Gelbes Haus (Rribe)

Gelbes Haus (Rribe)

Das gelbe Haus (albanisch shtëpia e verdhë, kyrillisch жута кућа/žuta kuća) ist ein Gebäude in Rribe (Albanisch offiziell meist Rripa resp. Rripë) rund zehn Kilometer südlich von Burrel[1] in Albanien, das von den serbischen Medien als Symbol geprägt wurde für mutmaßlichen illegalen Organhandel und ein Kriegsverbrechen der paramilitärischen UÇK und albanischen Verbrecherorganisationen an überwiegend Serben sowie Roma und jugoslawientreuen Kosovo-Albanern (Kollaborateure aus Sicht der UCK) während des Kosovokriegs 1999.

Inhaltsverzeichnis

Hergang

Burrel galt schon zu kommunistischen Zeiten als ein gefürchteter Ort der in Albanien herrschenden Obrigkeit und stand für Folter, Mord und das Verschwinden von Gefangenen. Nach dem Zerfall des kommunistischen Staates Albanien entstanden organisierte Verbrechenbanden, die sich am illegalen Organhandel beteiligten. Nach Human Rights Watch wurden auch russische und andere Frauen aus dem ehemaligen Ostblock in dem Haus Opfer des illegalen Organhandels, was auf eine länger laufende Einrichtung schließen lässt.

Seit 1998 kam es zu Entführungen in der damals serbischen autonomen Region Kosovo, die der UÇK zugeschrieben wurden. Zeugenaussagen zufolge wurden gesund aussehende Entführte, überwiegend serbische Zivilisten, besser verpflegt und körperlich nicht misshandelt und letztlich aus Serbien nach Albanien in eines der dort für Gefangene der UÇK errichteten Lager (wie zum Beispiel bei Kukës) überführt, anschließend von albanischen Ärzten untersucht und bei Entsprechung der Anforderungen in das gelbe Haus gebracht. Die dort durchgeführte Organentnahme muss an lebenden Gefangenen durchgeführt worden sein, um das Risiko des vorzeitigen Absterbens der Organe minimieren zu können. Die Organe sollen dann vom Flughafen Tirana ins westliche Ausland zu zahlungskräftigen Kunden, sehr wahrscheinlich in den USA, geflogen worden sein.

Das ehemals gelbe Haus ist ein typisches großes albanisches Bauernhaus[2], das nur über Schotter und Geröll erreichbar und durch enge Serpentinen und kratertiefe Schlaglöcher zu erreichen ist und buchstäblich am Ende der Zivilisation liege.[3] Dass in dieser armen, schwer erreichbaren Region damals die Organisation, Technik, Technologie, ein perfektes Wissen und eine ebenso perfekte Logistik vorhanden waren, die für solche schwierige chirurgische Eingriffe notwendig sind, wird von vielen Beobachtern in Frage gestellt.[4]

Nachforschungen

Erste Vorwürfe

Das Haus, eine ehemalige Hausklinik, wurde nach Human Rights Watch mittlerweile weiß angestrichen, wobei Mitarbeiter des Human Rights Watch eindeutig gelbe Farbreste des früheren Anstrichs ausmachen konnten. In verschiedenen Bereichen des Gebäudes registrierten die Mitarbeiter des Human Rights Watch Spritzen, Medikamente zur Muskelerschlaffung und weiteres medizinisches Gerät.

Nach dem peruanischen Forensiker Pablo Jose Barajbar ist die bisher zusammengetragene Beweislast nicht ausreichend für eine Verurteilung, jedoch die Indizienlast, wie auch Zeugenaussagen, ausreichend für eine Anklageerhebung. Die ehemalige Chefanklägerin am Internationalen Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien, Carla del Ponte, beschreibt in ihrem Buch Die Jagd – Ich und die Kriegsverbrecher (engl.: The Hunt) ihre Untersuchungen der Vorfälle des Organschmuggels um das gelbe Haus und erhebt diesbezüglich schwere Vorwürfe gegen das Haager Tribunal, den politischen Unwillen einer Aufarbeitung und gegen die Regierungen Albaniens und des Kosovos, die nach ihrer Ansicht am lukrativen Geschäft des Organhandels beteiligt gewesen sein sollen. Es sollen bis zu 300 Serben Organe entnommen worden sein. Die Zahl der Opfer anderer Herkunft ist unbekannt. Die Leichen sollen im naheliegenden Friedhof Burrels verscharrt worden sein.

