Wesensverwandlung

Wesensverwandlung

Der Begriff Transsubstantiation (lat.: „Wesensverwandlung“) bezeichnet in der Theologie die Wandlung von Brot und Wein in den Leib und das Blut Jesu Christi während der Eucharistiefeier.

Die Transsubstantiationslehre definiert die Wandlung von Brot und Wein in der priesterlichen Vergegenwärtigung des einen Opfers Christi während der Wandlungsworte exakt. Diese Definition wird nur von der römisch-katholischen Kirche und den mit Rom unierten Ostkirchen vertreten. Demgegenüber lehren andere Kirchen, wie die altkatholischen, altorientalischen, anglikanischen, lutherischen, methodistischen und orthodoxen Kirchen, dass die reale Gegenwart Christi in bzw. unter den sichtbaren Gestalten von Brot und Wein nach dem Sprechen der Einsetzungsworte bzw. nach der Epiklese gegeben sei. Darunter wird jedoch keine tatsächliche Substanzveränderung von Brot und Wein verstanden. Zudem bestehen über die Art und die Dauer der Konsekration beachtliche Unterschiede in den Lehren dieser Kirchen.

Inhaltsverzeichnis

Transsubstantiation in der Theologie

Transsubstantiation ist die bei der Konsekration innerhalb des Hochgebets der Messe erfolgende Wesensverwandlung von Brot und Wein in den Leib und das Blut Christi. Der Terminus geht auf Debatten über das Abendmahlsverständnis im 9.-13. Jahrhundert zurück.

Eine Substanz (gr. für Ousia) ist im aristotelischen Sinne das an sich selbst nicht sinnlich wahrnehmbare Wesen eines Dinges. Dieses besteht aus Form und Materie. Die im Blick stehende Wandlung beim Abendmahl soll eine wirkliche Wandlung sein und betrifft nicht die sinnlich wahrnehmbaren Akzidentien. Denn der Leib Christi erscheint auch nach der Wandlung den Sinnen weiter wie Brot. Mittelalterliche Theologen haben den Substanzbegriff herangezogen, um das hier stattfindende Glaubensgeheimnis zu beschreiben. Aristotelisch verstanden scheint ein Fortbestehen der Akzidentien und somit der Gestalt bei Veränderung der Substanz nicht möglich, weil Akzidentien von der Substanz, an der sie auftreten, abhängen.

Anlass der Begriffsfindung Transsubstantiation waren Reaktionen auf die Christologie von Berengar von Tours und insbesondere dessen Abendmahlslehre. Berengar fand vor, was ihm als eher kruder Realismus erschien. Seine Gegner formulierten beispielsweise dass der Leib Jesu durch die Zähne der Gläubigen zermalmt werde[1], was Berengar als absurd ansah. Hier wird mit dem Ausdruck Substanz die Vorstellung eines physischen Dinges verbunden (mutatio materialis). Dagegen setzt Berengar, dass schon die Kirchenväter das Abendmahl als heiliges Zeichen verstanden hätten und der Leib Christi nach der Auferstehung verklärt sei.[2] Die Hauptgegner Berengars, Lanfranc und Guitmund von Aversa sprechen dann von einer Substanzverwandlung (substantialiter transmutari). Dies greift die römische Synode von 1079 auf (substantialiter converti). Erstmals belegt ist der Ausdruck Transsubstantiation bei Rolandus Bandinelli 1155/56; vermutlich drückte sich bereits Robertus Pullus um 1140 so aus. Auf dem vierten Laterankonzil 1215 wird diese Redeweise als orthodox festgeschrieben, aber genaugenommen noch nicht als Dogma definiert. Im Konzil von Trient[3] wird dies bekräftigt:

Durch die Konsekration des Brotes und Weines geschieht eine Verwandlung der ganzen Substanz des Brotes in die Substanz des Leibes Christi, unseres Herrn, und der ganzen Substanz des Weines in die Substanz seines Blutes. Diese Wandlung wurde von der heiligen katholischen Kirche treffend und im eigentlichen Sinne Wesensverwandlung genannt.

Die eucharistische Wandlung erfolgt dabei durch göttliche Gnade, der Priester handelt als Stellvertreter Christi.

Transsubstantiationslehre im ökumenischen Gespräch

Das Wandlungsgeschehen ist für die römisch-katholische Kirche ein Dogma, ohne die Transsubstantiationslehre zu dogmatisieren.

Die Orthodoxe Kirche bekennt ebenfalls eine Verwandlung und nennt die Gestalten von Brot und Wein beim Kommunionempfang „kostbarer Leib und kostbares Blut unseres Herrn Jesu Christi“, lehnt aber die dogmatische Definition der Transsubstantiation ab.

Luther entwickelte die Lehre von der Konsubstantiation, die von den bekenntnisgebundenen lutherischen Kirchen rezipiert wurde. Die Realpräsenz Christi beim lutherischen Abendmahl wird auch von der römisch-katholischen Kirche nicht bestritten.[4]

In den Kirchen den reformierten Kirchen gibt es außerdem unterschiedlichste Auffassungen über die „geistige Gegenwart“ (calvinistisches Verständnis) bis hin zur Gedenkfeier (zwinglianisches Verständnis als „Zeichen“). Aus römisch-katholischer Sicht wird von einer Transsubstantiation in diesen Kirchen nicht ausgegangen.

Die altkatholische Theologie lehnt sowohl die römisch-katholische Transsubstantiationslehre als auch evangelische Konsubstantiationslehre ab. Die Wandlung der eucharistischen Gaben sei ein Mysterium, das menschliche Kategorien wie „Substanz“ sprenge und daher mit Hilfe dieses Begriffs auch nicht zureichend erklärt werden könne. Sie bekennt aber – im Gegensatz zu den meisten evangelischen Kirchen – die bleibende Gegenwart Christi in den eucharistischen Gaben.

