British-Airways-Flug 9

British-Airways-Flug 9
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British-Airways-Flug 9
Zusammenfassung
Datum 24. Juni 1982
Typ Ausfall aller Triebwerke wegen Vulkanasche
Ort Vulkan Galunggung, Jakarta, Indonesien
Getötete 0
Verletzte 0
Flugzeug
Flugzeugtyp Boeing 747-236B
Fluggesellschaft British Airways
Kennzeichen G-BDXH
Name „City of Edinburgh“
Abflughafen Flughafen Kuala Lumpur
Zielflughafen Flughafen Perth
Passagiere 248
Besatzung 15
Überlebende 263 (alle)

British-Airways-Flug 9 war ein Linienflug der British Airways von London Heathrow nach Auckland, Neuseeland, mit Zwischenstopps in Bombay, Madras, Kuala Lumpur, Perth und Melbourne. Am 24. Juni 1982 flog die City of Edinburgh, eine Boeing 747-200 (236B) mit dem Kennzeichen G-BDXH, in eine Wolke aus Vulkanasche, die von der Eruption des Vulkans Gunung Galunggung in die Erdatmosphäre geschleudert worden war. In der Aschewolke fielen alle vier Triebwerke aus. Im Gleitflug steuerte die Besatzung das Flugzeug aus der Wolke und konnte schließlich mit drei wiedergestarteten Triebwerken in Jakarta notlanden.

Inhaltsverzeichnis

Verlauf des Zwischenfalls

Erste Anzeichen traten gegen 20:40 Uhr Ortszeit – das entspricht 13:40 Uhr UTC – über dem Indischen Ozean in einer Flughöhe von 37.000 ft (ca. 11.300 m) südlich der indonesischen Insel Java auf.

Während Pilot Eric Moody auf der Toilette war, bemerkten zuerst der Erste Offizier Roger Greaves und Flugingenieur Barry Townley-Freeman einen Effekt ähnlich dem Elmsfeuer an der Cockpitscheibe, fast so, als ob Leuchtspurmunition auf die Scheibe träfe. Obwohl sie auf dem Wetterradar nichts erkennen konnten, schalteten sie als Vorsichtsmaßnahme die Enteisung ein und aktivierten die Anschnallzeichen in der Kabine.

In der Passagierkabine begann sich Rauch in der Luft zu sammeln. Zuerst wurde angenommen, dass es sich um Zigarettenrauch handelte; als dieser jedoch dichter wurde, reagierten die Passagiere alarmiert. Passagiere, die aus einem Fenster schauen konnten, bemerkten, dass die Triebwerke ungewöhnlich hell erschienen, als ob etwas durch die Schaufeln des Fans hindurch leuchten würde.

Um 13:42 Uhr (UTC) kam es in Triebwerk 4 zu einem Flammabriss. Der Erste Offizier und der Flugingenieur leiteten sofort die für einen Flammabriss notwendigen Maßnahmen ein. In der gleichen Zeit glich der Kapitän mit der Trimmung des Seitenruders den ungleichen Schub aus. Passagiere bemerkten gelbliches Leuchten, das aus den verbliebenen Triebwerken austrat. Weniger als eine Minute nach dem ersten Triebwerksausfall trat bei Triebwerk 2 ebenfalls ein Flammabriss auf. Noch bevor sich die Cockpitcrew darum kümmern konnte, versagten fast gleichzeitig die beiden verbliebenen Triebwerke.[1]

Die Boeing 747 befand sich nun im Gleitflug. Eine 747 besitzt ein ungefähres Gleitverhältnis von 15. Dies bedeutet, dass sie für jede 1.000 Meter Höhenverlust 15.000 Meter vorwärts segelt.[2] Die City of Edinburgh konnte daher von ihrer aktuellen Flughöhe von etwa 11.300 m etwa 168 km (91 sm) weit segeln.

Durch die statische Aufladung der Aschepartikel kam es zu elektrischen Entladungen, die mit Elmsfeuer Ähnlichkeit hatten und den Funkverkehr beeinträchtigten.[3]

Um 13:44 Uhr (UTC) erklärte Flug 9 eine Luftnotlage bei der zuständigen Flugsicherung. Inhalt der Nachricht war, dass alle vier Triebwerke ausgefallen seien. Jakarta Area Control verstand die Nachricht dahingehend falsch, dass sie glaubten, nur Triebwerk 4 sei ausgefallen. Erst nachdem die Nachricht von einem Flugzeug der Garuda Indonesia weitergereicht wurde, war man in Jakarta über das volle Ausmaß der Notlage informiert. Der Verlust aller Triebwerke war von den Passagieren nicht unbemerkt geblieben. Während einige resignierten und sich dem Schicksal ergaben, schrieben andere Briefe an ihre Angehörigen. Bemerkenswerterweise gab es jedoch wenig Panik, selbst nachdem später der Kabinendruck aufgrund der ausgefallenen Triebwerke absank und die Sauerstoffmasken von der Decke fielen.[2]

Im Cockpit versuchte man immer noch, die Fluglotsen in Jakarta zu erreichen, um eine Radarführung zu erhalten. Der Tower in Jakarta konnte die Boeing jedoch nicht sehen, obwohl diese zwischenzeitlich den Transpondercode „7700 – Luftnotfall (emergency)“ eingeschaltet hatte.

