Thomas Drach

Thomas Drach

Thomas Drach (* 1961 in Erftstadt) ist ein deutscher Krimineller. Bekannt wurde er durch die Reemtsma-Entführung.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Jugend

Drach wuchs mit seinem knapp ein Jahr jüngeren Bruder Lutz in Erftstadt bei Köln auf.[1] Sein Vater war leitender Angestellter bei den Mielewerken, seine Mutter arbeitete als Sekretärin.[2] Nach Angaben seiner Mutter begann er sich mit 12 Jahren für Autos zu interessieren.[3] Im Alter von 13 wurde er das erste Mal von der Polizei aufgegriffen, weil er Autos geknackt hatte.[4] Trotzdem sei Drach als Kind niemals gewalttätig gewesen oder hätte sich mit anderen Kindern geprügelt, einzig ein Hang zu großen Auftritten sei damals schon bemerkbar gewesen.[5] Nachdem er das Gymnasium wegen schlechter Leistungen verlassen musste, begann Drach eine KFZ-Mechaniker-Lehre, die er aber wieder aufgab.[5] Mit 18 Jahren überfiel er einen Supermarkt.[4] 1981 führte er mit seinem Bruder Lutz einen aufsehenerregenden Überfall auf eine Kölner Sparkasse aus. Statt den Wagen vor der Bank zu parken, fuhren die beiden durch die Glasfront bis zu den Schaltern, bedrohten die Mitarbeiter mit Schrotgewehren und forderten das Geld.[6] Bereits kurz darauf wurden die beiden Brüder verhaftet. Noch im selben Jahr verließ der Vater die Familie.[1] Während Thomas Drach 1982 zu siebeneinhalb Jahren Gefängnis verurteilt wurde, musste sein Bruder Lutz eine zehnjährige Haftstrafe antreten. Nach seiner Entlassung wurden Drach kriminelle Geschäfte in Osteuropa nachgesagt, er pendelte regelmäßig zwischen Köln und Budapest.[7] Dort trat er mit einem gefälschten ungarischen Pass als Sandor Dulai auf, gelegentlich benutzte er auch das Pseudonym Piet Hellmann.

Die Reemtsma-Entführung

Hauptartikel: Reemtsma-Entführung

Am 25. März 1996 entführten Drach und seine Komplizen den Hamburger Soziologen und Tabakerben Jan Philipp Reemtsma von seinem Grundstück in Hamburg und hinterließen eine Lösegeldforderung über 20 Millionen DM. Das Schreiben war mit einer Handgranate beschwert worden. Reemtsma wurde zu dieser Zeit in einem Keller festgehalten und teilweise von Drach misshandelt.[8] Nachdem zwei Geldübergaben wegen zu offensichtlicher Polizeipräsenz gescheitert waren, erhöhte Drach als Kopf der Bande die Forderung auf 30 Millionen DM, zahlbar in deutscher und Schweizer Währung. Mit Hilfe des katholischen Pfarrers Christian Arndt, des Kieler Soziologen Lars Clausen und des Hamburger Sozialarbeiters Michael Herrmann konnte ohne Wissen der Polizei die Geldübergabe durchgeführt werden. Nach 33 Tagen in Gefangenschaft wurde Reemtsma am 26. April freigelassen. Zum Abschied sagte Drach zu seinem Opfer: „Sie erleben die Luxus-Version einer Entführung.“[9]

Flucht

Untersuchungshaftanstalt Hamburg

Drach mietete sich am 27. April, zwei Tage nach der Geldübergabe, in einer Kölner Pension ein.[10] Am 25. Mai fuhr er nach Frankreich und buchte am Flughafen Charles de Gaulle in Paris einen Flug nach Venezuela. Von dort reiste er zunächst nach Kuba und schließlich nach Uruguay, wo er mutmaßlich das Lösegeld waschen ließ und sich einem ausschweifenden Luxusleben hingab. Er bewohnte eine durch Wachen und Hunde bewachte Villa, für die er monatlich 30.000 Euro bezahlte. Drach tätigte diverse Autokäufe und benutzte dabei stets seine neue Identität, Anthony Lawlor aus Großbritannien.[11] Fast zwei Jahre nach seiner Flucht wurde der Kontakt zu einem Freund aus gemeinsamen Zeiten in der Justizvollzugsanstalt Rheinbach zum Verhängnis. Das Telefon des Vaalsers wurde abgehört. In dem ersten Telefonat am 25. März 1998 gab Drach an, dass er ein Konzert „der berühmtesten Rockgruppe der Welt“ besuchen wollte. Das Telefonat wurde von einem Handy geführt und konnte nur auf den Großraum Buenos Aires eingekreist werden. Da dort die Rolling Stones, die Lieblingsband Drachs, bald ein Konzert geben würden, informierten die deutschen Zielfahnder die argentinischen Behörden mit der Bitte, alle Besucher zu kontrollieren. Dies wurde unnötig, als Thomas Drach seinen Freund in Vaals am 26. März ein zweites Mal telefonisch kontaktierte. Dieses Mal benutzte er das klar zu ortende Telefon in dem Hotelzimmer und sprach offen über Möglichkeiten der Geldwäsche.[12]

