Polizistenmord von Heilbronn

Polizistenmord von Heilbronn
Gedenktafel an die ermordete Michéle Kiesewetter in Heilbronn

Als Polizistenmord von Heilbronn wird der Mord an der Polizistin Michéle Kiesewetter und der versuchte Mord an ihrem Kollegen am 25. April 2007 in Heilbronn bezeichnet. Die Polizeivollzugsbeamtin wurde mit einem gezielten Kopfschuss getötet, ihr ebenfalls mit einem Kopfschuss niedergeschossener Kollege überlebte seine schweren Verletzungen. Der Mordfall ist vor allem durch den engen Zusammenhang zu der jahrelangen Fahndung nach dem nicht existenten Heilbronner Phantom in der Öffentlichkeit bekannt geworden. Im November 2011 wurde ein Zusammenhang zur Mordserie Bosporus bekannt. Als Täter werden die Mitglieder der rechtsterroristischen Gruppe Nationalsozialistischer Untergrund vermutet. In Heilbronn erinnert eine Gedenktafel am Tatort an das Verbrechen.

Inhaltsverzeichnis

Tathergang

Am 25. April 2007 hatten zwei junge Bereitschaftspolizisten ihren Streifenwagen auf der Heilbronner Theresienwiese geparkt, vermutlich um eine Mittagspause abzuhalten. Gegen 14 Uhr wurden von Zeugen mehrere Schüsse gehört. Später fanden Polizeibeamte die 22-jährige Michéle Kiesewetter tot neben dem Wagen; ihr Kollege hatte schwer verletzt überlebt. Es wurde gemutmaßt, dass zwei Täter sich von hinten dem Fahrzeug genähert und den beiden Beamten in den Kopf geschossen haben. Diesen wurden dann ihre Handschellen und Dienstwaffen vom Typ HK P2000 entwendet. Der damals 24-jährige verletzte Polizist, der mehrere Wochen im Koma lag, hatte nach seiner Genesung jede Erinnerung an die Tat verloren. Weitere Zeugen gab es nicht, lediglich DNA-Spuren konnten am Fahrzeug sichergestellt werden. [1]

Ermittlungen

Die Ermittlungen wurden zunächst von der Polizeidirektion Heilbronn in der Sonderkommission Parkplatz geführt. Die Sonderkommission wurde am 11. Februar 2009 wegen personeller Überlastung ans Landeskriminalamt Baden-Württemberg verlagert.[2] Am 11. November 2011 übernahm die Bundesanwaltschaft aufgrund des rechtsterroristischen Tatzusammenhangs die Ermittlungen.[3]

Suche nach dem Heilbronner Phantom

Hauptartikel: Heilbronner Phantom

Als Hauptspur wurde von den Ermittlern die mitochondriale DNA einer Frau verfolgt. Im Januar 2009 erhöhte man eine Belohnung für Hinweise auf den Verbleib der Frau auf 300.000 Euro.[4] Mit der Ermittlung waren fünf Sonderkommissionen, sechs Staatsanwaltschaften in drei deutschen Bundesländern sowie Polizisten in Deutschland, Österreich und Frankreich beschäftigt.[5] Der vermeintlichen Täterin, die als Heilbronner Phantom bekannt wurde, wurde aufgrund ihrer DNA-Spuren sowohl vor als auch nach dem Polizistenmord eine Reihe von Verbrechen unterschiedlicher Schwere und an verschiedenen Orten in Österreich, Frankreich und Deutschland zugeordnet. Ende März 2009 wurde bekannt, dass es sich bei den gefundenen DNA-Spuren um eine Verunreinigung der für die Spurensicherung verwendeten Wattestäbchen handelt. Die DNA-Spuren konnten einer Verpackungsmitarbeiterin eines an der Herstellung beteiligten Unternehmens zugeordnet werden. Mit der Feststellung, dass die Wattestäbchen, mit denen die DNA-Spuren an den Tatorten aufgenommen wurden, verunreinigt waren, endete die Fahndung nach dem Phantom.[6]

