Wirtschaftsrat der Bizone

Wirtschaftsrat der Bizone
Von der Tagung des Bi-Zonen-Wirtschaftsrates in Frankfurt/a. Main (Juni 1947): die Ministerpräsidenten Karl Arnold (Nordrhein-Westfalen), Hermann Lüdemann (Schleswig-Holstein) und Christian Stock (Hessen) im Gespräch

Der Wirtschaftsrat des Vereinigten Wirtschaftsgebietes, kurz Wirtschaftsrat der Bizone, war im weiteren Sinne eine Institution, der verschiedene Organe zugeordnet waren. Sitz des Wirtschaftsrats war Frankfurt am Main, der Rat tagte im Westflügel der Frankfurter Börse.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Vorgeschichte

Besonders den Amerikanern war es wichtig, möglichst rasch eine eigenständige Deutsche Verwaltung zu bilden, unter anderem deshalb, weil sie ihre eigenen Kosten decken wollten. Hierzu brachte der Zusammenschluss zur Bizone am 1. Januar 1947 die benötigten Synergieeffekte.

Um die Wirksamkeit der Verwaltungen zu erhöhen, sollte eine parlamentarisch-abgestützte gemeinsame Wirtschaftsverwaltung entstehen. Hierzu mussten jedoch zunächst die strukturellen Unterschiede zwischen der Amerikanischen Besatzungszone, die früh Verwaltungsaufgaben an Deutsche übertragen hatte und föderal organisiert war und der Britischen Besatzungszone, die erst später Verwaltungsaufgaben an Deutsche vergeben hatte und zentral organisiert war, beseitigt werden.

Ein Versuch wurde also unternommen. Einen Vorgänger des Wirtschaftsrats gab es zwischen September 1946 und Juni 1947. Dieser hatte die Namen Zweizonen-Verwaltungsämter und -rat. Doch dieser Versuch blieb aufgrund nur zu weniger Befugnisse und unkoordinierter Räte erfolglos.

Geschichte des Ersten Wirtschaftsrats

Als unmittelbaren Vorläufer des Wirtschaftsrats der Bizone ist eine britische Initiative anzusehen, welche in Minden erstmals am 11. März 1946 eingesetzt wurde: der deutsche Wirtschaftsrat für die Britische Besatzungszone - zu diesem Zeitpunkt noch nicht koordiniert mit den Amerikanern. Um den drängenden Probleme gemeinsam entgegenzuwirken, gründeten die Militärregierungen der Bizone am 25. Juni 1947 den Wirtschaftsrat. Die Hauptaufgabe des ersten Wirtschaftsrates war es, die katastrophale Versorgungssituation in Deutschland zu verbessern. Letzten Endes scheiterte der Wirtschaftsrat an dieser Aufgabenstellung, denn im Winter 1947/1948 kam es zu einer schweren Hungerkrise. Dass der Wirtschaftsrat die Krise nicht besser meisterte, lag in erster Linie an strukturellen Problemen. Aufgrund seiner zu geringen Abgeordnetenzahl und der unklaren Zuständigkeitsabgrenzungen zwischen den verschiedenen Organen wurde auch dieser aufgelöst. Der Erste Frankfurter Wirtschaftsrat bestand bis zum Februar 1948.

Geschichte des Zweiten Wirtschaftsrats

Der Zweite Wirtschaftsrat wurde mit weitergehenden Rechten ausgestattet; entsprechend erfüllte er die an ihn gestellten Aufgaben zufriedenstellend und wurde erst mit Konstituierung des Deutschen Bundestages am 1. September 1949 aufgelöst. Einige seiner Gesetze haben jedoch bis zum heutigen Tag Bestand.

Bestellung und Besetzung des Ersten Wirtschaftsrats

Seine Mitglieder wurden paritätisch von den Landtagen der Bizone gewählt. Auf ungefähr 750.000 Einwohner kam ein Abgeordneter, der erste Wirtschaftsrat bestand also aus 52 Abgeordneten. In der Übersicht sieht man, dass dementsprechend von den Landtagen entsandt wurden:

    Nordrhein-Westfalen   16   Abgeordnete
    Bayern                12   Abgeordnete
    Niedersachsen          8   Abgeordnete
    Hessen                 5   Abgeordnete
    Württemberg-Baden      5   Abgeordnete
    Schleswig-Holstein     3   Abgeordnete
    Bremen                 1   Abgeordneter
    Hamburg                2   Abgeordnete

Die Stimmenverteilung der Fraktionen sah wie folgt aus:

    SPD                                20 Abgeordnete
    CDU/CSU                            20 Abgeordnete
    Liberale                            4 Abgeordnete
    Zentrum                             2 Abgeordnete
    KPD                                 3 Abgeordnete
    Deutsche Partei (DP)                2 Abgeordnete
    Wirtschaftliche Aufbau-Vereinigung  1 Abgeordneter

Der erste Präsident des Wirtschaftsrates wurde Erich Köhler von der CDU.

Direktorium

Im Direktorium gab es fünf Direktoren, die Ausschüsse und Verwaltungen in den Bereichen

  1) Wirtschaft 
  2) Ernährung und Landwirtschaft 
  3) Finanzen 
  4) Post- und Fernmeldewesen 
  5) Verkehr 

leiteten. Sie wurden vom Exekutivrat vorgeschlagen und vom Wirtschaftsrat gewählt. Als die SPD nicht das Wirtschaftsdirektorium erhielt, ging sie in die Opposition und überließ der CDU/CSU alle Direktoren.