Die Einreichung eines Antrags zur Anklageerhebung wurde vom Internationaler Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien mit der Begründung der Auflösung des Tribunals im Jahr 2010 abgelehnt. Das albanische Gericht für Kriegsverbrechen lehnt eine Untersuchung aus Mangel an Beweisen ab.

Bernard Kouchner, ehemaliger Uno-Verwalter im Kosovo und französischer Außenminister, bezeichnete del Pontes Vorgehen als unseriös, da sie nicht auf ernsthaften Untersuchungen beruhten.[5]

Untersuchungsbericht von Dick Marty

In seinem Untersuchungsbericht zu Handen des Europarats bestätigte Dick Marty die Vorwürfe des Organhandels. Als Tatort für die Organentnahme nannte er aber ein zweistöckiges Haus auf einem Bauernbetrieb in der Nähe der mittelalbanischen Stadt Fushë-Kruja und nicht das Gelbe Haus in Rribe. Marty geht aber gestützt auf Zeugenaussagen davon aus, dass das Haus von der UÇK besetzt und kontrolliert worden war. Es sollen Gefangene dorthin verbracht worden sein, darunter auch Frauen und Mädchen, die dort von UÇK-Soldaten und Dorfbewohnern sexuell missbraucht wurden. Eine kleine Zahl von Gegangenen sei in Rripe getötet worden. Primär sei das Haus aber eine Zwischenstation unter anderem vor dem Transport in die Organklinik gewesen, wobei hier auch medizinische Test durchgeführt worden seien. Seine genaue Funktion und seine Bedeutung für die Gesamtoperation wurden früher vielleicht falsch verstanden, urteilt Marty schlussendlich in Bezug auf die Memoiren von Carla Del Ponte und ihren Quellen.[6][7]

Nach vorliegenden Zeugenaussagen werden die Premierminister des Kosovo, Hashim Thaci und Agim Ceku, sowie der albanische Ministerpräsident Sali Berisha beschuldigt, direkt von den Vorfällen gewusst zu haben beziehungsweise das gelbe Haus sogar persönlich aufgesucht zu haben.

Die Besitzerfamilie des Gelben Hauses verklagte im März 2011 Dick Marty vor einem Gericht in Tirana wegen Verleumdung.[8] Die Klage wurde abgewiesen.[9]

Siehe auch

Quellen

Einzelnachweise

  1. Paul Lewis: At family farm, grim claims of organ culling from captured Serb soldiers. In: The Guardian. 25. November 2008, abgerufen am 9. Oktober 2010 (englisch).
  2. Thomas Zaugg: Was geschah in Burrel? In: Das Magazin. 13. Februar 2010, abgerufen am 9. Oktober 2010.
  3. Renate Flottau: Das Haus am Ende der Welt. In: Der Spiegel. 22. September 2008, abgerufen am 9. Oktober 2010.
  4. Deutsche Presse-Agentur: Gab es Organdiebstahl in Albanien? Zweifel werden immer lauter. In: Ärztezeitung online. 29. Oktober 2008, abgerufen am 9. Oktober 2010.
  5. SDA: Bernard Kouchner sieht keine Beweise für Organhandel. In: Neue Luzerner Zeitung Online. 6. April 2011, abgerufen am 6. April 2011.
  6. Dick Marty; Europarat (Hrsg.): Inhuman treatment of people and illicit trafficking in human organs in Kosovo (Bericht zuhanden des Europarats). Doc. 12462, 7. Januar 2011 (Bericht online auf der Website des Europarats).
  7. Henry Habegger: Schock- Bericht zum Kosovo-Krieg: „Schweizer“ Mafiaboss in Organhandel verwickelt!. In: Blick. 15. Dezember 2010, S. 2 (Artikel auf Blick.ch).
  8. Klage gegen Dick Marty. In: NZZ Online. 31. März 2011, abgerufen am 31. März 2011.
  9. Albanisches Gericht lehnt Verleumdungsklage gegen Dick Marty ab. In: Die Südostschweiz. 8. Juni 2011, abgerufen am 8. Juni 2011.

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