- Geordneter Vektorraum
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Eine geordneter Vektorraum ist eine mathematische Struktur. Es handelt sich um einen
-Vektorraum, auf dem zusätzlich eine mit der Vektorraum-Struktur verträgliche Ordnungsrelation gegeben ist, die man üblicher Weise mit
bezeichnet (man liest kleiner-gleich). Dadurch ist es möglich, die Elemente eines Vektorraums der Größe nach zu vergleichen. Viele in der Mathematik untersuchte Vektorräume tragen eine natürliche Ordnungsstruktur.
Inhaltsverzeichnis
Definition
Ein geordneter Vektorraum ist ein Paar
bestehend aus einem
-Vektorraum V und einer Ordnungsrelation
auf V, so dass folgendes gilt:
für alle
, das heißt
ist reflexiv.
- Aus
und
folgt
für all
, das heißt
ist transitiv.
- Aus
folgt
für alle
, das heißt
ist mit der Addition verträglich.
- Aus
folgt
für alle
und
, das heißt
ist mit der skalaren Multiplikation verträglich.[1]
In der Definition kann man
durch einen geordneten Körper ersetzen. In den meisten Anwendungen hat man es allerdings mit dem Körper der reellen Zahlen zu tun. Ein
-Vektorraum heißt geordneter Vektorraum, wenn er als reeller Vektorraum geordnet ist. Viele der hier besprochenen Begriffsbildungen lassen sich auf geordnete abelsche Gruppen verallgemeinern.
Positiver Kegel
Ist
ein geordneter Vektorraum, so heißt
der positive Kegel. Es handelt sich in der Tat um einen Kegel, das heißt es gilt:
- Für alle
und
gilt
.
Insbesondere ist der positive Kegel konvex, was Anlass zu geometrischen Untersuchungen gibt.
Ist umgekehrt in einem
-Vektorraum V ein Kegel P gegeben, so wird durch
eine Ordnungsrelation definiert, die
zu einem geordneten Vektorraum macht, so dass V + = P gilt. Ein geordneter Vektorraum kann daher auch als Vektorraum mit einem ausgezeichneten Kegel aufgefasst werden. Eigenschaften der Ordnung können in Beziehung zu algebraischen und geometrischen Eigenschaften des Kegels gesetzt werden; ist V sogar ein topologischer Vektorraum, so kommen topologische Eigenschaften des Kegels hinzu.
Positive Operatoren
Die strukturerhaltenden Abbildungen zwischen geordneten Vektorräumen
und
sind die linearen Operatoren
, die auch die Ordnungsstruktur erhalten, das heißt für die aus
stets
folgt. Solche Abbildungen heißen positive oder monotone Operatoren. Die Untersuchung positiver Operatoren ist ein wichtiger Teil der Theorie der geordneten Vektorräume.
Offenbar bilden die geordneten Vektorräume mit den positiven Operatoren als Morphismen eine Kategorie.
Ein Ordnungsintervall ist eine Menge der Form
. Ein linearer Operator zwischen geordneten Vektorräumen heißt ordnungsbeschränkt, wenn er Ordnungsintervalle in Ordnungsintervalle abbildet. Differenzen positiver Operatoren sind offenbar ordnungsbeschränkt.
Duale Ordnung
Ist
ein geordneter Vektorraum, so ist
ein Kegel, der den Dualraum
zu einem geordneten Vektorraum macht; dies ist die sogenannte duale Ordnung auf
. Ist V zusätzlich ein topologischer Vektorraum, so betrachtet man statt des algebraischen den topologischen Dualraum, das heißt den Raum aller stetigen linearen Funktionale auf V. Ist dieser Raum normiert oder allgemeiner lokalkonvex, so steht die für diese Raumklassen reichhaltige Dualitätstheorie zur Verfügung.
Oft betrachtet man auch nur den Unterraum
der ordnungsbeschränkten Funktionale und spricht vom ordnungsbeschränkten Dualraum.
Beispiele
- Die Folgenräume wie c, c0 oder
sind geordnete Vektorräume, wenn man die Ordnung komponentenweise erklärt, das heißt wenn man für zwei Folgen x = (xn)n und y = (yn)n die Relation
durch
definiert.
