Karl Diehl (Arzt)

Karl Diehl (Arzt)

Karl Diehl (* 27. April 1896 in Cleeberg; † 25. Oktober 1969 in Bad Schwalbach) war ein deutscher Internist. Gemeinsam mit Otmar von Verschuer betrieb er Forschung zur Genetik der Tuberkulose. In der Literatur wird Karl Diehl bisweilen mit dem Krefelder Arzt und NSDAP-Landtagsabgeordneten Emil Heinrich Diehl verwechselt.[1]

Inhaltsverzeichnis

Leben

Diehl nahm als Freiwilliger am Ersten Weltkrieg teil. Im Oktober 1914 wurde er in der Schlacht bei Ypern schwer verwundet und von den Engländern gefangen genommen. Bei einem Gefangenenaustausch kam er frei. Nach dem Krieg studierte er Medizin in Marburg und Hamburg. Während seiner Zeit als Assistenzarzt erkrankte er an Tuberkulose. Er ging zunächst zur Kur nach Davos, wurde dann aber auch Assistenzarzt an der dortigen deutschen Heilstätte. 1927 wechselte er als dirigierender Arzt der chirurgischen Abteilung an die Tuberkulose-Klinik der Stadt Berlin in Beetz-Sommerfeld, demWaldhaus Charlottenburg“.

Gemeinsam mit Otmar von Verschuer, mit dem er seit dem Studium in Marburg befreundet war, und der auch mit ihm an die Universität Hamburg gewechselt war, arbeitete Diehl zur Erblichkeit der Tuberkulose. Ihre gemeinsame Publikation überTuberkulose-Zwillingeerregte Aufsehen. Darin sahen sie Belege für die genetische Disposition zur Tuberkulose gegeben und nahmen damit in der zeitgenössischen Debatte eine Extremposition ein. Mit eugenischen Forderungen hielten sie sich allerdings zurück. Diehl nahm Kritik dabei eher auf als Verschuer, indem er zugab, dass die Zahl der untersuchten Zwillingspaare gering sei, und dass es umweltbedingte Tuberkulose gebe. Analogieschlüsse lehnte er ab.[2] Nach 1945 lobte Diehl gegenüber Verschuer das Konzept einer christlichen Eugenik, wie sie Hermann Muckermann vertrat. Er habeselten einen Mann so bewundert und verehrt wie Muckermann", nachdem erihn reden hörte".[3]

Seit 1931 war Diehl auch externer wissenschaftlicher Mitarbeiter des Kaiser-Wilhelm-Instituts für Anthropologie, menschliche Erblehre und Eugenik (KWI-A). 1935 wurde er dirigierender Arzt im TuberkulosekrankenhausWaldhaus Charlottenburgund außerordentlicher Professor in Frankfurt am Main, wo auch Verschuer arbeitete. 1937 trat er der NSDAP bei.

1936 erprobt Diehl die Tauglichkeit des von Hans Nachtsheim entwickelten ‚Kaninchenmodellsfür die Tuberkuloseforschung. Diehl gelang die Züchtung von zwei Kaninchenstämmen mit unterschiedlicher Resistenz gegenüber Tuberkulose-Erregern. Anfang August 1939 wurde in seiner Klinik eine Außenstelle des KWI-A für Tuberkulose-Forschung eingerichtet und Diehl damit Abteilungsleiter am KWI-A. Seine Arbeit wurde 1943 als kriegswichtig eingestuft und besonders gefördert.[4]

Bald nach Kriegsende beabsichtigte Verschuer, Diehl zu sich nach Frankfurt holen. Er hoffte auf Grund der zu diesem Zeitpunkt hohen Zahl an Tuberkulose-Erkrankungen, für dieses Vorhaben schnell Unterstützung zu finden. Allerdings hatte Diehl wegen der Nahrungsmittelknappheit bereits einige Tiere seiner Zucht schlachten müssen, und weitere waren von Dieben gestohlen worden. Ebenfalls auf Initiative Verschuers wurde Diehl 1948 Chefarzt der Tuberkulose-Klinik Paulinenberg in Bad Schwalbach. Das Vorhaben, eine erbliche Tuberkulose-Resistenz zu züchten, führte er bis in die späten 1950er Jahre fort. 1957 wurde er außerplanmäßiger Professor an der Johann-Wolfgang-Goethe-Universität Frankfurt am Main und wissenschaftlicher Mitarbeiter am Max-Planck-Institut für Biochemie in München.

Schriften

  • Über das primäre Urethralcarcinom des Mannes. Diss. med. Hamburg 1922.
  • mit Wilhelm Kremer: Thorakoskopie und Throakokaustik. Berlin 1929.
  • mit Otmar Frhr v. Verschuer: Zwillingstuberkulose
    • Teil I: Zwillingsforschung und erbliche Tuberkulosedisposition. Jena 1933
    • Teil II: Der Erbeinfluß bei der Tuberkulose. Jena 1936
  • Das Erbe als Formgestalter der Tuberkulose. Experimente über d. Tuberkulose bei Kaninchen. Leipzig 1941.

