Kriegsverbrechen der Japanischen Armee im Zweiten Weltkrieg

Kriegsverbrechen der Japanischen Armee im Zweiten Weltkrieg

Wie schon zu Beginn des Angriffs auf China am 7. Juli 1937 nach dem Zwischenfall an der Marco-Polo-Brücke verübten Kräfte des japanischen Militärfaschismus während des Zweiten Weltkrieges bis zur Kapitulation Japans zahlreiche Verbrechen in China, dem Pazifischen Raum, Südostasien und dem indonesischen Archipel, wobei gezielt Millionen von Zivilisten und Kriegsgefangene ermordet wurden.[1][2][3][4][5] Sie fanden zeitgleich zu den Verbrechen des Nationalsozialismus in Europa statt. Manchmal werden auch japanische Kriegsverbrechen hinzu gezählt, die im Zuge der Besetzung der Mandschurei sei 1931 sowie der Eingliederung Koreas vor dem Zweiten Weltkrieg begangen wurden.

Inhaltsverzeichnis

Einleitung

Das Kaiserreich Japan war Anfang des 20. Jahrhunderts die einzige Industrienation Asiens und spielte im Vergleich zu seinem Nachbarn China eine große Rolle in der Weltpolitik. So war man im Russisch-Japanischen Krieg 1905 siegreich hervorgegangen und kämpfte sowohl im Ersten Weltkrieg auf Seiten der Entente Cordiale mit, als auch im Russischen Bürgerkrieg auf Seiten der Weißen Armee. Dabei verlor die Kaiserliche Armee wie schon seit über hundert Jahren kein einziges bedeutendes Gefecht. Das daraus resultierende Überlegenheitsgefühl vermischte sich zusammen mit Japans wachsendem Bedarf an Rohstoffen zu einem zunehmenden Nationalismus. Durch vorangegangene Kriege und Konflikte unter anderem mit China war es dem Kaiserreich schon gelungen, sich bedeutende Gebiete einzuverleiben (Taiwan, Süd-Sachalin, Korea). Beim Friedensvertrag von Versailles hatte man große Teile der deutschen Kolonie Deutsch-Neuguinea zugesprochen bekommen.

Am 18. September 1931 verübten japanische Offiziere einen Sprengstoffanschlag auf die Mukden Eisenbahn in der Mandschurei (siehe Mukden-Zwischenfall). Für den Anschlag wurden Chinesen verantwortlich gemacht und er diente als Vorwand, um zusätzlich zu den bereits im Nordosten Chinas stehenden japanischen Truppen endgültig in die Mandschurei einzumarschieren. Zu dieser Zeit kam es zu ersten Kriegsverbrechen Massaker von Pingdingshan.

Die Verbrechen geschahen aus unterschiedlichen Motiven und fanden oft auf Anweisung des Regimes des japanischen Kaiserreichs statt oder wurden von frustrierten Soldaten vor Ort verübt. Bei japanischen Einmärschen in sich ergebende Städte kam es zu großen Massakern wie 1937 bei Nanking (Massaker von Nanjing) oder im Verlauf von Kämpfen wie 1945 in Manila. In anderen Fällen wurden gezielt ethnische Gruppen das Ziel von Massenmorden, so wie die Chinesen der Malayischen Halbinsel Sook Ching Massaker oder es wurden bei der Partisanenbekämpfung ganze Landstriche präventiv entvölkert. Außerdem starben Millionen Menschen in Zwangsarbeitslagern und bei von den Japanern absichtlich herbeigeführten Hungerkatastrophen (vor allem in Indonesien und Indochina. [6]

Weiterhin wurde von japanischen Armeeeinheiten (z. B. der Einheit 731) zahlreiche Menschenversuche durchgeführt, unter anderem die Erprobung von biologischen und chemischen Waffen an lebenden Menschen. Andere dieser Verbrechen waren rassistisch motiviert wie das Sook Ching Massaker. Dies hing damit zusammen, dass in der Meji Zeit in Japan die Vorstellung entstanden war, dass die eigene „Rasse“ höherwertig war als alle anderen. Die anderen asiatischen Völker würden als minderwertig (unter dem eigenen stehend) und nur dem Nutzen dienend empfunden.