Trotz der Anspannung und des Zeitdrucks gelang es dem Kapitän, eine Ansage zu machen, die als eine Meisterleistung der Untertreibung in die Luftfahrtgeschichte eingegangen ist:

Ladies and Gentlemen, this is your Captain speaking. We have a small problem. All four engines have stopped. We are doing our damnedest to get them going again. I trust you are not in too much distress.

„Meine Damen und Herren, hier spricht Ihr Kapitän. Wir haben ein kleines Problem. Alle vier Triebwerke sind ausgegangen. Wir geben unser Äußerstes, um sie wieder zu starten. Ich vertraue darauf, dass Sie nicht allzu beunruhigt sind.“

Da die Sauerstoffmaske des Copiloten Greaves defekt war, entschied sich der Kapitän dazu, mit einer Geschwindigkeit von 1800 Metern pro Minute auf eine Höhe abzusteigen, auf der auch ohne eine externe Sauerstoffversorgung fast normal geatmet werden konnte.[2]

In 13.500 ft (4100 m) versuchte die Crew ein letztes Mal, die Triebwerke zu starten. Danach wäre man umgekehrt und hätte die sehr riskante Notwasserung versucht. Obwohl es dafür Verfahren gibt, hatte bis dahin noch niemand mit einer 747 eine Notwasserung machen müssen (auch bis heute hat es noch nie einen solchen Versuch mit einer Boeing 747 gegeben). Triebwerk 4 startete um 13:56 Uhr (UTC), und sogleich begann der Kapitän, mit dem Schub dieses Triebwerks den Sinkflug zu reduzieren. Kurz danach erwachte Triebwerk 3 zum Leben, dicht gefolgt von den anderen beiden Triebwerken. Auch wenn sie nicht mehr rund liefen, war die Besatzung von dieser glücklichen Wendung überrascht und beantragte, auf eine Flughöhe von 15.000 ft (4600 m) steigen zu dürfen.[4]

Als sie die angestrebte Höhe erreichten, zeigte sich erneut der Leuchtspureffekt. Der Kapitän reduzierte daraufhin den Schub. Es war jedoch zu spät und es kam zu Störungen in Triebwerk 2, weshalb es abgeschaltet wurde. Daraufhin entschied man sich, wieder auf 12.000 ft (3700 m) zu sinken. Beim nächtlichen Landeanflug auf Jakarta fand die Besatzung es trotz guten Wetters schwierig, durch die stark verkratzten Cockpitscheiben Einzelheiten zu erkennen. Daher musste der gesamte Landeanflug im Instrumentenflug durchgeführt werden, obwohl eine Komponente des Instrumentenlandesystems (ILS), der Gleitwegsender des Flugplatzes nicht in Betrieb war.[2] Die Besatzung konnte durch einen kleinen, durchsichtig gebliebenen Fleck der Windschutzscheibe die Landebahnlichter erkennen, jedoch nicht die eigenen Landescheinwerfer und vermutete, dass diese defekt seien. Nach der Landung war es aufgrund der sehr eingeschränkten Sicht nicht möglich, über die Rollwege zur Parkposition zu rollen, da sich die Flutlichter des Vorfelds zu stark in der Frontscheibe brachen und dadurch zu sehr blendeten. Daher musste die City of Edinburgh auf einen Schlepper warten.

Auswertung

Einige beschädigte Triebwerksteile, ausgestellt im Auckland Museum

Untersuchungen nach dem Zwischenfall ergaben, dass der vierfache Triebwerksausfall der City of Edinburgh von dem Durchfliegen einer Wolke aus Vulkanasche verursacht wurde. Diese Wolke stammte aus einer heftigen Eruption des Vulkans Gunung Galunggung. Da die Aschewolke trocken war, wurde sie nicht auf dem Wetterradar angezeigt, das nur in der Lage ist, Feuchtigkeit (z. B. in Form von Wolken) zu entdecken. Beim direkten Durchfliegen der Wolke wurden die feinen Aschepartikel in großen Mengen von den Triebwerken angesaugt, schmolzen und brachten sie durch Verstopfung zum Stillstand. Nach dem Abschalten kühlten die Triebwerke aus; die geschmolzene Asche erstarrte und löste sich wieder. Daher konnten die Triebwerke nach einiger Zeit wieder gestartet werden[2]. Nach neueren Ansichten kann auch ein erniedrigter Sauerstoffanteil in der Vulkanwolke zum Ausfall der Triebwerke beigetragen haben[5]. Passagiere hatten in der Vulkanwolke über Gestank in der Kabinenluft geklagt, was auf eine veränderte Luftzusammensetzung schließen lässt[2].

