Eisenbahnunfall von Dahlerau

Eisenbahnunfall von Dahlerau
Gedenkkreuz und Gräber für die Opfer auf dem Kommunalfriedhof in Radevormwald im Oktober 2004

Das Zugunglück von Dahlerau war eines der schwersten Eisenbahnunglücke in der deutschen Nachkriegsgeschichte. Am 27. Mai 1971 kollidierten auf der Wuppertalbahn zwei Züge im Radevormwalder Ortsteil Dahlerau. Dabei starben 46 Menschen, davon 41 Schüler der Radevormwalder Geschwister-Scholl-Schule. Während des Bestehens der Deutschen Bundesbahn (1949 bis 1994) war es das Unglück mit den meisten Todesopfern auf deren Streckennetz.

Inhaltsverzeichnis

Ablauf

Baureihe 795 - „Schienenbus“ ähnlich dem verunglückten Triebwagen
Unglücksstelle im Jahr 2009

Am Abend des 27. Mai 1971 befuhr kurz nach 21 Uhr ein Triebwagen der Baureihe 795 als Sonderzug die eingleisige Eisenbahnstrecke Wuppertal-OberbarmenRadevormwald (Wuppertalbahn). Der Zug war mit einer Jahrgangsstufe der Radevormwalder Hauptschule sowie Lehr- und Begleitpersonal auf einer Schulabschlussfahrt voll besetzt und hatte etwa 30 Minuten Verspätung. Der Triebwagen befand sich kurz vor dem Bahnhof in Dahlerau. Ein entgegenkommender Güterzug, der die Strecke regelmäßig befuhr und sonst um diese Zeit nicht halten musste, sollte wegen des Sonderzuges im Bahnhof von Dahlerau warten, der Lokführer fuhr aber, nach eigenen Angaben wegen des vom Fahrdienstleiter mit seiner Handleuchte signalisierten Befehls, weiter. Er war von der Verspätung nicht unterrichtet.

Etwa 800 Meter nach dem Bahnhof Dahlerau stießen die beiden Züge hinter einer Kurve zusammen. Der Motorwagen der zweiteiligen Schienenbuseinheit wurde bei dem Aufprall der fünffach schwereren und etwa 20 Zentimeter höheren Lok der DB-Baureihe 212 etwa 100 Meter zurückgeschoben und dabei auf etwa 1/3 seiner Länge zusammengepresst.

Der Fahrdienstleiter, der vergeblich versucht hatte, die Lok zu Fuß noch zu erreichen, weil er den Fehler bemerkt hatte, rief im fünf Kilometer entfernten Wuppertal-Beyenburg an, um Bescheid zu geben, dass man den Sonderzug dort aufhalten solle. Der Schienenbus war jedoch schon in Richtung Dahlerau weitergefahren und das Unglück damit nicht mehr zu verhindern, denn es gab keine Möglichkeit, den Lokführer oder den Fahrer des Schienenbusses über Funk zu erreichen. So alarmierte der Fahrdienstleiter die Rettungsleitstelle zeitlich noch vor dem Zusammenstoß, und aus dem Radevormwalder Stadtzentrum sowie aus den Städten Wuppertal, Remscheid und Solingen kamen Krankenwagen, Feuerwehr und Polizei zur Unglücksstelle. Die Rettungsarbeiten wurden durch die unwegsamen Gegebenheiten vor Ort (relativ schwer begehbare Hanglage zur Straße) erschwert. Hinzu kamen Eltern, die am Hauptbahnhof wartend von dem Unfall erfahren hatten und nun ihre Kinder suchten, aber auch weitere unzählige Schaulustige, die durch die Signalhörner der Einsatzfahrzeuge angelockt worden waren. Dennoch konnten die Retter vielen Verletzten die nötige Hilfe rechtzeitig leisten, und 25 Menschen überlebten trotz schwerer Verletzungen. 41 der Schüler, zwei Lehrer, eine Mutter sowie zwei Bahnbeamte starben. Lediglich ein Schüler überstand das Unglück körperlich unversehrt.

Die Toten wurden zur Identifizierung in die Turnhalle Bredderstraße gebracht.

Unglücksursache

Die Ermittlungen zur Ursache des Unglücks dauerten länger als ein Jahr. Der Hergang ließ sich jedoch nicht hinreichend rekonstruieren, denn der Fahrdienstleiter des Bahnhofs starb kurze Zeit nach dem Ereignis bei einem nachgewiesenermaßen nicht selbst verschuldeten Autounfall. Der überlebende Lokführer des Güterzuges sagte in der Vernehmung aus, der Fahrdienstleiter habe ihm mit dem grün abgeblendeten Befehlsstab das Signal „Durchfahren“ (Zp9) signalisiert. Der Fahrdienstleiter hatte die rote Seite des Befehlsstabes dazu benutzen wollen, ein zusätzliches Haltesignal zu geben. Die Bahnhöfe dieser Nebenstrecke verfügten nicht über Ausfahrsignale. Als eine Konsequenz aus dem Unglück wurde es zur Vermeidung von Verwechselungen und Falschsignalen verboten, die roten Blenden der Befehlsstäbe weiterhin zu nutzen. Eine weitere Konsequenz war, dass Züge, die laut Fahrplan in einem Bahnhof ohne Ausfahrsignale durchfahren, nun bereits vor dem Einfahrsignal angehalten werden, wenn außerplanmäßig ein Halt im Bahnhof nötig ist. Auch die Zugbahnfunkausrüstung, mit der man die Unglückszüge hätte noch rechtzeitig warnen können, wurde von da an bei der Bundesbahn vorangetrieben. Nach Abschluss der Ermittlungen am Unglücksort wurden am 1. September die Wrackteile des Schienenbusses zur Verschrottung freigegeben. Da die Maschine des Güterzuges keine größeren Schäden hatte, wurde sie repariert und blieb bis 2002 im Bestand der DB.

Beerdigung

Die Mehrzahl der toten Schüler wurde auf dem Kommunalfriedhof in Radevormwald auf einem gemeinsamen Gräberfeld beigesetzt. Zur Beerdigung am 2. Juni kamen etwa 10.000 Menschen, unter ihnen waren der damalige Bundeskanzler Willy Brandt, der Bundesverkehrsminister Georg Leber und der Bundesratspräsident Hans Koschnick. Die Betroffenheit der Radevormwalder Bürger zeigte sich unter anderem darin, dass in der Stadt die Geschäfte geschlossen blieben und in vielen Schaufenstern Schilder mit Beileidsbekundungen auslagen („Wir trauern mit den Hinterbliebenen der Zugkatastrophe“). Geplante Veranstaltungen wurden abgesagt, Taxis hatten Trauerflor, die Feuerwehr stand Ehrenwache. Beileidsbekundungen und Trauerkränze kamen nicht nur von der Bundesbahn und umliegenden Städten, sondern auch aus Frankreich und England. Auf der nahe gelegenen Bahnstrecke wurde der Zugverkehr in der Zeit der Beerdigung ausgesetzt. Ein Onkel eines verstorbenen Kindes brach bei den hohen Temperaturen auf dem Friedhof zusammen und starb an einem Herzinfarkt.

Ein steinernes Denkmal mit der Inschrift: „Komme Geist von den vier Winden herbei und hauche diese Toten an, damit sie lebendig werden“ (Ezechiel 37,9) wurde neben den Gräberreihen aufgestellt. Aufgrund der von vielen als unangebracht hoffnungsvoll und zuversichtlich empfundenen Inschrift („...damit sie lebendig werden“) war das Denkmal zunächst umstritten.

Siehe auch

Weblinks

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