Fund der Dienstwaffen

Nachdem es keine weitere erfolgversprechende Spur mehr gab, stockten die Ermittlungen um den Fall. Durch den Fund der gestohlenen Dienstwaffen der ermordeten Polizistin und ihres verletzten Kollegen am 4. November 2011 in Eisenach scheint eine Aufklärung kurz bevorzustehen. Die Waffen wurden neben den Leichen der mutmaßlichen Täter eines Banküberfalls, zweier dem Thüringer Heimatschutz zugerechneter Rechtsextremisten, gefunden.[7][8] Am 8. November 2011 wurde eine weitere Verdächtige festgenommen, die kurz nach dem Banküberfall am selben Tag in Zwickau die Wohnung in Brand gesetzt haben soll, in der sie mit den beiden mutmaßlichen Bankräubern lebte. Nach der Festnahme steht der Fall kurz vor der Aufklärung. Mit einer weiteren gefundenen Waffe wurde nach Angaben der Bundesanwaltschaft die sogenannte Mordserie Bosporus begangen.[9]. Auch wurden in der zerstörten Wohnung DVDs gefunden, auf denen die Gruppe sich zu den Taten bekennt.[10]

Trauermarsch

Im April 2007 wurde der ermordeten Polizeibeamtin Michéle Kiesewetter gedacht. Hierzu folgten etwa 2000 Polizeibeamte dem Aufruf, an einem Trauerzug teilzunehmen.[11] Bei der anschließenden Trauerrede in der Böblinger St. Dyionisiuskirche sprach der baden-württembergische Innenminister Heribert Rech davon, dass die Ermordung der Polizeibeamtin nicht als Schicksalsschlag hingenommen werden dürfe, vielmehr sei ihr Tod eine „Verpflichtung, aktiv für das Recht einzutreten und alles daran zu setzen, dass Gewalt und Unrecht sich nicht breit machen.“[12]
Die Beisetzung der erschossenen 22-Jährigen fand unter Anteilnahme der Öffentlichkeit in ihrem Heimatort statt. Rund 1300 Trauergäste waren anwesend. Der Polizeipräsident Baden-Württembergs, Erwin Hetger, bezeichnete in seiner Trauerrede die „skrupellose Tat“ als eine „neue Qualität von Gewalt, die wir uns so nicht vorstellen konnten“.[13]

Siehe auch

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Schlussakt eines realen Krimis, Süddeutsche Zeitung vom 8. November 2011
  2. Carsten Friese: Heilbronner Polizistenmord: LKA übernimmt Phantom-Fall. In: Heilbronner Stimme. 12. Februar 2009 (bei stimme.de, abgerufen am 12. Februar 2009).
  3. Presseerklärung der Bundesanwaltschaft vom 11. November 2011
  4. Carsten Friese: Heilbronner Polizistenmord: LKA übernimmt Phantom-Fall. In: Heilbronner Stimme. 12. Februar 2009 (bei stimme.de, abgerufen am 12. Februar 2009).
  5. Spiegel Online: Wattestäbchen hätten nicht zur DNA-Analyse eingesetzt werden dürfen vom 27. März 2009
  6. „Phantom-Mörderin“ ist ein Phantom - Spiegel-Online-Artikel vom 27. März 2009
  7. 'Polizistenmord-Verdächtige waren Rechtsextreme, Zeit Online, 9. November 2011
  8. Dienstwaffe von erschossener Beamtin gefunden, Spiegel Online vom 7. November 2011
  9. Döner-Morde und Bluttat an Polizistin hängen zusammen, Süddeutsche Zeitung vom 11. November 2011
  10. Spiegel TV Magazin: „Die Braune Zelle“, vom 13. November 2011
  11. Artikel Mögliche Tatwaffe gefunden. In: Süddeutsche Zeitung vom 9. November 2011.
  12. Artikel Trauerfeier für Michéle Kiesewetter in Böblingen. In: Standpunkt Nr. 18 vom 7. Mai 2007.
  13. Artikel Mordopfer Michele Kiesewetter in ihrem Heimatort beigesetzt. In: Stimme.de vom 2. Mai 2007.

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