Unternehmerische Klimarisiken

Unternehmerische Klimarisiken

Der Klimawandel äußert sich vor allem durch die Veränderung langfristiger atmosphärischer Mittelwerte, die Verstärkung der Klimavariabilität und die Zunahme von Wetterextremen.[1] In Zukunft wird die ökonomische Relevanz des Klimawandels weiter zunehmen. Heute entstehen Schäden durch Klimaauswirkungen sowie reale Verluste an ökonomischen, gesellschaftlichen und ökologischen Werten vor allem durch Stürme, Überschwemmungen und Hitzewellen.[2]

Inhaltsverzeichnis

Unternehmerische Klimarisiken

Mit Klimarisiko wird ein Wagnis oder eine Gefahr bezeichnet, welche durch den Klimawandel bedingt wird und Einfluss auf die Systeme der Natur und des Menschen nehmen kann. In ihrer Rolle als Investoren, Verschmutzer, Erfinder, Experten, Produzenten, Lobbyisten und Arbeitgeber stehen Unternehmen im Wirkungsbereich dieser Risiken.[3]

Quantitative Risiken

Gesamtwirtschaftliche Risiken

Klimarisiken wirken sich in verschiedenen Gegenden der Erde unterschiedlich aus. Dies liegt einerseits an den klimatischen und geologischen Gegebenheiten vor Ort, andererseits daran, dass Unterschiede im Agieren der jeweiligen Staatsführung das Verhalten der Unternehmen beeinflussen und formen, welche wiederum durch Lobbyarbeit oder Partizipation in Interessenverbänden auf eben dieses Agieren einwirken.[4] So variieren die Anforderungen an die unternehmerische Reaktion auf potentielle Klimarisken stark. Als Herausforderung in der heutigen globalisierten Welt erweist sich dabei die multinationale Aufstellung vieler Unternehmen mit Produktion und Vermarktung in zahlreichen Ländern der Erde.

Branchenspezifische Risiken

In mehreren Wirtschaftssektoren gibt es einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen Klima und Wirtschaftsaktivität. Zu den besonders vom Klimawandel betroffenen Branchen gehören die Land- und Forstwirtschaft sowie die Wasserwirtschaft. Darüber hinaus sind insbesondere die Energie- und Transportwirtschaft betroffen.[5] Die wichtigsten Punkte, die beispielsweise Unternehmen der Kohle-, Öl-, Automobil-, Energie-, Luftfahrt-, Papier- und Aluminiumindustrie beeinflussen, sind die tendenziell steigenden Kraftstoff-, Rohstoff- und Energiepreise und die sinkende Nachfrage nach energieintensiven Produkten und Dienstleistungen.[6]

Der Wirtschaftssektor Landwirtschaft ist besonders klimasensibel, da sämtliche Schwankungen des Wetters und Klimaveränderungen unmittelbar in Erträgen und Verlusten spürbar sind. Die Landwirtschaft ist besonders von der Wasserversorgung abhängig, was vor allem in unterentwickelten Regionen zu Problemen führen kann.[7]

Auch bei der Forstwirtschaft ist die Versorgung mit Wasser das schwerwiegendste Problem. Darüber hinaus können in Zukunft die Zunahme von starken Unwettern und Waldbränden sowie die Verbreitung von Schädlingen zu hohen Schäden führen.[8]

Verändernde Temperaturen und die Verfügbarkeit von Wasser spielen auch bei der Wasserwirtschaft eine große Rolle. Aufgrund von geringeren Niederschlägen und einer höheren Verdunstung im Sommer kann es zu Versorgungsproblemen in vielen Regionen kommen. Dies führt zu einer langfristigen Veränderung des regionalen Wasserhaushaltes.[9]

Auch die Energiewirtschaft sieht sich in Zukunft einem Wasserversorgungsproblem, insbesondere während heißer und trockener Sommer, gegenübergestellt. Das Wasser ist zur Kühlung von Kraftwerken notwendig. Durch Wasserniedrigstände kann zudem die Stromerzeugung in Wasserkraftwerken beeinträchtigt werden. Darüber hinaus kann häufigeres Auftreten von anderen Extremwetterereignissen wie Stürmen die Infrastruktur (z. B. Oberlandleitungen) stärkeren Abnutzungen aussetzen.[10] Die Ölversorgung kann durch Hurrikane im Golf von Mexiko beeinträchtigt werden, was wiederum kurzfristige Preisschwankungen an den Rohstoffmärkten auslöst oder verstärkt. Langfristig gesehen verbessern sich unter Umständen die Fördermöglichkeiten von Energierohstoffen in hohen Breitengraden.[11]

