Caspar Hirschi

Caspar Hirschi

Caspar Hirschi (* 16. April 1975 in Zürich) ist ein Schweizer Historiker.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Caspar Hirschi studierte Geschichte und deutsche Literatur an den Universitäten Freiburg im Üechtland und Tübingen und schloss 2001 mit dem Magister ab. Von 2001 bis 2004 war er in Freiburg als Assistent tätig und promovierte dort zum Thema „Nationalismus im Zeitalter von Humanismus und Reformation“. Im Rahmen seines Habilitationsprojekts zum Thema „The Republic of Letters. Scholarly Self-Fashioning in England and France, 1715–1775“ forscht und lehrt er zur Zeit als Fellow am Clare College der Universität Cambridge.

Hirschi ist seit 2006 freier Mitarbeiter der Frankfurter Allgemeinen Zeitung.

Ordnung und Unordnung des Wissens

In einem Aufsatz „Ordnung und Unordnung des Wissens: ‚Akademiker‘ contra ‚Wikipedianer‘, ein Streit unter alten Vorzeichen“ in der Neuen Zürcher Zeitung vom 13. Februar 2010[1] stellt er die Kritik von Vertretern der etablierten Universitäten an der Wikipedia in einen historischen Kontext, der bis in die Anfänge der Enzyklopädien der Aufklärung zurückreicht. Mit ihrem egalitären Arbeitsprinzip verstoße die Wikipedia gegen die Ordnung des Wissens, wonach öffentlicher Wahrheitsanspruch ein soziales Privileg sei, das von Bildungsinstitutionen verliehen werde. Langfristig bestehe die einzige Hoffnung der Wikipedia darin, diese Ordnung zu verändern, indem sie die akademische Elite integriere oder marginalisiere. In beiden Fällen würde diese Elite einen Reputationsverlust erleiden, und insofern könne man verstehen, dass die Wikipedia bei Akademikern Abwehrreflexe hervorrufe.

Im Streit um den Anspruch der Wikipedia als anerkanntes Referenzwerk sieht er die Neuauflage eines Machtkampfs, den sich Autoren der Académie française und Verfasser anderer, nicht mit der Aura eines Académiciens nobilitierte Autoren im 17. Jahrhundert geliefert haben. Als Vertreter eines „antiautoritären Gegen-Modells“ führt er u.a. den Dictionnaire de Trévoux an, ein von anonymen Jesuiten verfasstes Nachschlagewerk. Die Autoren des Dictionnaire griffen die Akademie mit dem Argument an, diese sei wie ein „souveräner Gerichtshof“, der das Recht habe, Urteile zu fällen, ohne Rechenschaft abzulegen, während man sie selbst als Anwälte betrachten müsse, „die nur soweit glaubwürdig sind, als sie auf gute Gründe oder sichere Zeugenaussagen gestützt sind.“

Enyclopédie von Diderot und D’Alembert, habe „Vernunftrhetorik und Machtgehabe, Kritik und Imitation der Akademie“ erfolgreich verknüpft und sich schließlich eine „neue, aufklärerische Autorität“ erkämpft. Die Vereinigung des „Unvereinbaren, einen egalitären Elitismus“ habe die Wikipedia bisher noch nicht erreicht.

Anlass von Hirschis Aufsatz war ein Artikel der Pulitzer-Preisträgerin Stacy Schiff im New Yorker, in dem sie einen Wikipedia-Autor namens „Essjay“ vorstellt, hinter dem sich – nach ihren Aussagen – ein Theologie-Professor einer amerikanischen Universität verbirgt. Die renommierte Autorin hatte nicht sauber recherchiert, das Pseudonym stand für den 24-jährigen Ryan Jordan, der sich zwar mit falschen Titeln geschmückt hatte, im Gegensatz zu der prominenten Journalistin aber alle seine Artikel sauber recherchiert und belegt hatte. Während Jordan seinen Job verlor und öffentlich an den Pranger gestellt wurde, nahm der Ruf der Journalistin erstaunlicherweise keinen Schaden. Hirschis Fazit dieses Vorfalls: „Die Ungleichbehandlung hat eine gewisse Logik, denn ein erfundener Titel ist für die westliche Wissenökonomie bedrohlicher als schlechte Forschungsarbeit: Er führt Falschgeld in den Wettbewerb um Glaubwürdigkeit ein.“

Schriften

  • Wettkampf der Nationen. Konstruktionen einer deutschen Ehrgemeinschaft an der Wende vom Mittelalter zur Neuzeit. Wallstein, Göttingen 2005, ISBN 3-89244-936-8. (Dissertation)
  • The Origins of Nationalism: An Alternative History from Ancient Rome to Early Modern Germany. Cambridge: Cambridge University Press 2011.

Aufsätze

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Caspar Hirschi: Ordnung und Unordnung des Wissens. In: NZZ. 13. Februar 2010, S. 24.

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