Gunther Burstyn

Gunther Burstyn

Gunther, eigentlich Günther Adolf Burstyn[1] (* 6. Juli 1879 in Bad Aussee, Steiermark; † 15. April 1945 in Korneuburg, Niederösterreich) war ein österreichischer Techniker und k.k. Offizier.

Gunther Burstyn als Oberleutnant

Inhaltsverzeichnis

Leben und Wirken

Modell des Motorgeschützes von 1911 im HGM.
Modell des Motorgeschützes von Gunther Burstyn in Originalgröße vor dem Heeresgeschichtlichen Museum in Wien, aufgestellt anlässlich der Ausstellung „Projekt & Entwurf - Militärische Innovationen aus fünf Jahrhunderten“ (16. Juni bis 6. November 2011).

Gunther, wie sich der auf Günther Getaufte als Erwachsener stets nannte, war einer von drei Söhnen des in Lemberg als Jude geborenen und später zum katholischen Christentum konvertierten Bahn-Commissärs und Ingenieurs Adolf Burstyn (1843–1917) und dessen Frau Juliane, geborene Hoffmann (1844–1931), die als Journalistin arbeitete.[2] Sein Bruder Werner wurde Ministerialrat, der andere Bruder, Walther Burstyn, ein bekannter Professor für Elektrotechnik.[3]

1895 wechselte Gunther Burstyn von einem Wiener Gymnasium an die Pionierkadettenschule in Hainburg an der Donau.[4] 1899 ausgemustert, trat er als Kadett in das Eisenbahn- und Telegrafenregiment der k.k. Landwehr ein, das als technisches Eliteregiment der Donaumonarchie galt.

Am 1. Mai 1906 zum Oberleutnant befördert, wurde er am 1. November 1906 in diesem Regiment dem Geniestab bei der Geniedirektion in Trient zugeteilt.[5] 1910 heiratete er Gabriele Wagner (1888–1945) und hatte mit ihr zwei Kinder.[4] Anlässlich seiner Hochzeit konvertierte Burstyn vom katholischen zum evangelischen Bekenntnis.

Burstyn konstruierte 1911 den ersten geländegängigen Panzerwagen mit drehbarem Geschützturm, sein „Motorgeschütz“. Der Entwurf, der moderner wirkt als die Panzer des Ersten Weltkrieges, wurde von Österreich-Ungarn und vom Deutschen Reich abgelehnt.[6] (Ein Modell dieses „Burstyn-Panzers“ befindet sich im Wiener Heeresgeschichtlichen Museum.[7]) Im Ersten Weltkrieg war Burstyn vor allem im Eisenbahn- und Brückenbau eingesetzt.

Burstyn soll den Verlauf des Ersten Weltkriegs dennoch maßgeblich beeinflusst haben: Die Entente habe seine Idee in modifizierter Form aufgegriffen und damit an der Westfront 1917 in der größten Panzerschlacht des Krieges bei Cambrai in Nord-Frankreich den entscheidenden Durchbruch erzielt.

Im Bundesheer der Ersten Republik oblagen Major Burstyn nach dem Dienst im damaligen Heeresmuseum bis zu seiner 1933 erfolgten Pensionierung als Generalbaurat überwiegend pioniertechnische Aufgaben. Die Pensionierung traf ihn zutiefst, da er dadurch das Studium seines Sohnes kaum mehr finanzieren konnte.[8]

Den großen Durchbruch seiner Ideen brachte der Zweite Weltkrieg, der an den Fronten ganz wesentlich ein „Krieg der Panzer“ war. Dies verschaffte Burstyn als Pionier dieser Wehrtechnik in der Wehrmacht höchstes Ansehen. Er widmete sich nun der Panzertaktik, insbesondere der Panzerabwehr, und entwickelte unter anderem den Panzerhöcker als wirksame Panzer-Standardsperre, die auch nach dem Krieg vielfache Verwendung fand, etwa an der seinerzeitigen Innerdeutschen Grenze.

Burstyn war auf Grund der Nürnberger Gesetze als Sohn eines gebürtigen Juden nach NS-Diktion zumindest Halbjude, dürfte aber als Ehrenarier eingestuft worden sein,[9] da ansonsten seine Tätigkeit für die Wehrmacht nicht möglich gewesen wäre.

