- Bauernpartei
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Eine politische Partei als organisierte Vertretung der Bauernbewegung wird als Bauernpartei bezeichnet. Je nach regionaler Tradition und politischen Konfliktlinien neigen Bauernparteien stärker zu sozialreformerischen bis sozialistischen oder zu nationalpopulistischen Forderungen. In den 1920er Jahren waren Bauernparteien in Europa sowohl Katalysatoren der politischen Integration der Landbevölkerung als auch autokratischer Veränderungen in einzelnen Staaten (z. B. in Estland).
Hintergrund
Die Parteien der so genannten „Grünen Internationalen“ (Werner Conze) wurzelten in agrarisch (halb-)feudal geprägten Gesellschaften. Sie standen nicht nur für bäuerliche Tages- oder Partikularinteressen, sondern ihre landreformerische Zielsetzung barg sozialrevolutionäres Potential. In ihrer Rhetorik traten sie oft, manche auch heute noch, antimodern, antistädtisch, antisemitisch und antiintellektuell auf. Bauernparteien beeinflussten insofern die Kultur der jeweiligen Gesellschaften oft im Sinne kleinbürgerlicher Vorstellungen und Ressentiments.
Unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg erwuchsen in den von der Sowjetunion besetzten Staaten die Bauernparteien teilweise zu großen Massenbewegungen (vgl. z. B. die ungarische FKGP). Dies ist als Antwort der Bevölkerung auf die sich anbahnende Etablierung sozialistischer Regime in den von der Sowjetunion besetzten Staaten zu betrachten: Die breite Bevölkerung schloss sich nun durchaus den sozialen Forderungen der Landbevölkerung an, bezog aber deutlich Stellung gegen die kommunistischen Parteien.
Nach dem Zusammenbruch der Volksrepubliken in Mittel-, Ost- und Südosteuropa versuchten Bauernparteien wieder an alte Erfolge anzuknüpfen. Neu-alten Parteien gelang dies aber im Allgemeinen nicht oder nur in Ausnahmefällen. Während in einzelnen Staaten Bewegungen und Parteien mit populistischer Rhetorik an Teile der alten Cleavage-Strukturen in problematischer Weise anknüpfen konnten, näherten sich andere Gruppierungen des bauernpolitischen Spektrums den christdemokratischen Parteien. Eine Besonderheit ist die Entwicklung in Lettland: Hier gingen der lettische „Bauernverband“ LZS und die Grüne Partei LZP ein bürgerlich-ökologisches Bündnis ein (unter dem Namen ZZS), und waren damit bei Wahlen sehr erfolgreich.
Liste der Bauernparteien (aktuell und historisch)
Deutschsprachige Staaten
Deutschland
- Bayerischer Bauernbund (1893 bis 1933)
- Bund der Landwirte (BL), als Gesamtorganisation keine Bauernpartei im eigentlichen Sinne
- Christlich-Nationale Bauern- und Landvolkpartei (CNBLP; 1928 bis 1933)
- Demokratische Bauernpartei Deutschlands als Blockpartei in der DDR (DBD; 1948 bis 1990)
- Deutsche Bauernpartei (DBP; 1928 bis 1933)
- Landbund (Deutschland), als Gesamtorganisation keine Bauernpartei im eigentlichen Sinne (1919 bis 1921)
- Landvolkbewegung, ein politisch aktiver, aber eher spontaneistisch agierender bäuerlicher Zusammenschluss
- Schleswig-Holsteinische Bauern- und Landarbeiterdemokratie (SHBLD; 1918 bis 1924)
- Thüringer Landbund (1920 bis 1933)
- Württembergischer Bauern- und Weingärtnerbund (WBWB; 1919 bis 1933)
Österreich
- Landbund (Österreich), auch: Deutsche Bauernpartei (in Österreich)
Schweiz
- Bauern-, Gewerbe- und Bürgerpartei (BGB), Vorläuferin der Schweizerischen Volkspartei (SVP)
Weitere Staaten
Albanien
- Partia Agrare Ambjentaliste e Shqipërisë
Belarus
- Bauernpartei (Belarus) (Weißrussisch: Агра́рная па́ртыя Белару́, Agrarnaya Partya Belarusi)
Bosnien-Herzegowina
- Hrvatska Seljacka Stranka
Bulgarien
- Bulgarische Volksunion der Bauern BZNS (Bulgarisch: Българският земеделски народен съюз (БЗНС), Balgarski Zemedelski Naroden Sajuz)
- Bulgarische Volksunion der Bauern "Aleksandar Stambolijski" BZNS „A.S.“ (Bulgarisch: Българският земеделски народен съюз „Александър Стамболийски“ (БЗНС „Александър Стамболийски“), Balgarski Zemedelski Naroden Sajuz „Aleksandar Stambolijski“)
Estland
- Bund der Landwirte (Estland), siehe auch: Konstantin Päts
- Estnische Volksunion (Estnisch: Eestimaa Rahvaliit – ERL), entstanden als Zusammenschluss aus drei Parteien, darunter Eesti Maarahva Erakond (EME) (Bauernpartei) und Eesti Maaliit (EML) (ländlich orientierte Partei)
Finnland
- Bauernpartei (Finnland)
- Agrarunion (Finnland)
Indien
- Indische Volksbauernpartei (Bharatiya Jan Kisan Party)
- Dalit-Arbeiter-Bauernpartei (Dalit Mazdoor Kishan Party), Dalit=Paria
Indonesien
- Indonesische Bauernpartei (KTPI), vgl. auch Henck A. E. Arron
Irland
- Farmers' Party oder auch: Farmers’ Union
Kasachstan
- Bauernpartei (Kasachstan) (Qazaqstan Agrarlyk Partiyasi)
Kroatien/SHS-Staat
Lettland
- Bauernverband (LZS)
Litauen
- Bauernpartei (Litauen), Valstiečių ir Naujosios demokratijos partijų sąjunga (VNDS), vgl. Litauen
Niederlande
- Boerenpartij (BP)
- Plattelandersbond (PB)
Norwegen
Philippinen
- Luzon Farmers Party Butil
Polen
- Polskie Stronnictwo Ludowe (PSL) gemäßigt und proeuropäisch
- Samoobrona linkspopulistisch und europaskeptisch
Rumänien
- Front der Pflüger (Frontul Plugarilor)
- Nationale Bauernpartei
Russland
Serbien
- Bauernpartei (Serbien) (Serbisch: Сељачка Странка, Seljacka Stranka)
- Nationale Bauernpartei (Serbien) (Serbisch: Народна Сељачка Странка, Narodna Seljačka Stranka)
Schweden
- Centerpartiet, auch: Bondeförbundet, Jordbrukarnas Riksförbund
Taiwan („Republik China“)
- Bauernpartei (Taiwan) (pinyin: Nóngmíndǎng)
Ukraine
- Ukrainische Demokratische Bauernpartei, vgl. auch Liste der Parteien der Ukraine
Ungarn
USA
- Farmer-Labor Party
- Free Soil Party
Siehe auch
- Agrarier
- Mitte-rechts
- neu-alte Partei
Literatur
- Heinz Gollwitzer (Hrsg.): Europäische Bauernparteien im 20. Jahrhundert. Stuttgart 1977
- Toni Pierenkemper (Hrsg.): Landwirtschaft und industrielle Entwicklung: zur ökonomischen Bedeutung von Bauernbefreiung, Agrarreform und Agrarrevolution. Stuttgart 1989
Weblinks
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