Vertrauen (Wirtschaft)

Vertrauen (Wirtschaft)

In den Wirtschaftswissenschaften spielt Vertrauen in einer Vielzahl von Disziplinen eine Rolle. Jedoch gibt es Uneinheitlichkeiten bei den Definitionen, den Begriffsverwendungen, den verwandten Konstrukten und den implizierten Mechanismen, was eine einheitliche Vertrauenstheorie in den Wirtschaftswissenschaften verhindert.

Inhaltsverzeichnis

Allgemeines

In der Ökonomie spielen Transaktionen eine zentrale Rolle. Ihnen ist gemein, dass immer mindestens zwei Personen beteiligt sind und der Leistung des einen die Gegenleistung des anderen gegenübersteht. Grundbedingung einer jeden Transaktion ist ein ausreichendes Vertrauen, dass der jeweils andere auch seine Gegenleistung erbringen wird.

So vertraut der Verkäufer dem Käufer dahingehend, dass der Käufer den Kaufpreis entrichten wird. Im Gegenzug vertraut der Käufer dem Verkäufer, dass die Ware die zugesicherten Eigenschaften hat.

Offenkundig ist, dass dieses Vertrauen auch enttäuscht werden kann. In diesem Fall (der mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit stattfindet) entstehen dem Transaktionspartner Kosten (z. B. der uneinbringliche Kaufpreis).

Umgekehrt entsteht durch die (korrekt durchgeführte) Transaktion ein Nutzen. Nur wenn dieser Nutzen höher liegt als der Erwartungswert des möglichen Missbrauchs des Vertrauens wird das Vertrauen ausreichen, die Transaktion durchzuführen.

Das Vertrauen, also die Bereitschaft eines Vertrauenden (A), sich auf die Handlung eines anderen (B) zu verlassen, lässt sich formell so darstellen:

Nach der Wahrscheinlichkeitsrechnung:

 p \cdot G(x) - (1-p) \cdot L(y) > 0

wobei

p = Wahrscheinlichkeit (oft aufgrund der subjektiven Beurteilung von A), dass B die Handlung x ausführt bzw. auswählt
x = Handlung, die B ausführen soll
y = nicht x, d. h. Handlung, die B ausführt und damit das Vertrauen missbraucht
G(x) = Bezahlung/Gewinn für/durch die Handlung x
L(y) = Verlust, der durch die Handlung y zustande kommt

Umgeformt lautet die Formel, wenn Sie das notwendige Vertrauen bestimmen wollen:

p > L(y) / (L(y) + G(x))[1]

Beispiel

Eine Bank will einem Kunden einen Kredit über 10.000 € geben. Die Bank würde an dem Kredit 1.000 € verdienen – wenn der Kunde ihn vertragsgemäß zurückzahlt. Ob der Kunde dies machen wird, ist ungewiss. Aus ihren Erfahrungen im Kreditgeschäft weiß die Bank, dass bei Ratenkrediten 3 % der Kunden ihre Kredite nicht zurückzahlen. Zahlt der Kunde nicht zurück, verliert die Bank das ausgeliehene Kapital.

p = Wahrscheinlichkeit der korrekten Rückzahlung = 97 %
1 − p = Wahrscheinlichkeit, dass der Kunde das Vertrauen missbraucht und nicht zahlt = 3 %
G(x) = Gewinn bei Rückzahlung = 1.000 €
L(y) = Verlust bei Nicht-Zurückzahlung = 10.000 €

Vertrauen = 0,97 × 1.000 € − 0,03 × 10.000 € = 970 € (Zinsertrag) – 300 € (Risikokosten) = 670 €

Da im Beispiel der Ertrag höher liegt als die Kosten, wird die Bank das Vertrauen aufbringen, den Kredit zu gewähren.

Spieltheorie

In der Spieltheorie beschäftigt man sich mit der Modellierung des Vertrauens im sogenannten Vertrauensspiel.

Maßnahmen zur Erhöhung des Vertrauens

Je höher das Vertrauen, umso leichter ist es, Transaktionspartner zu gewinnen und umso bessere Konditionen sind am Markt zu erzielen.

Besonders deutlich wird dies an den Kapitalmärkten. In Abhängigkeit von dem Vertrauen in die Bonität der Emittenten von Wertpapieren wird an den Märkten eine unterschiedliche Risikoprämie gefordert.

Aus diesem Grund gibt es seit jeher das Bemühen der Wirtschaftsakteure, ihr Vertrauen zueinander zu erhöhen.

