Europakoordinierung (Deutschland)

Europakoordinierung (Deutschland)

Unter Europakoordinierung versteht man in Deutschland die Positionierung der Bundesregierung, aber auch der deutschen Länder in Bezug auf die Politik der Europäischen Union, vor allem in der Kammer der Mitgliedstaaten, dem Rat der EU. Hierzu zählt vor allem die Abstimmung zwischen den einzelnen Bundesministerien (Ressorts). Im weiteren Sinne geht es auch um die Einbindung der Europapolitik in einem innenpolitischen Kontext.

Inhaltsverzeichnis

Entwicklung der europapolitischen Koordinierung

Die Entwicklung seit den 50er Jahren

Die Europakoordinierung und ihre Strukturen waren in den 50er Jahre von dem Streit zwischen Bundeskanzler Konrad Adenauer und seinem Wirtschaftsminister Ludwig Erhard geprägt. Adenauer begrüßte den Plan zur Schaffung einer Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS) und betrachtete diese als ein Mittel, die sowjetische Gefahr abzuwehren. Da die Bundesrepublik nach dem Zweiten Weltkrieg in einer schwierigen wirtschaftlichen Lage war, war dies auch ein Mittel, das Wachstum wieder anzukurbeln. Für Adenauer war dies auch ein vitales außenpolitisches Interesse. Im Gegensatz zu Adenauer verfolgte Erhard nicht primär das Ziel der europäischen Integration, sondern den Aufbau einer sozialen Marktwirtschaft. Zunächst spielten das Auswärtige Amt und das Wirtschaftsministerium eine prominente Rolle in der Europakoordinierung. Das Auswärtige Amt verfolgte die europäische Integration und das Wirtschaftsministerium den Aufbau der sozialen Marktwirtschaft. Da jedoch die EGKS und die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft im Kern ökonomische Projekte waren, kommt dem Wirtschaftsministerium für das operative Tagesgeschäft seit jeher eine wichtige Rolle zu.

Europakoordinierung nach 1990

Mit der Einheitlichen Europäischen Akte (EEA) (1987) und mit dem Vertrag von Maastricht (1993) wurde die Koordinierung der Europapolitik immer dringender. In den 80er Jahren spielte das Wirtschaftsministerium noch eine zentrale Rolle (es organisierte die Weisungen an die Ständige Vertretung in Brüssel), aber die andere Ministerien bauten in den 90er Jahren ihre eigenen Europaabteilungen auf und versuchten eigene Kontakte in Brüssel aufzubauen sowie ihre eigene Europakompetenz zu begründen.

Grundlagen

Macht die Europäische Kommission einen Gesetzesvorschlag, so wird dieser in der Regel vom Europäischen Parlament und vom Rat im Ordentlichen Gesetzgebungsverfahren diskutiert und beschlossen. Damit Deutschland im Rat mit einer einheitlichen Stimme sprechen kann, müssen sich alle betroffenen Ministerien möglichst früh eine Meinung über den Vorschlag bilden. Dazu gibt es verschiedene Gremien, die helfen, eine gemeinsame Position zu finden. Anschließend versucht die Bundesregierung eine Verhandlungsposition zu formulieren, um im Rat verhandeln zu können.

Staatssekretärsausschuss für Europafragen

Nach dem Bundeskabinett ist der Staatssekretärsausschuss für Europafragen das oberste Koordinierungsgremium. Er wurde am 6. Februar 1963 vom Bundeskabinett eingerichtet. Erzielen die Ministerien im Vorfeld über einen Kommissionsvorschlag keine Einigung, berät der Staatssekretärsausschuss alle Vorschläge und trifft anschließend eine Entscheidung. Vorsitzender des Ausschusses ist der Staatsminister für Europa im Auswärtigen Amt. Er nimmt auch an den wöchentlichen Sitzungen des Bundeskabinetts teil. Der Ständige Vertreter der Bundesregierung bei der EU ist ebenfalls Mitglied im Staatssekretärsausschuss.

