Hans Modrow

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Hans Modrow

Hans Modrow (* 27. Januar 1928 in Jasenitz, Kreis Randow) ist ein deutscher Politiker. Er war ein führender SED-Politiker in der DDR.

Modrow war vom 13. November 1989 bis 12. April 1990 Vorsitzender des Ministerrates der DDR. Später war er Abgeordneter im Bundestag und im Europaparlament. Er war Ehrenvorsitzender der PDS.

Inhaltsverzeichnis

Jugend und Ausbildung

Wahlkampfzettel der SED-PDS 1989

Modrow wurde nach einer Fachausbildung zum Maschinenschlosser von 1942 bis 1945 als 17-Jähriger im Zweiten Weltkrieg in den Volkssturm berufen und geriet in sowjetische Kriegsgefangenschaft. In der Sowjetunion besuchte Modrow eine Antifa-Schule. 1949 wurde er in die DDR entlassen und Mitglied in der SED, der Freien Deutschen Jugend und dem Freien Deutschen Gewerkschaftsbund. Modrow wurde Funktionär im Zentralrat der FDJ.

Von 1952 bis 1953 besuchte er die Komsomol-Hochschule in Moskau. Von 1954 bis 1957 absolvierte er ein Fernstudium an der Parteihochschule Karl Marx der SED und schloss als Diplom-Gesellschaftswissenschaftler ab. Von 1959 bis 1961 folgte ein Fernstudium an der Hochschule für (sozialistische) Ökonomie Bruno Leuschner in (Ost-)Berlin, das zum Abschluss als Diplom-Wirtschaftler führte. 1966 wurde Modrow an der Humboldt-Universität zu Berlin mit der gemeinsam mit Rainer Falke verfassten Arbeit „Ermittlung, Auswahl und Entwicklung von Nachwuchskadern für Führungsfunktionen in der sozialistischen Industrie. Dargestellt am Beispiel von Großbetrieben der VVB Hochspannungsgeräte und Kabel“ zum Dr. rer. oec. promoviert.

Politik

Innerhalb der SED machte Modrow schnell Karriere: Ab 1954 wurde er Mitglied der Bezirksleitung Berlin der SED sowie 1958 Mitglied der Volkskammer, das er bis zum Ende der DDR im Jahr 1990 blieb. Im September 1961 wurde er zum 1. Sekretär der SED-Kreisleitung Berlin-Köpenick gewählt, anschließend war Sekretär der SED-Bezirksleitung Berlin, zuständig für Agitation. Von 1967 bis 1989 war er Mitglied des Zentralkomitees (ZK) der SED. Im ZK arbeitete Modrow von 1967 bis 1973 als Abteilungsleiter für Agitation. Von 1973 bis 1989 war Modrow als Erster Sekretär der Bezirksleitung der SED in Dresden tätig. In dieser Funktion war er auch oberster Dienstherr der Staatssicherheit im Bezirk Dresden.

1975 wurde er mit dem Vaterländischen Verdienstorden der DDR und 1978 mit dem Karl-Marx-Orden ausgezeichnet.

Nach seiner Wahl zum Regierungschef, 13. November 1989

Modrows galt innerhalb der SED als Reformer des sozialistischen Systems. Nicht eindeutig ist seine Haltung zu dem sowjetischen Staatschef Michail Gorbatschow und dessen Kurs der Perestroika und Glasnost in der Sowjetunion.

Ab dem 8. Oktober 1989 bemühte er sich zusammen mit dem Dresdner Oberbürgermeister Wolfgang Berghofer um einen Dialog mit der oppositionellen Gruppe der 20. Am 13. November wurde Modrow als Nachfolger Willi Stophs zum Ministerpräsidenten der DDR gewählt. Seine Regierung wurde am 18. November vereidigt. Am 8. November 1989 wurde er Mitglied des Politbüros der SED und im Dezember stellvertretender Vorsitzender der in SED-PDS umbenannten Partei.

Die DDR stand vor dem wirtschaftlichen Zusammenbruch und Proteste beherrschten das Straßenbild einiger Städte der DDR. Modrow versuchte in dieser Situation, einen Dialog mit den DDR-Bürgerrechtlern aufzunehmen, um den drohenden Untergang der DDR zu verhindern. Bei einem Besuch Modrows in Moskau am 30. Januar 1990 entgegnete ihm jedoch Michail Gorbatschow, dass die „Vereinigung der Deutschen“ von ihm nicht in Zweifel gezogen werde. Modrow übergab ihm einen Wunschkatalog, den Gorbatschow in die Verhandlungen mit seinen westlichen Partnern einbringen sollte. In der Folge bekannte sich Modrow und mit ihm die Parteiführung der SED-PDS in einer Erklärung zur „Gemeinsamkeit der deutschen Nation“.[1] Am 5. Februar 1990 nahm Modrow Vertreter der neuen oppositionellen Gruppierungen des zentralen Runden Tisches als Minister ohne Geschäftsbereiche in die Regierung auf. Es entstand die Regierung der nationalen Verantwortung.

