein gesetzliches Maßnahmenprogramm basierend auf dem Unternehmensteuerreformgesetz 2008 der Regierungskoalition aus CDU/CSU und SPD.

Inhaltsverzeichnis

Gesetzgebungsverfahren

Am 2. November 2006 war die Einigung über „Eckpunkte“ [1] [2] bekanntgegeben worden. Dieser Gesetzentwurf wurde am 14. März 2007 vom Bundeskabinett beschlossen. Das Gesetz wurde am 25. Mai 2007 vom Bundestag verabschiedet. Der Bundesrat hat dem Gesetz am 6. Juli 2007 zugestimmt. Es tritt zum 1. Januar 2008 bzw. im Fall der Abgeltungsteuer zum 1. Januar 2009 in Kraft..

Ziel der Steuerreform

Die Unternehmensteuerreform verfolgt nach der Regierungsbegründung im Wesentlichen die folgenden Ziele:

  • Steigerung der Attraktivität des Wirtschaftsstandortes Deutschland durch Senkung der tariflichen Ertragsteuerbelastung für Unternehmen
  • Rechtsformneutralität (Belastungsneutralität) und Finanzierungsneutralität der Unternehmensbesteuerung
  • Verbesserung der Planungssicherheit für Unternehmen und öffentliche Haushalte

Die nominale Steuerbelastung der Kapitalgesellschaften sinkt ab 2008 von 38,6 % auf 29,8 %. Dieser Wert gilt für einen Referenz-Hebesatz von 400 Prozentpunkten bei der Gewerbesteuer. Die tatsächliche Steuerbelastung kann je nach Kommune abweichen.

Personenunternehmen (Personengesellschaften und Einzelunternehmer) werden durch einen niedrigeren Steuersatz auf einbehaltene Gewinne entlastet (Thesaurierungsbegünstigung): Der Steuersatz beträgt dann 28,25 % statt des Spitzensteuersatzes von 45 % (42% zzgl. 3 % Reichensteuer) bei der Einkommensteuer, um eine Diskriminierung gegenüber den Kapitalgesellschaften zu vermeiden.

Insgesamt wird es für die Wirtschaft zu einer Nettoentlastung von 5 Mrd. € kommen, die jedoch sehr ungleich verteilt wird: Die Tarifsenkung hilft Kapitalgesellschaften mit viel Eigenkapital und wenig Verbindlichkeiten sowie mit hohen Gewinnen. Auch dauerhaft ertragreiche Personenunternehmen werden erheblich von der Thesaurierungsrücklage profitieren. Dagegen wird es durch die neuen Hinzurechnungen zu Mehrbelastungen insbesondere bei der Gewerbesteuer bei Unternehmen kommen, die hohe Mieten, Pachten oder Leasingraten haben.

Prognostizierte Kosten und Finanzierung

Das Bundesfinanzministerium berechnet für das Jahr 2008 steuerliche Mindereinnahmen von 6,6 Milliarden Euro, sowie 7,1 und 5,3 Milliarden Euro in den beiden Folgejahren. Die Netto-Entlastung der Unternehmen ist langfristig auf rd. 5 Mrd. € pro Jahr angesetzt.

Zur Gegenfinanzierung sollen u.a. der Wegfall des Betriebsausgabenabzugs der Gewerbesteuer, die Abschaffung der degressiven Abschreibung und die so genannte Zinsschranke dienen. Zum Ausgleich der Gewerbesteuermindereinnahmen der Kommunen wird der Vervielfältiger der Gewerbesteuerumlage temporär abgesenkt werden.

