- Normierter Raum
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Der mathematische Begriff der Norm ist die Verallgemeinerung des geometrischen Begriffs der Länge eines Vektors. Eine Norm ist eine Funktion, die jedem Element eines Vektorraums eine nichtnegative reelle Zahl zuordnet und eine Reihe weiterer Eigenschaften (unter anderem die Dreiecksungleichung) erfüllt. Der Vektorraum, auf dem die Norm definiert ist, wird dann normierter Raum oder auch normierter Vektorraum genannt.
Dieser Normbegriff unterscheidet sich wesentlich vom Begriff der Norm in der Körpertheorie, er wird daher manchmal auch Vektornorm im Gegensatz zur Körpernorm genannt.
Inhaltsverzeichnis
Definition
Sei V ein Vektorraum über dem Körper der reellen oder komplexen Zahlen. Eine Funktion in die nichtnegativen reellen Zahlen heißt Norm auf V, wenn alle Vektoren und alle Skalare folgenden Axiomen genügen:
- (Definitheit);
- (absolute Homogenität);
- (die Dreiecksungleichung).
Hierbei bezeichnet den Absolutbetrag auf .
Ein Vektorraum V mit einer Norm heißt normierter Vektorraum oder normierter Raum. Man schreibt dann oder - wenn klar ist, um welche Norm es sich handelt - auch nur V.
Bemerkungen
- Aus der Homogenität folgt und .
- Wenn auf die Definitheit (Bedingung 1.) verzichtet wird, dann ist nur eine Halbnorm. Aus einem Raum mit Halbnorm erhält man einen normierten Raum als Faktorraum. Dazu werden Elemente x und y miteinander identifiziert, die erfüllen. In der Funktionalanalysis betrachtet man neben den normierten Räumen auch Vektorräume mit einer Menge von Halbnormen und kommt so zum Begriff des lokalkonvexen Raums.
- Jede Norm ist eine sublineare Abbildung.
- Eine Menge der Form nennt man offene Normkugel um mit Radius r > 0. Ersetzt man das -Zeichen durch , so spricht man von einer abgeschlossenen Normkugel.
endlichdimensionale Beispiele
Betrag
Der Betrag einer reellen Zahl ist ein Beispiel für eine Norm. Man erhält ihn durch Weglassen des Vorzeichens. Er ist also für durch
gegeben und erfüllt alle drei Eigenschaften einer Norm.
p-Normen
Für endlichdimensionale Vektorräume sind die so genannten p-Normen definiert als:
Dabei ist eine reelle Zahl und | xi | der Betrag der i-ten Koordinate des Vektors x. Für p < 1 können so keine Normen definiert werden, da dann die Dreiecksungleichung verletzt wäre.
p = 1: Betragssummennorm
Die 1-Norm
heißt auch Betragssummennorm; die von ihr abgeleitete Metrik heißt speziell im zweidimensionalen Raum auch Taxi-, City-Block- oder Manhattan-Metrik, da sie den Abstand zweier Punkte wie die Fahrtstrecke auf einem Stadtplan im Schachbrett-Format misst, auf dem man sich nur in senkrechten und waagerechten Abschnitten bewegen kann.
p = 2: Euklidische Norm
Die 2-Norm
heißt auch Euklidische Norm; ein mit der 2-Norm versehener Vektorraum wird ein Euklidischer Raum genannt. Im und beschreibt die euklidische Norm die anschauliche Länge eines Vektors und führt über die induzierte euklidische Metrik zu dem uns gewohnten Abstandsbegriff. Die Menge aller Vektoren x mit Norm bildet im den Einheitskreis, im die Einheitskugel und allgemein im die (n − 1)-dimensionale Einheitssphäre. Die 2-Norm ist die durch das Standardskalarprodukt induzierte Norm:
Allgemeiner bezeichnet man jede durch ein Skalarprodukt induzierte Norm als euklidische Norm.
p = ∞: Maximumsnorm
Die -Norm
heißt auch Maximumsnorm, Unendlichnorm oder Tschebyschow-Norm. Sie ist formal keine p-Norm, kann aber als Grenzfall für aufgefasst werden, wie im folgenden Abschnitt gezeigt wird:
Zusammenhänge zwischen den p-Normen
Als Normen auf endlichdimensionalen Vektorräumen sind alle p-Normen inklusive der Maximumsnorm zueinander äquivalent; als eingrenzende Faktoren ergeben sich, wenn n die Dimension des Vektorraums ist:
- und
- .