Hans Modrow, Bundeskanzler Helmut Kohl, der Regierende Bürgermeister (West-Berlin) Walter Momper (mit rotem Schal) und im Hintergrund zwischen Kohl und Momper der Oberbürgermeister (Ost-Berlin) Erhard Krack während der Öffnung des Brandenburger Tores am 22. Dezember 1989. Am rechten Bildrand erkennt man ferner Walter Scheel, Otto Graf Lambsdorff und Hans-Dietrich Genscher (mit grünem Mantel).

Mit dem am 7. März 1990, kurz vor den ersten freien Wahlen zur Volkskammer am 18. März 1990, verabschiedeten sogenannten Modrow-Gesetz gab er DDR-Bürgern die Möglichkeit, die Grundstücke, auf denen ihre Häuser standen, preiswert zu erwerben. Aus rechtlichen Gründen (weil z. B. die Eigentümer in den Westen geflohen waren) war in der DDR oftmals das Eigentum an Haus und Grundstück getrennt.

Im Februar 1990 wurde Modrow Ehrenvorsitzender der PDS. Vom 3. Oktober 1990 bis 1994 war er Abgeordneter der PDS im Deutschen Bundestag.

1999 wurde Hans Modrow in das Europaparlament gewählt. Er arbeitete dort im Ausschuss für Entwicklungshilfe und war unter anderem für die EU-Beitrittsgespräche mit Tschechien mitverantwortlich. Zur Europawahl 2004 trat er trotz anfänglichen Interesses nicht mehr an, da ihn der PDS-Vorsitzende Lothar Bisky nach eigenen Angaben für andere Aufgaben dringend brauchte und Modrow daher nicht mehr auf die Vorschlagsliste des Europaparteitags setzte. Seit 2007 ist er Vorsitzender des Ältestenrats der Nachfolgepartei Die Linke.[2]

Gegenüber dem in Berlin erscheinenden Juristen-Magazin Justament sagte Modrow im November 2010, dass ohne einen funktionierenden Mittelstand eine Wirtschaft nicht prosperieren könne. Daran, so Modrow, sei letztendlich auch die DDR zugrunde gegangen.[3]

Rechtliche Aufarbeitung

Hans Modrow, 2008

In seiner Funktion als 1. Sekretär der Bezirksleitung der SED wird er mitverantwortlich gemacht für die Übergriffe der Sicherheitskräfte gegenüber Demonstrierenden im Umfeld des Dresdner Hauptbahnhofes am 4. Oktober 1989, als die Züge mit Botschaftsflüchtlingen aus Prag in die Bundesrepublik Deutschland im Transit Dresden durchfuhren. Gemäß seinen eigenen Schilderungen 1991 hatte er versucht, die seiner Ansicht nach „unsinnige Entscheidung“, die Züge durch die DDR zu führen, rückgängig zu machen. Die Befehle für die Einsätze kamen von den Berliner Stäben. Zu den Festnahmen schreibt er am gleichen Ort: „Was ich in diesen Tagen zunächst nicht überblickte und erfasste, war die große Zahl der willkürlichen Festnahmen durch die Polizei. Erst in einer Versammlung im Staatsschauspiel wurde ich damit durch einen Erlebnisbericht konfrontiert. Daraufhin habe ich die sofortige Herstellung der Rechtslage von den dafür Verantwortlichen gefordert.“[4]

1993 wurde er vom Landgericht Dresden wegen Anstiftung zur Wahlfälschung (in der DDR) gemäß der Sanktion der Verwarnung mit Strafvorbehalt verwarnt, nachdem der Bundesgerichtshof im Jahr 1992 die „Strafbarkeit der Fälschung sozialistischer Kommunalwahlen in der ehemaligen DDR“ auch nach der Wiedervereinigung bejaht hatte. Im Revisionsverfahren hat der Bundesgerichtshof diese Entscheidung, insbesondere wegen zu weitgehender Schuldminderungserwägungen, aufgehoben.[5] Eine andere Kammer des Landgerichtes hat Modrow schließlich 1995 zu einer Bewährungsstrafe von 9 Monaten verurteilt sowie eine Bewährungsauflage von 5.000 DM gegen ihn festgesetzt. Diese Entscheidung wurde rechtskräftig. Da alle Tilgungsfristen verstrichen sind, gilt Modrow nicht mehr als vorbestraft.

