- Klosterkirche St. Annen (Kamenz)
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Die Klosterkirche St. Annen war die Kirche des Kamenzer Franziskanerkonvents. Nach der Aufhebung des Klosters wurde die Kirche für den evangelischen Gottesdienst der sorbischen Einwohner genutzt. Seit August 2011 dient der Raum sowohl kirchlichen Zwecken, Konzerten und Veranstaltungen als auch der Präsentation sakraler Kunstwerke aus den Kamenzer Kirchen.[1]
Inhaltsverzeichnis
Geschichte
Nachdem der Kamenzer Rat seinen lang anhaltenden Widerstand gegen die Absicht des böhmischen Königs Vladislav II., hier Franziskaner von der strengen Observanz anzusiedeln, aufgab, konnte am 20. Mai 1493 der Grundstein für den Bau des Klosters durch den Oberlausitzer Landvogt Sigismund von Wartenberg gelegt werden. Damit war der Kamenzer Konvent die letzte Franziskanergründung in den Ländern der böhmischen Krone. Auf Betreiben des Landvogts wurde auch ein Ablass eingerichtet, der für die Besucher 1.200 Tage „Gültigkeit“ hatte. Die ersten Mönche kamen aus dem südböhmischen Kloster Bechin.
Der Rat hatte den Mönchen allerdings lediglich einen Bauplatz außerhalb der Stadtmauern am Nordrand der Stadt zugewiesen, sodass das Kloster selber für die Verteidigung, die Befestigung und die Eingliederung seiner Gebäude in den Mauerring sorgen musste. Dies hatte kuriose Folgen: Nachdem der Konvent einen äußeren, die Klostergebäude umschließenden Mauerring errichtet hatte, gelang es ihm 1518, ein Haus an der inneren Mauer zu erwerben, an dessen Stelle das Klostertor errichtet wurde – das Kloster erhielt endlich einen geschützten Zugang zur Stadt. 1521 waren die rechtlichen Verhältnisse an den Stadtmauern mit dem Rat endgültig geklärt.
1512 erhielt Konvent Reliquien der Heiligen Anna aus Prag, deren Patrozinium die Kirche unterstellt wurde. 1518 vermehrte König Ludwig II. die Privilegien des Klosters.
Die Bauphasen und die Urheberschaft sind urkundlich schwer zu fassen. Ein Achsversatz sowie ein Knick zwischen Chor und Langhaus lassen vermuten, dass diese nicht gleichzeitig ausgeführt wurden. Die Jahreszahl 1512 am Triumphbogen deutet auf die Vollendung des Langhauses in jenem Jahr hin. Als Baumeister nennt Cornelius Gurlitt nach Analyse von Steinmetzzeichen einen Wolf(f) Rüdinger, der auch an vielen anderen Orten der Oberlausitz und später in Schneeberg wirkte; Georg Dehio dagegen einen Wollff Hrabisch.
Mit der ursprünglich ablehnenden Haltung des Rates kontrastierte die engen Verbundenheit der Innungen und vieler Bürgerfamilien mit dem Orden, was sich in der Stiftung zahlreicher Altäre ausdrückte. Der Erfolg der Franziskaner erscheint umso deutlicher, wenn man sich die kurze Zeit des Bestehens des Klosters vor Augen führt.
1527 hielt Prädikant Johannes Ludwig die erste protestantische Predigt in Kamenz, 1536 ordnete der Rat endgültig die Einführung der Reformation an. Das Franziskanerkloster blieb noch eine Weile die Bastion des Katholizismus in der Stadt. Dem Ordensgeistlichen Matthes Rudolph, der später als „Kluger Mönch“ legendär wurde, gelang es sogar, zunehmend Menschen wieder für die „Alte Lehre“ zu gewinnen, worüber sich der Rat beschwerte.[2] Nachdem der letzte Mönch das Kloster 1564 verlassen hatte, übergab der Administrator des Bistums Meißen in der Ober- und Niederlausitz Johann Leisentrit – gegen den ausdrücklichen Willen des Bechiner Mutterklosters – Kirche und Konventsgebäude an die Stadt. Zu den mit der Übergabe an den Rat verknüpften Bedingungen gehörten das Abhalten der Messe nach wendischem Ritus in der Klosterkirche, die Einrichtung einer Schule in den Konventsgebäuden sowie der Schutz der Altäre, Heiligenbilder, Gewänder und Messkelche vor Profanierung.[3] In der Folgezeit wurde in den Klostergebäuden tatsächlich eine Ratslateinschule eingerichtet, die später auch Gotthold Ephraim Lessing besuchte. Die Kirche diente vereinbarungsgemäß dem sorbischsprachigen evangelischen Gottesdienst, der zuvor in der Katechismuskirche gefeiert worden war, und erhielt Bezeichnung Wendische Kirche.
