- Abdallah ibn az-Zubair
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Abdallah ibn az-Zubair, arabisch عبدالله بن الزبير, DMG ʿAbdallāh ibn az-Zubayr, (* 619; † 5. November 692) war ein „Gegen“kalif zu den Umayyaden (682–692).
Inhaltsverzeichnis
Die Opposition gegen die Umayyaden
Abdallah war Sohn des az-Zubair, der ein enger Freund und Vetter des Propheten Muhammad war. Er nahm an den Feldzügen in Ägypten, Persien und in Nordafrika teil. Nach der Ermordung von Kalif Uthman ibn Affan lehnte er dessen Nachfolger Ali ibn Abi Talib ab und nahm auf der Seite von Aischa an der Kamelschlacht im Irak teil (656). Als sich die Umayyaden als Kalifen durchgesetzt hatten, zog sich Abdallah nach Medina zurück und wurde mit Hussein ibn Ali Führer einer konservativ-religiösen Oppositionsgruppe für die der Kampf um die Verbreitung des Islam Vorrang hatte. Den Umayyaden wurde vorgeworfen, dass sie die religiöse Begeisterung der Muslime als Mittel der Machtpolitik ansahen.
Der Bürgerkrieg
Als Hussein ibn Ali 680 in der Schlacht von Kerbala gegen die Umayyaden fiel, wurde Abdallah der anerkannte Führer der antiumayyadischen Opposition. Als solcher verweigerte er Yazid I., dem Nachfolger von Muawiya I., die Huldigung und floh nach Mekka. Dort konnten er und seine Anhänger auch einer Belagerung durch die Umayyaden standhalten. Nach dem Tod von Yazid I. (683) wurde Abdallah in Mekka zum Kalifen ausgerufen (684). Da bei den Umayyaden nach dem Tod von Muawiya II. die Thronfolge zeitweise ungeklärt war, wurde Abdallah von den Muslimen im Irak, Iran, Ägypten und sogar in Teilen von Syrien anerkannt. Allerdings war der tatsächliche Einfluss Abdallahs auf seine Anhänger während des Bürgerkriegs eher gering. Mit der verbreiteten Anerkennung Abdallahs wird auch deutlich, dass sich die von den Umayyaden verfochtene These der Erblichkeit des Kalifenamtes unter den Muslimen noch nicht durchgesetzt hatte.
684 begannen die Umayyaden unter Marwan I. (684–685) mit den Gegenaktionen und konnten nach dem Sieg bei Mardsch Rahit bei Damaskus über die Anhänger Abdallahs Syrien und Ägypten wieder unter ihre Kontrolle bringen. Zwar flauten die Kämpfe zwischen den Kontrahenten zeitweise ab, doch musste Abdallahs Bruder Musab ibn az-Zubair als Statthalter des Irak den schiitischen Aufstand des Muchtar (685–687) niederschlagen und die Charidschiten unterdrücken. Durch diese Kämpfe geschwächt gelang den Umayyaden unter Abd al-Malik (685–705) die Eroberung des Irak (691). Mit dem Feldzug in den Hedschas und der Erstürmung von Mekka (692), bei der Abdallah am 5. November ums Leben kam, konnten die Umayyaden ihre Herrschaft wieder im ganzen Kalifat durchsetzen.
Die Auswirkungen des Bürgerkriegs
Mit der Niederschlagung dieser oppositionellen Bewegung hatten die Umayyaden ihre Herrschaft für die nächsten 50 Jahre gesichert und konnten mit der Konsolidierung des Kalifats beginnen. Die Kämpfe führten zu einer starken Polarisierung der Bevölkerung und zum Untergang der alten arabischen Aristokratie aus Mekka, auf die sich die umayyadische Herrschaft bisher vor allem gestützt hatte.
Zwar konnten sich die Umayyaden gegen ihre Gegner mit militärischer Gewalt durchsetzen, doch gelang es ihnen nicht, ihren Herrschaftsanspruch religiös oder durch Abstammung vom Propheten Muhammad zu legitimieren. Diese in den Augen der Muslime unzureichende Legitimation sollte 749/750 zum Sturz der Umayyaden durch die Abbasiden führen.