- Funktionenräume wie C[0,1] oder Lp[0,1] sind geordnete Vektorräume, wenn man die Ordnung punktweise erklärt, das heißt wenn man für zwei Funktionen f und g die Relation
durch
für alle x aus dem Definitionsbereich bzw. fast überall auf dem Definitionsbereich definiert.
- Ist A eine C*-Algebra und setzt man
, so kann man zeigen, dass A + ein Kegel ist, der A zu einem geordneten Vektorraum macht. Die Untersuchung des Dualraums mit der dualen Ordnung ist eine wichtige Methode in der Theorie der C*-Algebren.
Weitere Begriffsbildungen
Sei
ein geordneter Vektorraum.
Strikte Ordnung
In der hier gegebenen Definition wurde nicht gefordert, dass aus
und
stets x = y folgen soll; die Ordnungsrelation wäre dann antisymmetrisch, und dies wäre äquivalent dazu, dass der Kegel V + spitz ist (das heißt
). Die meisten in den Anwendungen vorkommenden Kegel sind spitz. Manche Autoren verstehen unter einem Kegel stets einen spitzen Kegel und nennen den oben eingeführten allgemeineren Begriff einen stumpfen Kegel. Antisymmetrische Ordnungen werden auch strikte Ordnungen genannt.
Gerichtete Ordnung
Die Ordnung auf V heißt gerichtet, falls es zu je zwei Elementen
stets ein
gibt mit
und
. Die Ordnung ist genau dann gerichtet, wenn V = V + − V + , das heißt wenn der positive Kegel den Vektorraum erzeugt. [2]
Ordnungseinheiten
Ein Element
heißt eine Ordnungseinheit, falls es zu jedem
ein
gibt mit
. Das ist äquivalent dazu, dass das Ordnungsintervall
eine absorbierende Menge ist.[3]
Offenbar ist die konstante Funktion 1 eine Ordnungseinheit in C[0,1], während der Folgenraum c0 keine Ordnungseinheiten besitzt.
Archimedische Ordnung
Die Ordnung auf V heißt archimedisch wenn gilt: Sind
und ist
für alle
, so folgt
.
Die Ordnung heißt fast archimedisch, wenn gilt: Sind
und ist
für alle
, so folgt x = 0.
Die Ordnung heißt nirgends archimedisch, wenn es zu jedem
ein
gibt mit
für alle
. [4]
Unterräume, Quotienten und direkte Produkte
Ist
ein geordneter Vektorraum und
ein Unterraum, so ist U mit der eingeschränkten Ordnung wieder ein geordneter Vektorraum, es ist offenbar
und die Einbettung
ist ein positiver Operator.
Der Quotientenraum V / U wird mit dem Kegel
offenbar zu einem geordneten Vektorraum und die Quotientenabbildung
ist ein positiver Operator.
Ist schließlich
eine Familie von geordneten Vektorräumen, so wird das direkte Produkt
zu einem geordneten Vektorraum, wenn man den positiven Kegel durch
erklärt. Eine wichtige Frage in der Theorie der geordneten Vektorräume ist, ob sich ein gegebener geordneter Vektorraum als direktes Produkt geordneter Räume zerlegen lässt. [5]
Riesz-Räume
Ein gerichteter Vektorraum
hat die Riesz'sche Interpolationseigenschaft, wenn folgendes gilt:
Ist
und
, so gibt es
mit
,
und
.
Gibt es zu je zwei Elementen
eines geordneten Vektorraums stets ein kleinstes Element z mit
und
, welches dann mit
bezeichnet wird und das Supremum aus x und y heißt, so spricht man von einem Riesz-Raum oder Vektorverband[6]. Man kann zeigen, dass tatsächlich ein distributiver Verband vorliegt, wobei die andere Verbandsoperation durch
definiert werden könnte. Offenbar haben Vektorverbände die Riesz'sche Interpolationseigenschaft, denn obige Definition kann mit
erfüllt werden. Man nennt einen Vektorverband vollständig, wenn nicht nur je zwei Elemente sondern jede nach oben beschränkte Menge ein Supremum besitzt.