Massenmorde in China

Chinesische Zivilisten werden von japanischen Soldaten lebendig begraben.[7]
Hsuchow, China, 1938. Ein Graben mit Leichen chinesischer Zivilisten, getötet von japanischen Soldaten [8]

Viele der in China verübten Verbrechen stehen im Zusammenhang mit der jinmetsu (sōtō) sakusen (jap. 燼滅(掃討)作戦, wörtlich: „(Säuberungs-)Operation Einäschern und Vernichten“) – in China Politik der dreifachen Auslöschung (chinesisch 三光政策 sānguāng zhèngcè, engl. Three Alls Policy ‚alles niederbrennen, niedermetzeln und ausplündern‘) genannt – der japanischen Streitkräfte im Zweiten Chinesisch-Japanischen Krieg.

Das erste bekannte dieser Massaker war das Massaker von Pingdingshan am 16. September 1932 wo japanische Soldaten und Polizeikräfte zur Befriedung von Mandschukuo nach der Besetzung der Mandschurei das Dorf Pingdingshan für einen Stützpunkt einer Miliz hielten und deshalb die rund 3000 Einwohner zusammentrieben und töteten. Bereits am 29. Januar 1932 hatten japanische Flugzeuge im Zuge der Schlacht um Shanghai Shanghai bombardiert. Dabei und im Laufe der folgenden Besetzung starben 18.000 Zivilisten.

Nach dem japanischen Angriff auf China 1937 begannen die Massaker erneut, dieses Mal jedoch in einem bei Weitem größerem Ausmaß. Genau fünf Monate nach dem Zwischenfall an der Marco-Polo-Brücke erreichten japanische Truppen am 8. Dezember die chinesische Hauptstadt Nanjing und kesselten die Stadt ein. Fünf Tage später wurde die Stadt besetzt. Es kam zum sechs Wochen andauernden Massaker von Nanjing. Die Art der Tötungen war unterschiedlich. Zivilisten (Kinder und Kleinkinder eingeschlossen) und Kriegsgefangene wurden zu Tausenden mit dem Bajonett erstochen, erschossen, geköpft, ertränkt und lebendig begraben.[9][10] Insgesamt wurden bei dem Massaker 200.000 bis 300.000 Menschen ermordet.[11][12].

Weitere Massaker unter zahlreichen ähnlichen Verbrechen waren das Massaker von Panjiayu oder das Chagjiao Massaker.

Verbrechen im Pazifik und Südostasien

Nach dem Angriff auf Pearl Harbor weiteten die Japaner ihre Offensive auf ganz Asien aus und besetzten von dem zuvor schon annektierten Indochina aus die Philippinen, Südostasien und einen Großteil des indonesischen Archipels. Hierbei verübten japanische Armeeeinheiten sowohl an Kriegsgefangenen (Todesmarsch von Bataan) als auch an ethnischen Minderheiten rassistisch motivierte Kriegsverbrechen die schon im Vorfeld der Offensiven geplant wurden [13][14]. Da die Alliierten ihr Hauptaugenmerk darauf richteten, die Deutschen und Italiener in Nordafrika und Italien zu bekämpfen und die Invasion in Frankreich vorbereiteten, begannen sie erst 1944 mit größeren Gegenoffensiven. In dieser Zeit verübten die japanische Militärverwaltung in den besetzten Gebieten zahlreiche Kriegsverbrechen, die im Zuge der Ausbeutung der Rohstoffe (auch der Ressource Mensch) sowie der präventiven Unterdrückung der Bevölkerung verübt wurden.

Am 2. Januar 1942 besetzte die japanische Armee Manila. Während der Besatzungszeit kam es zu Massenerschießungen, Folter und Vergewaltigungen der Zivilbevölkerung. Menschen wurden lebendig verbrannt oder mit dem Samurai-Schwert geköpft. Am 16. Februar 1942 wurden auf der indonesischen Insel Bangka mehrere dutzend britische Soldaten und australische Krankenschwestern, die wegen Schiffbruchs auf der Insel festsaßen, von japanischen Soldaten exekutiert (siehe Massaker von Bangka).

Am 19. April 1942 ergaben sich die letzten amerikanischen und philippinischen Truppen auf den Philippinen. Es kam zum Todesmarsch von Bataan. Die Kriegsgefangenen mussten den ganzen Tag ohne Pause und ohne Wasser in der stechenden Sonne marschieren. Wer auf dem Marsch stehenblieb oder vor Erschöpfung umfiel, wurde mit dem Bajonett erstochen. Wer zu Bächen oder Quellen rannte, wurde erschossen. Insgesamt starben auf dem Todesmarsch von Baatan etwa 16.500 amerikanische und philippinische Kriegsgefangene. Die Zahl der getöteten Zivilisten, die den Marsch begleiten mussten ist unbekannt.