Die Transportwirtschaft ist auf eine funktionierende Infrastruktur angewiesen und reagiert deshalb sensibel auf Wetterextreme. Die Befahrbarkeit von Wasserwegen kann etwa bei Dürre oder Sturm beeinträchtigt sein. Darüber hinaus wird bei starken Hitzewellen die Beförderung von Personen und Gütern durch Überhitzung der Fahrzeuginnenräume erschwert.[12]

Eine weitere klimasensible Branche ist der Tourismussektor. Durch den Klimawandel ist hier mit erheblichen regionalen und saisonalen Verschiebungen der Touristenströme zu rechnen.[13]

Für die Finanzwirtschaft, hier insbesondere die Versicherungswirtschaft, wird die Kalkulation von Risiken schwieriger. Jedoch eröffnen sich auch vielfältige neue Geschäftsoptionen, wie beispielsweise nachhaltiges Investment.[14]

Qualitative Risiken

Regulatorische Risiken

Die Anstrengungen der Politik, die Kosten des Klimawandels zu reduzieren, haben direkte Auswirkungen auf die Ökonomie. Beispielsweise sollen die im Kyoto-Protokoll festgeschriebenen Ziele durch die Implementierung eines Marktes für Emissionszertifikate für Treibhausgase erreicht werden. Mit Hilfe dieser Zertifikate kann der Wert von Emissionen monetär quantifiziert werden; in ihnen soll sich der Wert der Vermeidung klimaschädigender Stoffe annähernd widerspiegeln. Dieser Wert soll durch die verursachenden Unternehmen internalisiert und bei Investitionsentscheidungen berücksichtigt werden.[15] Sind die regulatorischen Vorgaben unsicher und schwammig, führt dies zu verhaltenen oder einseitigen Projekt- und Investitionsentscheidungen.

Physische Risiken

Direkte Risiken des Klimawandels werden insbesondere für Branchen erwartet, die stark auf natürliche Ressourcen angewiesen sind, wie zum Beispiel die Agrarwirtschaft, die Fischerei, die Waldwirtschaft, das Gesundheitswesen, die Immobilienbranche und der Tourismus. So beschädigen beispielsweise Stürme und Überflutungen Gebäude und Infrastrukturelemente, und heiße Sommer mit wenig Niederschlag verursachen Missernten.[15] Des Weiteren ist die Versicherungsbranche stark von Extremwetterereignissen betroffen.

Rechtliche Risiken

Insbesondere energieintensive Branchen mit einer hohen Treibhausgasproduktion sehen sich dem Risiko vermehrter Klagen ausgesetzt für den Fall, dass Schäden direkt mit Emissionen in Verbindung gebracht werden können, so zum Beispiel bei Fluten und Missernten.[15]

Reputationsbezogene Risiken

Werden Unternehmen öffentlich für ihre Umwelteinstellung oder ihre hohe Emissionsrate gerügt, laufen sie Gefahr, Kunden zu verlieren.[15] Die Relevanz dieses Risikos steigt heute in der Wahrnehmung.

Wettbewerbsbezogene Risiken

Versuchen Unternehmen nicht oder nicht ausreichend mittels verschiedener Maßnahmen Klimarisiken zu reduzieren, weisen sie einen wettbewerblichen Nachteil auf. Dies könnte zu steigenden Produktionskosten durch veraltete Technologien und sich verändernde Lieferkettenstrukturen führen und damit zu sinkenden Gewinnen.[15]

Notwendigkeit der Identifikation der Risiken des Klimawandels

Wie oben bereits gezeigt, ist eine starke Beeinflussung der Unternehmenstätigkeit durch den Klimawandel in vielen Regionen zu erwarten. Eine rechtzeitige Identifikation der eigenen Betroffenheit und der zu erwartenden Risiken ist daher für eine zukunftsorientierte Unternehmensplanung unabdingbar. So bestehen beispielsweise Möglichkeiten, durch ein rechtzeitigesHedging oder eine Veränderung des Standortes bzw. die Vorsorge gegen zu erwartende standortbedingte Ausfälle den finanziellen Risiken entgegenzuwirken. Die Integration der Klimarisiken in alle Entscheidungsprozesse, insbesondere vor dem Auftreten der Beeinträchtigung der jeweiligen Bereiche, muss daher einen Grundpfeiler der Unternehmenspolitik bilden.

