Le Havre (Film)

Le Havre (Film)
Filmdaten
Originaltitel Le Havre
Produktionsland Finnland, Frankreich, Deutschland
Originalsprache Französisch
Erscheinungsjahr 2011
Länge 93 Minuten
Stab
Regie Aki Kaurismäki
Drehbuch Aki Kaurismäki
Produktion Sputnik, Pyramide Productions, Pandora Film
Kamera Timo Salminen
Schnitt Timo Linnasalo
Besetzung
  • André Wilms: Marcel Marx
  • Kati Outinen: Arletty
  • Jean-Pierre Darroussin: Kommissar Monet
  • Blondin Miguel: Idrissa
  • Elina Salo: Claire
  • Evelyne Didi: Yvette
  • Quoc Dung Nguyen: Chang
  • François Monnié: Lebensmittelhändler
  • Roberto Piazza: Little Bob
  • Pierre Étaix: Doktor Becker
  • Jean-Pierre Léaud: Denunziant
Hauptdarsteller André Wilms bei den Filmfestspielen von Cannes 2011

Le Havre ist ein Spielfilm des finnischen Regisseurs Aki Kaurismäki aus dem Jahr 2011. Die französischsprachige Tragikomödie spielt in der titelgebenden französischen Hafenstadt und stellt einen ehemaligen Literaten und Schuhputzer (dargestellt von André Wilms) in den Mittelpunkt, der sich eines Flüchtlingskindes aus Afrika annimmt. Der Film feierte seine Premiere am 17. Mai 2011 im Wettbewerb der 64. Filmfestspiele von Cannes. Der deutsche Kinostart war am 8. September 2011, die Veröffentlichung in Finnland einen Tag später.[1]

Inhaltsverzeichnis

Handlung

Marcel Marx, ein früherer Literat und Möchtegern-Künstler, dessen Erfolg „eher künstlerischer Art“ gewesen war, ist von Paris in die französische Hafenstadt Le Havre gezogen. Sein Traum, eine Karriere als Schriftsteller einzuschlagen, hat er aufgegeben und verdient sich mehr schlecht als recht seinen Lebensunterhalt als Schuhputzer in der Nähe des Bahnhofs. Dennoch ist er mit seinem Leben zufrieden und meint, der Gesellschaft auf diese Weise besser dienen zu können. Er lebt in einem kleinen Haus, wo ihm seine liebevolle Ehefrau Arletty und die Hündin Laïka zur Seite stehen. Regelmäßig sucht Marcel in Le Havre seine Stammkneipe auf. Eines Tages trifft er zufällig während des Mittagessens auf Idrissa, der sich im Wasser unter der Pier verborgen hat. Der Junge aus dem Gabun ist, in einem Container versteckt, illegal nach Frankreich eingereist und vor den Behörden geflüchtet. Er wird von Marcel (und Laika) aufgenommen.

Währenddessen wird bei Arletty Krebs diagnostiziert. Sie hält ihr Wissen um ihre unheilbare Krankheit aber vor ihrem Ehemann geheim, da dieser trotz seines fortgeschrittenen Alters nie erwachsen geworden ist und den Alltag von seiner Frau regeln lässt. Marcel hilft Idrissa trotz aller Widerstände nach London zu gelangen, wo dessen Mutter lebt. Unterstützt wird er hierbei von seiner solidarischen Nachbarschaft, die unter anderem aus dem örtlichen, ihm sonst nicht wohlgesinnten Gemüsehändler, der Bäckerin Yvette sowie dem Sänger Roberto Piazza („Little Bob“) besteht. Dieser gibt im Auftrag von Marcel ein Wohltätigkeitskonzert für Idrissa, um die Schlepper bezahlen zu können. Auch der nach dem Jungen suchende Kommissar Monet setzt sich für Idrissa ein. Er entdeckt Idrissa in seinem Versteck auf einem Fischerboot, verhindert aber eine Durchsuchung des Bootes durch seine Kollegen.

Marcels bettlägerige Ehefrau erholt sich währenddessen, bei einem Aufenthalt im Krankenhaus, wie durch ein Wunder von ihrem schweren Leiden.

Entstehungsgeschichte

Mit Le Havre fand Aki Kaurismäki nach Das Leben der Bohème (1992) wieder zum französischsprachigen Film zurück. In diesem hatte ebenfalls der französische Schauspieler André Wilms die Figur des Marcel Marx verkörpert, die nach dem französischen Filmregisseur Marcel Carné und dem deutschen Philosophen und Ökonomen Karl Marx benannt wurde. Als Namenspate für die Ehefrau der Hauptfigur stand die französische Schauspielerin Arletty Pate.[2]

Die Idee, das Thema von illegalen Flüchtlingen in der Europäischen Union aufzugreifen, kam Kaurismäki eigenen Angaben zufolge vor einigen Jahren. Er wusste jedoch nicht, wo er die Geschichte, die in fast jedem europäischen Land spielen könnte, hätte drehen sollen. Für die Vorbereitungen zum Film reiste Kaurismäki die europäische Küste entlang, von Genua, über Südfrankreich, Spanien, Portugal und den Golf von Biskaya bis in die Niederlande, und entdeckte schließlich Le Havre als Schauplatz für seinen Film, „die Stadt des Blues und Souls und Rock’n Roll“, so Kaurismäki.[3] Für die Vorbereitung zu seinem Film studierte er die Werke von Marcel Carné. Er hätte laut eigenen Angaben aber nicht sehr viel aus den Filmen übernehmen können, ohne dass Le Havre ihm in ein ernstes Melodram abgeglitten wäre. Als Darsteller wählte Kaurismäki neben den ihm schon bekannten André Wilms und seiner finnischen Landsfrau Kati Outinen den Franzosen Jean-Pierre Darroussin sowie den lokalen Sänger Roberto Piazza alias „Little Bob“ aus.[3] Die Dreharbeiten waren vom 23. März bis 12. Mai 2010 in Le Havre angesetzt.[4] Die Kosten wurden mit 3,85 Mio. Euro veranschlagt, darunter 750.000 Euro von der Finnischen Filmstiftung, der Suomen elokuvasäätiö. Es handelte sich um den größten Zuschuss für einen finnischen Film im Jahr 2010.[5]

