- Verfassung von Hessen
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Die Verfassung des Landes Hessen (Abkürzung: HV) vom 1. Dezember 1946 ist die Grundlage für den Hessischen Staat.
Inhaltsverzeichnis
Entstehung
Zur Vorbereitung zur Schaffung einer Verfassung wurde ein Ausschuss gebildet, zu dem zwölf Teilnehmer je Partei von diesen benannt wurden. Teilnehmer des Beratenden Landesausschusses 26. Februar bis 14. Juli 1946 sind im Artikel Liste der Mitglieder des beratenden Landesausschusses (Hessen) aufgelistet.
Am 30. Juni 1946 fanden Wahlen zur verfassungsberatenden Landesversammlung statt. Bei einer Wahlbeteiligung von 71 % erzielte die SPD 44,3 %, die CDU 37,3 %, die KPD 9,7 % und die FDP 6 %.
Weitere Personen am Prozess der Entstehung der Hessischen Verfassung:
- Dr. Valentin Heckert. Als Ministerialdirektor an der Ausarbeitung des Entwurfes zur neuen Verfassung beteiligt. Er befasste sich unter anderem mit der Demokratisierung der Polizei
Die Landesversammlung verabschiedete am 30. September 1946 den Entwurf der Hessischen Verfassung. Am 1. Dezember 1946 fand die Volksabstimmung über die Verfassung statt: die Wähler stimmten mit 76,4 % für die Gesamtverfassung und mit 72% für den Sozialisierungsartikel 41. Damit trat die Verfassung als zweite deutsche Landesverfassung nach Württemberg-Baden in Kraft, die erste eines noch heute bestehenden deutschen Staatrechtssubjekts.
Artikel 41 sah Sozialisierungen in den Bereichen Bergbau, Eisen und Stahl sowie Energie und Verkehr vor, die jedoch nie verwirklicht wurden.
Weitere wichtige Punkte mit Verfassungsrang waren: Anerkennung der Würde und Persönlichkeit des Menschen auch in der Ökonomie, das Recht auf Arbeit, den Achtstundentag, einen 12tägigen Mindesturlaub, das Streikrecht sowie ein einheitliches Arbeitsrecht für Arbeiter, Angestellte und Beamte proklamiert, wobei die Aussperrung untersagt bleibt. Somit ging durch die zeitliche Nähe der Erfahrungen mit dem Nationalsozialismus die sozialen Komponenten viel weiter als in den später verabschiedeten Landesverfassungen der anderen Bundesländer.
Konfliktpunkte
Die Hessische Verfassung spiegelt in weiten Teilen die wirtschaftliche und politische Umbruchsituation der unmittelbaren Nachkriegsmonate wider. Zahlreiche von der gesellschaftlichen Realität überholte Bestimmungen der Verfassung werden in der Rechtspraxis kaum noch wahrgenommen; das gesamte Verfassungswerk gilt als umfassend reformbedürftig.
Wesentliche Kritikpunkte an der Hessischen Verfassung sind:
- Ein vielzitiertes juristisches Kuriosum stellt in diesem Zusammenhang Artikel 21 Abs. 1 HV dar, nach dem für besonders schwere Verbrechen die Todesstrafe verhängt werden kann. Infolge der im Grundgesetz vollzogenen Abschaffung der Todesstrafe ist die hessische Regelung unwirksam.
- Gleiches gilt für das in der HV normierte Verbot der Aussperrung.
- Das Wahlprüfungsverfahren obliegt nicht dem Staatsgerichtshof des Landes Hessen sondern zunächst einem "Wahlprüfungsgericht" (Art. 78), das von Politikern dominiert wird
- Angehöriger regierender und ehemals regierender Häuser (Bundesfürsten) dürfen nicht Mitglied der Landesregierung werden (Art. 101 Abs. 3 HV), diese Norm kollidiert mit dem allgemeinen Gleichheitsgrundsatz aus Art. 3 GG.