Runde der Europa-Abteilungsleiter

Dieses Gremium tagt etwa alle vier Wochen. Hier haben das Auswärtige Amt und das Wirtschaftsministerium den Vorsitz. Auch der Ständige Vertreter der Bundesregierung bei der EU nimmt an den Sitzungen teil. Hier werden die Meinungsverschiedenheiten zwischen den Ministerien festgestellt. Die auflösbaren Konflikte zwischen den Ministerien werden auf Abteilungsleiter-Ebene formuliert, um den Staatssekretärsausschuss vorzubereiten. Ziel ist auch die Nachverfolgung von Beschlüssen des Staatssekretärausschusses für Europafragen. Die Sitzungen dienen auch dazu, die deutschen Positionen zu klarifizieren und die Meinungsverschiedenheiten mit anderen EU-Mitgliedstaaten zu identifizieren.

Europabeauftragte der Ministerien

Die Europabeauftragten der Ministerien treffen sich ohne regelmäßigen Sitzungsrhythmus; den Vorsitz hat der Abteilungsleiter der Europa-Koordinierungsgruppe (EKR) inne. Die Europabeauftragten sind im Allgemeinen die Referatsleiter, die für die Koordinierung zuständig sind. Zweck ihrer Treffen sind die Klärung von Einzelfragen sowie die Beantwortung von technischen Fragen.

Europapolitische "Frühwarnung" - die EU-Koordinierungsgruppe

Die in der Europaabteilung des Auswärtigen Amts angesiedelte Europa-Koordinierungsgruppe versucht die Meinungsbildung in den EU-Institutionen sowie die Positionen in den anderen EU-Mitgliedstaaten zu identifizieren. Darauf aufbauend versucht sie, eine gemeinsame Position Deutschlands zu formulieren. Leiter der Koordinierungsgruppe ist Thomas Ossowski.[1]

EU-Beauftragte der deutschen Botschaften

Die EU-Beauftragten der deutschen Botschaften innerhalb der Europäischen Union berichten über die Positionen der Mitgliedstaaten zu europäischen Fragen. Koordiniert wird diese Arbeit durch die Europaabteilung des Auswärtigen Amtes, dessen EU-Koordinierungsgruppe (EKR) Informationen sammelt bzw. zur Verfügung stellt.

Europakoordinierung in der Bundesregierung

Allgemeines

Die Bundesministerien spielen eine sehr wichtige Rolle in der Europakoordinierung. Während das Auswärtige Amt, das Wirtschaftsministerium, das Finanzministerium und das Landwirtschaftsministerium bis in die 1960er Jahre die entscheidenden Akteure in der Europapolitik waren und in dem Staatssekretärsausschuss die Entscheidungen gemeinsam trafen, sind heute auch alle anderen Ministerium in Europapolitik tätig. Sie sind im Rat vertreten und sie können durch verschiedene Gremien in den Entscheidungsprozess bezüglich der Europapolitik eingreifen. Sie haben jedoch nicht denselben Einfluss in der deutschen Europapolitik.

Auswärtiges Amt

Das Auswärtige Amt stand anfangs im Schatten von Konrad Adenauer. Seitdem 1974 der Allgemeine Rat der Außenminister gebildet wurde, gewann das Auswärtiges Amt immer mehr Einfluss in der Deutschen Europapolitik. Mit dem Vertrag von Maastricht wurde die bisherige Europäische Politische Zusammenarbeit (EPZ) durch die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) ersetzt. Durch die teilweise Verlagerung der Außenpolitik auf die europäische Ebene verstärkte sich auch die Bedeutung der EU innerhalb des Ministeriums. Seit dem Jahr 1993 verfügt das Auswärtige Amt über eine Europaabteilung. Diese ist u.a. für Vertragsreformen und für die Erweiterungspolitik zuständig. In ihre Zuständigkeit fallen auch die bilateralen Beziehungen mit anderen Staaten sowie die Gemeinsame Außen-und Sicherheitspolitik (GASP) und die Europäische Sicherheits-und Verteidigungspolitik (ESVP). In der Bundesregierung hat das Auswärtige Amt eine Koordinierungsfunktion. Es ist verantwortlich für die Vorbereitung der Sitzungen des Europäischen Rates sowie die Vorbereitung des Rates für Allgemeine Angelegenheiten und Außenbeziehungen und der wöchentlichen Sitzung des Ausschusses der Ständigen Vertreter. Wichtig war auch die Rolle des Auswärtigen Amts bei der Vorbereitung des Vertrags von Lissabon. Um diese Vorarbeiten zu koordinieren, wurde 2009 ein "Arbeitsstab Vertrag von Lissabon" geschaffen. Das Auswärtige Amt verfügt über 10 verschiedene Referate und seit 2001 über eine EU-Koordinierungsgruppe (EKR). Die EKR spielt eine Schlüsselrolle in der Europakoordinierung. Ihr Leiter übernimmt den Vorsitz in der Runde der Europabeauftragten der Bundesministerien und bereitet die Treffen der Abteilungsleiter in den Ministerien, die für Europa zuständig sind, vor. Schließlich übermittelt die EKR Richtlinien für den Ausschuss der Ständigen Vertreter (AStV) in Brüssel und informiert das Auswärtige Amt über europapolitische Themen.

Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie

Das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie war sehr lange Zeit ein Schlüsselministerium für die deutsche Europapolitik. Bis 1998 war das Wirtschaftsministerium für die Koordinierung der Weisungen für die Sitzungen des AStV für die Weisungssitzungen der Bundesregierung und für die Ausschuss der Europabeauftragten zuständig. Es informierte die Bundesregierung über die Geschehnisse in Brüssel und konnte die Bundesregierung vor dem Europäischen Gerichtshof vertreten. Es fungierte auch als Sekretariat des Staatssekretärsauschusses für Europafragen. Schon sehr früh gab es im Bundesministerium für Wirtschaft keine klare Trennung zwischen innenpolitischen und europäischen Themen. Heute ist das Wirtschaftsministerium zuständig für Binnenmarktfragen, europäische Handels-und Mittelstandspolitik und Überwachung der Übertragung europäischer Rechtsnormen ins deutsche Recht. Die europapolitische Abteilung besteht aus vier Referaten. Der Leiter des Referats "Grundsatzfragen, Europastaatssekretäre, Parlamentsfragen, EP, Koordinierung" ist Vertreter des BMWi in den wöchentlichen Weisungssitzungen der Bundesregierung und im Ausschuss der Europabeauftragten der Bundesregierung. Er ist zugleich Europabeauftragter des BMWi.

Bundesministerium der Finanzen

Der Bundesministerium der Finanzen ist für die Strukturpolitik, die Beihilfepolitik, die Steuer und Haushaltpolitik zuständig. Mit der steigenden Bedeutung der Wirtschafts- und Währungspolitik stieg seit den 1980er Jahren auch der Einfluss des BMF. 1998 übernahm es die Zuständigkeit für den Rat der Wirtschafts-und Finanzminister (ECOFIN) und für den EU-Währungsausschuss des Bundeswirtschaftsministeriums. Von 1998 bis 2005 war das Bundesministerium der Finanzen das zweite EU-koordinierende Ministerium der Bundesregierung. Zuvor war die Europaabteilung des Bundesministeriums für Wirtschaft in das BMF überführt worden. Erst mit Ende der rot-grünen Regierung wurde die Europaabteilung wieder in die Zuständigkeit Wirtschaftsministerium gelegt. Das BMF übermittelt die offiziellen Informationen und Dokumente aus dem Generalsekretariat des Rates über die Ständige Vertretung Deutschlands in Brüssel an die verschiedenen Ressorts. Das BMF nimmt an verschiedenen Gremien teil, etwa am Ausschuss der Europaabteilungsleiter und den Weisungssitzungen der Bundesregierung, wo es wie in den anderen Koordinierungsgremien gemeinsam mit dem AA den Vorsitz hat. Bei einer Vertragsverletzung kann das BMF Deutschland vor dem Europäischen Gerichtshof vertreten. Das BMF wacht über das Europarecht und auch die Einhaltung des Subsidiaritätsprinzips. Innerhalb des BMF liegt die Hauptzuständigkeit für Europapolitik in der gleichnamigen Abteilung E.[2] Das wichtigste Organ für Europakoordinierung innerhalb des BMF ist das Referat für "Grundsatzfragen der Europapolitik, Institutionen und Verfahren".