Einzelmaßnahmen

  • Senkung des bisherigen Körperschaftsteuersatzes von 25 % auf 15 %
  • Einführung einer Zinsschranke, die bis zu einem Freibetrag von 1 Mio. € und darüber hinaus bis zu 30% des EBITDA betragen darf.
  • Das bisherige Halbeinkünfteverfahren wird zum Teileinkünfteverfahren (60 % der Erlöse sind steuerpflichtig) und gilt nur noch für Gewinnausschüttungen, Veräußerungsgewinne etc. im Zusammenhang mit Beteiligungen an Kapitalgesellschaften, die sich im Betriebsvermögen von Einzelunternehmen oder Personengesellschaften befinden oder für Gewinne aus der Veräußerung privater Beteiligungen im Sinne des § 17 EStG (Beteiligung von mind. 1% am Gesellschaftskapital innerhalb der letzten fünf Jahre)
  • Wegfall der Bestimmungen zur Gesellschafter-Fremdfinanzierung
  • Sondersteuersatz von 28,25 % zzgl. Solidaritätszuschlag und ggf. Kirchensteuer für einbehaltene Gewinne bei Einzelunternehmern und Mitunternehmern von Personengesellschaften (Thesaurierungsbegünstigung). Werden diese thesaurierten Gewinne später entnommen, erfolgt eine Nachversteuerung mit einem Steuersatz von 25 %
  • Senkung der Gewerbesteuermesszahl von 5 % auf 3,5 %
  • Anhebung des Anrechnungsfaktors der Gewerbesteuer bei der Einkommensteuer von 1,8 auf 3,8 und Begrenzung der Anrechnung auf die tatsächlich gezahlte Gewerbesteuer
  • Wegfall des Betriebsausgabenabzugs der Gewerbesteuer
  • Wegfall des Staffeltarifs bei der Gewerbesteuer
  • Wegfall der 50-prozentigen Hinzurechnung von Dauerschuldzinsen bei der Gewerbesteuer. Im Gegenzug dafür Hinzurechnung von 25 % sämtlicher Fremdkapitalzinsen sowie von 25 % der Finanzierungsanteile von Mieten, Pachten, Leasingraten und Lizenzgebühren bei der Gewerbesteuer
  • Sicherung des nationalen Steuersubstrats sowie Regelungen zu Funktionsverlagerungen, Mantelkauf und zur Wertpapierleihe
  • Abschaffung der degressiven Abschreibung
  • Begrenzung der Sofortabschreibung für geringwertige Wirtschaftsgüter
  • Einführung eines Investitionsabzugsbetrags im Rahmen der Sonderabschreibungen nach § 7g EStG. Anhebung der Betriebsvermögensgrenze auf € 235.000
  • Einführung einer 25-prozentigen Abgeltungsteuer auf private Kapitalerträge und Wertpapier-Veräußerungsgewinne ab 2009; in diesem Zusammenhang werden die Voraussetzungen für den Kontenabruf durch Behörden und Gerichte neu geregelt.

Kritik

  • Gravierende nachteilige Folgen werden insbesondere für den Facheinzelhandel in Innenstädten befürchtet. Ursache hierfür ist die Hinzurechnung eines Teils des Finanzierungsanteils der Mieten, Pachten und Leasing-Raten zum Gewerbeertrag. Dadurch kann insbesondere der Einzelhandel in teuren Citylagen im Gesamtergebnis der Unternehmensteuerreform mehr be- als entlastet werden. Als Reaktion auf diese Kritik wurde im Jahressteuergesetz 2008 der Finanzierungsanteil von Mieten und Pachten von 75% auf 65% gesenkt.
  • Der Anrechnungsfaktor bei der Einkommensteuer wird als zu niedrig angesehen. Bei dem vorgesehenen Faktor von 3,8 ist Belastungsneutralität nur bis zu einem Gewerbesteuerhebesatz von ca. 380 Prozent gewährleistet. Das bedeutet für Großstädte mit Hebesätzen von über 400 Prozent einen deutlichen Standortnachteil.
  • Weiter wird befürchtet, dass die Verschlechterung der Abschreibungsbedingungen arbeitsplatzschaffende Realinvestitionen gegenüber Finanzinvestitionen benachteiligt und dadurch die Schaffung von Arbeitsplätzen abgebremst wird.
  • Die Unternehmensteuerreform 2008 wird nach Schätzung des Steuerexperten Lorenz Jarass nicht 5 Mrd. € sondern über 10 Mrd. € Steuerausfälle pro Jahr verursachen [3]. Zum einen wird die Regelung zu Funktionsverlagerungen als überwiegend wirkungslos prognostiziert und der erhoffte Selbstfinanzierungseffekt (von 3,5 Mrd. €) als reiner Hoffnungswert abgelehnt. Zum anderen bewirkt die Abschaffung der degressiven Abschreibung keine dauerhafte Steuererhöhung von 3 Mrd. € (wie geplant), sondern führt nur zu einem Vorziehen von Steuereinnahmen, denen in späteren Jahren entsprechend niedrigere Steuereinnahmen gegenüber stehen.

Einzelnachweise

  1. Eckpunkte
  2. Presseerklärung vom 2. November 2006 von Peer Steinbrück/Roland Koch
  3. Gutachten zur Unternehmensteuerreform 2008, siehe Tabelle Seite 10

Literatur

  • Blumenberg/Benz, Die Unternehmensteuerreform 2008, Erläuterungen und Gestaltungshinweise, Verlag Dr. Otto Schmidt ISBN 978-3-504-25375-2
  • Breithecker, Volker/Förster, Guido/Förster, Ursula/Klapdor, Ralf, UntStRefG, Unternehmensteuerreformgesetz 2008, Kommentar, Erich Schmidt Verlag, Berlin 2007, ISBN 978-3-503-10359-1
  • Ernst & Young (Hrsg.), Bundesverband der Deutschen Industrie (Hrsg.): Die Unternehmensteuerreform 2008, München 2007, ISBN 978-3-08-216601-7
  • Glutsch/Otte/Schult, Gabler Verlag, Das neue Unternehmensteuerrecht, 2008, ISBN 978-3-8349-0675-5
  • Messerer, Richard Boorberg Verlag GmbH & Co KG, 2007, Unternehmensteuerreform 2008, ISBN 978-3-415-03956-8

Quellen und Weblinks

Bitte beachte den Hinweis zu Rechtsthemen!

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