Bahnhof Sassnitz Hafen

Bahnhof Sassnitz Hafen
Sassnitz Hafen
Hafenbahnhof 1959 mit Bahnhofsgleisen, Kfz-Zufahrt und Empfangsgebäude. Fährbett I (l.) ist bereits ausgebaut, Fährbett II (r.) noch im Zustand von 1909.
Hafenbahnhof 1959 mit Bahnhofsgleisen, Kfz-Zufahrt und Empfangsgebäude. Fährbett I (l.) ist bereits ausgebaut, Fährbett II (r.) noch im Zustand von 1909.
Daten
Betriebsart Fährbahnhof
Bahnsteiggleise 2
Abkürzung WSZH
Eröffnung 1. Mai 1897
Stilllegung 1. Dezember 2000
Lage
Gemeinde Sassnitz
Land Mecklenburg-Vorpommern
Staat Deutschland
Koordinaten 54° 30′ 46,4″ N, 13° 38′ 26,9″ O54.512913.6408Koordinaten: 54° 30′ 46,4″ N, 13° 38′ 26,9″ O
Eisenbahnstrecken
Bahnhöfe in Mecklenburg-Vorpommern

i7i12i13i15i16i16i18

Der Bahnhof Sassnitz Hafen (bis 1993: Saßnitz Hafen) war der nordöstliche Endpunkt der Bahnstrecke Stralsund–Sassnitz und als Fährbahnhof bis 1998 Ausgangspunkt der Fährverbindung Sassnitz–Trelleborg. 1897 als Warenumschlagpunkt für den Postschiffverkehr zwischen dem Deutschen Reich und Schweden eingerichtet, erfolgte 1909 die Aufnahme des Trajektverkehrs zwischen beiden Staaten. Knapp 90 Jahre später wurde die immer wieder erweiterte Anlage durch einen neuen Fährbahnhof in Mukran ersetzt. Das Bahnhofsgelände steht als Bestandteil des ehemaligen Stadthafens unter Denkmalschutz.[1]

Inhaltsverzeichnis

Lage und Aufbau

Der Anschluss zum Hafen erfolgte über eine knapp zwei Kilometer lange Stichstrecke, die vom Bahnhof Sassnitz aus in einem Bogen um die Altstadt führte. Die eingleisige Bahn überwand dabei einen Höhenunterschied von über 30 Metern bei einem maximalen Gefälle von 27 Promille.[2][3] Nach einer erneuten Spitzkehre konnten die Züge in die jeweiligen Bahnhofsgleise einfahren.

Kernstück der Anlage bildete der Fährterminal, bestehend aus zwei Landebrücken mit je einer Fünf-Wege-Weiche, einem Zollbahnsteig sowie dem als „Glasbahnhof“ bezeichneten Zugangsbauwerk zu den Fährschiffen. Glasbahnhof und Zollbahnsteig waren über eine Fußgängerbrücke miteinander verbunden. Daneben bestanden umfangreiche Anlagen für den Güterverkehr, unter anderem die Gleisanschlüsse des VEB Fischwerk, Lokschuppen und weitere Zolleinrichtungen. Für das Übersetzen von Kraftfahrzeugen wurde 1957 ferner eine 150 Meter lange Brücke über das Bahnhofsgelände errichtet, die als Zu- und Abfahrt diente.

Die Gleisanlagen sind seit der Streckenstilllegung Ende 2000 weitgehend abgebaut worden, darunter auch die Zufahrt zum Fährbett I einschließlich der Fünf-Wege-Weiche. Die Brücke zum Fährbett II besteht noch, ebenso der mittlerweile als Museum genutzte Glasbahnhof sowie ein Güterschuppen aus den Anfängen des Trajektverkehrs.

Geschichte

Eine anlässlich des 100. Geburtstages der Königslinie herausgebrachte Briefmarke der Deutschen Post zeigt den Hafenbahnhof mit Fährbett II im Zustand der 1920er Jahre

Gleichzeitig mit Eröffnung der Postschifflinie Sassnitz–Trelleborg am 1. Mai 1897 wurde die Stichstrecke zum Hafen eröffnet. Der Bahnhof diente zunächst ausschließlich dem Warenumschlag zwischen Schiff und Bahn. Das Umladen nahm jedoch viel Zeit in Anspruch, zudem gelangten die Dampfer schnell an ihre Kapazitätsgrenze. Am 15. November 1907 schlossen daher Deutschland und Schweden einen Staatsvertrag zur Einrichtung eines Eisenbahnfährverkehrs auf dieser Verbindung.[4] Der bereits vorhandene Eisenbahnanschluss und die günstige seeseitige Lage trugen unter anderem dazu bei. Am 7. Juli 1909 wurde der fahrplanmäßige Betrieb aufgenommen.[4]

Trotz guter seeseitiger Lage stellte die landseitige Anbindung einen Engpass dar. Das zweimalige Kopf machen in den Bahnhöfe Sassnitz Hafen und Sassnitz war umständlich, ferner war die Achszahl der Züge auf Grund der Steigungen von bis zu 27 Promille begrenzt. Die eingeengte Lage des Hafenbahnhofs kam hinzu. Daher war bereits vor 1914 der Bau einer neuen Anbindung über Mukran vorgesehen, 1937 bis 1939 begann die Deutsche Reichsbahn (DRG) mit dem Bau dieser Verbindungsbahn.[3] Beide Vorhaben fielen den jeweiligen Weltkriegen zum Opfer.