Bundesministerium für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft

Da die Agrarpolitik auf der europäischen Ebene schon immer eine große Bedeutung hatte, spielte das Bundeslandwirtschaftministerium seit den 1960er Jahren eine wichtige Rolle. Der Einfluss des Ministeriums verstärkte sich, je mehr Politikfelder auf die europäische Ebene verlagert wurden. Die Europapolitik des Ministeriums wird durch die Unterabteilung "EU-Politik, Fischerei - Bürokratieabbau in der EU" koordiniert, die über 6 Referate verfügt. Das Europapolitische Grundsatzreferat ist für die Koordinierung der Europapolitik zuständig. Der Leiter dieses Referats ist der Europabeauftragte des Ministeriums. Wegen der großen Bedeutung der europäischen Verbraucherpolitik ist das Ministerium sehr europäisiert und es gibt kaum eine Grenze zwischen Innen- und Europapolitik. Trotzdem spielt das BMELV nur eine geringe Rolle für die Vertretung Deutschlands in Brüssel, und da die Bedeutung der Gemeinsamen Agrarpolitik zurückgeht, kann man auch einen Rückgang der Bedeutung dieses Ministeriums beobachten.

Bundesministerium des Innern

Bis in die 1980er Jahre war das Bundesministerium des Innern (BMI) nicht unmittelbar von der Europapolitik betroffen. Seit dem Vertrag von Maastricht gibt es jedoch eine europäische Zusammenarbeit in der Justiz- und Innenpolitik. Heute werden Europafragen im Bereich Polizei, Grenzschutzangelegenheiten, Aufenthalts-und Asylfragen sowie im Bereich Visaereteilung im BMI durch die Unterabteilung G "EU und Internationale Angelegenheiten" bearbeitet. Diese Unterabteilung verfügt über 4 Referate, die sich um Europafragen kümmern. Die Rechtssetzung in diesen Bereichen erfolgt durch den Rat (Justiz und Inneres) unter Beteiligung des Europäischen Parlaments. Für den Bereich der Innenpolitik treffen sich die Innenminister und der zuständige Vertreter der Europäischen Kommission ca. alle zwei Monate im Rat.

Andere Bundesministerien

Neben dem Auswärtigen Amt, dem Bundesministerium für Wirtschaft und dem Bundesministerium für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft sind auch die anderen Bundesministerien in die Europapolitik eingebunden. Allerdings geht ihre Europakoordinierung nicht soweit zurück und hat eine geringere Bedeutung als in den anderen Ministerien. Mit der Gründung der Europäischen Union 1992 wurden neue Politikbereiche auf die europäische Ebene übertragen, und auch die anderen Bundesministerien richteten Europaabteilungen ein. Heute verfügen alle Ministerien zumindest über ein EU-Referat und über einen Europabeauftragten.

Europakoordinierung in den Ländern

Allgemeines

→ siehe auch Europaministerkonferenz

Die Länder spielen eine sehr wichtige Rolle in der deutschen Politik, die durch Föderalismus ein politisches Mehrebenensystem charakterisiert ist. Genauso wie in der Innenpolitik haben die Bundesländer auf EU-Ebene das Recht gewonnen, ihre Stimme geltend zu machen und ihre eigenen Interessen zu vertreten. Nach und nach richteten die Bundesländer eigene europäische Strukturen wie Europaabteilungen, Ministerien und Referate sowie Vertretungen in Brüssel ein. Mit dem Vertrag von Lissabon wurden die nationale Parlamente und die Regionen gestärkt. Die nationalen Parlamente - in Deutschland Bundestag und Bundesrat - wachen über die Einhaltung des Subsidiaritätsprinzips und können Subsidiaritätsrügen und Subsidiaritätsklagen erheben. Zudem ist die Achtung der regionalen und kommunalen Selbstverwaltung in Art. 4 Abs. 2 EUV festgeschrieben. In der Stuttgarter Erklärung vom 22. Juni 2010 erkennen die Bundesländer ihre neue Verantwortung an, fordern aber auch mehr Mitspracherechte für die Landesparlamente.[3]

