Valdoxan

Valdoxan
Strukturformel
Agomelatin
Allgemeines
Freiname Agomelatin
Andere Namen

N-(2-(7-Methoxy-1-naphthyl)ethyl)acetamid

Summenformel C15H17NO2
CAS-Nummer 138112-76-2
PubChem 82148
ATC-Code

N06AX22

Arzneistoffangaben
Wirkstoffklasse

Antidepressiva

Fertigpräparate

Valdoxan® (D)

Verschreibungspflichtig: Ja
Eigenschaften
Molare Masse 243,30 g·mol−1
Sicherheitshinweise
Gefahrstoffkennzeichnung

unbekannt
R- und S-Sätze R: ?
S: ?
Bitte beachten Sie die eingeschränkte Gültigkeit der Gefahrstoffkennzeichnung bei Arzneimitteln
Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet. Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen.

Agomelatin ist eine dem Melatonin strukturell verwandte chemische Verbindung mit möglicherweise antidepressiver Wirkung, deren Verwendung als Arzneistoff geprüft wird.

Inhaltsverzeichnis

Chemische Struktur

Die Molekülstrukturen von Agomelatin und Melatonin sind einander sehr ähnlich. Der Unterschied liegt im Ringsystem: Während Melatonin einen Indol-Kern hat, besitzt Agomelatin ein Naphthalin-Gerüst.

Pharmakologie

Agomelatin ist im Vergleich zu dem endogenen Neurohormon Melatonin metabolisch stabiler. Es bindet als selektiver und spezifischer Agonist an Melatonin-Rezeptoren vom Typ MT1 und MT2 im Nucleus suprachiasmaticus des Hypothalamus, dem Sitz der Inneren Uhr. Diese beiden Rezeptorsubtypen sind verantwortlich für die Funktion von Melatonin in der Regulation des circadianen Rhythmus. Agomelatin wirkt gleichzeitig auch als kompetitiver Antagonist an Serotonin-Rezeptoren (5-HT2C und 5-HT2B). Dadurch kommt es zu einer vermehrten Ausschüttung von Noradrenalin und Dopamin im frontalen Cortex.[1] Die kombinierten melatonergen und 5-HT2C-antagonistischen Eigenschaften von Agomelatin könnten zu dessen antidepressiver Wirkung beitragen.[2]

Klinische Prüfung

Im Rahmen des Zulassungsverfahrens wurde der Wirkstoff einer breiten Testung an größeren Probandenzahlen zwecks Abschätzung des Haupt- und Nebenwirkungspotenzials unterzogen (klinische Phase-III-Studien). In Deutschland sind Einrichtungen mehrerer Universitätskliniken (Hamburg, Charité Berlin) an Agomelatin-Studien beteiligt.

Studienlage

Die antidepressive Wirkung von Agomelatin wurde im Rahmen des Zulassungsverfahrens (s.u.) in mehreren großen, placebokontrollierten Studien untersucht. Zur Kurzzeitwirksamkeit von Agomelatin wurden 6 Studien durchgeführt, darunter eine Dosisfindungsstudie mit drei Dosisgruppen. In zwei der sechswöchigen Studien sowie bei den Patienten, die in der Dosisfindungsstudie 25 mg Agomelatin täglich erhielten, zeigte sich ein wesentlicher Wirkunterschied zu Placebo.[3][4][5] Eine weitere Studie verlief negativ, in zwei Studien unterschieden sich sowohl Agomelatin als auch die Referenzsubstanzen (Paroxetin, Fluoxetin) nicht signifikant von Placebo.[6] Diese Studien blieben unveröffentlicht.

In weiteren randomisiert-kontrollierten Studien wurde Agomelatin mit anderen Antidepressiva hinsichtlich Verträglichkeitsparametern (sexuelle Dysfunktion und Schlafqualität) verglichen. Bei der zusätzlich geprüften antidepressiven Wirkung unterschied sich Agomelatin z.B. nicht von Venlafaxin, die Patienten konnten jedoch mit Agomelatin besser einschlafen.[7] Allerdings ist Schlaflosigkeit eine häufige unerwünschte Wirkung von Venlafaxin.

In den Studien zum Effekt auf den gestörten Schlaf und circadianen Rhythmus depressiver Patienten verbesserte sich die Schlafqualität und -struktur (Leichtigkeit des Einschlafens, nächtliches Erwachen, Tiefschlafphasen) während Einnahme von Agomelatin.[7][8] Keine der bislang zu dieser Frage publizierten Studien war placebokontrolliert. Daher lässt sich aus den Befunden nicht ableiten, inwiefern Agomelatin normalisierend auf einen gestörten Schlaf-Wach-Rhythmus bei depressiv Erkrankten wirkt.