Notwendigkeit der Berichterstattung zum Umgang mit Klimarisiken

Rechtliche Regelungen

Unternehmen, die am EU-Emissionsrechtehandel teilnehmen, müssen ihre Treibhausgasemissionen berichten. Hierzu erließ die Europäische Kommission Leitlinien für die Überwachung und Berichterstattung von Treibhausgasemissionen.[16]

Anforderungen von Investoren

Auch die Anforderungen der Stakeholder treiben die Klimaschutzberichterstattung von Unternehmen an. Kunden, Nichtregierungsorganisationen und vor allem Investoren fordern zunehmend eine Offenlegung von Klimarisiken,[17] da sie vermehrt auf das finanzielle Risiko einer Missachtung des Klimawandels als strategischen Kernpunkt achten.[3] Im Zuge der steigenden Bedeutung von Klimaaspekten als Entscheidungsgrundlage für Investitionen werden immer mehr kollektive Investoreninitiativen ins Leben gerufen.

Freiwillige Maßnahmen

Unternehmen können sich auch zu freiwilligen Maßnahmen der Berichterstattung von Klimarisiken entschließen. Zu diesem Aspekt zählt die Erstellung eines Umweltberichts, der dem Leitfaden der Global Reporting Initiative (GRI) zur Nachhaltigkeitsberichterstattung folgt. Ziel des GRI-Leitfadens ist es, verantwortliche Unternehmensentscheidungen zu fördern, sowie die Bereitstellung von Informationen für interessierte Kreise, um dadurch sowohl interne als auch externe Zielgruppen zu unterstützen.[17]

Literatur

  • G. Berz: Klimawandel: Kleine Erwärmung – dramatische Folgen. In: Wetterkatastrophen und Klimawandel. Münchener Rück. München 2005.
  • BMBF, Bundesministerium für Bildung und Forschung : Forschung für den Klimaschutz und Schutz vor Klimaauswirkungen. 2004, PDF
  • Climate risk in der englischsprachigen Wikipedia; Stand: Dezember 2008, abgerufen 8. Januar 2009.
  • Europäische Kommission (Hrsg.) (2007): Entscheidung der Kommission vom 18. Juli 2007 zur Festlegung von Leitlinien für die Überwachung und Berichterstattung betreffend Treibhausgasemissionen im Sinne der Richtlinie 2003/87/EG des Europäischen Parlaments und des Rates (Monitoring-Leitlinien). In: Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften vom 31. August 2007, L229/1-L229/85. PDF
  • J. Firth, M. Colley: The Adaption Tipping Point – Are UK Businesses Climate Proof? Acclimatise and UKCIP, Oxford 2006, PDF
  • A. Griffiths et al. (2007): A Framework for Understanding Institutional Governance Systems and Climate Change. The Case of Australia. In: European Management Journal, Vol. 25, 2007, No. 6.
  • E. Günther: Ökologieorientiertes Management – Um- (weltorientiert) Denken in BWL. Lucius & Lucius, Stuttgart 2008.
  • E. Günther, M. Nowack, G. Weber: Stand der Klimaschutzberichterstattung. In: Umweltwirtschaftsforum, 16. Jg. 2008, Heft 2, S. 105–114.
  • E. Heymann: Klimawandel und Branchen: Manche mögen’s heiß! Deutsche Bank Research, 2007, Aktuelle Themen 388. Energie und Klimawandel, PDF
  • CH. A. Jones, D. L. Levy: North American Business Strategies Towards Climate Change. In: European Management Journal, Vol. 25, 2007, No. 6.
  • H. E. Ott, C. Richter: Anpassung an den Klimawandel – „Wirtschaftliche Chancen der internationalen Klimapolitik“ (FKZ 90511504). Wuppertal Inst. für Klima, Umwelt, Energie, Wuppertal 2008, Wuppertal Papers Nr. 171. PDF
  • N. Stern: The economics of climate change: The Stern review. Cambridge University Press, Cambridge UK 2007.
  • M. Zebisch et al.: Klimawandel in Deutschland: Vulnerabilität und Anpassungsstrategien klimasensitiver Systeme. Umweltbundesamt, 2005, PDF

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Ott, Richter (2008), S. 7.
  2. Berz (2005), S. 99–105.
  3. a b Jones, Levy (2007), S. 428.
  4. Griffiths et al. (2007), S. 416.
  5. Ott, Richter (2008), S. 15.
  6. Jones, Levy (2007), S. 430.
  7. Zebisch et al. (2005), S. 71–82.
  8. Zebisch et al. (2005), S. 91–97.
  9. Zebisch et al. (2005), S. 47–57.
  10. BMBF (2004), S. 23–24.
  11. Heymann (2007), S. 12.
  12. Zebisch et al. (2005), S. 150 ff.; Firth, Colley (2006), S. 15.
  13. Heymann (2007), S. 26.
  14. Heymann (2007), S. 27–28.
  15. a b c d e Climate risk in der englischsprachigen Wikipedia
  16. Günther et al. (2008), S. 2.
  17. a b Günther et al. (2008), S. 3.

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