Am 28. März 1998 gegen 1:30 Uhr stürmte ein Spezialkommando der argentinischen Polizei Drachs Hotelzimmer und nahm ihn fest. Wegen seines gefälschten britischen Passes entschied ein Richter, dass Drach sich zunächst in Argentinien wegen Urkundenfälschung zu verantworten habe. Noch im selben Jahr wurden Bestechungsversuche Drachs bekannt, um in die Freiheit entlassen zu werden.[13] Erst als über zwei Jahre später, am 19. Juli 2000, der damalige argentinische Staatspräsident Fernando de la Rua die Auslieferung anordnete, wurde Drach am 29. Juli den deutschen Behörden übergeben und in die Untersuchungshaftanstalt Hamburg gebracht.[14]

Verurteilung und Haft

Nachdem am 30. August 2000 Anklage gegen Drach erhoben wurde, begann der Prozess am 13. Dezember. Nach 15 Verhandlungstagen wurde Drach des erpresserischen Menschenraubes für schuldig befunden und zu 14 Jahren und sechs Monaten Haft verurteilt. Das Urteil lag nur knapp unter der Forderung der Staatsanwaltschaft nach 15 Jahren Haft. In der Begründung wurden Drachs Weigerung über den Verbleib des Lösegeldes Auskunft zu geben und seine mangelnde Reue erschwerend erwähnt. Drach hatte sich im Prozess fortwährend über die teuren Kurse bei der Geldwäsche und die schlechten Haftbedingungen in Argentinien beklagt und wegen der dortigen „unmenschlichen“ Zustände eine Anrechnung seiner dort verbüßten Haftzeit von 1:3 beantragt.[9] Während der Verhandlung äußerte er sich immer wieder zynisch über das Opfer: „Dass Herr Reemtsma heute so unversehrt hier sitzt, ist einzig und allein den besonnenen Tätern zu verdanken.“ – Sie hätten dem Opfer auch einen Finger als Warnung abschneiden können. „Wir haben uns jedoch für die mildere Variante entschieden und nur das Lösegeld um 10 Millionen Mark erhöht.“[15] Zu Reemtsma direkt gewandt fragte er, ob dieser „denn keinen Spaß“ verstehe?[8]

Am 25. November 2002 wurde Drachs jüngerer Bruder Lutz in Madrid verhaftet, als er nach Südamerika fliegen wollte.[16] Er wurde in das Untersuchungsgefängnis in Aachen überstellt, wo er zu fünf Jahren Haft wegen Beihilfe zur Geldwäsche verurteilt wurde. 2006 korrigierten die Richter das Urteil in der Revision auf sechseinhalb Jahre.[17]

Als Thomas Drach im Gefängnis Blut- und Speichelproben abgenommen werden sollten, weigerte er sich und legte Beschwerde ein. In seinem Schreiben begründet er die Weigerung damit, dass von ihm keine weiteren Straftaten zu erwarten seien, „da ich ja genug Geld verdient habe“.[18] Als sein Gesuch abgelehnt wurde, forderte man Drach erneut zur Abgabe der Proben auf. Dieser wehrte sich und drohte mit erhobener Hand. Am 14. April 2004 verurteilte ihn ein Gericht wegen Widerstandes gegen Justizvollzugsbeamte zu drei weiteren Monaten Haft. Wegen desselben Vergehens und versuchter Nötigung stand er auch am 23. Februar 2006 vor Gericht. Seine Strafe wurde erneut um drei Monate und zwei Wochen verlängert. Nach Verbüßung von 2/3 seiner Haftzeit bat Drach im August 2007 um vorzeitige Haftentlassung. Bei der Anhörung bot er der vorsitzenden Richterin eine Summe über 450.000 US-Dollar als „Wiedergutmachung“ an.[19] Das Gesuch wurde abgelehnt. Der Inhaftierte sei weiterhin eine Gefahr für die Allgemeinheit, wie seine Übergriffe im Gefängnis belegen würden. Außerdem zeige er keinerlei Reue, da er bis zu diesem Zeitpunkt keine Angaben über den Verbleib des Geldes gemacht habe.

2008 wurde Drach wegen Fluchtgefahr von dem Gefängnis Fuhlsbüttel in die Justizvollzugsanstalt Billwerder verlegt.[20] Im Juli 2009 wurde ein Antrag auf vorzeitige Haftentlassung erneut abgelehnt.

