- Volksschullehrer
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Der Begriff Volksschule ist historisch mit dem Gedanken einer Bildungseinrichtung für das Volk (meint: die einfache Bevölkerung gegenüber den gehobenen Ständen oder Bevölkerungsklassen) und der Einführung einer Schulpflicht verbunden.
In der Bundesrepublik Deutschland bezeichnete die Volksschule bis etwa 1968 eine Schulform, in der man in der Regel nach acht Schuljahren den sogenannten Volksschulabschluss erwarb; sie wurde als Regelschule im dreifach gegliederten Schulwesen von der Grundschule und der Hauptschule abgelöst.
In Österreich gibt es noch heute die vierjährige Volksschule, die von jedem Kind besucht werden muss, für das in Österreich die Unterrichtspflicht gilt. Der häusliche Unterricht ist in Österreich gesetzlich zwar zugelassen, wird jedoch nur selten in Anspruch genommen.
Inhaltsverzeichnis
Volksschulen in Deutschland
Historische Grundlagen
Die Volksschule beruht in ihrem historischem Ursprung auf der Pflicht zur Unterweisung in den Grundlagen des christlichen Glaubens, wie sie 1215 auf dem 4. Laterankonzil formuliert wurde. Die Umsetzung dieser Vorgabe erfolgte in Deutschland ganz unterschiedlich, besonders intensiv aber nach der Reformation. Die Reformatoren erließen während der Visitationen Kirchenordnungen, die die Einrichtung von Schulen vorsahen. Die katholischen Gebiete zogen bald nach. Im 17. Jahrhundert begannen auch die weltlichen Herrscher, sich für die Elementarbildung ihrer Untertanen zu interessieren. Eine wichtige Rolle spielten hierbei der Pietismus mit seinem Bildungsoptimismus sowie die Aufklärung. Besonders fortgeschrittene Volksschulen bestanden im Kurfürstentum Sachsen, während die nichtdeutschen Gebiete Preußens nur wenige Schulen hatten. Der Begriff Volksschule kam um 1800 auf. Noch lange Zeit waren die Volksschulen Einrichtungen der Kirchengemeinden. Die Ablösung von der Kirche fand erst im 20. Jahrhundert ihren Abschluss.
In bildungshistorischen Darstellungen zu Deutschland beschränkt man sich meist auf eine Behandlung der Verhältnisse in Preußen, was die Darstellung jedoch verzerrt. Als ein wichtiger Förderer des Volksschulwesens in deutschen Ländern gilt der preußische König Friedrich Wilhelm I. (1683–1740). 1717 erließ er das Edikt zur allgemeinen Schulpflicht. Er bestimmte, dass Kinder vom fünften bis zum zwölften Lebensjahr in die Schule gehen und erst entlassen werden sollten, wenn sie lesen und schreiben konnten. Ebenso musste der Katechismus auswendig gelernt werden. In Sachsen bestand hingegen schon seit 1580 eine allgemeine achtjährige Schulpflicht vom 6. bis 14. Lebensjahr für evangelische Kinder. Daraus wurde dort erst 1835 eine achtjährige allgemeine Schulpflicht für Kinder jeden Glaubens.
Friedrich II. von Preußen (1712–1786) reformierte das Schulwesen. Die Dauer der Schulzeit wurde im „Königlich-Preußischen-General-Landschul-Reglement“ vom 12. August 1763 auf acht Jahre festgelegt. Das Generallandschulreglement, das der Theologe Johann Julius Hecker maßgeblich vorbereitet hatte, bildete die Grundlage für die Entwicklung des preußischen Volksschulwesens.
Schreib- und Leseschulen und die Rechenschulen des Spätmittelalters ebenso wie Küster- und Sonntagsschulen der Reformation bildeten die Vorstufe der Volksschule. Zum ersten Mal erwähnt wird der Begriff Volksschule 1779, sie wurde auch Elementarschule, Landschule, Dorfschule oder Armenschule genannt.
Die Schulaufsicht unterstand zu dieser Zeit der Kirche. Sie wurde in der Person des Pfarrers als Schulinspektor wahrgenommen, konnte aber jederzeit von der Kirchenbehörde an sich gezogen werden (z. B. dem Konsistorium, Ordinariat).
