Karl Maria Kaufmann

Karl Maria Kaufmann

Karl (Carl) Maria Kaufmann (* 2. März 1872 in Frankfurt am Main; † 6. Februar 1951 in Ranstadt) war ein deutscher christlicher Archäologe, der zunächst der Zentrumspartei nahestand, sich aber später dem Nationalsozialismus öffnete. Kaufmann publizierte auch unter dem Pseudonym Marchese di San Callisto. Neben seiner wissenschaftlichen Tätigkeit trat er als Schriftsteller und Autor von historischen Romanen hervor.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Kaufmann, Sohn eines vom Protestantismus zum Katholizismus konvertierten Devotionalienhändlers und Mitbegründers der Frankfurter Zentrumspartei, [1] besuchte in seiner Schulzeit unter anderem vom achten bis elften Lebensjahr als Internatsschüler das Rockwell College bei Cashel in der irischen Grafschaft Tipperary.[2] Schon in seiner Jugend war er an archäologischen Grabungen interessiert. Nach Schulabschluss studierte Kaufmann zunächst in Berlin, dann in Fribourg/Schweiz und anschließend am Campo Santo Teutonico in Rom, wo er von 1894 bis 1902 neben Theologie Christliche Archäologie bei Anton de Waal und Grazio Marucci belegte. 1899 wurde er zum Priester geweiht.

Nach Abschluss seiner Studien, verschiedenen archäologischen Untersuchungen in Rom und der Promotion führte Kaufmann seit 1905 mehrere eigenständige Forschungsreisen durch, wobei die Wiederentdeckung des Wallfahrtsorts des frühchristlichen Martyrers Menas (Abu Mena) in der libyschen Wüste im Jahre 1905 ein erster Höhepunkt seiner Laufbahn wurde. Kaufmann, der dort bis 1908 die Grabungen leitete, unternahm von 1911 bis 1912 eine weitere Forschungsreise nach Kleinasien, Syrien, Ägypten und in den Sudan. Im Gebiet des Fayum gelang ihm die Bergung von etwa tausend Ostraka in griechischer, demotischer, koptischer und arabischer Sprache. Über seine Forschungsergebnisse berichtete er in verschiedenen Publikationen. 1911 wurde er aufgrund seiner Forschungen von der Universität Münster zum Ehrendoktor ernannt.[3]

Da Kaufmanns Forschungsreisen größtenteils von der Stadt Frankfurt am Main finanziert worden waren, vermachte er erstmals 1905 eine Sammlung von Artefakten aus der Menas-Grabung dem Frankfurter Liebieghaus, darunter etwa 1200 Terrakotten. Während seines zweiten Ägyptenaufenthalts hatte er im Fayum weitere 800 Terrakotten von Zwischenhändlern und Raubgräbern erworben, die er ebenfalls dem Liebieghaus zur Verfügung stellte.[4]

Kaufmann, der innerhalb der katholischen Kirche bereits den Ehrentitel eines Monsignore führte,[5] ließ sich laisieren, heiratete nach eigenen Angaben „in vorgerückten Jahren“ und hatte in dieser „vita nova“ u. a. eine Tochter namens Annemarie. [6] 1919 wurde Kaufmann zum Professor für christliche Archäologie berufen und lehrte seitdem an der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main.

Verhältnis zum Nationalsozialismus

Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten erwies sich Kaufmann als Anhänger des NS-Staates. Nach Helmut Heibers Beschreibung war Kaufmann ein „Orientalist“ und „ehemaliger Priester“, der mit dem Hitler-Verehrer „ Abt Schachleitner“ (sic!) befreundet war.[7] Von der NSDAP wurde Kaufmann 1937 als „echter und begeisterter Nationalsozialist“ beurteilt. Er war eine der Personen, die 1937 in Frankfurt am Main am NS-Projekt zur „Beseitigung des jüdischen Einflusses“ beteiligt waren.[7]