Aus der zweiten Zeile folgt der schon durch die Bezeichnungen angedeutete Zusammenhang
Außerdem gilt für . Die Norm ist für wachsendes p monoton fallend.
Veranschaulichung in der euklidischen Ebene
Zur Veranschaulichung betrachten wir zweidimensionale Vektoren . Die Menge aller Einheitsvektoren bildet einen verallgemeinerten Einheitskreis, er fällt nur für p = 2 mit dem in der Geometrie betrachteten Kreisbegriff zusammen. Mit den Normen zu p=1, p=2 und p=∞ ergeben sich in einem kartesischen Koordinatensystem folgende Darstellungen der Einheitskreise:
unendlichdimensionale Beispiele
ℓp-Normen
Die „-Normen“ sind eine Verallgemeinerung der p-Normen auf spezielle unendlichdimensionale Vektorräume.
Wir gehen zunächst von der Menge aller Zahlenfolgen in einem Körper (z.B. ) aus. Dabei wollen wir die Null als zu gehörend ansehen. Für eine reelle Zahl bzw. das Symbol betrachten wir die Teilmengen
aller „in p-ter Potenz summierbaren Folgen“ bzw. aller beschränkten Folgen. Die so erklärten Teilmengen sind -Vektorräume, auf denen man die so genannte lp-Norm wie folgt definiert:
Versehen mit diesen Normen werden die Vektorräume zu vollständigen normierten Räumen.
Lp-Normen
Die Definition der Lp-Räume und -Normen wird hier nur kurz angerissen, ausführlichere Informationen dazu finden sich im Artikel Lp-Raum.
Analog zu den Folgenräumen kann man den Vektorraum der Funktionen betrachten, und darin die "in p-ter Potenz integrierbaren Funktionen" herausgreifen, für die man so genannte Lp-Normen definiert. Das ist jedoch zunächst nur eine Halbnorm, da nicht ausschließlich für die Nullfunktion gilt. Man geht deshalb über zu einem Faktorraum (den man Lp nennt), auf dem die Lp-Halbnorm dann eine Norm induziert.
Supremumsnorm
Prinzipiell kann man jeden Teilraum der beschränkten Funktionen mit der Supremumsnorm versehen. In der Praxis verwendet man die Supremumsnorm jedoch speziell für den Raum der stetigen Funktionen mit kompaktem Träger , da der Raum dadurch vollständig ist.
Normen im Funktionenraum Cn
Es gibt eine Reihe von Normen, die den Raum der n-fach stetig differenzierbaren Funktionen mit kompaktem Träger vollständig machen. Zwei äquivalente Normen sind die folgenden:
Einordnung
Jede Norm induziert durch eine Metrik, jeder normierte Raum ist also auch ein metrischer Raum, und damit wiederum auch ein topologischer Raum. Diese durch die Norm definierte Topologie nennt man auch die Normtopologie. Für eine Folge (xn)n gilt genau dann, wenn . Die Norm ist eine stetige Abbildung in Bezug auf die durch sie induzierte Topologie.
Eine Norm kann, muss aber nicht, durch ein inneres Produkt (Skalarprodukt) definiert sein. Jeder Innenproduktraum ist mit
ein normierter Raum. Allgemein nennt man eine durch ein Skalarprodukt induzierte Norm auch Hilbertnorm. Eine Norm ist genau dann durch ein Skalarprodukt induziert, wenn die Parallelogrammgleichung erfüllt ist.
Ein normierter Raum heißt vollständig, wenn jede Cauchy-Folge in diesem Raum einen Grenzwert besitzt. Ein vollständiger normierter Raum heißt Banach-Raum, und ein vollständiger normierter Innenproduktraum heißt Hilbertraum.
Äquivalenz von Normen
Zwei Normen und heißen äquivalent, wenn es positive Konstanten c1 und c2 gibt mit
für alle x. Äquivalente Normen induzieren dieselbe uniforme Struktur und damit erst recht dieselbe Topologie. Auf einem endlichdimensionalen Vektorraum über den reellen oder komplexen Zahlen, also zum Beispiel auf , sind alle Normen äquivalent.