Volksschule im 19. Jahrhundert
Die Volksschule wurde aus den folgenden Gründen im 19. Jahrhundert als Einheitsschulart für alle eingeführt: Gesundheitsmängel als Folge der Kinderarbeit wird von den Rekrutierungsstellen des Militärs beklagt, Durchsetzung der allgemeinen Schulpflicht, Alphabetisierung der Bevölkerung, Nationalerziehung als Teil der Nation.
Die Finanzierung lag bei den Gemeinden, alten Stiftungen und dem Staat. Die Schulaufsicht war in den deutschen Ländern unterschiedlich geregelt. Grundsätzlich hatten allerdings die Kirchen eine wesentliche Rolle. So war im Großherzogtum Hessen der Geistliche geborener Vorsitzender des Ortsschulvorstandes.
Die Bildungsziele wurden wegen der Kosten und eventuell erzeugter Unzufriedenheit begrenzt. Zum Beispiel sah die Stundentafel in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts so aus: 12 Stunden Lesen und Schreiben, 6 Stunden Religion, 5 Stunden Rechnen, 3 Stunden Gesang und Kirchenlieder.
Die Lehrerausbildung erfolgte durch neu gegründete Lehrerseminare. Deren Bezahlung war sehr gering und führte zu großer Unzufriedenheit unter den Lehrern. Logis war im Schulhaus.
Volksschule im 20. Jahrhundert
Anzahl der Volksschüler in öffentlichen Gemeinschafts- und Konfessionsschulen in der Bundesrepublik Deutschland im Jahr 1963, jeweils bis zur 8. und 9. Schulklasse:
Volksschüler in Deutschland 1963 [1] Bundesland Volksschüler Bayern 974.000 Baden-Württemberg 733.000 West-Berlin 102.000 (nur bis 6. Klasse) Bremen 62.000 Hamburg 134.000 Hessen 418.000 Niedersachsen 699.000 Nordrhein-Westfalen 1.497.000 Rheinland-Pfalz 386.000 Saarland 130.000 Schleswig-Holstein 224.000 In Westdeutschland, dem damaligen Gebiet der Bundesrepublik Deutschland, wurden von 1964 bis 1968 die Volksschulen aufgrund des Hamburger Abkommens zur Bildungsreform aufgelöst. An ihre Stelle trat die vierjährige bzw. sechsjährige Grundschule (Primarstufe). Anschließend müssen die Schüler nach dieser „Grundschulzeit“ eine weiterführende Schule der Sekundarstufe I besuchen. Die neu gebildeten Hauptschulen als Nachfolgeeinrichtung der Volksschule oder (wie vor 1968 auch schon) andere weiterführende Schulen bieten seit diesem Zeitpunkt diese Möglichkeit an.
Der Begriff Volksschule existiert aber auch noch nach 1968 - er wird zumeist für Schulen verwendet, die Grund- und Hauptschule unter einem Dach vereinen (oft aber auch für reine Grundschulen). Außerdem wird in Bayern das Schulwesen an Grund- und Hauptschulen unter anderem durch die Bayerische Volksschulordnung (VSO) geregelt, die unter anderem besagt, dass einzuschulende Kinder volksschulpflichtig werden.
In Ostdeutschand, dem damaligen Gebiet der DDR, wurden die Volksschule wie auch die mehrgliedrigen weiterführenden Schulen mit Abschluss der Phase des Aufbaus der sozialistischen Schule (1949–1962) aufgelöst. An ihre Stelle trat als Einheitsschule die Polytechnische Oberschule, die zunächst acht und später zehn Klassen umfasste.
Volksschule in Österreich
Die Volksschule wird in die Grundstufe 1 (Vorschulstufe, 1. und 2. Schulstufe) und in die Grundstufe 2 (3. und 4. Schulstufe) gegliedert. Es gibt unterschiedliche Organisationsformen: einklassige Schulen (wo mehrere Schulstufen in einer Klasse unterrichtet werden = Abteilungsunterricht) und mehrklassige Schulen (jede Schulstufe ist einer eigenen Klasse zugeordnet). Jeder Klasse wird ein Klassenlehrer (= Klassenvorstand) zugewiesen, der im Regelfall alle Pflichtgegenstände unterrichtet, ausgenommen Religionsunterricht und Werkunterricht (textiler Bereich). In Gebieten, in denen sprachliche Minderheiten leben, wird auch zweisprachiger Unterricht durchgeführt. In allen Schulen kann für Kinder mit nichtdeutscher Muttersprache der sogenannte „Muttersprachliche Unterricht“ als Unverbindliche Übung (nur mit Anmeldung besuchbar) angeboten werden.