1934 wollte Kaufmann in Heddernheim ein vom Ortsgruppenleiter der Heddernheimer NSDAP angeregtes germanisches Ahnenerbemuseum mit den Abteilungen Geologie, Germanische Vorzeit, Germanische Zeit und Heimatkunde realisieren und beschrieb das Projekt in einer Denkschrift. Letztendlich wurde das Projekt vom städtischen Kulturamt „aus sittlichen Gründen“ zurückgewiesen: „... in Heddernheim stand die römische Zwingburg unserer Heimat, gerichtet gegen die Germanen“.[8]

Kaufmann textete in der NS-Zeit verschiedene Lieder und Hymnen für die HJ und die Nationalsozialisten,[7] darunter 1933 die Kantate Gebet der Jugend (Schon will ein goldner Morgen prangen), die von Hermann Zilcher vertont und im November 1935 unter Zilchers Leitung im Rahmen eines Rundfunkkonzerts uraufgeführt wurde. [9] In der Presse wurde das Werk folgendermaßen angekündigt: „Das Gedicht dieses kleinen Chorwerkes ist eine Huldigung an Führer und Reich. 1933 entstanden, führt der Dichter K. M. Kaufmann die Jugend in der erwachsenden Natur zum innigen Gebet … “ [10] Diese NS-Kantate, in der die Jugend Hitler „hier unterm Hakenkreuz die Herzen, unsre Seelen weih'n“ sollte, [11] endete laut Programmankündigung mit einem „jubelnden Sieg Heil auf den Führer.“ [10]

Wissenschaftliche Bücher Kaufmanns aus der NS-Zeit sind nicht bekannt.

Nachkriegszeit

Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs lebte Kaufmann in Ranstadt. Dort schrieb er sein letztes Werk Allah ist groß!, einen autobiographischen Rückblick, in dem er hauptsächlich auf die Zeit vor dem Ersten Weltkrieg und auf seine Erlebnisse mit Einheimischen, Gästen und Händlern während seiner Forschungsreisen und Grabungskampagnen einging. Dieses Buch erschien im Jahr vor seinem Tod im Verlag Herder. Rückblickend sprach er von „erzwungener Gefolgschaft“ in der NS-Zeit: „Wen das Leben tüchtig herumwarf, der bleibt in der Regel auf Kursänderungen mancher Art gefaßt, auch auf geistigem Gebiet, zu schweigen von elementaren Eingriffen oder gar dem Irrwahn eines Ringens, wie wir es blutig und grausam, Millionen vernichtend, Millionen entwurzelnd, erleben mußten, und unter dem nun die halbe Menschheit leidet. Gar mancher gute Deutsche erfuhr da in erzwungener Gefolgschaft seine Odyssee, weit umhergeschlagen, viel erleidend im homerischen Sinn der Worte.“ [12]

Kaufmann gilt heutzutage zusammen mit Adolf Furtwängler als „Sammler-Archäologe“. Beiden ist seit 2008 eine Dauerausstellung im Obergeschoss des Frankfurter Liebieghauses gewidmet.[13] [14]

Schriften (Auswahl)

