Benzintourismus

Benzintourismus

Tanktourismus bezeichnet das Phänomen, dass Kraftfahrer in grenznahen Gebieten auf Grund steuerbedingter Preisunterschiede bei Kraftstoffen im jeweils billigeren Nachbarland tanken.[1][2] Der Tanktourismus ist eine Spezialform des Einkaufstourismus. Die Tankstellenbetreiber richten ihre Planungen danach aus und errichten grenznah Kapazitäten, die durch das lokale Umland ohne ausländische Kunden nicht wirtschaftlich wären. Auf der anderen Seite kommt es zu Tankstellenschließungen in der Grenzregion auf der teureren Seite. Die Einfuhr von Kraftstoffmengen zum Eigenbedarf (in der Regel Tankinhalt plus maximal 20 Liter in einem Reservekanister) ist legal. In einigen Ländern (z. B. Luxemburg oder Kroatien) ist die Benutzung von Reservekanistern grundsätzlich verboten. Lediglich die Beförderung von größeren Mengen Kraftstoff außerhalb des Tanks kann u. a. einen Verstoß gegen steuerrechtliche Vorschriften (Steuerhinterziehung) oder auch Sicherheitsvorschriften darstellen.

Die Auswirkungen des Tanktourismus gehen über das Tankstellengewerbe hinaus. Vielfach ist der Tanktourismus auch mit einem allgemeinen Einkaufstourismus verbunden. In der Folge kommt es zu Umsatz- und Steuereinbußen nicht nur im Tankstellenbereich, sondern auch im Einzelhandel. Ebenso kann es durch den zusätzlichen Straßenverkehr zu Verkehrsproblemen in grenznahen Orten kommen.

Inhaltsverzeichnis

Initiativen gegen Tanktourismus in Deutschland

Die Tankstellenbetreiber der besonders betroffenen Regionen fordern seit der Erhöhung der Mineralölsteuer Gegenmaßnahmen. Als Lösung werden mehrere Modelle diskutiert, wie eine allgemeine Senkung der Steuern auf Kraftstoff in den Grenzregionen oder ein Kartenmodell, bei dem der Vorteil lediglich Bewohnern der Grenzregion zugute kommen soll. Gegen solche Regelungen bestehen jedoch europarechtliche Bedenken. Auch die Einführung einer Autobahnmaut oder Vignette wird diskutiert, welche die Steuermindereinnahmen durch eine Absenkung der Mineralölsteuer kompensieren sollte.

Deutschland

Deutschland → Frankreich

Bis etwa zur Jahrtausendwende war der Tanktourismus von Frankreich nach Deutschland beliebt, da ein Liter Benzin zwischen sechs und sieben Französische Franc (ca. 0,92–1,07 Euro) kostete, während in Deutschland vor Einführung der Ökosteuer ein Liter Benzin noch weit weniger als 2 DM (unter 1,02 Euro) kostete.

Mittlerweile ist der Tanktourismus für die Deutschen interessant geworden, wenn auch die Ersparnis nur wenige Cent beträgt (beim Diesel etwas mehr). Während sowohl Benzin und Diesel in Frankreich an den Tankstellen in etwa so viel kosten wie in Deutschland, ist der Treibstoff in Frankreich an Supermärkten in der Regel günstiger erhältlich.

Deutschland → Luxemburg

Tankstellen zwischen Mertert und Wasserbillig (Luxemburg)

Seit Mitte der 1970er Jahre blüht der Tanktourismus zwischen Deutschland und Luxemburg. Außer Kraftstoff kaufen Deutsche wegen der Steuervorteile dort auch gerne Kaffee, Sekt und Zigaretten ein. Besonders profitiert davon die nahe bei der deutschen Stadt Trier gelegene luxemburgische Grenzgemeinde Mertert, wo zwischen den Ortsteilen Mertert und Wasserbillig mehr als ein Dutzend Tankstellen an einer Straße liegen. Auch die ehemaligen Zollgebäude am Grenzübergang auf der Autobahn Trier-Luxemburg wurden nach dem Wegfall der Personenkontrollen durch das Schengener Abkommen zu einer Großtankstelle umgebaut. Durch den Ausbau der Europastraße E 29 (Weiterbau der A 8/luxemburgischen Autobahn A13 bis nach Luxemburg-Stadt) steigerte sich der Tanktourismus vor allem in den ans Saarland grenzenden Orten Schengen und Remich.

