Erwein von Thun und Hohenstein

Erwein von Thun und Hohenstein

Erwein Sigmund von Thun und Hohenstein (* 4. April 1896 in Heitzing bei Wien; † 12. Februar 1946 in Sopron (Ungarn)) war ein Offizier des Nachrichtendienstes und Kommandant der Abwehrgruppe 218 „Edelweiß“.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Erwein von Thun-Hohenstein wurde als Sohn des Felix Leopold Graf von Thun und Hohenstein (1859–1941) geboren. Er besuchte die Kavalleriekadettenschule in Mährisch Weißkirchen und meldete sich 1914 bei Kriegsausbruch freiwillig zu den „Schwarzenberg-Ulanen“. Nach dem Ersten Weltkrieg wurde er als Oberleutnant der Reserve entlassen.[1]

1940 wurde er reaktiviert. Aufgrund seiner Sprachbegabung – er konnte eine Vielzahl von Sprachen, darunter Slowakisch, Tschechisch, Polnisch, Englisch und nahezu perfekt Russisch – wurde er der Abwehr zugeteilt, und zwar dem Lehrregiment Brandenburg zbV 800, einer Spezialeinheit, zu deren Hauptaufgaben Sabotageoperationen hinter den feindlichen Linien und die Partisanenbekämpfung gehörten.

Thun-Hohenstein nahm Ende 1940 an der Vorbereitung zu dem „Unternehmen Felix“ teil, bei dem es um die Eroberung von Gibraltar ging. Er sollte eine Kommandoeinheit führen, allerdings kam der Einsatz über die Planung nicht hinaus.

Mitte 1941 nach dem Überfall auf die Sowjetunion wurde er beauftragt, aus den sowjetischen Kriegsgefangenen Freiwillige (meist ukrainische Nationalisten und Kosaken) zu rekrutieren. Aus dieser Freiwilligeneinheit stellte er Stoßtrupps und Sabotageeinheiten zusammen. Anschließend kommandierte er eine Kompanie des ukrainischen Bataillons „Nachtigall“ der Legion Ukrainischer Nationalisten. An den meisten Einsätzen nahm Thun-Hohenstein persönlich teil. In der westukrainischen Stadt Lemberg waren Angehörige des Bataillons „Nachtigall“ maßgeblich an einem Massaker an den jüdischen Einwohnern der Stadt beteiligt (Massaker von Lemberg).

1943 wurde Thun-Hohenstein Leiter der Abwehrstelle Rom, „Abwehrtrupp 204“ genannt. Nach der Neuorganisation der Abwehr 1944 wurden diese Trupps „Frontaufklärungsstellen“ genannt. Nach der Kapitulation Italiens im Sommer 1944 wurde er nach Mailand beordert.

Im November 1944 erhielt er den Auftrag, eine Spezialeinheit zur Partisanenbekämpfung in der Slowakei aufzubauen. Dort war soeben der slowakische Nationalaufstand gescheitert, und viele Armeeangehörige hatten sich den Partisanen angeschlossen.[2] Die Einheit, über die Thun-Hohenstein das Kommando erhielt, trug die Bezeichnung Abwehrgruppe 218 „Edelweiß“. Sie war rund 300 Mann stark und bestand aus Slowaken, Kaukasiern, Kosaken und Deutschen. Thun-Hohenstein verwandte für sich den Tarnnamen „Benesch“ wegen seiner Ähnlichkeit zum Präsident der tschechischen Exilregierung Edvard Beneš.

Die Abwehrgruppe 218 unterstand der Frontleitstelle II Süd-Ost. Sie war seit der Übernahme der Abwehr durch die SS im Frühjahr 1944 der Abt. VI-S des Reichssicherheitshauptamtes unterstellt, namentlich Otto Skorzeny und wurde später in „SS-Jagdverband Süd-Ost“ umbenannt.

Auf das Konto der Abwehrgruppe 218 gehen vermutlich zahlreiche Verbrechen in den letzten Kriegsmonaten in der Slowakei. Vornehmlich operierte man gegen Partisanen, aber auch die Verfolgung von Juden zählte zu ihrer Tätigkeit. Die Einheit von Thun-Hohenstein soll etwa 300 slowakische Partisanen getötet und 600 gefangen genommen haben. Die meisten wurden in Konzentrationslager verbracht.[3]

Ein Mitglied der Abwehrgruppe 218, Ladislav Nižňanský, wurde 2004 in München wegen des Massakers von Ostry Grun in der Slowakei angeklagt. Während des Prozesses wurde auch die Rolle von Thun-Hohenstein beleuchtet.[4]

Die Abwehrgruppe 218 war ebenfalls beteiligt bei der Verhaftung und Auslieferung an die Einsatzgruppen des Sicherheitsdienstes einer Gruppe anglo-amerikanischer Verbindungs- und Aufklärungsoffiziere. Sie waren im Rahmen einer gemeinsamen Operation der englischen SOE („OPERATION WINDPROOF“) und des amerikanischen OSS („MISSION DAWES“) in der Slowakei abgesetzt worden und sollten die Partisanen unterstützen. Die englischen und amerikanischen Offiziere wurden später nach Mauthausen deportiert, gefoltert und erschossen.[5]

