Patriziat (Alte Eidgenossenschaft)

Patriziat (Alte Eidgenossenschaft)
Der Berner Patrizier Franz Rudolf Frisching in der Uniform eines Obersten der Berner Jäger mit seinem Berner Laufhund, gemalt von Jean Preudhomme, 1785

Als Patrizier wurden in der Alten Eidgenossenschaft die Familien bezeichnet, die im Ancien Régime in mehreren Stadtkantonen (explizit in Bern, Freiburg, Luzern, Genf, Solothurn und Zürich) die politische Macht monopolisierten.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Die im 13. bis 15. Jahrhundert emanzipierten freien Reichsstädte wurden anfangs relativ demokratisch von ihren Bürgern und Zünften verwaltet. In mehreren Städten wurden die politischen Ämter jedoch bald auf eine Gruppe von reichen und alteingesessen Familien begrenzt. Diese mittelalterliche Oberschicht setzte sich zusammen aus Notabeln und zuweilen stadtsässigem Adel und stellte die Mitglieder einer Versammlung von 100 bis 200 Personen, aus deren Mitte die Regierung gebildet wurde. Ergebnis war eine Aristokratie, in der die Mehrzahl der Einwohner kaum politischen Einfluss hatte. Mit der Annäherung der bürgerlichen Notabeln an die Lebensweise des Adels und der zunehmenden Abschottung gegenüber Aufsteigern bildete sich in den Städten der frühen Neuzeit das Patriziat, ein Begriff, der in der Renaissance eingeführt wurde.

Formell verlor die Oberschicht der „Gnädigen Herren“ in den Städten der Schweiz seine Macht vorübergehend mit der Helvetischen Republik und definitiv mit den liberalen Revolutionen in den 1830er und 1840er Jahren, (Regeneration 1831 und Sonderbundskrieg 1847). Die ehemaligen Patrizierfamilien spielten aber noch bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts eine wichtige Rolle in der Schweiz, insbesondere in den Städten, und konnten ihren Einfluss in der Schweizer Politik und Wirtschaft über lange Zeit erhalten.

Es gab noch bis zur zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts Personen, die als Patrizier bezeichnet wurden, zum Beispiel Elisabeth de Meuron aus Bern und Gonzague de Reynold aus Freiburg.

Adelstitel wurden in der Schweiz nur aufgrund der ständischen Tradition von auswärtigen Herrschern oder dem städtischen Patriziat getragen. Die alten Patrizierfamilien behielten in einigen Kantonen auch nach 1848 ihren Zusatz „von“. Es ist in der Schweiz nicht einfach, alten Adel (von Erlach, von Bonstetten), neuzeitliches Patriziat (von Graffenried, von Wattenwyl) und Herkunftsnamen (von Gunten, von Siebenthal) zu unterscheiden. Als Synonym zu „von“ wird in der Westschweiz „de“ verwendet, wie de Reyff, de Watteville etc.

Zürich

Bonstetten (Zürcher Linie † 1606) • Brun • Bürkli • Escher vom Glas • Escher vom Luchs • Hirzel • KilchspergerLandenbergManesse († 1. Hälfte 15. Jh.) • Meiss • Meyer von Knonau • Mülnervon Orelli

Winterthur

Goldschmid • Graf • Hafner • Hegner • Hettlinger • Kaufmann • Meier • Steiner • Sulzer (1408) • Winman (vor 1400) • Ziegler

Bern

Hauptartikel: Patriziat (Bern)

Luzern

Im Jahre 1332 trat Luzern der Schweizerischen Eidgenossenschaft bei. Die führenden Familien der Stadt Luzern, von Rudolf von Habsburg einst für ritterliche Dienste als würdig erklärt, übernahmen die Positionen, die früher von den Habsburgern und deren Ministerialien besetzt waren. In der Zeit nach der Schlacht bei Sempach wurden die Anforderungen für den Zugang zum Kreis der Gnädigen Herren und Oberen zunehmend erschwert. So in den Jahren 1571, 1588 und 1648, bis schliesslich im Jahr 1773 das Fundamentalgesetz den endgültige Kreis der regierenden Familien bestimmte. Von allen Städten der Schweiz besass Luzern das konzentrierteste Patriziat, da dieses sich nur auf wenige Familien beschränkte. Ihre Glieder hatten den Anspruch auf den in Luzern gebräuchlichen Titel Junker und auf die neunzackige Krone, meist eine Laubkrone, die typisch war für die vier aristokratisch regierten Stadtrepubliken der Schweiz. Im 18. Jahrhundert hatten sie das Recht, im Ausland als Glieder eines regierenden Hauses aufzutreten. Viele bekleideten im Ausland hohe militärische Ränge oder hatten wichtige diplomatische Funktionen inne, vor allem in Frankreich, Spanien und Italien. Einige Familien wurden zwischen 1442 und 1858 mit teils mehreren Adelsdiplomen ausgestattet, so die am Rhyn, Göldlin v. Tiefenau, Mayr v. Baldegg, Pfyffer v. Altishofen, Schumacher, Schwytzer v. Buonas, Segesser v. Brunegg und von Sonnenberg. Sie alle haben ihre Stellung vorwiegend als Akademiker im beruflichen und gesellschaftlichen Leben bis heute bewahrt.