Durch den Tanktourismus aus den Nachbarländern nimmt Luxemburg jährlich etwa 700 Millionen Euro ein.[3]

Der Tanktourismus (inbegriffen die Treibstoffeinkäufe des Transitverkehrs) macht 75 % der Luxemburg zugeordneten Treibhausgasemissionen aus dem Verkauf von Treibstoff gemäß dem Kyoto-Protokoll aus. Dies sind 40 % der Gesamt-Emissionsbilanz des Landes.[4]

Deutschland → Österreich

Zum Nachweis des Tanktourismus zwischen Deutschland und Österreich wurde bereits in den 1970er Jahren österreichischer Kraftstoff eingefärbt und es wurden an der Grenze Proben aus den Autotanks entnommen. Auch das einstige Hauptzollamt Passau wies darauf hin, dass „Privatpersonen zusätzlich nur einen Reservebehälter mit maximal 20 Liter Kraftstoff für den Eigenbedarf steuerfrei aus Österreich nach Deutschland verbringen“ dürfen. Wenn der mitgeführte Kraftstoff die Höchstmenge überschreite, würde beim Grenzübertritt die Mineralölsteuer fällig. Wenn die Einfuhr nicht deklariert werde, mache sich der Einführer strafbar. In bestimmten Regionen führte der Tanktourismus dazu, dass Tankstellen direkt hinter der Grenze eröffnet wurden, wie etwa in Achleiten bei Passau eine Tankstelle in das ehemalige Grenzgebäude einzog. Auch in Salzburg-Liefering sowie Bad Reichenhall-Schwarzbach wurden unmittelbar hinter den früheren Grenzgebäuden auf österreichischer Seite neue Tankstellen errichtet.

Beim Benzin macht der Tanktourismus aus den Nachbarländern in Österreich etwa 20 % des gesamten Verkaufsvolumens des Landes aus.[5] Ein weiterer Nebeneffekt ist, dass die zugeordneten CO2-Emissionen rechnerisch dem Land Österreich zugeschlagen werden, obwohl sie in und durch Deutschland verursacht werden.

Nach Erhöhung der Mineralölsteuer in Österreich zum 1. Juli 2007 verringerte sich der Preisunterschied zwischen beiden Ländern. Diesel wurde um 6 Cent verteuert und Benzin um 3,6 Cent. Benzin ist in Österreich im Durchschnitt ca. 15 Cent günstiger als in Deutschland, beim Diesel liegt der Preisvorteil nur bei 5 Cent. In Österreich bestehen hohe Preisunterschiede: Autobahntankstellen verkaufen Kraftstoffe häufig zu den sog. Höchstpreisen, das heißt um bis zu 20 Cent pro Liter teurer als freie Tankstellen in Ballungszentren; zudem steigen die Preise in Grenznähe.

Deutschland → Polen

Ebenfalls seit der Grenzöffnung 1990 wird auch in der grenznahen Region in Polen gern von Deutschen getankt. Immer wieder wird von Werkstätten in Deutschland der angeblich schlechte Treibstoff in Polen als Ursache für Fahrzeugpannen genannt. Inwieweit dies der Wahrheit entspricht, ist umstritten. Das mag vor 10 oder 15 Jahren noch der Fall gewesen sein, derzeit zeigen Tests einiger Fachzeitschriften und Automobilclubs, dass die Kraftstoffqualität den westlichen Standards entspricht. Im grenznahen Gebiet kann in Euro gezahlt werden, die Mitarbeiter sprechen häufig deutsch (manchmal sind sie Deutsche). An einigen Grenzorten wie z. B. Hohenwutzen/Osinow Dolny (Niederwutzen) haben sich inzwischen bis zu 6 Tankstellen auf der polnischen Seite angesiedelt. Der in Folge der Finanzkrise starke Kursverfall der Landeswährung Polnischer Zloty führt zu einer Vergrößerung des Preisvorteiles Polens: Die Preisersparnis bei Super liegt derzeit (April 2009) bei 30–35 Cent je Liter. Diesel ist um 15–20 Cent günstiger als in Deutschland.