Als Grundfarbe seines Films wählte Kaurismäki wie bei seinen vorangegangenen Werken Blau und Grau und fügte gelbe und rote Farbtupfer hinzu. Bei der roten Farbe ließ er sich von den Filmen Yasujirō Ozus inspirieren.[6] Der finnische Regisseur werde laut eigenen Angaben „alt“, weshalb er sich nicht mehr absurden Filmen widme, sondern bestimmte Themen wie Arbeitslosigkeit aufgreife, die er dann in Form eines Märchens verarbeite. Der Pessimist Kaurismäki sei laut eigenem Bekunden zu sensibel, um traurige Filme zu inszenieren. Le Havre sei mit seinen zwei Happy Ends kein realistischer Film.[7]

Kritiken

Kaurismäkis Film wurde von der französischen Fachkritik zum erweiterten Favoritenkreis auf die Goldene Palme gehandelt, den Hauptpreis der Filmfestspiele von Cannes.[8] Laut Thomas Sotinel (Le Monde) erzähle Kaurismäki dieselbe Geschichte wie Philippe Lioret in Welcome (2009) und füge auch Fernsehbilder von der gewaltsamen Zerstörung des „Dschungels von Calais“ durch die französische Polizei am 22. September 2009, einem Zeltlager von Flüchtlingen am Ärmelkanal, bei. Diese Wirklichkeit mache der Finne aber zu einer „nostalgischen und verzauberten Welt“, was in der Architektur der Hafenstadt, den alten Automobilen (unter anderem der vom Kommissar Monet verwendete Renault 16) und den panoramahaft-methodischen Einzelbildern begründet liege. Die Grenzpolizisten seien direkte Nachfahren der Keystone Cops, während der Handlungsfaden von Arlettys Krankheit an die Hollywood-Melodramen der 1920er Jahre erinnern würde.[9] Philippe Azoury (Libération) bemerkte ebenfalls, dass Le Havre ein „Märchen“ sei. Er zog Vergleiche zu Werken von Robert Guédiguians, Charles Chaplins, Yasujirō Ozu sowie zu Jacques Tati und Jim Jarmusch. Die Farben würden der Stadt ein Gefühl der Unruhe verleihen, während Hauptdarsteller André Wilms all jene Dinge wiederholen würde, die man von Chaplin kenne. Aus visueller Sicht sei Le Havre einer der besten Filme Kaurismäkis, biete jedoch wenig Hintergrund und sei zu artifiziell. „Die Frage nach der Wirklichkeit (einem realen Ort, einem kniffligen politischen Thema) funktioniert hier nicht wie das Kaninchen aus dem Hut des Magiers, der nur an seinen Tricks interessiert ist.“, so Azoury.[10]

Auszeichnungen

Le Havre wurde bei den Filmfestspielen von Cannes mit dem FIPRESCI-Preis ausgezeichnet.[11] Beim Münchner Filmfest erhielt er den ARRI Preis.[12]

Bei Bekanntgabe der Nominierungen für den Europäischen Filmpreis 2011 erhielt Le Havre vier Nominierungen (bester europäischer Film, Regie, Darsteller – André Wilms, Drehbuch). Gleichzeitig ist der Film Finnlands Oscar-Kandidat 2012 für die Kategorie Bester fremdsprachiger Film.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Release dates in der Internet Movie Database (englisch; aufgerufen am 22. Mai 2011).
  2. Westphal, Anke: Viel zu reden, viel zu lachen. In: Berliner Zeitung, 18. Mai 2011, S. 27.
  3. a b Interview mit Christina Masson in der offiziellen Cannes-Pressemappe, S. 9–10 (englisch; aufgerufen am 22. Mai 2011).
  4. Synopsis des prochains tournages dans la cit bei paris-normandie.fr, 17. Februar 2010 (aufgerufen am 22. Mai 2011).
  5. Nyhetsarkivet: Kaurismäki får 750 000 euro till sin nya film bei svenska.yle.fi, 16. Februar 2010 (schwedisch; aufgerufen am 22. Mai 2011).
  6. Dokumentation zu Le Havre bei arte.tv, 18. Mai 2011, 2:35 min ff. (aufgerufen am 22. Mai 2011).
  7. Dokumentation zu Le Havre bei arte.tv, 18. Mai 2011, 4:05 min ff. (aufgerufen am 22. Mai 2011).
  8. vgl. Übersicht der französischen Fachpresse bei lefilmfrancais.com (französisch; aufgerufen am 22. Mai 2011).
  9. Sotinel, Thomas: Le Havre: Le marxisme selon Kaurismäki. In: Le Monde, 19. Mai 2011, S. 26.
  10. Azoury, Philippe: «Le Havre», palette du Festival. In: Libération, 18. Mai 2011, Nr. 9334, S. 2.
  11. Hopewell, John: 'Le Havre' win top Fipresci crits' award bei variety.com, 21. Mai 2011 (aufgerufen am 22. Mai 2011).
  12. http://www.filmfest-muenchen.de/de/aktuelles/news/2011/7/arri-cinevision.aspx

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