Nach der Landung amerikanischer Truppen auf Luzon wurde die philippinische Hauptstadt Manila zum Schlachtfeld. Bei den Kämpfen verübten die Japaner auf Anweisung aus Tokio während der letzten drei Februarwochen 1945 das Massaker von Manila, bei dem etwa 100.000 Zivilisten ermordet wurden. [15]

Einsatz biologischer und chemischer Waffen gegen Zivilisten

Wahrend des Zweiten Japanisch-Chinesischen Kriegs forschten mehrere japanische Armeeverbände unter großen Aufwand und Kosten an Massenvernichtungswaffen und setzen diese in China bei zahlreichen Gelegenheiten ein. Besondere Bekanntheit erlangte die Einheit 731.

Diese Einheiten setzen bei mehreren Operationen chemische und biologische Waffen sowohl gegen feindliche Truppen als auch gezielt zur Massentötung von Zivilisten ein.

Ende 1941 ließen japanische Truppen rund 3.000 chinesische Kriegsgefangene frei, nachdem man sie zuvor mit Typhus infiziert hatte. Am 5. Mai 1942 begann eine groß angelegte Racheaktion japanischer Truppen für den sogenannten Doolittle Raid, bei dem etwa 50 Japaner getötet worden waren, welcher wiederum eine Vergeltungsaktion für den Angriff auf Pearl Harbor war. Dabei zogen sich reguläre Einheiten der japanischen Armee aus für die Aktion vorgesehenen Gebieten in den chinesischen Provinzen Zhejiang und Jiangxi zurück, während Truppen der Einheit 731 genau in diese Gebiete einrückten und begannen, alle Seen, Quellen und Flüsse mit Milzbrand-Erregern zu verseuchen. Gleichzeitig warf die japanische Luftwaffe den Kampfstoff über Städten ab oder versprühte ihn über Wohngebieten. Im Zuge dieser Aktion wurden 250.000 Menschen ermordet.[16] Bei weiteren Racheaktionen setzte die japanische Armee Cholera, Typhus, Pest und Dysenterie Kampfstoffe ein.[17].

Alle Aktionen dieser Armeeeinheiten waren streng geheim und gegen Kriegsende wurden nahezu sämtliche Beweise vernichtet. Insgesamt sind nur einige dutzend Biowaffeneinsätze dokumentiert, doch es wird allgemein angenommen, dass es sich bei der Mehrzahl der scheinbar gewöhnlichen Seuchenausbrüche dieser Zeit in China um Aktionen des japanischen Militärs gehandelt hat.

Menschenversuche

Während des Zweiten Weltkrieges führten etwa 20.000 japanische Ärzte zahllose unmenschliche Experimente an unzähligen Menschen durch. Opfer waren hauptsächlich chinesische Zivilisten, aber auch philippinische, indonesische und vietnamesische Zivilisten und amerikanische, britische und australische Kriegsgefangene. Die ersten dieser Experimente begannen schon vor dem Zweiten Weltkrieg in der Mandschurei. Vor allem die Wirkung von Granaten wurde an Menschen aus unterschiedlichen Entfernungen und Positionen getestet und Unterkühlungsexperimente sowie Experimente mit hohen Druckunterschieden wurden mit Menschen durchgeführt.

Ab 1937 begannen Einheiten der japanische Armee, darunter die Einheit 731, biologische und chemische Waffen an lebenden Menschen zu testen. Man infizierte Menschen mit Milzbrand, Pest, Typhus, Pocken oder anderen Erregern und beobachtete den Krankheitsverlauf, nahm Versuchspersonen aus verschiedenen Krankheitsstadien und sezierte sie bei lebendigem Leib und vollem Bewusstsein, da man überzeugt war, dass eine Narkose die Ergebnisse verfälschen würde.[18] Bei diesen Experimenten wurden allein von der Einheit 731 3.500 Menschen ermordet.