Deutschland → Tschechien

Seit der Grenzöffnung Anfang der 1990er Jahre blüht auch der Tanktourismus zwischen Deutschland und Tschechien. Neben Tankstellen entstand auch in grenznahen Gebieten viel Kleingewerbe. Viele der grenznahen Straßen wurden ausgebaut und es wurden Tankstellen, Casinos und weitere Gewerbegebäude errichtet.

Durch einen wirtschaftlichen Aufschwung verringerte sich der zunächst deutliche Preisunterschied an Tankstellen immer mehr. Zusätzlich dazu trug das Erstarken der tschechischen Krone zu einer Annäherung bei. Durch die Finanzkrise wurde dieser Trend seit Sommer 2008 jedoch gestoppt. Gegenwärtig (April 2009) ist Benzin ca. 25 Cent und Diesel ca. 10 Cent günstiger als in Deutschland.[6]

Deutschland → Niederlande

Dieselkraftstoff war bis Mitte 2008 in den Niederlanden deutlich günstiger als in der Bundesrepublik Deutschland. Durch eine Mineralölsteuererhöhung um 3 Cent am 1. Juli 2008[7] hat sich der Preisvorteil der Niederlande nunmehr etwas verringert. Dennoch tanken im Grenzgebiet viele Dieselfahrzeuge auf niederländischer Seite, die Ersparnis beträgt noch etwa 5 bis 10 Cent pro Liter. Bei Benzin liegt die Ersparnis auf deutscher Seite wiederum bei mindestens 10 Cent pro Liter. Tankstellen auf deutscher Seite werden daher von niederländischen Benzinern gerne angesteuert. Daneben gibt es auch Tanktourismus bei Autogas welches in den Niederlanden einige Cent günstiger als in Deutschland ist.

Deutschland → Dänemark

Benzin ist in Dänemark ähnlich teuer als in Deutschland. Bei Dieselkraftstoff besteht ein Preisunterschied von ca. 3 Cent.

Deutschland → Belgien

In Belgien wird Dieselkraftstoff gegenwärtig um etwa 16 und Benzin um etwa 5 Cent pro Liter niedriger versteuert als in Deutschland.[8] Belgien verfügt über einen gesetzlich geregelten Mechanismus, der bei sinkenden Preisen automatisch die Steuer leicht erhöht und bei steigenden Produktpreisen denselben Steuersatz automatisch leicht reduziert.[9] Gegenwärtig (April 2009) liegt der Dieselpreis etwa 10 bis 15 Cent günstiger als in Deutschland. Der Preisvorteil Belgiens beim Benzin beträgt hingegen nur wenige Cent. Allerdings bestehen hohe Preisunterschiede im Land, wobei Autobahntankstellen verhältnismäßig teuer sind. Es besteht ein reger Tanktourismus zugunsten Belgiens. Insbesondere LKW-Fahrer nutzen den hohen Preisvorteil. Seit Ende 2006 ist der ehemalige Grenzübergang Lichtenbusch an der Autobahn E40 Lüttich-Aachen mit einer Großtankstelle auf der belgischen Seite ausgestattet. Auch in der Nähe der grenznahen Autobahn-Ausfahrten finden sich stark frequentierte preisgünstige Tankstellen.