Organisation
In Österreich besteht Unterrichtspflicht. Jedes Kind, das bis zum 31. August eines Kalenderjahres das sechste Lebensjahr vollendet hat, muss im darauf folgenden September die im Schulsprengel gelegene Volksschule besuchen. Neben öffentlichen Schulen gibt es auch Privatschulen mit Öffentlichkeitsrecht, die unter anderem auch von kirchlichen Institutionen geführt werden.
Die Lehrer der öffentlichen Schulen sind Bedienstete des jeweiligen Bundeslandes. Die Schulerhalter Gemeinden sind für die Bereitstellung der Unterrichtsräume (Schulgebäude, Klassen samt erforderlicher Nebenräume und Einrichtung) und die Budgets für organisatorischen Bereiche (Unterrichts- und Lehrmittel, Schulwarte, Beheizung, Beleuchtung …) zuständig. Sind mehrere Gemeinden in einem Schulsprengel zusammengefasst, so schließen sie sich zu einer sogenannten Schulgemeinde zusammen. Schulsprengel sind durch Verordnung des jeweiligen Landes definiert und dies bedeutet, dass alle in einem Pflichtschulsprengel (als ordentlichem Wohnsitz) gemeldeten unterrichtspflichtigen Kinder die im Sprengel befindliche Schule zu besuchen haben. Ausnahmen (= sprengelfremder Schulbesuch) bedürfen einer Genehmigung mittels eines Verfahrens, in dem alle Betroffenen (Erziehungsberechtigte, Gemeinden, Bezirkverwaltung) Anhörungsrecht besitzen.
Geschichte der Volksschulen in Österreich
Der Begriff Volksschule trat vereinzelt gegen Ende des 18. Jahrhunderts auf und wurde erst 1840 gesetzlich verankert.
Vor Einführung der Hauptschule umfasste die Volksschule die Volksschul-Unterstufe (1. bis 4. Schulstufe) und die Volksschul-Oberstufe (4. bis 8. Schulstufe) insgesamt acht Schulstufen. Durch höhere Organisationsformen wurde sie schrittweise nach dem Zweiten Weltkrieg auf die heutigen vier Schulstufen reduziert. Nach der vierten Schulstufe der Volksschule besteht die Wahlmöglichkeit zum Besuch der Hauptschule oder der Unterstufe des Gymnasiums (dafür ist in den Hauptfächern eine Beurteilung mit „Gut“ oder „Sehr gut“ erforderlich).
Volksschule in der Schweiz
In der Schweiz wird die zur österreichischen Volksschule analoge Schulform als Primarschule bezeichnet. Die Schweizer Volksschule umfasst jedoch die Primarschule sowie die Sekundar- bzw Realschule (insgesamt 9 (obligatorische) Schuljahre, davon je nach Kanton 5 bis 6 Jahre Primarschule).
Siehe auch
- Lehrerinnenseminar
- Adalbert Falk (Reformation des preußischen Volksschulwesens)
- Johann Ignaz Felbiger (Reformation des österreichischen Volksschulwesens)
Literatur
- Johannes Beck: Lernen in der Klassenschule. Untersuchungen für die Praxis. Rowohlt, 1983. ISBN 3499168200
- Lucien Criblez: Eine Schule für die Demokratie: Zur Entwicklung der Volksschule in der Schweiz im 19. Jahrhundert. Lang, Bern, ISBN 3906763773
- Hans-Martin Moderow: Volksschule zwischen Staat und Kirche. Das Beispiel Sachsen im 18. und 19. Jahrhundert. Böhlau 2007. 545 Seiten. ISBN 3412117064
- Otto Rühle, Die Volksschule, wie sie ist. Berlin, Expedition der Buchhandlung Vorwärts, 1903
- Klaus Schlupp, Schule, Kirche und Staat im 19. Jahrhundert - Die katholische Volksschule im Bistum Mainz und Großherzogtum Hessen-Darmstadt 1830 - 1877, Nordhausen, 2005 ISBN 978-3-88309-316-1
Einzelnachweise
- ↑ Der Spiegel, Hamburg 1963, Nr. 37
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