- Patriziat (Alte Eidgenossenschaft)
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Als Patrizier wurden in der Alten Eidgenossenschaft die Familien bezeichnet, die im Ancien Régime in mehreren Stadtkantonen (explizit in Bern, Freiburg, Luzern, Genf, Solothurn und Zürich) die politische Macht monopolisierten.
Geschichte
Die im 13. bis 15. Jahrhundert emanzipierten freien Reichsstädte wurden anfangs relativ demokratisch von ihren Bürgern und Zünften verwaltet. In mehreren Städten wurden die politischen Ämter jedoch bald auf eine Gruppe von reichen und alteingesessen Familien begrenzt. Diese mittelalterliche Oberschicht setzte sich zusammen aus Notabeln und zuweilen stadtsässigem Adel und stellte die Mitglieder einer Versammlung von 100 bis 200 Personen, aus deren Mitte die Regierung gebildet wurde. Ergebnis war eine Aristokratie, in der die Mehrzahl der Einwohner kaum politischen Einfluss hatte. Mit der Annäherung der bürgerlichen Notabeln an die Lebensweise des Adels und der zunehmenden Abschottung gegenüber Aufsteigern bildete sich in den Städten der frühen Neuzeit das Patriziat, ein Begriff, der in der Renaissance eingeführt wurde.
Formell verlor die Oberschicht der „Gnädigen Herren“ in den Städten der Schweiz seine Macht vorübergehend mit der Helvetischen Republik und definitiv mit den liberalen Revolutionen in den 1830er und 1840er Jahren, (Regeneration 1831 und Sonderbundskrieg 1847). Die ehemaligen Patrizierfamilien spielten aber noch bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts eine wichtige Rolle in der Schweiz, insbesondere in den Städten, und konnten ihren Einfluss in der Schweizer Politik und Wirtschaft über lange Zeit erhalten.
Es gab noch bis zur zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts Personen, die als Patrizier bezeichnet wurden, zum Beispiel Elisabeth de Meuron aus Bern und Gonzague de Reynold aus Freiburg.
Adelstitel wurden in der Schweiz nur aufgrund der ständischen Tradition von auswärtigen Herrschern oder dem städtischen Patriziat getragen. Die alten Patrizierfamilien behielten in einigen Kantonen auch nach 1848 ihren Zusatz „von“. Es ist in der Schweiz nicht einfach, alten Adel (von Erlach, von Bonstetten), neuzeitliches Patriziat (von Graffenried, von Wattenwyl) und Herkunftsnamen (von Gunten, von Siebenthal) zu unterscheiden. Als Synonym zu „von“ wird in der Westschweiz „de“ verwendet, wie de Reyff, de Watteville etc.
Zürich
Bonstetten (Zürcher Linie † 1606) • Brun • Bürkli • Escher vom Glas • Escher vom Luchs • Hirzel • Kilchsperger • Landenberg • Manesse († 1. Hälfte 15. Jh.) • Meiss • Meyer von Knonau • Mülner • von Orelli
Winterthur
Goldschmid • Graf • Hafner • Hegner • Hettlinger • Kaufmann • Meier • Steiner • Sulzer (1408) • Winman (vor 1400) • Ziegler
Bern
Luzern
Im Jahre 1332 trat Luzern der Schweizerischen Eidgenossenschaft bei. Die führenden Familien der Stadt Luzern, von Rudolf von Habsburg einst für ritterliche Dienste als würdig erklärt, übernahmen die Positionen, die früher von den Habsburgern und deren Ministerialien besetzt waren. In der Zeit nach der Schlacht bei Sempach wurden die Anforderungen für den Zugang zum Kreis der Gnädigen Herren und Oberen zunehmend erschwert. So in den Jahren 1571, 1588 und 1648, bis schliesslich im Jahr 1773 das Fundamentalgesetz den endgültige Kreis der regierenden Familien bestimmte. Von allen Städten der Schweiz besass Luzern das konzentrierteste Patriziat, da dieses sich nur auf wenige Familien beschränkte. Ihre Glieder hatten den Anspruch auf den in Luzern gebräuchlichen Titel Junker und auf die neunzackige Krone, meist eine Laubkrone, die typisch war für die vier aristokratisch regierten Stadtrepubliken der Schweiz. Im 18. Jahrhundert hatten sie das Recht, im Ausland als Glieder eines regierenden Hauses aufzutreten. Viele bekleideten im Ausland hohe militärische Ränge oder hatten wichtige diplomatische Funktionen inne, vor allem in Frankreich, Spanien und Italien. Einige Familien wurden zwischen 1442 und 1858 mit teils mehreren Adelsdiplomen ausgestattet, so die am Rhyn, Göldlin v. Tiefenau, Mayr v. Baldegg, Pfyffer v. Altishofen, Schumacher, Schwytzer v. Buonas, Segesser v. Brunegg und von Sonnenberg. Sie alle haben ihre Stellung vorwiegend als Akademiker im beruflichen und gesellschaftlichen Leben bis heute bewahrt.