Schweiz

Von allen westeuropäischen Ländern mit Ausnahme Spaniens ist der Benzinpreis in der Schweiz und in Liechtenstein am geringsten.[10] An den Schweizer Grenzorten, vorwiegend diejenigen nach Deutschland, Italien und Frankreich, ist die Tankstellendichte auf Grund des Benzintourismus weitaus höher und die Benzinpreise sind dort auch in Euro angeschrieben. Während das Benzin in der Schweiz, Liechtenstein und in der deutschen Exklave Büsingen am Hochrhein je nach Standort und Wirtschaftslage (Wechselkurs usw.) rund 25 bis 40 Cent günstiger (von Österreich: 10 Cent) und somit für die Ausländer attraktiv sind, ist der Dieselpreis in der Schweiz nur leicht günstiger. Daneben gibt es auch einen Tanktourismus in das Zollausschlussgebiet Samnaun, wo das Benzin ca. 35 Rappen und Diesel ca. 45 Rappen billiger sind als in der Restschweiz. Der Inhalt des Hauptbehälters und bis zu 10 Liter im Reservekanister ist Einfuhrabgaben befreit. (der Kraftstoff darf allerdings abgabefrei nur in dem Fahrzeug verwendet werden,mit dem er eingeführt worden ist)

Italien → Schweiz und Italien → Österreich

Der Benzinpreis in der Schweiz und in Österreich liegt unter dem in Italien. Zur Vermeidung eines Tanktourismus erhalten Südtiroler, die in der Nähe der schweizerischen oder österreichischen Grenze wohnen, ihr Benzin verbilligt.[11]

Frankreich → Luxemburg und Frankreich → Schweiz

Viele Franzosen aus Lothringen fahren in luxemburgische Grenzorte wie zum Beispiel Schengen, um dort zu tanken und einzukaufen. Zusätzlich gibt es einen erheblichen Tanktourismus in die Schweiz, wo Benzin ca. 20 Cent günstiger ist. Besonders betroffen hiervon ist der Kanton Genf, der über eine 103 Kilometer lange Grenze mit Frankreich bei dichter Besiedlung und hoher Grenzgänger-Zahl verfügt.

Kanada → USA

Sowohl Benzin als auch Diesel sind in den USA günstiger als in Kanada.[12]

Singapur → Malaysia

In Singapur sind Kraftstoffe etwa doppelt so teuer wie im Nachbarland Malaysia. Per Gesetz sind die Behörden Singapurs berechtigt, bei Fahrzeugen mit einheimischer Zulassung bei der Ausreise den Tankinhalt zu überprüfen. Dies geschieht stichprobenartig bei der Ausreisekontrolle durch einen Blick auf die Tankuhr am Armaturenbrett. Der Tank muss laut Gesetz mindestens zur Hälfte gefüllt sein, andernfalls kann eine Geldstrafe von 500 Singapur-Dollar (ca. 244 Euro) erhoben werden.[13]

Einzelnachweise

  1. Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit: Internationale Mineralölbesteuerung
  2. Aktuelle Benzinpreise in Europa: TCS Suisse (PDF)
  3. Deutsches Auswärtiges Amt: Informationen zu Luxemburg: Wirtschaftspolitik: Staatshaushalt
  4. Umweltministerium Luxemburg: Nationaler Allokationsplan 2008–2012 für Luxemburg, Seite 17f.
  5. Lebensministerium.at: Tanktourismus verursacht rasantes Steigen der Treibhausgasemissionen in Österreich, 3. Mai 2005
  6. Benzinpreise in Europa: AVD
  7. http://www.ad.nl/binnenland/2410424/Accijnzen_diesel_en_lpg_omhoog.html
  8. http://www.petrolfed.be/dutch/faq/faq_belastingen_pomp_petroleumproducten.htm
  9. http://www.petrolfed.be/dutch/factsheets/fs_accijnzen_klik.htm
  10. Aktuelle Benzinpreise in Europa: TCS Suisse (PDF)
  11. http://www.provinz.bz.it/wirtschaft/tankstellen-erdoellager/4788.asp
  12. Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit: Internationale Brutto-Kraftstoffpreise
  13. [1]

Weblinks


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