1672 wurde eine Empore eingebaut. Die Brände von 1707 und 1842, die große Teile der Stadt und die Konventsgebäude zerstörten, ließen zumindest die Innenausstattung der Kirche unversehrt. Nach 1842 wurde das Kircheninnere vollkommen neu gestaltet: Zahlreiche Einrichtungsgegenstände wurden ausgelagert und kamen erst 1911 wieder in die Kirche. Im Verlauf dieser Arbeiten wurden auch die Fenster auf der Südseite ausgebrochen, wobei ein mittelalterliches Freskengemälde zerstört wurde, sowie die Glockenbekrönung über dem Westgiebel errichtet, an deren Planung auch Gottfried Semper beteiligt war. Außerdem erhielt die Kirche ein neues Gestühl, eine neue Kanzel, die Westempore sowie eine 26-registrige Orgel von Johann Gottlob Mende, die 1994 restauriert wurde.
Nachdem 2003 bereits Teile der Erstbemalung des Chorgewölbes aufgedeckt werden konnten, wurde diese im Rahmen der Innensanierung der Kirche 2009 komplett freigelegt. Dabei wurden partiell Fehlstellen in den Malschichten ergänzt (sog. Retusche). 2010 konnte die im Zuge der Restaurierungsarbeiten am Triumphbogen aufgefundene Anna-selbdritt-Darstellung von 1512 erneuert werden. Es handelt sich hierbei um eine al-secco-Malerei.
Gegenwart: Kirche und Museum
Bis Anfang des 21. Jahrhunderts diente die Klosterkirche vor allem als Konzert- und Ausstellungsraum. Außerdem wurden hier Festgottesdienste sowie ökumenische und Schulgottesdienste abgehalten.
Im Dezember 2009 schlossen die Kirchengemeinde und die Stadt Kamenz einen auf 50 Jahre angelegten Kooperationsvertrag über die Nutzung und Umgestaltung der Kirche, die im August 2011 abgeschlossen wurde. Das Gotteshaus wird seitdem einerseits weiterhin für Gottesdienste genutzt, andererseits beherbergt der Raum ein Museum (Sakralmuseum), in dem die zahlreichen sakralen Kunstschätze aus den Kamenzer Kirchen angemessen präsentiert werden können. In einem Funktionsanbau für Kirche und Kunstmuseum fand außerdem die Kamenzer Touristeninformation ihren Platz.
Baubeschreibung
Die bemerkenswerte Lage des Klosters „vor den Mauern“ kommt heute, da die Konventsgebäude nicht mehr existieren und die äußere Stadtbefestigung abgerissen ist, nicht mehr zur Geltung. Derzeit präsentiert sich die Kirche freistehend als turmlose Hallenkirche mit steilem Satteldach. Der Bau ist aus Bruchsteinen errichtet und verputzt. An der Ost- und Westseite des Langhauses befinden sich mit Backsteinen verzierte Giebel.
Der Innenraum als dreischiffige vierjochige Halle erscheint hell und weit. Sechs Achteckpfeiler aus Sandstein stützen das regelmäßige Parallelrippengewölbe im Langhaus. Ein Triumphbogen teilt Langhaus vom dreijochigen Chorraum mit 3/8-Schluss, dessen Decke ebenfalls gewölbt ist.
Ausstattung
Die Ausstattung ist für die Größe der Stadt und für eine evangelische Kirche außergewöhnlich. Fünf spätgotische Flügelaltäre sowie Figuren nicht mehr erhaltener Altäre dominieren den Raum. Ein weiterer Altar (Marienkrönungsaltar), der ursprünglich in der Klosterkirche stand, befindet sich heute als Hochaltar in der Begräbniskirche St. Just.[4]
Annenaltar (Hauptaltar)
um 1512/13 oder um 1520; Predella mit Darstellung des Heiligen Abendmahls, seitlich die Wappen des Stifters - von König Vladislav II. oder seines Sohnes König Ludwig II.; im Schrein Anna selbdritt, darüber in Wolken schwebend Gottvater; in den Flügeln Heilige Sippe; auf den Flügelrückseiten in Anlehnung an druckgrafische Vorlagen (Dürer und Schongauer) Gemälde: Judaskuss, Kreuztragung, Jesus vor Pilatus, Kreuzigung.
1582 wollte Elisabeth von Österreich, die sich nach ihrer Zeit als Königin von Frankreich in Wien der Armenfürsorge und Krankenpflege widmete, den von ihrer Großtante Maria gestifteten Altar über Administrator Leisentritt erwerben – vielleicht sollte er der Ausstattung des von ihr gegründeten Wiener Klarissenklosters dienen. Der Kamenzer Rat lehnte den Verkauf ab.
Marienaltar
um 1512/13 oder um 1520; Predella (wohl eigentlich zum Sippenaltar gehörig [s.u.]) mit Darstellung von drei Kirchenvätern; im Schrein Maria mit Strahlenkranz, umschwebt von Engelspaar; linker Flügel oben Verkündigung, unten Geburt Christi, rechter Flügel oben Heimsuchung, unten Anbetung der Hl. Drei Könige; auf den Flügelrückseiten gemalte Darstellungen aus Marias Leben.
