Ungleichung der Mittelwerte

Ungleichung der Mittelwerte

In der Mathematik besagt die Ungleichung vom arithmetischen und geometrischen Mittel, dass das arithmetische Mittel stets mindestens so groß wie das geometrische Mittel ist. Diese Ungleichung wurde vermutlich erstmals von Augustin Louis Cauchy 1821 bewiesen[1] und zählt zu den wichtigsten mathematischen Theoremen. Auf einer 1999 veröffentlichten Liste der 100 wichtigsten mathematischen Sätze[2] ist sie auf Platz 38 gereiht.

Inhaltsverzeichnis

Exakte Formulierung

Für ein n-Tupel \mathbf{x}=\left(x_1,\dots,x_n\right) nichtnegativer Zahlen x_i\geq 0 bezeichnet man in der Mathematik den Ausdruck

 \bar{x}_\mathrm{arithm} = \frac{1}{n} \sum_{i=1}^n{x_i} = \frac{x_1 + x_2 + \cdots + x_n}{n}

als das arithmetische Mittel dieser Zahlen.

Der Ausdruck

 \bar{x}_\mathrm{geom} = \sqrt[n]{\prod_{i=1}^n{x_i}}

wird als das geometrische Mittel dieser Zahlen bezeichnet.

Die Ungleichung vom arithmetischen und geometrischen Mittel besagt nun, dass das arithmetische Mittel stets mindestens so groß wie das geometrische Mittel ist:

\bar{x}_\mathrm{geom} \leq \bar{x}_\mathrm{arithm}.

Gleichheit wird genau dann erreicht, wenn alle x_i\; gleich sind.

Beweise

Für den Fall, dass ein x_i\! gleich Null ist, ist das geometrische Mittel Null und die Ungleichung ist offensichtlich erfüllt; in den folgenden Beweisen kann daher x_i>0\! angenommen werden.

Beweis aus der jensenschen Ungleichung

Die Ungleichung vom arithmetischen und geometrischen Mittel lässt sich beispielsweise aus der jensenschen Ungleichung beweisen: die Logarithmusfunktion ist konkav, daher gilt

\ln(\lambda_1 x_1 + \dots + \lambda_n x_n)\geq\lambda_1 \ln x_1 + \dots + \lambda_n \ln x_n

Durch Anwendung der Exponentialfunktion auf beide Seiten folgt

\lambda_1 x_1 + \dots + \lambda_n x_n\geq \prod_{i=1}^n{x_i}^{\lambda_i}.

Für \lambda_1=\lambda_2=\cdots=\lambda_n=1/n ergibt das genau die Ungleichung vom arithmetischen und geometrischen Mittel.

Beweis von Polya

Von George Polya stammt ein Beweis, der lediglich die Beziehung \exp(x)\geq 1+x der Exponentialfunktion voraussetzt. Für x_i/\bar{x}_\mathrm{arithm}-1 gilt dann

\exp\left(x_i/\bar{x}_\mathrm{arithm}-1\right)\geq x_i/\bar{x}_\mathrm{arithm}.

Multipliziert man diese Ungleichungen für i=1,\dots,n, so erhält man

\exp\left(\sum_i x_i/\bar{x}_\mathrm{arithm}-n\right)\geq \prod_i \left(x_i/\bar{x}_\mathrm{arithm}\right),

also

1=\exp\left(n-n\right)\geq \bar{x}_\mathrm{geom}^n/\bar{x}_\mathrm{arithm}^n

und somit

\bar{x}_\mathrm{arithm}^n\geq \bar{x}_\mathrm{geom}^n.

Induktive Beweise

Der Beweis aus der jensenschen Ungleichung und der Polya-Beweis sind zwar sehr leicht verständlich, hat aber den Nachteil, dass Vorwissen über die Logarithmusfunktion beziehungsweise der Exponentialfunktion benötigt wird. Für die Untersuchung der bei der Definition der Exponentialfunktion verwendeten Folge

\exp(x) = \lim_{n \to \infty} \left( 1 + {x \over n} \right)^n

kann aber die Ungleichung vom arithmetischen und geometrischen Mittel hilfreich sein. Methodisch sind daher oft induktive Beweise zweckmäßiger; diese sind für die Ungleichung vom arithmetischen und geometrischen Mittel aber relativ schwierig.

Beweis mit Vorwärts-Rückwärts-Induktion

Ein induktiver Beweis der Ungleichung vom arithmetischen und geometrischen Mittel ist mit „Vorwärts-Rückwärts-Induktion“ möglich. Der Vorwärtsschritt erfolgt dabei, indem man aus der Gültigkeit der Ungleichung für n die Gültigkeit für 2n beweist. Der Rückwärtsschritt erfolgt, indem man aus der Gültigkeit der Ungleichung für n die Gültigkeit für n−1 zeigt, indem man x_n=\frac{1}{n-1}\sum_{i=1}^{n-1} x_i setzt. Dieser Beweis findet sich bereits bei Augustin Louis Cauchy, Cours d'analyse de l'Ecole Royale Polytechnique, premier partie, Analyse algebrique, Paris 1821, S. 457ff.