Die Jahreszahlen in der folgenden Liste bedeuten der Reihe nach: Erste Erwähnung, Eintritt in die Regierung, ausgestorben (†)
1. an der Allmend, 1495, 1606,† 1829; 2. Balthasar (von), 1531, 1598; 3. Bircher, 1500, 1525, † 1791; 4. Cysat, 1538, 1659, † 1802; 5. Dulliker, 1522, 1564, † 1820; 6. Dürler, 1570, 1633,† 1847; 7. Entlin, 1522, 1640, † 1822; 8. Feer, 1372, 1433, † 1794; 9. von Fleckenstein, 1462, 1516, † 1833; 10. zur Gilgen, 1428, 1475; 11. Göldlin v. Tiefenau, 1387, 1655; 12. Haas, 1373, 1423, † 1796; 13. Hartmann (von), 1424, 1671; 14. von Hertenstein, 1213, 1413, † 1853; 15. Keller von Kellern, 1584, 1677, † 1865; 16. Krus, 1483,1565, † 1805; 17. Mayr v. Baldegg, 1452, 1517; 18. Meyer v. Schauensee, 1468, 1581; 19. Mohr, 1436, 1521, † 1913; 20. Peyer im Hof, 1300, 1730, † 1842; 21. Pfyffer v. Altishofen, 1322, 1509; 22. am Rhyn, 1518, 1564, 23. Rüttimann (von), 1565, 1774, † 1873; 24. Schnyder v. Wartensee, 1350, 1715; 26. Schumacher (von), 1431, 1568; 27. Schwytzer v. Buonas, 1527, 1633; 28. Segesser v. Brunegg, 1241, 1564; 29. von Sonnenberg, 1357, 1480.
Weitere Familien sind: Helmlin †; Holdermeyer †; Krebsinger †; von Moos; Ritzi
Uri
Müller • Schmid
Schwyz
Ab Yberg • Büeler • Reding • Weber
Unterwalden
Achermann ab Ennerberg • Leuw • Lussi • Trachsler (Traxler)
Zug
Glarus
Freiburg
d'Alt • de Affry • Amport • de Boccard • de Bertigny • de Buman • de Diesbach • de Duens / de Duding [du Dyn] • von Englisberg • Faucigny • de Fegely / Féguely • von Forel • Gambach • de Gottrau • von Kessler • de Lanthen • Lombard • von Maggenberg († 1370) • von Montenach • Mossu • Praroman • de Raemy • de Reynold • de Reyff • de Rich • Rudellad • de Saydor /von Seedorf • Techtermann • de Tiefenthal • de Weck • von der Weid
Solothurn
Aregger (von Wildensteg) • Grimm (von Wartenfels) • vom Staal • von Sury • von Vigier (de Vigier, Vigier von Steinbrugg) • von Roll • Besenval • von Glutz (Glutz-Blotzheim) • Wallier • Voitel
Basel-Stadt
Vischer • Sarasin • Bernoulli • Burckhardt • Merian • Iselin • Liechtenhan
Basel-Land
Kanton Schaffhausen
Cron • von Fulach • von Mandach • von Meyenburg • Peyer (im Hof) • Peyer (mit den Wecken) • von Stokar • im Thurn • von Waldkirch • Ziegler
Appenzell Innerrhoden
Geiger • Sutter
Appenzell Ausserrhoden
St. Gallen
Hunger
Graubünden
Bavier • Beeli • Brügger • Buol • Capol/Capaul • Castelberg • Enderlin • Florin • Gugelberg • Guler • Jecklin • Jenatsch • Jochberg • Juvalta • Latour • à Marca • Mont/Demont • Planta • Raschèr • Ruinelli • Salis • Scarpatetti • Schauenstein • Schmid • Schorsch • Sprecher • Travers • Tscharner
Aargau
Aarau
Feer • Meyer • Rothpletz
Lenzburg
Hünerwadel • Spengler
Zofingen
Ringier • Senn • Thut
Thurgau
von Spiegelberg, von Streng
Tessin
Waadt
Wallis
de Courten, Supersaxo
Neuenburg
de Bellevaux • de Chambrier • de Meuron • Du Paquier • de Pury
Genf
Necker
Jura
Siehe auch
- Patrizier
- Geschichte des Kantons Bern
- Burgergemeinde Bern
- Kategorie: Burgerliches Geschlecht (Bern)
- Geschichte der Stadt Zürich
- Hans Conrad Escher von der Linth
- Daig
- Kategorie:Schweizer Adelsgeschlecht
Literatur
- Roland Gerber: Münzer contra Bubenberg. Verwandtschaften und Faktionen im Berner Rat zu Beginn des 14. Jahrhunderts. In: Berner Zeitschrift für Geschichte und Heimatkunde. Heft 4/2006, 68. Jahrgang, Bern 2006, ISSN 0005-9420, S. 179 bis 234 (http://www.bzgh.ch/4_06/gerber.pdf, abgerufen am 12. Januar 2010).
- Manuel Kehrli: Patriziat, Briefadel und Titulaturen, in: Berns goldene Zeit. Das 18. Jahrhundert neu entdeckt, Bern 2008, S. 209.
- Nadir Weber: Auf dem Weg zur Adelsrepublik. Die Titulaturenfrage im Bern des 18. Jahrhunderts. In: Berner Zeitschrift für Geschichte und Heimatkunde. Heft 1/2008, 70. Jahrgang, Bern 2008, ISSN 0005-9420, S. 3 bis 34 (Bachelor-Arbeit Juni 2007, Historisches Institut der Universität Bern, http://www.bzgh.ch/1_08/weber.pdf, abgerufen am 12. Januar 2010).
Einzelnachweise
Kategorien:- Geschichte der Schweiz in der Frühen Neuzeit
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- Geschichte (Kanton Freiburg)
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- Geschichte (Genf)
- Geschichte (Kanton Solothurn)
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- Bürgertum
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