Eine erste Langzeitstudie über 34 (bis 52) Wochen konnte keinen Wirkunterschied zwischen Agomelatin und Placebo nachweisen. Eine nachträgliche Subgruppenanalyse zeigte für schwer depressive Patienten einen wesentlichen Unterschied gegenüber Placebo hinsichtlich der rückfallfreien Zeit.[6] In einer zweiten, sechsmonatigen Studie zur Rückfallprophylaxe erlitten Patienten, die nach anfänglichem Ansprechen von Agomelatin auf Placebo umgestellt wurden, signifikant häufiger Rückfälle (46,6%) als die Teilnehmer, die weiterhin Agomelatin einnahmen (21,7% Rückfälle).[9]

Verträglichkeit

In den klinischen Studien wurde Agomelatin gut vertragen. Typische Nebenwirkungen anderer Antidepressiva wie Libidoverlust, Erektionsstörungen und Gewichtszunahme waren bei Einnahme von Agomelatin seltener als unter den aktiven Vergleichssubstanzen.

Nach abruptem Absetzen von Agomelatin traten in einer speziellen Studie seltener Absetzerscheinungen auf als nach Absetzen von Paroxetin.[10] Durch unsystematische Erfassung der Symptome blieb aber unklar, in welchem Maße Agomelatin selbst Absetzbeschwerden auslöst.

Zulassungsverfahren

Der Markenname Valdoxan® wurde im April 2005 von dem französischen Hersteller Servier registriert. Ein Zulassungsantrag wurde 2006 abgelehnt, nachdem der Ausschuss für Humanarzneimittel der Europäischen Arzneimittelagentur (EMEA) aus den eingereichten Studienunterlagen keinen ausreichenden antidepressiven Effekt erkennen konnte.[11] Laut Angaben des Herstellers ist im September 2007 erneut ein Eintrag auf Zulassung bei der EMEA eingereicht worden (Ärzte Zeitung Nr. 13, 2008).

Valdoxan® (Agomelatin) - erhielt am 20. November 2008 eine positive Empfehlung des Ausschusses für Humanarzneimittel (Committee for Medicinal Products for Human Use, CHMP) der Europäischen Arzneimittelagentur (European Medicines Agency, EMEA) für seine Verwendung bei der Behandlung erwachsener Patienten. Nach Abschluss des Zulassungsverfahrens wird Valdoxan® seit Anfang 2009 in den europäischen Ländern vertrieben.[12]

Ausblick

Die Firma Servier hat die Rechte an Agomelatin für die USA und weitere Staaten an Novartis lizenziert.[13] Novartis startete anschließend mehrere neue klinische Studien mit der Substanz.[14]

Einzelnachweise

  1. Journal of Pharmacology And Experimental Therapeutics - JPET 306:954-964, 2003. PMID 12750432
  2. Pandi-Perumal SR et al., Could agomelatine be the ideal antidepressant? Expert Rev. Neurother. 2006;6:1595-1608. PMID 17144776
  3. Loo H et al., Int. Clin. Psychopharmacol. 2002;17:239-247. PMID 12177586
  4. Kennedy SH, Emsley R, Europ. Neuropsychopharmacol 2006;16:93-100. PMID 16249073
  5. Olié JP, Kasper S, Int. J. Neuropsychopharmacol 2007;10(5):661-73. PMID 17477888
  6. a b Refusal CHMP Assessment Report for Valdoxan (Agomelatine); EMEA, 27. Juli 2006.
  7. a b Lemoine P et al., J. Clin. Psychiatry 2007;68:1723-1732. PMID 18052566
  8. Quera Salva MA et al., Int. J. Neuropsychopharmacol. 2007;10:691-696. PMID 17477886
  9. Goodwin G et al., Europ. Neuropsychopharmacol. 2007;17(Suppl. 4):S361.
  10. Montgomery SA et al., Int Clin Psychopharmacol. 2004 Sep;19(5):271-80. PMID 15289700
  11. Questions and Answers on Recommendation for Refusal of Marketing Authorisation for VALDOXAN/THYMANAX (PDF) - EMEA, 18. November 2006.
  12. COMMITTEE FOR MEDICINAL PRODUCTS FOR HUMAN USE SUMMARY OF POSITIVE OPINION for VALDOXAN
  13. Servier and Novartis sign licensing agreement for agomelatine; Meldung von Servier UK, 29. März 2006.
  14. ClinicalTrials.gov: Studien mit dem Wirkstoff Agomelatin, Stand Dezember 2007.
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