Exekutivrat

Er bestand aus acht Mitgliedern, die von den acht Landesregierungen der Bizone entsandt wurden. Zunächst hatte die SPD sechs Stimmen und die CDU/CSU zwei inne, später verschoben sich die Kräfteverhältnisse zu fünf Sitzen der SPD gegen drei Sitze der CDU/CSU. Die SPD-Mehrheit im Exekutivrat führte dazu, dass die ursprünglich vorgesehene stärkere Rolle des Exekutivrats nicht umgesetzt wurde. General Lucius D. Clay befürchtete, Deutschland könne sonst zum Sozialismus abdriften.

Bestellung und Besetzung des Zweiten Wirtschaftsrats

Der Zweite Frankfurter Wirtschaftsrat bestand aus den gleichen 52 Abgeordneten wie der erste, hinzu kamen jedoch weitere 52 Abgeordnete, die wiederum paritätisch von den Landtagen gewählt und entsandt wurden.

Verwaltungsrat

Im Verwaltungsrat gab es nun Direktoren mit den Ressorts:

  1) Wirtschaft 
  2) Ernährung 
  3) Finanzen 
  4) Post- und Fernmeldewesen 
  5) Verkehr 
  6) Arbeit
  7) Landwirtschaft und Forsten.

Die Direktoren wurden vom Länderrat vorgeschlagen und vom Wirtschaftsrat berufen. Über ihnen stand der ressortlose Oberdirektor des Verwaltungsrates, Hermann Pünder (CDU).

Länderrat

In den Länderrat entsandte jede Landesregierung zwei Räte, ihre Verteilung war: 9 SPD, 6 CDU, 1 Zentrumspartei.

Aufgaben und Wirkungen des Ersten Wirtschaftsrats

Aufgabe des Wirtschaftsrates war es, Gesetzesinitiativen zu starten, über Gesetze zu beraten und diese mit absoluter Mehrheit zu erlassen, außerdem wählte er die Direktoren. Alle Entscheidungen standen unter dem Vorbehalt einer Genehmigung durch die Alliierten. Man kann ihn also als Legislative bezeichnen.

Aufgaben des Direktoriums

Aufgabe des Direktoriums war es, die Ausschüsse und vor allem die unter ihnen stehenden Verwaltungen zu leiten und nach außen zu repräsentieren. Außerdem hatten es das Recht, Gesetzesinitiativen zu formulieren, die jedoch zunächst dem Exekutivrat vorgelegt werden mussten, um dann an den Wirtschaftsrat weitergeleitet zu werden. Außerdem wirkte das Direktorium als eine Art Exekutive, da die Direktoren die Umsetzung der Gesetze garantieren sollten.

Aufgaben des Exekutivrats

Aufgabe des Exekutivrates war es, die Länderinteressen zu vertreten. Ihm kam dabei eine Mischung aus Exekutive und Kabinett zu. Er sollte Gesetzesinitiativen starten (Kabinett), aber auch die Arbeit der Direktoren und Verwaltungen sowie die Gesetze des Wirtschaftsrates kommentieren und kontrollieren. Außerdem reichte er die Gesetzesinitiativen der Direktoren weiter.

Aufgaben und Wirkungen des Zweiten Wirtschaftsrats

Der Zweite Wirtschaftsrat hatte dieselben Rechte wie der erste, hinzu kam jedoch das Recht, einen Haushalt zu verabschieden. Dieser bestand im Wesentlichen aus:

  • Teilen der Lohn-, Körperschafts- und Einkommenssteuer
  • Einnahmen aus Deutscher Post und Deutscher Bahn
  • indirekten Steuern bzw. Verbrauchsteuern
  • Einnahmen aus Zöllen
  • der Möglichkeit, zur Deckung des Haushalts Kredite aufzunehmen

Wiederum stand dies unter Genehmigungsvorbehalt der Militärregierungen.

Aufgaben des Verwaltungsrates

Auch der Verwaltungsrat hatte im Grunde die gleichen Aufgaben wie das Direktorium. Er durfte jedoch direkt Gesetzesinitiativen in den Wirtschaftsrat einbringen, wovon er reichlich Gebrauch machte. Dem Oberdirektor kam die Aufgabe zu, die Direktoren aufeinander abzustimmen, um Doppelarbeit und Missverständnisse zu verhindern.

Aufgaben des Länderrates

Auch der zweite Länderrat hatte dieselben Aufgaben, wie der erste, doch sollte er zu allen beschlossenen Gesetzen Stellung nehmen.

Literatur

  • Alsheimer, Herbert: Der Börsenplatz in Frankfurt. Ein Ort deutscher Nachkriegsgeschichte. Frankfurt am Main: Societäts-Verlag 1987
  • Benz, Wolfgang: Gründung der Bundesrepublik Deutschland. Von der Bizone zum souveränen Staat, München 1999
  • Eschenburg, Theodor: Jahre der Besatzung 1945 - 1949, Stuttgart/Wiesbaden 1983
  • Görtemaker, Manfred: Geschichte der Bundesrepublik Deutschland. Von der Gründung bis zur Gegenwart, München 1999
  • Kistler, Helmut: Die Bundesrepublik Deutschland. Vorgeschichte und Geschichte 1945 - 1983, Bonn 1985
  • Weber, Jürgen: Auf dem Weg zur Republik 1945 - 1947, München 1978
  • ders.: Das Entscheidungsjahr 1948, München 1979

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