Walter Hagemann

Walter Hagemann

Walter Hagemann (* 16. Januar 1900 in Euskirchen; † 16. Mai 1964 in Potsdam) war ein deutscher Publizistikwissenschaftler und Politiker (Zentrum, dann CSU und Ost-CDU).

Inhaltsverzeichnis

Beruf

Hagemann studierte Politik, Geschichte, Philosophie und Volkswirtschaft an den Universitäten Münster, München und Leipzig. Er wurde 1921 oder 1922[1] bei Prof. Friedrich Meinecke promoviert. Seit 1923 als Journalist tätig, unternahm er mehrere Reisen nach Asien und Afrika und arbeitete als Redakteur für Außenpolitik ab 1927 bei der Germania, der in Berlin erscheinenden Tageszeitung der Zentrumspartei. 1934 bis zum Verbot von 1938 war er Chefredakteur der Germania. Danach arbeitete er als Herausgeber eines Auslands-Pressedienstes im „Büro Heide“, das dem Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda unterstand. Das Büro wurde von dem deutschnationalen Presse- und Propagandafachmann Walther Heide geleitet, der sich als Präsident des „Deutschen Zeitungswissenschaftlichen Verbandes“ (DZV) mit den Nationalsozialisten arrangiert hatte. Im „Büro Heide“ wurden verschiedene Pressedienste und Auslandsbeteiligungen koordiniert, die nach außen nicht als direkte Unternehmungen des NS-Propagandaministeriums kenntlich werden sollten. Die Beschäftigung Hagemanns mit zeitungswissenschaftlichen Fragen begann vermutlich im „Büro Heide“, das im Sommer 1944 als „nicht kriegswichtig“ geschlossen wurde.

Von Oktober 1945 arbeitete Hagemann zunächst als Redakteur der Neuen Zeitung in München. Im Frühjahr 1946 übernahm er die vakante Leitung des Instituts für Zeitungswissenschaft (später: Publizistik) an der Westfälischen Wilhelms-Universität in Münster und arbeitete parallel als Pressereferent der dortigen Bezirksregierung. Im Mai 1948 wurde er zum planmäßigen außerordentlichen Professor ernannt. Er gilt als einer der wegweisenden Fachgelehrten bei der Erweiterung der älteren Zeitungswissenschaft zur allgemeinen Publizistikwissenschaft. Hagemann, der sich sehr für den Kinofilm als gesellschaftliches Phänomen interessierte, war u. a. im Rat der Freiwilligen Selbstkontrolle der Filmwirtschaft tätig, den er aber aufgrund der Zulassung des umstrittenen Films die „Die Sünderin“ verließ. Aus Hagemanns Filmseminar am Münsteraner Publizistik-Institut ging die einflussreiche Zeitschrift filmkritik hervor. 1956 begründete er gemeinsam mit Emil Dovifat die Fachzeitschrift Publizistik.

Mit dem „Nestor der Zeitungswissenschaft“, Emil Dovifat, geriet Hagemann im Verlauf der fünfziger Jahre in deutliche politische und fachliche Konkurrenzen. Durch seine Filmstudien, empirischen Erhebungen („Die soziale Lage des deutschen Journalistenstandes“) und sein Standardwerk „Publizistik im Dritten Reich“ (1948) hatte sich Hagemann als führender Fachvertreter der damaligen Publizistikwissenschaft profiliert. In Hagemanns aufsehenerregender Schrift „Dankt die Presse ab?“ (1957) fanden sich heftige Angriffe auf die Zeitungsverleger, während der in Berlin lehrende Dovifat eher ein partnerschaftliches Verhältnis mit den Verlegern propagierte. Eine Berufung Hagemanns an die Universität München war Mitte der 50er Jahre u.a. am Widerstand der Süddeutschen Zeitung gescheitert.

Aufgrund seines Engagements für die Bewegung „Kampf dem Atomtod“ und seiner Kontakte in die DDR wurde Hagemann 1959 die Lehrbefugnis entzogen. Nach einem eher dubiosen Prozess vor dem NRW-Landesverwaltungsgericht (Verurteilung zu „endgültiger Entfernung aus dem Dienst“) und der drohenden strafrechtlichen Verfolgung aufgrund einer „ehebrecherischen Beziehung“ mit einer Studentin flüchtete Hagemann am 14. April 1961 über Prag in die DDR, wo er noch bis 1964 eher pro forma einen Lehrstuhl für Politische Ökonomie an der Humboldt-Universität vertrat. Aufgrund seines schlechten Gesundheitszustandes war Hagemanns Emeritierung auf eigenen Antrag zum 1. September 1964 schon beschlossene Sache, er verstarb jedoch an Herzversagen schon im Mai jenes Jahres. Hagemanns Nachfolger als Direktor des Münsteraner Publizistik-Instituts, Hendricus „Henk“ Prakke, gab 1966 Hagemanns „Grundzüge der Publizistik“ neu kommentiert heraus, ansonsten gerieten die Leistungen und die Biographie Hagemanns wegen seines Überwechselns in die DDR bis in die 1980er Jahre hinein weitgehend in Vergessenheit.