Europakoordinierung des Bundestages

Der Deutsche Bundestag betreibt seit den 1980er Jahren eine Europakoordinierung. Im Mai 1987 wurde ein Unterausschuss für Angelegenheiten der Europäischen Gemeinschaft beim Auswärtigen Ausschuss eingesetzt. Mit dem Vertrag von Maastricht wurde der Europaausschuss eingerichtet, der seitdem als Querschnittsausschuss für die Koordinierung der Europapolitik des Bundestages zuständig ist.

Seit 1992 weist das Grundgesetz dem Bundestag in Art. 23 GG ein Mitwirkungsrecht in Angelegenheiten der Europäischen Union zu. Die Bundesregierung muss den Bundestag und den Bundesrat in europäischen Angelegenheiten umfassend und zum frühestmöglichen Zeitpunkt zu unterrichten. Auch hat die Bundesregierung dem Bundestag vor ihrer Mitwirkung an Rechtsetzungsakten der Europäischen Union Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Seit 2007 hat der Bundestag seine Europakoordinierung durch die Gründung eines Europareferats und eines Verbindungsbüros in Brüssel gestärkt.

Der Vertrag von Lissabon hat die Rechte der nationalen Parlamente in der EU erweitert. Sie tragen u.a. für die Beachtung des Grundsatzes der Subsidiarität Sorge - etwa durch Erhebung von Subsidiaritätsrügen und Subsidiaritäsklagen und beteiligen sich an der interparlamentarischen Zusammenarbeit, etwa in der Konferenz der Europaausschüsse (COSAC), aber auch mit dem Europäischen Parlament. Darüber hinaus erhalten sie weitgehende Informationsrechte im Bereich der europäischen Gesetzgebung, Kontrollrechte in der Justiz- und Innenpolitik und werden an den Verfahren zur Änderung der Verträge beteiligt.

Im Nachgang zum Lissabon-Urteil des Bundesverfassungsgerichts hat der Deutsche Bundestag die Begleitgesetzgebung zum Vertrag von Lissabon überarbeitet. Das neue Integrationsverantwortungsgesetz greift die vom Bundesverfassungsgericht formulierten Vorschläge zur Ausgestaltung der Mitwirkungsrechte von Bundestag und Bundesrat auf. Danach muss die Bundesregierung den Bundestag über Berichte, Vorschläge und Richtlinien der EU-Kommission informieren und im Allgemeinen alle Dokumente der EU-Ebene weiterleiten. Außerdem wurde die Interinstitutionelle Vereinbarung zwischen Bundestag und Bundesregierung über die Zusammenarbeit in Angelegenheiten der EU aus dem Jahr 2006 in Gesetzesform gegossen. Das „Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Zusammenarbeit von Bundesregierung und Deutschem Bundestag in Angelegenheiten der Europäischen Union“[4] präzisiert die durch die Bundesregierung zu übermittelnden Dokumente sowie die Grundsätze der Unterrichtung durch die Bundesregierung und regelt die Bedingungen, unter denen der Bundestag eine Stellungnahme abgeben kann. In jedem Fall muss die Bundesregierung vor ihrer Mitwirkung an europäischen Gesetzesvorhaben dem Bundestag Gelegenheit zur Stellungnahme geben. Gibt der Bundestag eine Stellungnahme ab, legt die Bundesregierung diese ihren Verhandlungen zugrunde. Gibt der Bundestag eine Stellungnahme ab, so muss die Bundesregierung im Rat einen Parlamentsvorbehalt einlegen, wenn der Beschluss des Bundestages in den Verhandlungen nicht durchsetzbar ist. Lediglich aus wichtigen außen- oder integrationspolitischen Gründen kann die Bundesregierung abweichende Entscheidungen treffen.

Europakoordinierung der Parteien

Auch die Parteien sind im Mehrebenensystem zunehmend von europäischer Politikverflechtung betroffen. Richtlinien für die Europapolitik der Parteien sind die Grundsatz- und die jeweiligen Wahlprogramme. Sie sind auch für die Auswahl der Kandidaten zum Europäischen Parlament zuständig.