Auch in unendlichdimensionalen Banachräumen lässt sich die Bedingung für die Äquivalenz zweier Normen vereinfachen. Sind nämlich und Normen auf einem Vektorraum X, die ihn zu einem Banachraum machen und gibt es ein M > 0, so dass
für alle gilt, dann sind diese beiden Normen äquivalent. Aufgrund der Voraussetzung ist stetig und aufgrund des Satzes von der inversen Abbildung existiert ein zu inverserer stetiger Operator und daher sind und äquivalent.
Operatornormen
Für einen linearen Operator wird seine Operatornorm (anschaulich der größtmögliche Streckungsfaktor) bezüglich der Vektornormen folgendermaßen definiert:
- .
Diese Operatornorm erfüllt ebenfalls die drei Axiome: Definitheit, Homogenität und Dreiecksungleichung, welche von den Vektornormen erfüllt werden müssen. Die Operatornorm von linearen Abbildungen zwischen endlichdimensionalen Vektorräumen ist stets endlich, da die Einheitskugel eine kompakte Menge ist, und damit eine echte Norm. In unendlichdimensionalen Vektorräumen ist dies nicht immer gegeben. Operatoren, deren Norm unendlich als Wert annimmt, werden unbeschränkt genannt. Dabei handelt es sich streng genommen nicht mehr um Normen im eigentlichen Sinne. Man kann zeigen, dass ein linearer Operator zwischen normierten Räumen genau dann eine endliche Operatornorm hat, wenn er stetig ist.
Matrixnormen
Für reelle oder komplexe Matrizen können verschiedene Normen angegeben werden, wobei in der Literatur teilweise die Submultiplikativität als weitere definierende Eigenschaft verlangt wird. Es gibt jedoch Matrixnormen mit den üblichen Normeigenschaften, die nicht submultiplikativ sind. Eine Matrixnorm kann von einer Vektornorm induziert oder mit verschiedenen Vektornormen verträglich sein.
Eine Matrixnorm heißt induziert von einer Vektornorm , wenn sie von ihr als Operatornorm abgeleitet ist, falls also gilt:
- .
Dabei wird das Supremum angenommen (sup kann durch max ersetzt werden), weil die Normabbildung stetig und die Menge der Einheitsvektoren (im endlichdimensionalen Vektorraum ) kompakt ist.
Als Operatornorm ist eine induzierte Matrixnorm stets submultiplikativ, mit Matrizen ausgedrückt gilt also:
Eine Matrixnorm heißt mit einer Vektornorm verträglich, wenn gilt:
Offensichtlich ist die von einer Vektornorm induzierte Matrixnorm mit dieser Vektornorm verträglich.
Matrixnormen haben einige nützliche Eigenschaften, so ist beispielsweise der Spektralradius einer Matrix (der Betrag des betragsgrößten Eigenwerts) niemals größer als der Wert einer beliebigen submultiplikativen Matrixnorm. Sie werden insbesondere in der numerischen Mathematik benutzt.
Normen auf Moduln
Definition
Den Begriff einer Norm kann man wesentlich allgemeiner fassen, indem man den Vektorraum durch einen Modul M ersetzt.
Sei M ein R-(Links)-Modul über einem unitären Ring mit Betrag . Eine Funktion in die nichtnegativen reellen Zahlen heißt Norm auf M, wenn für alle und alle Skalare die folgenden axiomatischen Bedingungen erfüllt sind:
- (Definitheit);
- (absolute Homogenität);
- (die Dreiecksungleichung).
Bemerkung
Wenn im Grundring R der Betrag durch einen Pseudobetrag ersetzt wird (d.h. die Multiplikativität von zur Submultiplikativität abgeschwächt wird) und im Modul M die Homogenität von zur Subhomogenität abgeschwächt wird, erhält man den Begriff der Pseudonorm. Subhomogenität bedeutet, dass für alle x und jeden Skalar α gilt.
Literatur
- Dirk Werner: Funktionalanalysis. Springer Verlag, 2005. ISBN 3-540-43586-7
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