- Die "Hessische Staatsangehörigkeit" (Art 154) hat eher historischen Wert
Im Rahmen der Diskussion über die Einführung von Studiengebühren steht Artikel 59 im Mittelpunkt der Debatte. Dieser verbietet Schul- und Studiengebühren grundsätzlich, da er die Unentgeltlichkeit von Schul- bzw. Hochschulunterricht verlangt und schreibt darüber hinaus vor, dass für „begabte Kinder sozial Schwächergestellter Erziehungsbeihilfen zu leisten sind.“ Als Ausnahme gestattet er nur, dass ein entsprechendes Gesetz anordnen kann, „daß ein angemessenes Schulgeld zu zahlen ist, wenn die wirtschaftliche Lage des Schülers, seiner Eltern oder der sonst Unterhaltspflichtigen es gestattet.“ In Umsetzung dieser Vorschrift stellt die hessische Regelung fast ein Drittel der Studenten von der Zahlung von Studiengebühren frei. Dennoch ist eine Klage vor dem Staatsgerichtshof anhängig. Am 11. Juni 2008 hat der Staatsgerichtshof das bisherige Gebührensystem schlussendlich für zulässig erklärt[1]. Die Vorgaben in Art. 59 LV beinhalte nach Ansicht der Mehrheit der Richter keine Garantie eines gebührenfreien Studiums, wenn durch ein Darlehenssystem eine sozialen Abfederung stattfinde und niemand vom Studium ausgeschlossen werde. Details siehe: Studiengebühren in Deutschland#Normenkontrollverfahren vor dem Staatsgerichtshof des Landes Hessen samt Hintergrund
Verfassungsänderungen
Obwohl die Verfassung des Landes Hessen älter ist als das Grundgesetz und daher einige Punkte (z. B. die Zulässigkeit der Todesstrafe (Art. 21 Abs. 1 HV)) sich erübrigen, gab es nur wenige Verfassungsänderungen und keine große Verfassungsreform. Grund hierfür ist weniger die Notwendigkeit der Bestätigung durch eine Volksabstimmung, sondern vielmehr die Uneinigkeit der Fraktionen über die notwendigen Änderungen. Dennoch gab es eine Reihe von kleineren Änderungen:
- Gesetz vom 22. Juli 1950 (GVBl. S. 131): Art. 75 Abs. 3 und Art. 137 Abs. 6 (Passives Wahlrecht auf 21 Jahre)
- Gesetz vom 23. März 1970 (GVBl. I S. 281): Art. 73 Abs. 1 und Art. 75 Abs. 2 (Aktives Wahlrecht auf 18 Jahre)
- Gesetz vom 20. März 1991 (GVBl. I S. 101) und Gesetz vom 20. März 1991 (GVBl. I S. 102): Art. 26a, Art. 138 und Art. 161 Direktwahl der Bürgermeister
- Gesetz vom 18. Oktober 2002 (GVBl. I S. 626): Überschrift zu Abschnitt V., Art. 62a (Staatsziel Sport)
- Gesetz vom 18. Oktober 2002 (GVBl. I S. 627): Art. 79, 161 (Verlängerung der Legislaturperiode von 4 auf 5 Jahre)
- Gesetz vom 18. Oktober 2002 (GVBl. I S. 628): Art. 137 (Konnexitätsprinzip)
Im Jahr 2003 wurde von allen im Landtag vertretenen Parteien eine Enquetekommission eingesetzt, um die Hessische Verfassung grundlegend zu reformieren. Die Arbeit der Enquetekommssion wurde allerdings nicht beendet, da die Pläne von CDU, FDP und Grünen vorsahen, einige der sozialen Bestimmungen der Verfassung (u. a. das Aussperrungsverbot) zu streichen, was die SPD nicht unterstützte[2].
Historische hessische Verfassungen
- Hessische Verfassung des Volksstaats Hessen 1918 bis 1934
- Verfassung des Großherzogtums Hessen 1820 bis 1918
- Konstitutionsergänzungsakte 1816 bis 1866 gültige Verfassung der Freien Stadt Frankfurt.
- Höchstes Organisations-Patent der Verfassung des Großherzogtums Frankfurt 1810 bis 1820
Literatur
- Berding, Helmut (Hrsg.) (1996): Die Entstehung der hessischen Verfassung von 1946. Eine Dokumentation, Wiesbaden: Historische Komm. für Nassau.
- Cancik, Pascale (2003): Die Verfassungsentwicklung in Hessen. In: Jahrbuch des Öffentlichen Rechts der Gegenwart, Neue Folge / Bd. 51, S. 271-299.
- Hinkel, Reinhard (1999): Verfassung des Landes Hessen. Kommentar. Kommunal- und Schulverlag, Wiesbaden 1999.
- IMSF (Hrsg.) (1978): Die Auseinandersetzung um die Länderverfassungen in Hessen und Bayern 1946, Frankfurt/ Main: Verlag Marxistische Blätter.
- Schalauske, Jan (2007): In das Museum für Verfassungsgeschichte? Die gescheiterte Reform der Hessischen Verfassung, in: Geis; Marco/Niese, Steffen/Schröder, Christian: Hessen hinten! Sieben Jahre hessische CDU an der Macht – Eine kritische Bilanz, Forum Wissenschaft Studien, Marburg: BdWi-Verlag, 2007.
- Stein, Erwin (Hrsg.) (1976): 30 Jahre hessische Verfassung 1946-1976, Wiesbaden: Franz Steiner Verlag 1976.
Einzelnachweise
Weblinks
- Originaltext der Verfassungsurkunde für das Großherzogtum Hessen vom 17. Dezember 1820 (auf documentArchiv.de)
- Originaltext der Verfassungsurkunde für das Kurfürstentum Hessen vom 5. Januar 1831 (auf documentArchiv.de)
- Verfassung des Landes Hessen
- Lengemann; Hessenparlament
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