Sippenaltar
um 1512/13 oder um 1520; ohne Predella; im Mittelschrein Maria mit dem Christkind und Anna, darüber Joseph und die Männer Annas; in den Seitenflügeln Maria Kleophas und Maria Salome sowie weitere Angehörige der Hl. Sippe; auf den Rückseiten wird die Darstellung des geschnitzten Schreins in Tafelgemälden wiederholt. Zwei Tafeln, heute im Museum der bildenden Künste in Leipzig, bildeten möglicherweise ursprünglich die äußeren Flügel. Darauf sind auf den Innenseiten die Hl. Sippe und auf den Außenseiten Joachim und Anna dargestellt. Der vollständige Altar würde demnach in der ersten Wandlung die geschnitze Festatgsseite in Malerei wiederholen, im geschlossenen Zustand die Begenung an der Golden Pforte zeigen.
Franziskusaltar
etwa 1515; Predella mit Kreuztragung (nach Vorlagen von Martin Schongauer); Mittelschrein mit Stigmatisierung des Hl. Franziskus; geschnitzte Flügelreliefs mit Stationen aus Franzikus’ Leben (Lossagung vom Vater und Entsagung aller irdischen Güter, Traum Papst Innozenz' III., Predigt des Franziskus, Tod des Franziskus); in der ersten Wandlung Tafelgemälde mit den Wundern des Heiligen; auf den Rückseiten vier Gemälde mit jeweils drei Nothelfern.
Heilandsaltar
bez. 1513; Predella links Geburt Christi, rechts Anbetung der Hl. Drei Könige, dazwischen eine Architektur, möglicherweise ein Hostientabernakel; Mittelschrein Christus flankiert von Franziskus und Bernhard von Siena; in den Flügeln Heilige und Märtyerer der Franziskaner; auf den Rückseiten Aposteldarstellungen (wiederum nach Vorlagen von Martin Schongauer).
Orgel
Nach dem Stadtbrand von 1842, bei dem alle Klostergebäude vernichtet wurden, die Kirche das Dach verlor, im Innern aber fast unbeschädigt blieb, wurde das Gotteshaus innen neu ausgestaltet. Im Jahr 1848 fasste der Rat der Stadt den Beschluss, eine Orgel für die Kirche planen zu lassen, und ersuchte den Dresdner Hoforganisten Johann Gottlob Schneider um ein Gutachten. 1849/50 erfolgte der Einbau der Orgel von Johann Gottlob Mende, die sein letztes Meisterwerk sein sollte – Mende verstarb am 14. August 1850. Als 1891 in der Kamenzer Hauptkirche St. Marien die neugotische Walcker-Orgel eingebaut und die bis dahin vorhandene Schurig-Orgel „vernichtet“ wurde, übernahm man von dieser ein Register – die Äoline 8’ (Fugara 8’) – in die Mende-Orgel der Klosterkirche. Das kursächsische Wappen mit den beiden Löwen vom alten Orgelprospekt der Marienkirche fand seinen neuen Platz an der Orgelempore der Klosterkirche.
Literatur
- Cornelius Gurlitt: Beschreibende Darstellung der älteren Bau- und Kunstdenkmäler des Königreichs Sachsen: Die Städte Kamenz und Pulsnitz. 36. Heft, Dresden 1912. – digital.slub-dresden.de
- Georg Dehio: Handbuch der Deutschen Kunstdenkmäler: Sachsen I. Deutscher Kunstverlag, München 1996, ISBN 3-422-03043-3.
- Klaus Mertens: Evangelische Kirchen Kamenz. Kleiner Kunstführer Nr. 2011, Schnell & Steiner, München 1992.
- Albrecht Sturm: Evangelische Kirchen Kamenz. Kleiner Kunstführer Nr. 2011 (3., neu bearbeitete Auflage), Schnell & Steiner, Regensburg 2009.
- Paul Rubardt, Ernst Jentsch: Kamenzer Orgelbuch. Ein Beitrag zur Geschichte des sächsischen Orgelbaus. Oberlausitzer Druckwerkstätten, Kamenz 1953.
- Jörg Freund (Firma restaurierung + farbdesign): Arbeitsbericht zur Restaurierung des Kursächsischen Wappens mit Löwen. 2010.
Weblinks
Commons: Klosterkirche St. Annen (Kamenz) – Sammlung von Bildern, Videos und AudiodateienEinzelnachweise
- ↑ kirchgemeinde-kamenz.de
- ↑ mariamagdalena-kamenz.de
- ↑ Judith Oexle u. a. (Hrsg.): Zeit und Ewigkeit. 128 Tage in St. Marienstern. Ausstellungskatalog zur Sächsischen Landesausstellung 1998. Verlag Janos Stekovics, Halle (Saale) 1998, ISBN 3-932863-06-2, hier S. 275.
- ↑ Beschreibung der Altäre in Kamenzer Kirchen mit Abbildungen
51.27135714.094413Koordinaten: 51° 16′ 17″ N, 14° 5′ 40″ OKategorien:- Annakirche
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