Ab 1943 wurde die Seuchenanfälligkeit weißer Menschen an amerikanischen Kriegsgefangenen getestet, um später Einsätze von Biowaffen in den USA vorzubereiten, für deren Transport man bis 1945 Ballonbomben entwickelt hatte, welche über die Jetstreams nach Nordamerika gelangen sollten.[19]

Hungerkatastrophen in besetzten Ländern

Die japanische Besatzung beutete die besetzten Gebiete rücksichtslos aus, terrorisierte die Bevölkerung und nutzte sie, um ihren Bedarf an Rohstoffen zu decken. Dazu zählte die Zwangsarbeit von Millionen Menschen sowie die logistische Beschlagnahmung von Lebensmitteln ganzer Länder. Der hungernden Zivilbevölkerung wurde jegliche humanitäre Hilfe verweigert. In Verbindung mit den Konzentrationslagern, in denen Einheimische Zwangsarbeit verrichten mussten, und dem stark ausgeprägten, meist willkürlichen Unterdrückungssystem, das sich gegen Widerstandsgruppen richtete, führte dies zu mehreren Hungerkatastrophen, die Millionen Menschenleben forderten. In Vietnam starben allein bei der Hungerkatastrophe 1944-45 etwa zwei Millionen Menschen, was etwa 10 % der Gesamtbevölkerung entspricht.[20] Ein späterer Bericht der UNO spricht von etwa vier Millionen Toten in Indonesien, die in Folge von Hunger und Zwangsarbeit starben.[21]

Wissenschaftliche Rezeption der Ereignisse

Das Thema wird weltweit zumeist unter dem Begriff Kriegsverbrechen eingeordnet. Speziell in der englischsprachigen Literatur haben sich aber mittlerweile auch die Bezeichnungen Asian Holocaust[22] (dt. „Asiatischer Holocaust“) und Japanese war atrocities[23][24] („Japanische Kriegsgräuel“) eingebürgert.

Siehe auch

Literatur

Einzelnachweise

  1. The National Archives (U.K.); Nachweis von Fundorten im Archiv
  2. Japanese War Crimes. The National Archives (U.S.). Abgerufen am 8. Januar 2011.
  3. Pacific Theater Document Archive. War Crimes Studies Center, University of California, Berkeley. Abgerufen am 8. Januar 2011.
  4. Kafala, Tarik: What is a war crime?, BBC News. October 21, 2009. 
  5. Bibliography: War Crimes. Sigur Center for Asian Studies, George Washington University. Abgerufen am 8. Januar 2011.
  6. Louis de Jong [2002]: III Starvation in the Indies. In: The collapse of a colonial society. The Dutch in Indonesia during the Second World War, translation J. Kilian, C. Kist and J. Rudge, introduction J. Kemperman, S. 227–281, Leiden, The Netherlands: KITLV Press 2002, ISBN 90-6718-203-6
  7. Joseph Chapel (2004): Denial of the Holocaust and the Rape of Nanking. Abgerufen am 8. Januar 2011.
  8. China Weekly Review October 22, 1938
  9. John E. Woods, The Good man of Nanking, the Diaries of John Rabe, S. 281.
  10. Joseph Chapel (2004): Denial of the Holocaust and the Rape of Nanking. Abgerufen am 8. Januar 2011.
  11. Tokushi Kasahara, Le massacre de Nankin et les mécanismes de sa négation par la classe politique dirigeante
  12. HyperWar: International Military Tribunal for the Far East (Chapter 8) (Paragraph 2, p. 1015, Judgment International Military Tribunal for the Far East). Abgerufen am 8. Januar 2011.
  13. TRANSCRIPT OF MINISTER MENTOR LEE KUAN YEW’S INTERVIEW WITH MARK JACOBSON FROM NATIONAL GEOGRAPHIC ON 6 JULY 2009 (FOR NATIONAL GEOGRAPHIC MAGAZINE JAN 2010 EDITION)
  14. "The Battle of Singapore, the Massacre of Chinese and Understanding of the Issue in Postwar Japan" by Hayashi Hirofumi
  15. University of San Diego: Defeat of Japan 1945
  16. PBS Perilous Flight
  17. Yuki Tanaka, Hidden Horrors, Westviewpres, 1996, p.138
  18. Menschenversuche abgerufen am 25. Juni 2010
  19. Japan bereitete den Einsatz von Bio-Waffen gegen die USA vor abgerufen am 25. Juni 2010
  20. "Vietnam needs to remember famine of 1945"
  21. Dower, John W. War Without Mercy: Race and Power in the Pacific War (1986; Pantheon; ISBN 0-394-75172-8)
  22. Ralph Blumenthal: The World: Revisiting World War II Atrocities; Comparing the Unspeakable to the Unthinkable. In: The New York Times, March 7, 1999. Abgerufen am 26. Juli 2008. 
  23. http://news.bbc.co.uk/2/low/in_depth/39166.stm. In: BBC News Online, December 13, 1997. Abgerufen am 26. Juli 2008. 
  24. David Sanger: Japanese Edgy Over Emperor's Visit to China. October 22, 1992. Abgerufen am 26. Juli 2008. 

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