Europakoordinierung der Interessengruppen

Europäische Interessenvertretung

Deutsche Interessengruppen sind in der Europapolitik in hohem Maße präsent, sei es über Einflussnahme in der Bundespolitik, sei es direkt bei den Organen der Europäischen Union. Auf Grund der großen Präsenz deutscher Lobbyisten in Brüssel wird den Interessengruppen ein hoher Einfluss zugesprochen. Die Bundesregierung bietet ein gewisses Maß an Koordination mit deutschen Interessenvertretern über die Ständige Vertretung der Bundesrepublik Deutschland bei der Europäischen Union.[5] und über das Netzwerk Europäische Bewegung Deutschland an, koordiniert vom Auswärtigen Amt.[6]. Im Vertrag von Lissabon wird den Interessengruppen in Art. 11 EUV die Gelegenheit zugesichert, sich am EU-Gesetzgebungsprozess zu beteiligen. Insbesondere werden die EU-Organe verpflichtet, einen offenen, transparenten und regelmäßigen Dialog mit den repräsentativen Verbänden und der Zivilgesellschaft zu pflegen (Art. 11 Abs. 2 EUV). Die Europäische Kommission wird aufgefordert, umfangreiche Anhörungen der Betroffenen durchzuführen (Art. 11 Abs. 3 EUV). Die Arbeit der Interessengruppen ist dabei ein Mittel, die direkte Demokratie zu fördern und den Dialog mit der Zivilgesellschaft zu stärken.[7]

Debatte

Die Bedeutung der Europakoordinierung der Bundesregierung wird zunehmend durch Maßnahmen des Auswärtigen Amts und des Netzwerks Europäische Bewegung Deutschland unterstrichen. Mit Dialogveranstaltung "Eu-De-Briefings" versucht die Bundesregierung zunehmend, die Institutionen und Interessengruppen in der Bundespolitik über die deutsche Europapolitik zu informieren.[8]

Effizienz und Legitimität der EU-Koordinierung

Die Effizienz der deutschen Europakoordinierung wird durch die Vielzahl der Akteure und Entscheidungsträger auf Bundes- und Landesebene beeinflusst. Dies erschwert die Findung einer einheitlichen deutschen Position im Rat. Auch verfolgen die einzelnen Ressorts auf Bundesebene ihre jeweils eigene Europapolitik, was zu Konflikten in der Europakoordinierung führen kann. Ein Ausweg könnte die Schaffung eines Europaministeriums sein. Allerdings hat auch die Schaffung neuer Koordinierungsgremien wie der EKR zu einer Verbesserung der Koordinierung geführt. Gleichzeitig wird die Legitimität der Europakoordinierung insbesonder in Bezug auf die Einbindung des Bundestages.[9]

Literatur

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Europäische Kommission stellt Arbeitsprogramm 2011 in EU-Briefing vor. Europäische Bewegung Deutschland, abgerufen am 25. November 2010.
  2. Organisationsplan des Bundesministeriums der Finanzen Stand: Juli 2011. Bundesministerium der Finanzen, abgerufen am 17. Oktober 2011.
  3. Die Stuttgarter Erklärung. Abgerufen am 6. Juni 2010.
  4. http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/16/139/1613925.pdf
  5. Ständige Vertretung der Bundesrepublik Deutschland bei der Europäischen Union Brüssel. Abgerufen am 3. November 2010.
  6. Europäische Bewegung Deutschland. Auswärtiges Amt, 7. Oktober 2010, abgerufen am 3. November 2010.
  7. Good Governance-Artikel 11. Europäische Bewegung Deutschland, abgerufen am 22. November 2010.
  8. Vgl. EU-De-Briefings zu Europäischen/Fach-Räten. Europäische Bewegung Deutschland, abgerufen am 3. November 2010.
  9. Zur aktuellen Diskussion vgl. EBD Exklusiv diskutiert Zusammensetzung und Wirkung der deutschen EU-Koordinierung. 25. Januar 2011, abgerufen am 26. Januar 2011.

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