Wegen der Beschädigungen mussten die Triebwerke 1 bis 3 sowie die Frontscheibe noch in Jakarta ausgetauscht werden. Zudem mussten die Kerosintanks entleert und anschließend gereinigt werden, da die feine Asche durch die pressurisation ducts eingedrungen war und den Treibstoff verunreinigt hatte. Nach einem Ferry-Flug zurück nach London wurde auch noch Triebwerk 4 ausgetauscht. Zudem wurden erhebliche Reparaturen durchgeführt, um das Flugzeug wieder in Betrieb nehmen zu können. Von der Reparaturmannschaft wurde die City of Edinburgh danach nur noch „Der fliegende Aschenbecher“ (the flying ashtray) genannt.

Die Maschine erhielt einen Eintrag in das Guinness-Buch der Rekorde für den längsten Segelflug eines nicht für den Segelflug konzipierten Flugzeuges, bis sie von einem Airbus A330 (Flug 236 der Air Transat) abgelöst wurde. Zum Zeitpunkt des Zwischenfalls wurde diese 747 zudem als das Flugzeug angesehen, das mit den stärksten Beschädigungen noch lufttüchtig blieb und eine sichere Landung durchführte.

Der Luftraum um den Vulkan Galunggung wurde vorübergehend geschlossen; man gab ihn nach einigen Tagen jedoch wieder frei. Erst nachdem eine Boeing 747 der Singapore Airlines ebenfalls drei Triebwerke nach Durchqueren des Luftraumes ausschalten musste, wurde der Luftraum von den indonesischen Behörden dauerhaft gesperrt, und man leitete den gesamten Luftverkehr um. Eine Überwachung wurde eingerichtet, die dann die Bewegung der Aschewolke verfolgte.

Die Cockpit-Besatzung erhielt zahlreiche Auszeichnungen, unter anderem Her Majesty The Queen's Commendations for Valuable Service in the Air und Medaillen der British Air Line Pilots’ Association. Im Nachgang zum Zwischenfall gründeten die Passagiere und die Besatzung den „Segelflugverein Galunggung“ (Galunggung Gliding Club), um in Kontakt zu bleiben.[6] Die Passagierin Betty Tootell schrieb ein Buch über den Flug, dessen Crew trotz des Zwischenfalls alle Insassen wieder sicher zur Erde bringen konnte.

British-Airways-Flug 9 führt heute von London Heathrow nach Bangkok. Die City of Edinburgh (Seriennummer 21635) flog nach dem Zwischenfall noch 20 Jahre lang für British Airways, bis sie 2002 an die European Aviation Air Charter verkauft und im Jahre 2006 außer Dienst gestellt wurde. Das Flugzeug wurde im Juni 2009 auf dem Flughafen in Bournemouth verschrottet;[7] aus dem Aluminium seines Rumpfes wurden 150.000 Anhänger für die britische Anti-Kohlendioxid-Kampagne 10:10 hergestellt.[8]

Die ICAO beschloss aufgrund dieses Zwischenfalls und des von KLM-Flug 867 über Alaska die Schaffung von neun Volcanic Ash Advisory Centers, die den Luftraum weltweit überwachen und den Luftverkehr warnen.

Die Luftraumsperrungen, die nach dem Ausbruch des Eyjafjallajökull 2010 über Europa verhängt wurden, waren nicht zuletzt mit den Erkenntnissen aus dieser Fast-Katastrophe begründet worden.[9]

Weitere ähnliche Zwischenfälle

Siehe auch: Zwischenfälle der Boeing 747

Einzelnachweise

  1. Stanley Stewart: Emergency. Krisensituationen im Cockpit. Kösler Verlag, 1999, ISBN 978-3-924208-18-9.
  2. a b c d e f Episode „Falling from the Sky“ (dt. „747 im Sturzflug“ aus der US-Serie Mayday (Air Emergency, Air Crash Investigation) [TV-Dokumentarserien].
  3. n-tv-Reportage BA Flug 009, ausgestrahlt am 18. Januar 2009
  4. Betty Tootell: All Four Engines Have Failed. Andre Deutsch, 1985, ISBN 0-330-29492-X.
  5. Jörg Handwerg (Flugkapitän) und Odilo Mühling (Pressesprecher MTU) über Sauerstoffmangel als allgemeinen Ausfallgrund für Jet-Triebwerke, abgerufen am 25. April 2010
  6. Zoe Brennan: The story of flight 009 and the words every passenger dreads. Daily Mail, 27. Januar 2007. Zugegriffen am 29. Januar 2007
  7. Boeing 747 MSN 21635 (Englisch). Airfleets.net. Abgerufen am 23. August 2009.
  8. Introducing G-BDXH – 10:10's very own Boeing 747 Jumbo Jet (engl.), abgerufen am 17. April 2010
  9. vgl. z.B. Gletschervulkan Eyjafjallajökull meldet sich zurück (15. April 2010). Abgerufen am 28. April 2010.

Literatur

Weblinks

 Commons: British-Airways-Flug 9 – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

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