Bemerkung zur Bezeichnung: Manche Autoren nennen gerichtete und strikt geordnete Vektorräume mit der Riesz'schen Interpolationseigenschaft Riesz-Räume, siehe zum Beispiel [7], und verwenden Riesz-Raum daher nicht als Synonym zu Vektorverband.
Im Zusammenhang mit den hier eingeführten Begriffen besteht folgender wichtiger Satz von F. Riesz [8]:
- Ist
ein gerichteter und strikt geordneter Vektorraum mit der Riesz'schen Interpolationseigenschaft, so ist der ordnungsbeschränkte Dualraum ein vollständiger Vektorverband.
Als Anwendung betrachte man eine C*-Algebra A. Dann ist der selbstadjungierte Teil
ein reeller Vektorraum, der durch den Kegel
zu einem gerichteten und strikt geordneten Vektorraum mit Riesz'scher Interpolationseigenschaft wird.[9]. Der Dualraum
, der mit dem ordnungsbeschränkten Dualraum zusammenfällt, ist daher ein vollständiger Vektorverband, was für die C*-Theorie von Bedeutung ist.
Topologische geordnete Vektorräume
Trägt ein geordneter Vektorraum zusätzlich eine Vektorraumtopologie, so spricht man von einem geordneten, topologischen Vektorraum und kann Stetigkeitseigenschaften der Ordnung untersuchen. Insbesondere in Vektorverbänden kann man die Stetigkeit der Abbildungen
studieren.
Es gilt folgender Satz für geordnete topologische Vektorverbände V[10]:
- Die Abbildung
genau dann stetig ist, wenn V eine Nullumgebungsbasis aus Mengen U hat, die die folgende Eigenschaft haben: Ist
und
mit
, so folgt
.
Ist V sogar ein normierter Raum mit Norm
und ein Vektorverband, so nennt man die Norm eine Verbandsnorm, wenn aus
stets
folgt.[11]. In diesem Fall spricht man von einem normierten Vektorverband. Dann ist der oben zitierte Satz anwendbar und man erkennt die Stetigkeit der Verbandsoperationen. Typische Beispiele sind die oben aufgeführten Beispiele
oder C([0,1]) mit ihren natürlichen Ordnungen und Normen.
Für geordnete topologische Vektorräume, insbesondere geordnete Banachräume, existiert eine umfangreiche Theorie, für die an dieser Stelle auf die Literatur verwiesen wird.
Einzelnachweise
- ↑ Graham Jameson: Ordered Linear Spaces, Springer Lecture Notes, Band 141 (1970), 1.1
- ↑ Graham Jameson: Ordered Linear Spaces, Springer Lecture Notes, Band 141 (1970), 1.1.3
- ↑ Graham Jameson: Ordered Linear Spaces, Springer Lecture Notes, Band 141 (1970), 1.3.1
- ↑ Graham Jameson: Ordered Linear Spaces, Springer Lecture Notes, Band 141 (1970), 1.3
- ↑ Graham Jameson: Ordered Linear Spaces, Springer Lecture Notes, Band 141 (1970), 1.4
- ↑ C. D. Aliprantis, R. Tourky: Cones and duality, American Mathematical Society (2007), 1.14
- ↑ Graham Jameson: Ordered Linear Spaces, Springer Lecture Notes, Band 141 (1970), 2.1
- ↑ Graham Jameson: Ordered Linear Spaces, Springer Lecture Notes, Band 141 (1970), 2.6.1
- ↑ Gert K. Pedersen: C*-Algebras and Their Automorphism Groups ISBN 0125494505, 1.4.10
- ↑ Graham Jameson: Ordered Linear Spaces, Springer Lecture Notes, Band 141 (1970), 4.1.5
- ↑ C. D. Aliprantis, R. Tourky: Cones and duality, American Mathematical Society (2007), 2.36
Literatur
- Graham Jameson: Ordered Linear Spaces, Springer Lecture Notes, Band 141 (1970)
- W. A. J. Luxemburg and A. C. Zaanen: Riesz-Spaces, North-Holland Pub. Co.; New York, American Elsevier Pub. Co. (1971), ISBN 0444101292
- C. D. Aliprantis, R. Tourky: Cones and duality, American Mathematical Society (2007), ISBN 0821841467
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