Hugo Sellheim

Hugo Sellheim
Hugo Sellheim

Hugo Sellheim (* 28. Dezember 1871 in Biblis bei Worms; † 22. April 1936 in Leipzig) war ein deutscher Gynäkologe und Geburtshelfer.

Inhaltsverzeichnis

Leben und Wirken

Hugo Sellheim wurde als Sohn eines praktischen Arztes in Biblis geboren. Er besuchte Gymnasien in Worms und Gießen, bevor er in Gießen, Erlangen, Berlin und Freiburg Medizin studierte. 1895 promovierte er an der Universität Freiburg mit einer Dissertation Über die Verbreitungsweise des Karzinoms in den weiblichen Sexualorganen durch Einimpfung und auf dem Lymph- oder Blutwege. Nach einem Volontariat im Sommer 1895 im Pathologischen Institut der Universität Breslau Ende 1895 begann Sellheim eine Tätigkeit als Assistent in der Klinik für Geburtshilfe und Gynäkologie der Universität Freiburg unter Alfred Hegar. Er wurde dort 1898 für das Fach Geburtshilfe und Gynäkologie habilitiert. 1902 wurde Hugo Sellheim zum außerordentlichen Professor ernannt und 1905 bei der Eröffnung der Akademie für praktische Medizin Düsseldorf zum ersten Direktor der neu errichteten Frauenklinik berufen. 1907 erhielt er den Ruf auf ein Ordinariat an der Universität Tübingen, dem er folgte. Eine Berufung an die Universität Göttingen lehnte er ab. 1917 wurde er auf den Lehrstuhl der Universität Halle (Saale) berufen und leitete während des Ersten Weltkrieges vorübergehend ein Reservelazarett in Tübingen. 1926 wechselte er von Halle als Ordinarius an die Universitätsfrauenklinik Leipzig. Er leitete diese bis zu seinem Tode im Alter von 64 Jahren. Zu seinem Nachfolger wurde Robert Schröder aus Kiel.

Sellheim war seit 1890 Mitglied des Corps Starkenburgia Gießen.[1]

Nach Otto von Franqué war Sellheim der 21. Präsident der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe und leitete deren Kongress 1929 in Leipzig, den er mit dem programmatischen Vortrag „Zukunftspläne der Geschlechtsbeziehungen und Frauenkunde“ einleitete. Er beschrieb darin das Frauenbild der damaligen Zeit, welches aus den biologischen Besonderheiten des weiblichen Organismus abgeleitet wurde.

Hugo Sellheim arbeitete an Forschungen für einen chemischen Schwangerschaftsnachweis und beschäftigte sich mit Verfahren zum Vaterschaftsnachweis. Er trug maßgeblich zur Aufklärung über Sexualität, Verhütung und Geburt bei und erforschte die mechanischen Vorgänge bei der Geburt („Sellheim’scher Geburtsmechanismus“). Hugo Sellheim formulierte 1911 als Erster das Recht der Frau, über den Zeitpunkt einer Schwangerschaft selbst zu entscheiden. Zusammen mit Johann Veit entwickelte er den extraperitonealen Kaiserschnitt weiter, da unter den damaligen Bedingungen die Eröffnung der Bauchhöhle als riskant galt. 1916 hielt er in Tübingen als erster akademischer Lehrer öffentliche Vorlesungen über frauenkundliche Probleme. Für Hugo Sellheim war Frauenkunde der „… Teil unserer Wissenschaft, der nach Abzug von Frauenheilkunde und Geburtshilfe im engeren Sinne verbleibt. Ich rechne die ganze Anatomie, Physiologie und Biologie der Frau und des Frauenwesens dazu.“ Er meinte jedoch auch: „Durch zu viel Sport nach männlichem Muster“ werde der Frauenkörper „direkt vermännlicht, die weiblichen Unterleibsorgane verwelken“. Noch 1931 warnte er vor einem „künstlich gezüchteten Mannweib“.

Schriften (Auswahl)

  • Die Geburt des Menschen nach anatomischen, vergleichend-anatomischen, physiologischen, physikalischen, entwicklungsmechanischen, biologischen und sozialen Gesichtspunkten. J. F. Bergmann, Wiesbaden, 1913
  • Was tut die Frau fürs Vaterland? . F. Enke, Stuttgart, 1915
  • Die geburtshilflich-gynäkologische Untersuchung: Ein Leitfaden für Studierende und Ärzte. J. F. Bergmann, München, 1923
  • Hygiene und Diätetik der Frau. J. F. Bergmann, München, 1926
  • Die Bestimmung der Vaterschaft nach dem Gesetz und vom naturwissenschaftlichen Standpunkt. J. F. Bergmann , München, 1928
  • Über die Bedeutung der Frauenkunde für die Sozialversicherungen nebst Bemerkungen über Ursprung und Wesen der Frauenkunde. Zentralbl Gynäkol 53 (1929), 1197
  • Moderne Gedanken über Geschlechtsbeziehungen. Kabitzsch, Leipzig, 1929
  • Moderne Gedanken über Geschlechtsbeziehungen. Kabitzsch, Leipzig, 1930
  • Gemütsverstimmungen der Frau: Eine medizinisch-juristische Studie. Enke, Stuttgart, 1930
  • Frauengymnastik im Lichte der funktionellen Entwicklung. Kabitzsch, Leipzig, 1931
  • Wechseljahre der Frau: Ihre Bedeutung für das Leben. F. Enke, Stuttgart, 1932

Verhalten in der NS-Zeit

Nach der „Machtergreifung“ der Nationalsozialisten war Sellheim Mitglied im Opferring der NSDAP, Förderndes Mitglied der SS, der SA Reserve I, Mitglied des Nationalsozialistischen Lehrerbundes, der Nationalsozialistischen Volkswohlfahrt, des Reichsbundes der deutschen Beamten sowie Alter Herr des Nationalsozialistischen Deutschen Studentenbundes. Offenbar erschien er dem NS-Regime jedoch nicht als zuverlässig genug, da der Gauobmann des NS-Ärztebundes forderte, Sellheim, Paul Morawitz und Erwin Payr aus ihren Ämtern zu entfernen, was jedoch vom Ministerium in Dresden abgelehnt wurde.

Literatur

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Kösener Corpslisten 1930: 38, 452

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