Institutionen und Rechtsordnung

Ein wesentliches vertrauensstiftendes Element sind funktionierende Institutionen (z. B. Gerichte, Handelskammern, Normungsinstitiute). Hierzu zählt vor allem der Rechtsstaat. Nur mittels dieser Institutionen ist es dem Wirtschaftsteilnehmer möglich, einen möglichen Vertrauensbruch des anderen sanktionieren zu lassen. Die Sanktionsmöglichkeit wiederum erhöht das nötige Vertrauen. In diesem Zusammenhang ist es wesentlich, dass die Wirtschaftsakteure selbst über Institutionenvertrauen verfügen.

Externe Prüfungen

Ein wesentliches Problem beim Aufbau von Vertrauen ist die Asymmetrische Informationsverteilung. Zum Beispiel kennt der Verkäufer Mängel des Verkaufsgegenstandes, der Käufer aber nicht. Um das Vertrauen zu erhöhen werden hier vielfach externe Prüfer eingesetzt. So erhöht sich das Vertrauen des Gebrauchtwagenkäufers deutlich, wenn ein aktuelles TÜV-Gutachten vorliegt. Typische Fälle solcher externen Prüfungen sind Ratings von Wertpapieren oder Kreditnehmern.

Bank und Versicherungsgeschäft

In besonderem Maße sind Kreditinstitute von Vertrauen abhängig. Der Begriff Kredit stammt vom lateinischen credere (= glauben). Der Kreditgeber glaubt daran, dass der Kreditnehmer den Kredit zurückzahlen wird. Daher ist es für die Banken unerlässlich, bei den Einlegern ein hohes Vertrauen zu erhalten. Verlieren die Geldanleger das Vertrauen in die Bank, so ziehen sie die Einlagen ab und es kommt zu Liquiditätsproblemen bis hin zum Bank Run.

Aus diesem Grund haben Banken umfangreiche Systeme der Einlagensicherung aufgebaut.

Vergleichbares gilt für Versicherungen. Hier wie auch im Bankenbereich spielt die ausreichende Ausstattung mit Eigenkapital eine zentrale Rolle, um das Kundenvertrauen in die Bonität des Unternehmens zu erhalten.

Marketing

Besondere Bedeutung kommt dem Konstrukt „Vertrauen“ auch im Rahmen des Marketing und Vertriebs zu. So spielen bei produktpolitischen Entscheidungen die Vertrauenseigenschaften eine große Rolle, bei der Preisfindung wiederum das Preisvertrauen (Erwartung, dass ein Unternehmen den Preis ausschließlich eigennützig festlegt). In der Distributionspolitik entscheidet das Vertrauen in die Absatzwege über den Erfolg eines Produktes (bspw. Vertrauen in neue Medien oder den Handel von Waren über das Internet,[2] und die Kommunikationspolitik muss sich mit einem geringen Vertrauen in die Aussagen der Werbung auseinandersetzen. Entscheidend ist Vertrauen schließlich auch im Markenmanagement: Dort spricht man von Markenvertrauen als einer der wesentlichen Einflussgrößen der Kundenloyalität bzw. Markentreue. Hierzu liegen bereits einschlägige empirische Studien vor.

E-Commerce

Im elektronischen Handel kommen weitere Faktoren hinzu. Fehlende face to face Interaktion, fehlende Überprüfbarkeit gegebener Informationen und der technologische Akt an sich erschweren die Vertrauensbildung. Dadurch werden Trusted Third Partys bei Online-Geschäften immer wichtiger. Das Vertrauen im E-Commerce scheint zudem von kulturellen Faktoren abzuhängen.[3]

Weitere Autoren

Besonders seit den 80er Jahren beschäftigt sich die Ökonomie intensiv mit dem Thema (wichtige Autoren: Oliver E. Williamson (1993), Tanja Ripperger (1998), Michael Platzköster (1990)), aber auch die Betriebswirtschaft spart nicht mit Veröffentlichung (besonders im Bereich des Organizational Behaviour, z. B. Bart Noteboom/Frederique Six (2003), Roderick Kramer/Tom Tyler (1996), Roderick Kramer (2005), Guido Möllering (2006), Bachmann/Zaheer (2006)).

Quellen

  1. James Samuel Coleman, Grundlagen der Sozialtheorie, 1991
  2. siehe z. B. Peter Ludwig (2005)
  3. Aladin El-Mafaalani (2008), Globaler Handel nach lokaler Art, 2008

siehe z. B. Aladin El-Mafaalani (2008)


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