Beweis mittels Hilfssatz

Ein anderer Beweis der Ungleichung vom arithmetischen und geometrischen Mittel ergibt sich aus dem Hilfssatz, dass für u_i>0\! und \prod_{i=1}^n u_i =1 folgt, dass \sum_{i=1}^n u_i \geq n. Ein Beweis dieses Hilfssatzes findet sich im Artikel über vollständige Induktion. Betrachtet man das Produkt p:=\prod_{i=1}^{n} x_i und setzt u_i:=\frac{x_i}{\sqrt[n]{p}}, so erfüllen die so definierten u_i\! nämlich die Voraussetzung \prod_{i=1}^n u_i =1 des Hilfssatzes. Aus dem Hilfssatz folgt

n\leq \sum_{i=1}^n u_i = \sum_{i=1}^n \frac{x_i}{\sqrt[n]{p}},

also

\sqrt[n]{p} \leq \frac{1}{n}\sum_{i=1}^n x_i .

Einsetzen von p=\prod_{i=1}^{n} x_i liefert dann die Ungleichung vom arithmetischen und geometrischen Mittel.

Beweis aus Bernoulli-Ungleichung

Ein direkter induktiver Beweis ist mit Hilfe der bernoullischen Ungleichung möglich: Sei o.B.d.A. xn + 1 das maximale Element von x_1,\dots,x_n,x_{n+1} und \bar{x}_\mathrm{arithm} das arithmetische Mittel von x_1,\dots,x_n. Dann gilt x_{n+1}-\bar{x}_\mathrm{arithm}\geq 0, und aus der bernoullischen Ungleichung folgt, dass

\left(\frac{x_1+\dots+x_{n+1}}{(n+1)\bar{x}_\mathrm{arithm}}\right)^{n+1}=\left(1+\frac{x_{n+1}-\bar{x}_\mathrm{arithm}}{(n+1)\bar{x}_\mathrm{arithm}}\right)^{n+1}\geq 1+\frac{x_{n+1}-\bar{x}_\mathrm{arithm}}{\bar{x}_\mathrm{arithm}}=\frac{x_{n+1}}{\bar{x}_\mathrm{arithm}}.

Mit der Induktionsvoraussetzung folgt dann

\left(\frac{x_1+\dots+x_{n+1}}{n+1}\right)^{n+1}\geq \bar{x}_\mathrm{arithm}^{n+1}\frac{x_{n+1}}{\bar{x}_\mathrm{arithm}}=\bar{x}_\mathrm{arithm}^nx_{n+1}\geq x_1\cdots x_n x_{n+1},

also genau die Behauptung.

Dieser Beweis findet sich beispielsweise in H. Heuser, Lehrbuch der Analysis, Teil 1, Kapitel 12.2.

Beweis aus der Umordnungs-Ungleichung

Ein nicht-induktiver Beweis der Ungleichung vom arithmetischen und geometrischen Mittel, der ohne Logarithmusfunktion auskommt, lässt sich mit Hilfe der Umordnungs-Ungleichung durchführen. Aus der Umordnungs-Ungleichung folgt nämlich, dass für positive Zahlen a_1, \dots, a_n und jede beliebige Permutation a_{\sigma (1)}, \dots ,a_{\sigma (n)} die Beziehung

\frac{a_{\sigma (1)}}{a_1}+\cdots +\frac{a_{\sigma (n)}}{a_n} \geq n

gelten muss. Setzt man speziell

 a_1 = \frac{x_1}{\bar{x}_\mathrm{geom}}, a_2 = \frac{x_1 x_2}{\bar{x}_\mathrm{geom}^2}, \dots, a_n = \frac{x_1 x_2 \cdots x_n}{\bar{x}_\mathrm{geom}^n}=1,

so folgt also

 n \leq \frac{a_2}{a_1}+ \frac{a_3}{a_2} + \dots +\frac{a_n}{a_{n-1}} +\frac{a_1}{a_n} = \frac{x_{2}}{\bar{x}_\mathrm{geom}} + \frac{x_{3}}{\bar{x}_\mathrm{geom}} + \cdots + \frac{x_{n}}{\bar{x}_\mathrm{geom}} + \frac{x_{1}}{\bar{x}_\mathrm{geom}},

woraus unmittelbar die Ungleichung vom arithmetischen und geometrischen Mittel folgt.