Im April 2006 sorgte Modrow für Aufregung, als er auf die Frage, ob die politische Führung der DDR nicht die Mauertoten billigend in Kauf genommen habe, dem Magazin Cicero antwortet: „Die Verantwortung für die Toten tragen die Verantwortlichen auf beiden Seiten.“ Die DDR sei für ihn der „Versuch einer sozialistischen Entwicklung“ gewesen, „in der auch Demokratie mit Einschränkungen wirksam war.“[6]

Privates

Verheiratet war Modrow mit Annemarie Straubing (†2003). Er hat zwei Töchter und lebt mit seiner Lebensgefährtin in Berlin.

Veröffentlichungen

  • Wie eine Jugendkontrollbrigade arbeiten soll!, Berlin 1952
  • Welche Aufgaben hat die FDJ beim Kampf für den Sieg des Sozialismus in der DDR?, Berlin 1959
  • als Leiter eines Autorenkollektivs, Die DDR und Japan, Berlin 1983
  • Für ein neues Deutschland, besser als DDR und BRD, Berlin 1990
  • mit Wolfgang Meyer, Aufbruch und Ende, Berlin 1991
  • Hrsg., Das Große Haus. Insider berichten aus dem ZK der SED, Berlin 1994
  • Hrsg., Der 8. Mai 1945. Ende und Anfang, Berlin 1995
  • Hrsg., Das Große Haus von außen. Erfahrungen im Umgang mit der Machtzentrale in der DDR, Berlin 1996
  • Hrsg., Unser Zeichen war die Sonne. Gelebtes und Erlebtes, Berlin 1996
  • mit Hans-Dieter Schütt, Ich wollte ein neues Deutschland, Berlin 1998
  • Die Perestroika - wie ich sie sehe. Persönliche Erinnerungen und Analysen eines Jahrzehntes, das die Welt veränderte, Berlin 1998
  • mit Manfred Sohn, Vor dem großen Sprung? Überblick über die Politik der Japanischen Kommunistischen Partei, Schkeuditz 2000
  • Von Schwerin bis Strasbourg. Erinnerungen an ein halbes Jahrhundert Parlamentsarbeit, Berlin 2001
  • Zur Hypothek des kommunistischen Erbes. Überlegungen zur historischen Niederlage des Kommunismus. Konferenzbeiträge, Berlin 2003
  • Hrsg. mit Hans Watzek, Junkerland in Bauernhand. Die deutsche Bodenreform und ihre Folgen, Berlin 2005
  • Hrsg. mit Ulrich Maurer, Überholt wird links. Was kann, was will, was soll die Linkspartei, Berlin 2005
  • Hrsg. mit Ulrich Maurer, Links oder lahm? Die neue Partei zwischen Auftrag und Anpassung, Berlin 2006
  • In historischer Mission. Als deutscher Politiker unterwegs, Berlin 2007
  • Hrsg. mit Dietmar Schulz, Lateinamerika, eine neue Ära?, Berlin 2008
  • Hrsg., Zeiten und Zäsuren. Stefan Doernberg zum 85. Geburtstag, Berlin 2009
  • mit Gabriele Oertel, Hans Modrow - sagen, was ist, Berlin 2010

Literatur

  • Monika Kaiser, Helmut Müller-Enbergs: Modrow, Hans. In: Wer war wer in der DDR? 5. Ausgabe. Ch. Links Verlag, Berlin 2010, ISBN 978-3-86153-561-4, Band 2.
  • Heinrich Hannover: Wahlfälschung in der DDR - Abstrafung eines Hoffnungsträgers? Der Fall Dr. Hans Modrow, in: ders.: Reden vor Gericht, PapyRossa, Köln 2010, S. 247-273

Film

Weblinks

 Commons: Hans Modrow – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Hannes Bahrmann, Christoph Links Chronik der Wende, Bd. 2, Cr. Links Verlag, 1995, S. 89
  2. „Die LINKE“: Ältestenrat der Partei
  3. Benedikt Vallendar Ohne einen starken Mittelstand geht gar nichts. Porträt über Hans Modrow In: Justament, November 2010 (online).
  4. In Aufbruch und Ende, Konkret Literatur Verlag, 1991.
  5. Wolfgang Tiedke: Hans Modrow erneut vor Gericht. In: Berliner Zeitung, 1. August 1995, abgerufen am 6. Dezember 2010
  6. Dirk von Nayhauss: "Ich war kein Held" Interview mit Hans Modrow. In: Cicero, Mai 2006, abgerufen 6. Dezember 2010
  7. Hinweis auf die Filmpremiere

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