Politische Karriere

Hagemann war vor dem Zweiten Weltkrieg Mitglied des Zentrums. Nach 1945 war er Gründungsmitglied der CSU, als Professor in Münster wechselte er dann zur CDU.

Nach Teilnahme an Versammlungen und Demonstrationen der damaligen bundesdeutschen außerparlamentarischen Opposition und politischen Auftritten in der DDR wurde er aus der CDU 1958 ausgeschlossen. Bereits 1954 wurde er Mitglied in dem national-neutralistischen Deutschen Klub 1954 von Karl Graf von Westphalen. 1962 wurde er Mitglied der Ost-CDU. 1961 wertete er den Bau der Berliner Mauer als „friedenssichernde Maßnahme“. Hagemann verfasste u.a. Artikel für die Deutsche Volkszeitung und das DDR-Blatt Neue Zeit.

Literatur

  • Lutz Hachmeister: Theoretische Publizistik. Studien zur Geschichte der Kommunikationswissenschaft in Deutschland. Berlin 1987.
  • Stephanie Heinecke: Das Fachverständnis von Walter Hagemann. Theorieentwicklung in der Publizistik nach 1945. Saarbrücken 2008.
  • Heinz Ungureit: Das Widerständige der Hagemann-Clique. In: Rolf Aurich et.al.: Theodor Kotulla. Regisseur und Kritiker. München 2005 (edition text + kritik), S. 7-19.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Rudolf Stöber: Emil Dovifat, Karl d'Ester und Walter Hagemann. In: Wolfgang Duchkowitsch et al. (Hg.): Die Spirale des Schweigens. Zum Umgang mit der nationalsozialistischen Zeitungswissenschaft. Münster: Lit 2004, S. 123-144. ISBN 3-8258-7278-5.

Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Поможем сделать НИР

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Hagemann — ist der Familienname folgender Personen: Achim Hagemann (* 1965), deutscher Pianist und Komponist Alfred Hagemann (* 1975), deutscher Kunsthistoriker und Philosoph August Josef Hagemann (1875–1950), deutscher Politiker (Zentrum) Bernhard Hagemann …   Deutsch Wikipedia

  • Walter Model — Nickname Hitler s fireman, Frontline Pig Born …   Wikipedia

  • Walter Model — Walther Model Surnom Le pompier du Führer Naissance 24 janvier 1891 Genthin, Allemagne …   Wikipédia en Français

  • Walter Hörnlein — Walter Hoernlein Walter Hörnlein (centre de la photo) Surnom …   Wikipédia en Français

  • Walter Möse — Born 30 September 1920 Langenbielau …   Wikipedia

  • Hagemann — Hagemann,   1) Carl, Theaterintendant, * Harburg 22. 9. 1871, ✝ Wiesbaden 24. 12. 1945; Intendant in Mannheim (1906 10, 1915 20), Hamburg, Wiesbaden (1920 27), seit 1930 Dozent an der Universität in Berlin.   Werke: Regie (herausgegeben 1902);… …   Universal-Lexikon

  • Walter Nowotny — Pour les articles homonymes, voir Nowotny. Walter Nowotny Naissance 7 décembre 1920 Gmünd Décès 8 novembre 1944 Bramsche Mort au comba …   Wikipédia en Français

  • Walter Oesau — Le major Walter Oesau est un aviateur allemand de la Seconde Guerre mondiale né le 28 juin 1913 et mort le 11 mai 1944. Il a servi la Luftwaffe entre 1934 et sa mort en 1944. Il a abattu 127 avions en plus de 300 missions de… …   Wikipédia en Français

  • Walter Gorn — Pour les articles homonymes, voir Gorn. Walter Gorn Naissance 24 septembre 1898 Bieganin, Posnanie, Royaume de Prusse Décès 10 juillet 1968 (à 69 ans) Rosenheim …   Wikipédia en Français

  • Walter Fries — Pour les articles homonymes, voir Fries. Walter Fries Naissance 22 avril 1894 Güsternheim/Dillkreis Décès 6 août 1982 (à 88 ans) Weilburg an der Lahn Origine …   Wikipédia en Français

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”