Im ökumenischen Gespräch wird versucht zu klären, ob und wie sich bei unterschiedlicher theologischer Begrifflichkeit eine sachliche Identität bestimmter Glaubensinhalte feststellen lässt. Ein Konsens in der Sache kann im Hinblick auf das orthodoxe und katholische Eucharistieverständnis jedenfalls bereits als erreicht gelten. De facto erkennen auch die lutherische und die römisch-katholische Kirche das Abendmahl in grundlegenden Zügen gegenseitig an.[5]

Literatur

  • Leonard E. Boyle: Robert Grosseteste and Transubstantiation, in: The journal of theological studies NS 30 (1979), 512-515.
  • David Burr: Scotus and transubstantiation, in: Mediaeval Studies 34 (1972), 336-360.
  • D. C. Cassidy: Is transubstantiation without substance?, in: Religious studies: an international journal for the philosophy of religion 30 (1994), 193-199.
  • J. T. Clark: Physics, Philosophy, Transsubstantiation, Theology, in: ThSt 12 (1951) 24-51.
  • Josef Rupert Geiselmann: Die Eucharistielehre der Vorscholastik, Forschungen zur christlichen Literatur- und Dogmengeschichte XV/1-3, Paris 1926.
  • Joseph Ward Goering: The invention of transubstantiation, in: Traditio. Studies in Ancient and Medieval History, Thought and Religion 46 (1991), 147-170.
  • Engelbert Gutwenger: Substanz und Akzidens in der Eucharistielehre, in: Zeitschrift für katholische Theologie 83 (1961), 257-306.
  • Pierre-Marie Gy: Art. Transubstantiation, in: Encyclopedia of the Middle Ages Bd. 2 (2000), 1456-1457
  • H. Jorissen: Die Entfaltung der Transsubstantiationslehre bis zum Beginn des Hochscholastik, Münster 1965, Faksimiles.
  • Matthias Laarmann: Transsubstantiation. Begriffsgeschichtliche Materialien und bibliographische Notizen, in: Archiv für Begriffsgeschichte 41 (1999), 119-150.
  • Daniel J. Lasker: Transubstantiation, Elijah's chair, Plato and the Jewish-Christian debate, in: Revue des études juives 143 (1984), 31-58.
  • Ian Christopher Levy: "Christus qui mentiri non potest": John Wyclif's rejection of transubstantiation, in: Recherches de théologie et philosophie médiévales 66/2 (1999), 316-334.
  • Gary Macy: The dogma of transubstantiation in the middle ages, in: The Journal of Ecclesiastical History 45 (1994), 11-41, auch in: Ders.: Treasures from the Storeroom: Medieval Religion and the Eucharist, Liturgical Press 1999. (darin weitere Aufsätze zum Thema)
  • James F. McCue: The Doctrine of Transsubstantiation from Berengar through Trent: The Point at Issue, in: The Harvard Theological Review 61/3 (1968), 385-430.
  • Kenneth Plotnik: Hervaeus Natalis OP and the controversis over the real presence and transubstantiation, Veröffentlichungen des Grabmann-Institutes zur Erforschung der mittelalterlichen Theologie und Philosophie NF 10, München u.a. 1970.
  • Carol Poster (Hg.): Translation, transformation and transubstantiation in the late Middle Ages, Disputatio 3, Evanston, Illinois 1998.
  • Karl Rahner: Die Gegenwart Christi im Sakrament des Herrenmahls, in: Schriften zur Theologie 4, Einsiedeln 1960ff, 357-85.
  • Joseph Ratzinger: Das Problem der Transsubstantiation und die Frage nach dem Sinn der Eucharistie, ThQ 147 (1967), 129-158.
  • Edward Schillebeeckx: Die eucharistische Gegenwart, 1967.
  • Michael Schmaus (Hg.): Aktuelle Fragen zur Eucharistie, München 1960.
  • Hans-Joachim Schulz: „Wandlung“ im ostkirchlich-liturgischen Verständnis. Eine Orientierung im Disput um Transsubstantiation und Transsignifikation, in: Catholica 40 (1986), S. 270–286.
  • J. Sorg: Die Lehre des hl. Chrysostomus über die reale Gegenwart Christi in der Eucharistie und die Transsubstantiation, in: Theologische Quartalschrift 79 (1897), 259-298.
  • Timothy M. Thibodeau: The doctrine of transubstantiation in Durand's Rationale, in: Traditio. Studies in Ancient and Medieval History, Thought and Religion 51 (1996), 308-317.
  • Nicholas Thompson: Eucharistic Sacrifice and Patristic Tradition in the Theology of Martin Bucer, 1534-1546, Brill 2005, ISBN 9004141383

Einzelnachweise

  1. So z.B. in einem von Humbert von Silva Candida verfassten Bekenntnisschreiben, das Berengar 1059 unterzeichnen musste
  2. Siehe z.B. Kurt Flasch: Kampfplätze der Philosophie, 2008, 91f
  3. 13. Sitzung, Dekret über das Sakrament der Eucharistie, Kap. 4: DH 1642
  4. Schreiben des Präfekten der römischen Glaubenskongregation, Kardinal Josef Ratzinger an den evangelischen bayerischen Landesbischof, 1993.
  5. „Kirche und Rechtfertigung“ (1994), der das das oben genannte Ratzinger-Zitat aufgreift

Weblinks


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