Bei Kriegsende geriet Thun-Hohenstein, inzwischen im Rang eines Majors, in sowjetische Gefangenschaft. Am 18. Januar 1946 wurde er von einem sowjetischen Militärtribunal zum Tode verurteilt. Das Urteil wurde am 12. Februar 1946 durch Genickschuss ausgeführt. [6]

Auszeichnungen

Erwein von Thun-Hohenstein war Inhaber der folgenden Auszeichnungen:

Eisernes Kreuz 1. und 2. Klasse, Infanterie-Sturmabzeichen, Verwundetenabzeichen in Silber, Deutsches Kreuz in Gold, Militärorden von Savoyen (Klasse Großoffizier).

Fußnoten

  1. Franz Graf von Czernin und Chudenitz: Biografie Erwein Graf von Thun-Hohenstein. B/1650:5 und 26. Kriegsarchiv Wien.
  2. Tatjana Tönsmeyer: Das Dritte Reich und die Slowakei. Paderborn, 2003.
  3. Rudolf Melzer: Karpatendeutsche Landmannschaft in Österreich. Wien, 1996, Seite 504.
  4. Krug, Alexander: Die Mordkommandos von Ostry Grun. In: Süddeutsche Zeitung, 15. November 2004, Seite 43.
  5. Jim Downs: World War II: OSS tragedy in Slovakia. Oceanside, 2002. ISBN 0971748209.
  6. Verhörprotokoll Thun-Hohenstein, SNU Museum, Banska Bystrica, Slowakei.

Literatur

  • Werner Brockdorff: Geheimkommandos des Zweiten Weltkrieges, Wels 1967. ISBN 3-88102-059-4.
  • Dietrich F. Witzel: Kommandoverbände der Abwehr im Zweiten Weltkrieg, in: Militärgeschichtliche Beiträge, Bd. IV, Herford/ Bonn 1990.

Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Нужно сделать НИР?

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Thun und Hohenstein — Wappen Thun bzw. Thun und Hohenstein ist der Name eines österreichischen Adelsgeschlechts, das sich seit dem 12. Jahrhundert nachweisen lässt. Die Grafschaft Hohenstein in Niedersachsen, heute Thüringen, gehörte von 1628 bis 1648 zu ihrem… …   Deutsch Wikipedia

  • Sophie von Hohenberg — Sophie Prinzessin von Hohenberg (* 24. Juli 1901 auf Schloss Konopiště in Böhmen; † 27. Oktober 1990 in Thannhausen), mit vollständigem Namen Sophie Marie Franziska Antonia Ignatia Alberta von Hohenberg, war eine österreichische Aristokratin. Im… …   Deutsch Wikipedia

  • Stammliste von Mansfeld — Regenten und Linien der Grafen von Mansfeld Grafen von Mansfeld Alt Mansfelder Stamm Hoyer I. ( † nach 1069) Hoyer II. (I.) ( † 1115) Hoyer III. (II.) ( † nach 1157) Hoyer IV. (III.) (* vor 1140; † nach 1183) Burchard I. ( † 1229) (1229… …   Deutsch Wikipedia

  • Princess Sophie von Hohenberg — Princess Sophie of Hohenberg (24 July 1901 ndash; 27 October 1990) was the only daughter of Archduke Franz Ferdinand of Austria and his morganatic wife Sophie, Duchess of Hohenberg.Following the assassination of her parents, Sophie and her two… …   Wikipedia

  • Ostrý Grúň — Wappen Karte …   Deutsch Wikipedia

  • Liste des chevaliers de l'ordre de la Toison d'or — Le collier de l’ordre de la Toison d’or L ordre de la Toison d or est un ordre de chevalerie séculier fondé en janvier 1430 par Philippe le Bon à Bruges lors des festivités données à l occasion de son mariage avec sa troisième épouse, Isabelle de …   Wikipédia en Français

  • Ritter des Ordens vom Goldenen Vlies — Diese Seite enthält eine Liste der Ritter des Ordens vom Goldenen Vlies. Inhaltsverzeichnis 1 Ordensritter des Hauses Burgund (1430–1477) 2 Ritter des Ordens vom Goldenen Vlies unter dem Haus Habs …   Deutsch Wikipedia

  • Liste der Ritter des Ordens vom Goldenen Vlies — Diese Seite enthält eine Liste der Ritter des Ordens vom Goldenen Vlies. Inhaltsverzeichnis 1 Ordensritter des Hauses Burgund (1430–1477) …   Deutsch Wikipedia

  • Hranice na Moravě — Hranice …   Deutsch Wikipedia

  • Bataillon Nachtigall — Die Legion Ukrainischer Nationalisten (ukrain. Легіон Українських Націоналістів) war ein militärischer Verband national ukrainischer Freiwilliger im Zweiten Weltkrieg, der von der deutschen Wehrmacht für den Krieg gegen die Sowjetunion… …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”