Quellen
Die Hauptquelle für das Leben und Wirken des Abdallah ibn az-Zubair bildet die traditionelle islamische Geschichtsschreibung. Bis auf einige wenigen Münzfunde, hauptsächlich aus dem ostiranischen Raum, gibt es keine weiteren archäologischen oder von der traditionellen Geschichtsschreibung unabhängigen Belege.
Alternative Deutungsversuche
Einen neuen, aber in der Islamwissenschaft noch kaum beachteten Ansatz macht der deutsche Numismatiker und Iranist Volker Popp, dessen Arbeiten im Rahmen der Forschungsgruppe Inârah um Karl-Heinz Ohlig und Christoph Luxenberg veröffentlicht werden.[1]
Im krassen Gegensatz zur traditionellen Geschichtsschreibung und zur etablierten Islamwissenschaft, wird von ihm die Geschichtlichkeit und Existenz Abdallah ibn az-Zubairs stark in Frage gestellt und, stattdessen, die komplette Geschichte des „Gegenkalifats“ auf den Widerstand der „Zunbil von Zabulistan“ im Osten Persiens zurückgeführt, welche vermutlich mit den Hephthaliten verwandt waren und zu den erbittertsten Gegnern des umaiyadischen Kalifats gehörten.
Der Titel „Zunbil“ ist in der mittelpersischen Form „ZNBYL-ān“ („zum Zunbil gehörend“; mit dem mittelpersischen Patronym-Suffix „-ān“) über mehrere Jahre hinweg (53–69 AH) auf Inschriften in der Region Kirman archäologisch nachweisbar.[2]
Volker Popps These nach wurden diese Quellen von späteren muslimischen Geschichtsschreibern missinterpretiert, welche die mittelpersische Schreibung „ZNBYL“ nicht als „Zunbil“, sondern als (arabisiert) „Zubair“ fehldeuteten (die mittelpersische Schreibung „ZNBYL“ erlaubt auch die Lesung als „Zubīl“ und „Zubīr“).[3] Anschließend sei dementsprechend eine neue Rahmengeschichte – diesmal in Mekka und nicht im Osten Irans – um den (fiktiven) Abdallah ibn az-Zubair erfunden worden, um gewisse historische Ereignisse erklären zu können.
Diese Beobachtung korreliert zum Teil mit Münzfunden im Osten des ehemaligen Kalifats, aus der alten sassanidischen Prägungsstätte Darābgard (arab. Darābdschird), die traditionell Abdallah ibn az-Zubair zugeschrieben werden. Auf den Münzen ist zwar ein nicht näher bezeichneter „Abdallah (ʿAbd Allāh)“ bezeugt (dieser als „Knecht Gottes“ zu übersetzende Titel war die übliche Bezeichnung der Herrscher und findet sich auch auf allen umaiyadischen Münzen), er wird aber in den zeitgleich fertiggestellten Inschriften von Kirman eindeutig als ein „ZNBYL-ān“ bestätigt (d.h. „[der] den Zunbil zugehörige Knecht Gottes“).[2] Auch eine kurzzeitige Oberherrschaft der Hephthaliten im nunmehr umaiyadischen Marw ist durch Münzprägungen historisch gesichert.[4]
Literatur
- Heinz Halm u.a. (Hrsg.): Geschichte der Arabischen Welt. Beck, München 2004, ISBN 3-406-47486-1
- Gernot Rotter: Die Umayyaden und der zweite Bürgerkrieg (680-692). Steiner, Wiesbaden 1982, ISBN 3-515-02913-3
Einzelnachweise
- ↑ vgl. Inârah. Institut zur Erforschung der frühen Islamgeschichte und des Koran., Saarbrücken, 2011, Homepage der offiziellen Website
- ↑ a b V. Popp: Biblische Strukturen in der islamischen Geschichtsdarstellung; in: M. Gross, K.H. Ohlig: Schlaglichter: die beiden ersten islamischen Jahrhunderte, Schiler Verlag, 2008. ISBN 9783899302240. S. 87ff.
- ↑ H.S. Nyberg: A Manual of Pahlavi, Harrassowitz, Wiesbaden 1964. S. 158
- ↑ vgl. J. Walker: Some New Arab-Sassanian Coins, The Numismatic Chronicle And Journal Of The Royal Numismatic Society, 1952, S. 129 u. 254
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