Geplanter Überfall auf Lutz Drach

Lutz Drach wurde im Mai 2009 aus der Haft entlassen. Bereits im Februar desselben Jahres erregten zwei Briefe Drachs den Verdacht der Justizvollzugsbeamten. In dem ersten Brief schrieb er einem Freund: „Wenn du nichts zu tun hast, dann fang mal meinen Bruder ab. Er hat sechs Monate Zeit, 30 Millionen Euro zu besorgen.“ Der zweite auffällige Brief war an seine Mutter adressiert. Er beschwerte sich, dass sein Bruder auf seine Kosten leben würde, und bezeichnete ihn als „dummes feiges Versagerschwein“. Er solle ihm sein Geld zuzüglich Zinsen zurückzahlen: „Der Parasit hat mich um 75 Millionen Euro und 14 Jahre meines Lebens gebracht.“ Wenn seine Mutter Lutz aus der Haft abhole, solle sie Hans mitnehmen.[5]

Die Staatsanwaltschaft erhob daraufhin Mitte 2011 Anklage wegen versuchter Anstiftung zu einer räuberischen Erpressung.[21] Sie sieht es als erwiesen an, dass Lutz Drach direkt nach seiner Entlassung entführt und zur Beschaffung des Geldes gezwungen werden sollte.[22] Drach bestreitet die Vorwürfe und bezeichnete seinen Bruder als „kleinen Angestellten von mir“, der gar nicht in der Lage sei, Geldforderungen nachzukommen. Thomas Drach gab aber an, dass sein Bruder Geld falsch angelegt habe und er ihm deshalb fünf bis sechs Millionen Euro schulde.[23] Drach erklärte nach seiner geplanten Haftentlassung im Juli 2012 wieder nach Südamerika zurückkehren zu wollen. Den Ermittlern zur Folge fehlt ein Großteil der umgerechnet 18 Millionen Euro immer noch.[24] Die Staatsanwaltschaft gab an, dass sie bei einer Verurteilung und einer Freiheitsstrafe über zwei Jahren von ihrer Möglichkeit Gebrauch machen werde, anschließende Sicherungsverwahrung zu beantragen.[25] Das Gericht sah es zwar als erwiesen an, dass Drach die Tat plante, blieb aber unter dem geforderten Strafmaß der Staatsanwaltschaft. Am 8. November verlängerte sie die Haftzeit lediglich um ein Jahr und drei Monate. In der Urteilsbegründung hieß es, dass es sich um eine „Tat unter zwei Ganoven“ gehandelt habe.[26]

Weblinks

Einzelnachweise

  1. a b Werdegang im Kölner Milieu auf N-tv am 8. März 2001.
  2. Der Schweiger auf stern.de am 22. Oktober 2004.
  3. „Er ist im Gefängnis so aggressiv geworden“ in: Die Welt am 19. Oktober 2011.
  4. a b Der verhinderte Millionär auf Spiegel Online am 13. Oktober 2011.
  5. a b c „Thomas denkt, Lutz hat das Geld“ auf spiegel Online am 18. Oktober 2011.
  6. Reemtsma-Entführer will sich offenbar rächen auf welt.de am 19. Oktober 2011.
  7. Fall Reemtsma: Spur führt nach Ungarn in: Berliner Zeitung am 21. Juli 1996.
  8. a b Karneval des Bösen in Die Zeit Ausgabe 5/2001 am 21. Januar 2001.
  9. a b „Nach der Haft ein Luxusleben“ auf: faz.net am 8. März 2001.
  10. Die Patzer des „Superhirns“ in: Focus Ausgabe 23/1996 am 3. Juni 1996.
  11. Eigene Dusche in: Der Spiegel Ausgabe 23/2000 am 5. Juli 2000.
  12. Thomas das Phantom in: Der Spiegel Ausgabe 15/1998 am 6. April 1998
  13. Wird Drach abgeschoben? in: Der Spiegel Ausgabe 41/1999 am 11. Oktober 1999.
  14. Wird Thomas Drach von Gefängnismitarbeiterin belastet? auf abendblatt.de am 19. Oktober 2011.
  15. Die Optik des Opfers in: Der Spiegel Augabe 11/2001 am 12. März 2001.
  16. Die lautlose Jagd nach den Millionen auf stern.de am 20. Dezember 2002
  17. Komplize von Reemtsma-Entführer Drach gefasst auf sueddeutsche.de am 4. November 2006.
  18. Haftverlängerung für „unbelehrbaren“ Drach auf faz.net am 14. April 2004.
  19. Thomas Drach wollte Freiheit kaufen in: Die Welt am 18. Oktober 2011.
  20. Drach bezeichnet Verfahren als „albernes Theater“ auf sueddeutsche.de am 13. Oktober 2011.
  21. Reemtsma-Kidnapper plante zweite Entführung auf sueddeutsche.de am 7. Oktober 2011.
  22. „Alles, was er hat, gehört mir“ auf sueddeutsche.de am 13. Oktober 2011.
  23. Drach droht mit Kalaschnikow in: Die Welt.de am 18. Oktober 2011.
  24. „Man muss keine Angst vor ihm haben“ auf sueddeutsche.de am 18. Oktober 2011.
  25. Thomas Drach drohte „Schwuchteln“ mit Kalaschnikow auf welt.de am 17. Oktober 2011.
  26. Reemtsma-Entführer Drach zu 15 Monaten verurteilt auf: spiegel online am 8. November 2011.

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