Der Fährverkehr entwickelte sich bis zum Zweiten Weltkrieg positiv. Am 26. November 1944 wurden jedoch die schwedischen Häfen für deutsche Schiffe gesperrt.[5] Ein US-amerikanischer Bombenangriff am 6. März 1945 zerstörte schließlich weite Teile der Hafen- und Bahnhofsanlagen.[1] Der provisorische Wiederaufbau konnte 1947/48 abgeschlossen werden, am 16. März 1948 wurde der Fährverkehr wieder aufgenommen.[6]

Um einerseits dem steigenden Güterverkehr gerecht zu werden, andererseits den privaten Kraftfahrzeugverkehr nicht ins Hintertreffen geraten zu lassen, setzten die schwedischen Staatsbahnen (SJ) und die Deutsche Reichsbahn (DR) ab 1958 beziehungsweise 1959 neue, viergleisige Fähren ein. Das Fährbett I wurde dafür entsprechend umgebaut und erhielt anstelle der eingleisigen Landebrücke eine solche mit Fünf-Wege-Weiche. Die Brücke besteht aus zwei je 25 Meter langen, gelenkig miteinander verbundenen Überbauten. Sie ist in der Lage Tauchtiefen von 1,30 Metern und Wasserspiegelschwankungen von 1,10 Metern gegenüber Mittelwasser auszugleichen.[7] Für den Kraftfahrzeugverkehr wurde zwei Jahre zuvor eine Brücke als Zufahrt über das Bahnhofsareal gespannt. Die Reisenden überquerten diese nach der Grenzübergangsstelle und gelangten dann über eine separate Brücke auf die Fähren. Als Empfangsgebäude entstand zwischen beiden Fährbetten der in Stahlskelettbauweise errichtete Glasbahnhof. Die Umbauten wurden am 6. Juli 1959 abgeschlossen, gleichzeitig ging das Fährschiff Sassnitz in Betrieb.[6] Fährbett II wurde nach Ausmusterung der letzten Vorkriegsfähren in den Jahren 1975 bis 1977 ebenfalls umgebaut. Die separaten Brücken für Kraftfahrzeuge wurden zeitgleich zurückgebaut.[1] Fährbett I wurde 1984 von der DR nochmals erweitert. Am 27. Mai 1989 wurde die Hafenbahn elektrifiziert.[8]

Blick von der Fußgängerbrücke über das ehemalige Bahnhofsareal

Nach der Wende ging der Trajektverkehr im benachbarten neu erbauten Fährhafen Mukran erheblich zurück. Durch die nun frei gewordenen Kapazitäten konnte der Betrieb der Königslinie dorthin verlagert werden. In den Jahren 1996 und 1997 wurden mit einem Aufwand von 175 Millionen DM die dafür erforderlichen Maßnahmen umgesetzt. Am 7. Januar 1998 um 07:15 Uhr setzte mit dem Fährschiff Trelleborg die letzte Fähre am alten Fährbahnhof an.[3] Sechs Stunden darauf wurde die Sassnitz als erstes Schiff im nun als Fährhafen Sassnitz bezeichneten Hafen empfangen.[9] Im gleichen Jahr wurde das Hafengelände einschließlich in die Denkmalliste des Landkreises Rügen aufgenommen.[1]

Die Stadt beabsichtige nach Einstellung des Fährbetriebs das Gelände vor allem touristisch zu nutzen. Der Glasbahnhof diente bereits seit 1996 als Sassnitzer Fischerei- und Hafenmuseum.[10] Im Jahr 2000 wurden jedoch die Gleisanlagen, der Grenzturm als auch die Autobrücke ohne Genehmigung zurückgebaut.[1] Der Landkreis sah von einer Verfolgung als Ordnungswidrigkeit ab, da die übrigen Anlagen erhalten blieben.[1] Der Denkmallisteneintrag wurde später entsprechend abgeändert. Anstelle der Autobrücke überspannt seit 2007 an annähernd gleicher Stelle eine Fußgängerbrücke nun das ehemalige Bahnhofsgelände. Mit Ausnahme des Glasbahnhofs sind weite Teile der Anlage nach wie vor ungenutzt.