Literatur

  • Ernst Klee: Deutsche Medizin im Dritten Reich. Frankfurt a. M. 2001.
  • Hans-Peter Kröner: Von der Rassenhygiene zur Humangenetik. Stuttgart 1998.
  • Hans-Walter Schmuhl (Hrsg.): Rassenforschung an Kaiser-Wilhelm-Instituten vor und nach 1933. Göttingen 2003.
  • Hans-Walther Schmuhl: Grenzüberschreitungen. Das Kaiser-Wilhelm-Institut für Anthropologie, menschliche Erblehre und Eugenik 1927 - 1945. Göttingen 2005.
  • Achim Trunk: Rassenforschung und Biochemie. Ein Projekt - und die Frage nach dem Beitrag Butenandts. In: Wolfgang Schieder u. Achim Trunk (Hrsg.): Adolf Butenandt und die Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft. Wissenschaft, Industrie und Politik im ‚Dritten Reich‘. Göttingen 2004, S. 247-285.

Einzelnachweise

  1. Hans-Walther Schmuhl: Grenzüberschreitungen. Das Kaiser-Wilhelm-Institut für Anthropologie, menschliche Erblehre und Eugenik 1927 - 1945. Göttingen 2005, S. 142.
  2. Hans-Walther Schmuhl: Grenzüberschreitungen. Das Kaiser-Wilhelm-Institut für Anthropologie, menschliche Erblehre und Eugenik 1927 - 1945. Göttingen 2005, S. 240f.
  3. Ingrid Richter: Katholizismus und Eugenik in der Weimarer Republik und im Dritten Reich. Paderborn 2002, S. 302. Hans-Peter Kröner: Von der Rassenhygiene zur Humangenetik. Stuttgart 1998, S. 192.
  4. Schmuhl: Grenzüberschreitungen, S. 347.

Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Нужно решить контрольную?

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Karl Diehl — ist der Name folgender Personen: Karl Diehl (Ökonom) (1864–1943), deutscher Nationalökonom Karl Diehl (Arzt) (1896–1969), deutscher Internist Karl Diehl (Unternehmer) (1907–2008), deutscher Unternehmer Karl Ludwig Diehl (1896–1958), deutscher… …   Deutsch Wikipedia

  • Diehl — steht für: Diehl Stiftung, ein deutsches Unternehmen mit Sitz in Nürnberg Diehl Defence, ein deutscher Wehrtechnikproduzent mit Hauptsitz in Überlingen, Teilkonzern der Diehl Stiftung Diehl Aerosystems, ein deutscher Luftfahrtausrüster mit Sitz… …   Deutsch Wikipedia

  • Karl Ludwig Diehl — (* 14. August 1896 in Halle/Saale; † 8. März 1958 in Gut Berghof/Penzberg) war ein deutscher Schauspieler. Leben und Wirken In den 1930er und 1940er Jahren zählte Karl Ludwig Diehl ebenso wie Hans Albers, Willy Birgel, Johannes Heesters, Carl… …   Deutsch Wikipedia

  • Karl Jaspers — Karl Theodor Jaspers (* 23. Februar 1883 in Oldenburg; † 26. Februar 1969 in Basel) war ein deutscher Psychiater, der als Philosoph weit über Deutschland hinaus bekannt wurde. Er wurde 1967 Schweizer Staatsbürger. Jaspers gilt als herausragender… …   Deutsch Wikipedia

  • Karl Christian Reisig — (* 17. November 1792 in Weißensee (Thüringen); † 17. Januar 1829 in Venedig) war ein deutscher Klassischer Philologe. Leben Karl Christian Reisig, der Sohn eines wohlhabenden Arztes, erhielt den ersten Unterricht von seinem Vater und besuchte ab… …   Deutsch Wikipedia

  • Liste der Biografien/Di — Biografien: A B C D E F G H I J K L M N O P Q …   Deutsch Wikipedia

  • Josef Mengele — (1956) Josef Mengele (* 16. März 1911 in Günzburg; † 7. Februar 1979 in Bertioga, Brasilien) war ein deutscher Arzt. Als Lagerarzt im Konzentrations und Vernichtungslager Auschwitz nahm er …   Deutsch Wikipedia

  • Liste der Söhne und Töchter der Stadt Nürnberg — Die folgende Liste enthält bedeutende in Nürnberg geborene Persönlichkeiten, unabhängig von ihrem späteren Wirkungskreis, sowie Personen die in Nürnberg gewirkt haben. Die Liste erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Dürer Denkmal auf dem… …   Deutsch Wikipedia

  • Söhne und Töchter der Stadt Nürnberg — Die folgende Liste enthält bedeutende in Nürnberg geborene Persönlichkeiten, unabhängig von ihrem späteren Wirkungskreis, sowie Personen die in Nürnberg gewirkt haben. Die Liste erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Dürer Denkmal auf dem… …   Deutsch Wikipedia

  • Liste berühmter Hundertjähriger — Diese Liste enthält Persönlichkeiten, die ihr hundertstes Lebensjahr vollenden konnten. Noch lebende hundertjährige Persönlichkeiten Personen, die ein Lebensalter von 105 Jahren erreicht haben, sind kursiv dargestellt. A–G Hilja Aaltonen (* 27.… …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
https://de-academic.com/dic.nsf/dewiki/2444539 Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”