Verallgemeinerungen

Ungleichung vom gewichteten arithmetischen und geometrischen Mittel

Für ein gegebenes positives Gewichtstupel \mathbf{w} = (w_1,\dots, w_n) mit wi > 0 und Summe w:={\sum_{i=1}^n w_i} wird mit

\bar{x}_{arithm}=\frac{\sum_{i=1}^n w_i \cdot x_i }{w}

das gewichtete arithmetische Mittel und mit

\bar{x}_{geom}=\sqrt[w]{\prod_{i=1}^n x_i^{w_i}},

das gewichtete geometrische Mittel bezeichnet. Auch für diese gewichteten Mittel gilt die die Ungleichung

 \bar{x}_\mathrm{geom} \le   \bar{x}_\mathrm{arithm}.

Der Beweis dafür folgt direkt aus obigem Beweis mit der jensenschen Ungleichung.

Für n = 2, w_1 = \tfrac1p, w_2 = \tfrac1q mit w = \tfrac1p + \tfrac1q = 1 und x1 = ap, x2 = bq mit a, b \ge 0 erhält man die Youngsche Ungleichung

ab \le \frac1p a^p + \frac 1q b^q

Ungleichung vom harmonischen und geometrischen Mittel

Fordert man xi echt größer Null und ersetzt in der Ungleichung vom arithmetischen und geometrischen Mittel xi durch 1 / xi, so erhält man die Ungleichung vom harmonischen und geometrischen Mittel:

 \frac{n}{\sum_{i=1}^n \frac{1}{x_i}} \leq \sqrt[n]{\prod_{i=1}^n{x_i}}.

Diese Ungleichung gilt ebenfalls für die gewichteten Mittel:

 \frac{w}{\sum_{i=1}^n \frac{w_i}{x_i}} \leq \sqrt[w]{\prod_{i=1}^n x_i^{w_i} }.

Ungleichung der verallgemeinerten Mittel

Als Hölder-Mittel mit Exponent k bezeichnet man den Ausdruck

\bar{x}(k) = \sqrt[k]{\frac{1}{n}\sum_{i=1}^n{x_i^k}}.
  • Für k=1\! erhält man das arithmetische Mittel,
  • Der Grenzwert k\to 0 ergibt das geometrisches Mittel.

Allgemein gilt für -\infty\le s \le t \le \infty die verallgemeinerte Mittelwertungleichung:

\bar{x} (s)\leq \bar{x} (t)

Diese Ungleichung lässt sich z.B. beweisen, indem man u_i:=x_i^s, v_i:=1\; setzt und u_i\; und v_i\; in die Hölder-Ungleichung mit p=t/s\; einsetzt, oder indem man die jensensche Ungleichung für die konvexe Funktion f(x)=x^{t-s}\; auf die Werte x_i^s anwendet.

Auch diese Ungleichung gilt ebenfalls für die gewichteten Mittel: Sei

\bar{x}(\mathbf{w},k) = \sqrt[k]{\frac{1}{w}\sum_{i=1}^n{w_i x_i^k}}

das mit \mathbf{w} gewichtete Mittel mit Exponent k der Zahlen xi, so gilt für -∞ ≤ st ≤ ∞ die Ungleichung:

\bar{x}(\mathbf{w},s)\leq \bar{x}(\mathbf{w},t).

Diese Ungleichung lässt sich ebenfalls aus der Hölder-Ungleichung beweisen, indem man u_i:=w_i x_i^s, v_i:=w_i\; sowie p=t/s\; setzt, oder ebenfalls, indem man die jensensche Ungleichung für die konvexe Funktion f(x)=x^{t-s}\; auf die Werte x_i^s anwendet.

Übertragen auf Integrale über den Maßraum (\Omega, \mathcal A, \mu) mit einem endlichen Maß \mu(\Omega)<\infty nimmt die Ungleichung der verallgemeinerten Mittel die Form

\sqrt[s]{\frac{1}{\mu(\Omega)}\int_\Omega |f(x)|^s\,d\mu(x)}\leq \sqrt[t]{\frac{1}{\mu(\Omega)}\int_\Omega |f(x)|^t\,d\mu(x)}

an; insbesondere folgt daraus L^t(\Omega, \mathcal A, \mu)\subseteq L^s(\Omega, \mathcal A, \mu) für die Lp-Räume L^s(\Omega, \mathcal A, \mu)\; und L^t(\Omega, \mathcal A, \mu)\;.

Muirhead-Ungleichung

Eine andere Verallgemeinerung der Ungleichung vom arithmetischen und geometrischen Mittel ist die Muirhead-Ungleichung.

Anwendungen

Aus der Ungleichung vom arithmetischen und geometrischen Mittel lässt sich die Cauchy-Schwarz-Ungleichung ableiten.

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Cauchy, Augustin-Louis. Analyse algébrique. Der Beweis der Ungleichung vom arithmetischen und geometrischen Mittel ist auf Seite 457ff.
  2. The Hundred Greatest Theorems

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