Verkehr

Trajektierte Güter[11]
Jahr Umschlag
(in 1000 t)
1910 73
1913 134
1939 342
1949 120
1958 580
1959 700
1969 1849
1976 3200
1988 4800
1996 2500

Der Hafenbahnhof war vor allem für den Güterfährverkehr von Bedeutung, lokaler Güterverkehr fand vorwiegend zum Fischwerk statt. Im Personenverkehr diente Sassnitz Hafen ausschließlich zum Übersetzen vom Festland auf die Fähren und umgekehrt sowie als Grenzbahnhof mit Pass- und Zollkontrolle. Nahverkehrszüge bedienten den Bahnhof daher nicht und endeten stets in Sassnitz.

Der Güterumschlag entwickelte sich bis zu Zweiten Weltkrieg überwiegend positiv, spätestens 1944 kam er durch die Sperrung der schwedischen Häfen zum Erliegen. Im Laufe der 1950er Jahre wurde das Vorkriegsniveau bereits wieder erreicht. Mit dem Einsatz der vier- und später fünfgleisigen Fähren waren die Voraussetzungen für den Einsatz der TEEM-Güterzüge ab 1961 geschaffen. Die Zahlen stiegen bis zur Wende weiter an und erreichten unmittelbar vor der Wiedervereinigung ihre höchsten Werte mit knapp fünf Millionen Tonnen trajektierter Güter, die benachbarte Fährverbindung Mukran–Klaipėda erreichte zu dieser Zeit eine Leistung von fünfeinhalb Millionen Tonnen.[12]

Im Personenverkehr stand zunächst die Verbindung der deutschen Hauptstadt Berlin mit der schwedischen Hauptstadt Stockholm im Vordergrund. Mit Aufnahme des Postdampferverkehrs am 1. Mai 1897 betrug die Reisezeit zwischen beiden Städten 25 Stunden.[13] Der Einsatz von Trajekten auf der Königslinie verkürzte die Reisezeit zwischen beiden Städten um etwa fünf Stunden gegenüber den Postschiffen von 1897.[6] Bis zum Zweiten Weltkrieg kamen Verbindungen über Rostock nach Hamburg auf deutscher Seite sowie über Göteborg nach Oslo auf skandinavischer Seite hinzu.[14]

Literatur

  • Dieter Grusenick, Erich Morlok, Horst Regling: Die Angermünde-Stralsunder Eisenbahn einschließlich Nebenstrecken. transpress, Stuttgart 1999, ISBN 3-613-71095-1.

Einzelnachweise

  1. a b c d e f Annette Krug: Denkmal des Monats Januar 2011. Der Sassnitzer Stadthafen. Landesamt für Kultur und Denkmalpflege, abgerufen am 30. Oktober 2011.
  2. Hans-Joachim Kirsche, Hans Müller: Eisenbahnatlas DDR. Tourist Verlag, Berlin/Leipzig 1987, ISBN 3-350-00293-5, S. 105.
  3. a b c Grusenick, Morlok, Regling: Die Angermünde-Stralsunder Eisenbahn einschließlich Nebenstrecken. 1999, S. 137.
  4. a b Grusenick, Morlok, Regling: Die Angermünde-Stralsunder Eisenbahn einschließlich Nebenstrecken. 1999, S. 133.
  5. Grusenick, Morlok, Regling: Die Angermünde-Stralsunder Eisenbahn einschließlich Nebenstrecken. 1999, S. 134.
  6. a b c Grusenick, Morlok, Regling: Die Angermünde-Stralsunder Eisenbahn einschließlich Nebenstrecken. 1999, S. 135.
  7. Grusenick, Morlok, Regling: Die Angermünde-Stralsunder Eisenbahn einschließlich Nebenstrecken. 1999, S. 136.
  8. Grusenick, Morlok, Regling: Die Angermünde-Stralsunder Eisenbahn einschließlich Nebenstrecken. 1999, S. 125.
  9. Grusenick, Morlok, Regling: Die Angermünde-Stralsunder Eisenbahn einschließlich Nebenstrecken. 1999, S. 141.
  10. Sassnitz: „Glasbahnhof“ vor neuer Zukunf. In: Ostsee Anzeiger – Der Rügener. 14. Oktober 2009 (Online-Artikel, abgerufen am 4. November 2011).
  11. Grusenick, Morlok, Regling: Die Angermünde-Stralsunder Eisenbahn einschließlich Nebenstrecken. 1999, S. 101, 133ff.
  12. Grusenick, Morlok, Regling: Die Angermünde-Stralsunder Eisenbahn einschließlich Nebenstrecken. 1999, S. 140.
  13. Grusenick, Morlok, Regling: Die Angermünde-Stralsunder Eisenbahn einschließlich Nebenstrecken. 1999, S. 95f.
  14. Deutsches Kursbuch Sommer 1939.

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