Wissenschaftliche Publikationen

  • 1897 Die Jenseitshoffnungen der Griechen und Römer
  • 1898 Die Legenden der Aberkiosstele
  • 1898 Die Fortschritte der monumentalen Theologie
  • 1899 Die sepulkralen Jenseitsdenkmäler der Antike und des Urchristentums
  • 1900 Katakombenbuch
  • 1901 Das Kaisergrab in den vatikanischen Grotten
  • 1901 Sant Elia. Erinnerungen an eine archäologische Streife in Etrurien
  • 1901 La pege du temple d’ Hierakonpolis
  • 1902 Ein altchristliches Pompeji in der libyschen Wüste
  • 1905 Handbuch der christlichen Archäologie. Einführung in die Denkmälerwelt und Kunst des Urchristentums
  • 1908 Die Ausgrabungen der Menasheiligtümer in der Maroetiswüste. 3 Bände (1906–1908)
  • 1908 La découverte des Sanctuaires de Ménas
  • 1908 Manuale di archeologia christiana
  • 1909 Der Menastempel und die Heiligtümer vom Karm Abu Mina in der Mariutwüste
  • 1909 Führer durch die Ausgrabungen der Kaufmannschen Expedition
  • 1910 Ikonographie der Menasampullen
  • 1910 Die Menasstadt und das Nationalheiligtum der altchristlichen Ägypter
  • 1911 Drei Jahre in der Libyschen Wüste. Reisen, Entdeckungen und Ausgrabungen der Frankfurter Menasexpedition (Kaufmannsche Expedition) von J. C. Ewald Falls. Mit einem Geleitwort von Monsignore Dr. Carl Maria Kaufmann
  • 1913 Graeco-ägyptische Koroplastik. Terrakotten d. griech.-römischen u. koptischen Epoche aus der Faijûm-Oase und andren Fundstätten
  • 1913 Ägyptische Terrakotten der griechisch-römischen und koptischen Epoche, vorzugsweise aus der Oase El Faijum (Frankfurter Sammlung)
  • 1914 Die heilige Stadt der Wüste. Unsere Entdeckungen, Grabungen und Funde in der altchristlichen Menasstadt
  • 1914 Der Frankfurter Kaiserdom, seine Denkmäler und Geschichte. Ein Führer
  • 1917 Handbuch der altchristlichen Epigraphik
  • 1922 Gebete auf Stein nach Denkmälern der Urchristenheit. Ein Wegweiser zu ungehobenen Schätzen für Suchende aller gebildeten Stände
  • 1922 Im Zauber der Wüste. Fahrten, Entdeckungen und Ausgrabungen der Kaufmannschen Expedition in der Libyschen Wüste (Menasexpedition)
  • 1924 Amerika und Urchristentum. Weltverkehrswege des Christentums nach den Reichen der Maya und Inka in vorkolumbischer Zeit
  • 1928 Ausgraber, Mumienjäger und Tote Städte

Romane

  • 1897 Der letzte Flavier. Die Braut des Letzten Flaviers, Romantrilogie
  • 1899 Das Dokument der Lady
  • 1900 Der Ring mit dem Ichthys
  • 1927 Die verlorene Stadt. Roman aus dem ägyptischen Ausgraberleben

Memoiren

  • 1950 Allah ist groß! Erlebnisse und Begegnungen eines deutschen Forschers in einer entschwindenden Welt, Herder, Freiburg 1950.[15]

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Karl Maria Kaufmann: Allah ist groß! , S. 24.
  2. Karl Maria Kaufmann: Allah ist groß! , S. 1, S. 4 und S. 8.
  3. Frühchristliche Archäologie der Universität Münster.
  4. Eva Bayer-Niemeyer: Bildwerke der Sammlung Kaufmann Band I. Griechisch-römische Terrakotten, Wissenschaftlicher Katalog Liebieghaus Frankfurt am Main, Verlag Gutenberg Melsungen 1988, ISBN 3-87280-044-2, S. 9.
  5. Menas, Saint , in: The original catholic enzyclopedia.
  6. Karl Maria Kaufmann: Allah ist groß! , S. XI, S. 91, Zitate von S. 127.
  7. a b c Helmut Heiber: Universität unterm Hakenkreuz. Teil 1. Der Professor im Dritten Reich, K. G. Saur, München, London, New York, Paris 1991, ISBN 3-598-22629-2, S. 360.
  8. Frankfurt 1933–1945. Die Ausgliederung des Museums für heimische Vor- und Frühgeschichte aus dem Historischen Museum.
  9. Fred K. Prieberg: Handbuch Deutsche Musiker 1933–1945, CD-Rom-Lexikon, Kiel 2004, S. 7984 .
  10. a b Zitat aus einer Programmvorankündigung aus RRG Presse-Mitteilungen Nr. 483 vom 1. November 1935, Blatt 45, publiziert bei Fred K. Prieberg: Handbuch Deutsche Musiker 1933–1945, CD-Rom-Lexikon, Kiel 2004, S. 7984..
  11. Zitat aus dem Text der Kantate bei Fred K. Prieberg: Handbuch Deutsche Musiker 1933–1945, CD-Rom-Lexikon, Kiel 2004, S. 7984.
  12. Zitat aus Karl Maria Kaufmann: Allah ist groß! 1950, S. 71.
  13. Artikel von Michael Zajonz im Tagesspiegel vom 14. Juli 2008.
  14. Zur Sammlung Kaufmann: Birgit Schlick-Nolte und Vera v. Droste-Hülshoff: Ägyptische Bildwerke Band I. Skarabäen, Amulette und Schmuck Liebighaus Frankfurt am Main, Wissenschaftliche Kataloge, Gutenberg Melsungen 1990, ISBN 3-87280-053-1, S. 17, sowie S. 410-433.
  15. Zusammenstellung der Publikationen laut BBKL und DNB.

Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Поможем сделать НИР

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Karl-Josef Kaufmann — Karl Josef Kaufmann, auch Karl Joseph oder Josef, (* 14. Januar 1865 in Wertheim; † 1945) war ein deutscher Archivar und Historiker. Sein Forschungsschwerpunkt war die Geschichte Danzigs und Westpreussens. Inhaltsverzeichnis 1 Leben 2… …   Deutsch Wikipedia

  • Karl Maria Wiligut — (* 10. Dezember 1866 in Wien; † 3. Januar 1946 in Arolsen, Pseudonyme: Karl Maria Weisthor, Jarl Widar)[1] war ein österreichischer Okkultist und SS Brigadeführer. Inhaltsverzeichnis 1 Leben 2 Literatur …   Deutsch Wikipedia

  • Karl Maria Demelhuber — Karl Maria Demelhuber, Rufname Karl Demelhuber (* 27. Mai 1896 in Freising; † 18. März 1988 in Seeshaupt, Bayern)[1] war ein SS Obergruppenführer und General der Waffen SS. Inhaltsverzeichnis 1 Leben 2 …   Deutsch Wikipedia

  • Kaufmann (Familienname) — Kaufmann ist ein deutscher Familienname. Bekannte Namensträger Verteilung des Nachnamens Kaufmann in Deutschland Inhaltsverzeichnis A …   Deutsch Wikipedia

  • Karl — Karl, auch in der Schreibweise Carl, ist ein männlicher Vorname. Inhaltsverzeichnis 1 Herkunft und Bedeutung 2 Namenstag 3 Popularität 4 Varianten …   Deutsch Wikipedia

  • Karl Kaufmann — ist der Name folgender Personen: Karl Kaufmann (Maler) (1843–1905), österreichischer Landschafts und Architekturmaler Karl Kaufmann (Admiral) (1893–1975), deutscher Vizeadmiral Karl Kaufmann (Gauleiter) (1900–1969), deutscher Gauleiter in Hamburg …   Deutsch Wikipedia

  • Karl Josef Friedrich — (1922), Lithografie von Ernst Müller Gräfe Karl Josef Friedrich (* 17. Juni 1888 in Dresden; † 17. Juli 1965 in Seifersdorf) war ein evangelischer Pfarrer und …   Deutsch Wikipedia

  • Maria Magdalene — Maria Magdalena ist eine Tragödie in drei Akten von Friedrich Hebbel. Das Drama entstand 1843 und gilt als das letzte deutsche bürgerliche Trauerspiel. Die Gattung wird in der Folge abgelöst durch das soziale Drama, in dem der vierte Stand zum… …   Deutsch Wikipedia

  • María Esther Herranz García — (born on 3 July 1969 in Logroño) is a Spanish politician and Member of the European Parliament with the People s Party, part of the European People s Party and sits on the European Parliament s Committee on Agriculture and Rural Development and… …   Wikipedia

  • Karl Andreä — Karl Christian Andreae Karl Christian Andreae (* 3. Februar 1823 in Mülheim (Rhein); † 23. Mai 1904 in Sinzig) war ein deutscher Maler. Leben Karl Andreae sollte ursprünglich der Familientradition entsprechend Kaufmann werden. 1833 wurde er daher …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”