Am 31. März 1941 konnte Burstyn aufgrund einer Intervention seines Bruders Walther, übrigens ebenfalls Halbjude, seine Idee einer Panzerfähre Hitler persönlich vortragen und erhielt dafür das Kriegsverdienstkreuz mit Schwertern I. und II. Klasse (verbunden mit einem Ehrensold), das ihm durch Generaloberst Heinz Guderian überreicht wurde.[10] Im Dezember 1941 fiel sein Sohn Walther an der Ostfront.[11]

1944 verlieh die Technische Hochschule Wien zum ersten Mal seit 1938, als der ehemalige US-Präsident Herbert Hoover ausgezeichnet worden war, Ehrendoktorate. Die geehrten Österreicher hatten ihre Verdienste vor dem NS-Regime erworben: Generalbaurat a.D. Gunther Burstyn, Flugpionier Igo Etrich, Automobilkonstrukteur Hans Ledwinka und Eisenbahntechniker Johann Rihosek.[12][13]

Die akademische Feier im Rahmen der „Tage der Wiener Technischen Hochschule“ aber ehrte Burstyn, den Burstyn-Biografen Daniela und Ewald Angetter zufolge, für seine besonderen Verdienste um die deutsche Kriegführung.

In dem zur Verleihung der Ehrendoktorwürde eingeholten Gutachten wird Burstyn Angetter zufolge bestätigt, dass seine Einstellung zum Nationalsozialismus einwandfrei sei und er schon als Mitglied der Vaterländischen Front die NSDAP unterstützt habe, sodass seitens der Gauleitung Niederdonau keine Einwände gegen den unter anderem durch den Dozentenführer und den Reichserziehungsminister vorgelegten Antrag betreffend die Verleihung der Ehrendoktorwürde bestünden.

Gunther Burstyn litt 1945 unter Depressionen, war fast völlig blind und konnte wegen einer schweren Krankheit seiner Frau vor den anrückenden „Russen“, die von der NS-Propaganda als blutrünstige, rachsüchtige Teufel dargestellt wurden, nicht in seinen Geburtsort Bad Aussee flüchten. Am 15. April 1945 setzte er in Korneuburg, wenige Kilometer nördlich von Wien, das soeben von der Roten Armee erobert worden war, seinem Leben ein Ende.[14] Seine Gattin wurde am 20. April 1945 zu Hause tot aufgefunden. Ihre Todesursache wurde mit unbekannt, wahrscheinlich gewaltsamer Tod erfasst.[15]

1967 wurde die Burstyn-Kaserne mit der Panzertruppenschule des Bundesheeres im niederösterreichischen Zwölfaxing nach Gunther Burstyn benannt.

Im Gegensatz dazu scheiterte allerdings Angetter zufolge die Benennung des Platzes vor der Korneuburger "Dabsch-Kaserne" nach Burstyn am Widerstand der Bevölkerung und der Kommunalpolitiker.

Einzelnachweise

  1. nach Auskunft des Standesamtes Korneuburg vom 9. Mai 2011
  2. Angetter: Gunther Burstyn S. 15.
  3. Angetter: Gunther Burstyn S. 15f.
  4. a b Angetter: Gunther Burstyn S. 17.
  5. Angetter: Gunther Burstyn S. 26.
  6. Johann Christoph Allmayer-Beck: Das Heeresgeschichtliche Museum Wien. Das Museum und seine Repräsentationsräume, Salzburg 1981, S. 27
  7. Manfried Rauchensteiner, Manfred Litscher (Hrsg.): Das Heeresgeschichtliche Museum in Wien. Graz, Wien 2000, S. 61
  8. Angetter: Gunther Burstyn S. 33
  9. Helmut W. Malnig: Der erste Kampfpanzer der Welt. Gunther Burstyn und sein „Motorgeschütz“. In: Truppendienst 3 (2009).
  10. Foto der Überreichung 1941
  11. Angetter: Gunther Burstyn S. 34.
  12. Liste der Ehrendoktorate auf der Website der TU Wien.
  13. Angetter: Gunther Burstyn S. 70 und 100
  14. Angetter: Gunther Burstyn S. 105f.
  15. Auskunft des Standesamtes Korneuburg vom 9. Mai 2011.

Literatur

  • Walther Albrecht: Gunther Burstyn (1879-1945) und die Entwicklung der Panzerwaffe. Biblio-Verlag, Osnabrück 1973, ISBN 3-7648-0928-0, (Studien zur Militärgeschichte, Militärwissenschaft und Konfliktforschung 2), (Zugleich: Wien, Univ., Diss., 1970).
  • Daniela Angetter, Ewald Angetter: Gunther Burstyn (1879–1945). Sein „Panzer“ – eine bahnbrechende Erfindung zur falschen Zeit am falschen Ort. (=Österreichisches biographisches Lexikon. Schriftenreihe Band 11) Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, Wien 2008, ISBN 978-3-7001-6530-9 (Verlagsanzeige).

Weblinks


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