Die Jahreszahlen in der folgenden Liste bedeuten der Reihe nach: Erste Erwähnung, Eintritt in die Regierung, ausgestorben (†)

1. an der Allmend, 1495, 1606,† 1829; 2. Balthasar (von), 1531, 1598; 3. Bircher, 1500, 1525, † 1791; 4. Cysat, 1538, 1659, † 1802; 5. Dulliker, 1522, 1564, † 1820; 6. Dürler, 1570, 1633,† 1847; 7. Entlin, 1522, 1640, † 1822; 8. Feer, 1372, 1433, † 1794; 9. von Fleckenstein, 1462, 1516, † 1833; 10. zur Gilgen, 1428, 1475; 11. Göldlin v. Tiefenau, 1387, 1655; 12. Haas, 1373, 1423, † 1796; 13. Hartmann (von), 1424, 1671; 14. von Hertenstein, 1213, 1413, † 1853; 15. Keller von Kellern, 1584, 1677, † 1865; 16. Krus, 1483,1565, † 1805; 17. Mayr v. Baldegg, 1452, 1517; 18. Meyer v. Schauensee, 1468, 1581; 19. Mohr, 1436, 1521, † 1913; 20. Peyer im Hof, 1300, 1730, † 1842; 21. Pfyffer v. Altishofen, 1322, 1509; 22. am Rhyn, 1518, 1564, 23. Rüttimann (von), 1565, 1774, † 1873; 24. Schnyder v. Wartensee, 1350, 1715; 26. Schumacher (von), 1431, 1568; 27. Schwytzer v. Buonas, 1527, 1633; 28. Segesser v. Brunegg, 1241, 1564; 29. von Sonnenberg, 1357, 1480.

Weitere Familien sind: Helmlin †; Holdermeyer †; Krebsinger †; von Moos; Ritzi

Uri

Müller • Schmid

Schwyz

Ab Yberg • Büeler • Reding • Weber

Unterwalden

Achermann ab Ennerberg • Leuw • Lussi • Trachsler (Traxler)

Zug

Zurlauben

Glarus

Freiburg

d'Alt • de Affry • Amport • de Boccard • de Bertigny • de Buman • de Diesbach • de Duens / de Duding [du Dyn] • von Englisberg • Faucigny • de Fegely / Féguely • von Forel • Gambach • de Gottrau • von Kessler • de Lanthen • Lombard • von Maggenberg († 1370) • von Montenach • Mossu • Praroman • de Raemy • de Reynold • de Reyff • de Rich • Rudellad • de Saydor /von Seedorf • Techtermann • de Tiefenthal • de Weck • von der Weid

Solothurn

Aregger (von Wildensteg) • Grimm (von Wartenfels) • vom Staal • von Sury • von Vigier (de Vigier, Vigier von Steinbrugg) • von Roll • Besenval • von Glutz (Glutz-Blotzheim) • Wallier • Voitel

Basel-Stadt

Hauptartikel: Daig

VischerSarasinBernoulliBurckhardtMerian • Iselin • Liechtenhan

Basel-Land

Kanton Schaffhausen

Cron • von Fulach • von Mandach • von Meyenburg • Peyer (im Hof) • Peyer (mit den Wecken) • von Stokar • im Thurnvon Waldkirch • Ziegler

Appenzell Innerrhoden

Geiger • Sutter

Appenzell Ausserrhoden

Zellweger

St. Gallen

Hunger

Graubünden

Bavier • Beeli • Brügger • Buol • Capol/Capaul • Castelberg • Enderlin • Florin • Gugelberg • Guler • Jecklin • Jenatsch • Jochberg • Juvalta • Latour • à Marca • Mont/Demont • Planta • Raschèr • Ruinelli • Salis • Scarpatetti • Schauenstein • Schmid • Schorsch • Sprecher • Travers • Tscharner

Aargau

Aarau

Feer • Meyer • Rothpletz

Lenzburg

Hünerwadel • Spengler

Zofingen

Ringier • Senn • Thut

Thurgau

von Spiegelberg, von Streng

Tessin

Waadt

Wallis

de Courten, Supersaxo

Neuenburg

de Bellevaux • de Chambrier • de Meuron • Du Paquier • de Pury

Genf

Necker

Jura

Siehe auch

Literatur

  • Roland Gerber: Münzer contra Bubenberg. Verwandtschaften und Faktionen im Berner Rat zu Beginn des 14. Jahrhunderts. In: Berner Zeitschrift für Geschichte und Heimatkunde. Heft 4/2006, 68. Jahrgang, Bern 2006, ISSN 0005-9420, S. 179 bis 234 (http://www.bzgh.ch/4_06/gerber.pdf, abgerufen am 12. Januar 2010).
  • Manuel Kehrli: Patriziat, Briefadel und Titulaturen, in: Berns goldene Zeit. Das 18. Jahrhundert neu entdeckt, Bern 2008, S. 209.
  • Nadir Weber: Auf dem Weg zur Adelsrepublik. Die Titulaturenfrage im Bern des 18. Jahrhunderts. In: Berner Zeitschrift für Geschichte und Heimatkunde. Heft 1/2008, 70. Jahrgang, Bern 2008, ISSN 0005-9420, S. 3 bis 34 (Bachelor-Arbeit Juni 2007, Historisches Institut der Universität Bern, http://www.bzgh.ch/1_08/weber.pdf, abgerufen am 12. Januar 2010).

Einzelnachweise


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