María-Lionza-Kult

María-Lionza-Kult
Statue María Lionza in Caracas

Der María-Lionza-Kult hat seinen Ursprung von der venezolanischen Indianer-Königin María Lionza. Dieser Kult ist ein Heiligungskult und hat sich mit dem Katholizismus, den Schamanismus und dem Voodoo vermischt.

Inhaltsverzeichnis

María Lionza

Der Name der Königin María Lionza leitet sich vom vollständigen Namen „María de la Onza“ (dt.: María vom Jaguar) ab. Die um María Lionza rankenden Legenden lassen keine eindeutige Klärung ihrer Person zu. Einer der Legenden folgend war María 1502 in der Region Yaracuy, als Tochter eines Indianerhäuptlings geboren. In Bildern wird sie als kräftige und wohl proportionierte Frau dargestellt, die auf einem Tapir reitet. Hiermit wird ihre Macht über wilde Tiere symbolisiert. Ihr Lebensmittelpunkt war am Berg Cerro de Sorte, der 1980 zum Nationalpark erklärt wurde. An diesem Berg wird noch heute der Kult praktiziert. Seit 500 Jahren bestimmt sie als Königin, des nach ihr benannten Kultes, das Leben der Venezolaner. Sie hat viele Väter, ihr leiblicher Vater soll ein Indianerhäuptling gewesen sein, ihre geistigen Väter waren die Sklaven und der spanische Katholizismus. Schon bald nach der Landung der ersten spanischen Herrscher, die den katholischen Glauben in das Land brachten, mischte sich die Naturreligion mit afrikanischen Riten und dem europäischen Christentum. Aus diesen religiösen und kulturellen Mischungen entstand der Kult nach María Lionza. Sie ist die älteste und mächtigste Königin des südamerikanischen Schamanismus und die zentrale Figur des religiösen Gedankenguts. Sie wird als Göttin der Natur, der Liebe, des Friedens und der Harmonie verehrt. Ihr zu Ehren wurden Denkmäler errichtet, Blanca Estrella de Méscoli schuf eine sinfonische Dichtungen, Efraín Amaya komponierte ein Musikstück, der Salsa-Sänger Rubén Blades und der Musiker Devendra Banhart komponierten ihr zu Ehren Lieder.

Der Kult

Der auf dem Berg Cerro de Sorte (ca. 300 Kilometer von Caracas) praktizierte Kult ist in Venezuela weit verbreitet. Zu einer Kultveranstaltung treffen sich alle Bevölkerungsschichten. Sie zelebrieren in spektakulären und mystischen Handlungen geheimnisvolle Feiern um die Heilung bei Krankheiten oder die Hilfe zu besonderen Angelegenheiten zu erbitten. Der Kultabend wird durch spirituelle Meister geleitet, diese nehmen Kontakt zu verschiedenen Geisterlinien auf, die den drei geistigen Mächten, den „Tres Potencias“ des Pantheons, untergeordnet sind. Fast 30 Millionen Menschen leben nach ihren 500 Jahre alten Regeln, fürchten ihre Flüche, hoffen bei Krankheiten auf heilende Worte - und glauben jenen Bildern aus der Zukunft, die sie ihren Priestern durch das Feuer schickt. Der María-Lionza-Kult ist die größte spirituelle Macht des südamerikanischen Kontinents. Der bedeutendste Tag des María Lionza-Kults ist jährlich der 12. Oktober, an diesem Tag treffen sich alle Schamanen, Kultpriester und Zeremonienmeister zur Huldigung ihrer Königin. Höhepunkt der Feierlichkeiten sind die traditionsreichen Tänze über glühende Kohlen.

Pilgerfahrt

Eine Pilgergruppe wird gewöhnlich von einem älteren und „heiligen“ Medium begleitet, diese Person ist das wichtigste Mitglied der Gruppe. Gemeinsam tauchen sie ein in ihren Glauben, begleitet von rhythmischen Trommelklängen, Rauch, Zigarren, Musik und Gesang. Sie tanzen, beten und versetzen sich in Trance. Zum Höhepunkt der Feier beben ihre Körper, der Mensch tritt mit den Geistern der heiligen Stätte in Kontakt und der Bittende schöpft neue Kraft für den Alltag.

Das Pantheon

María Lionza ist die höchste und wichtigste Gottheit im Pantheon, der "Ehrenhalle" Venezuelas. Sie ist ein Teil der „drei Mächte“ (Tres Potencias), zu denen der Indianerhäuptling Cacique Guaicaipuro und der ermordete Negersklave Negro Felipe gezählt werden.[1][2] Dieser „Dreieinigkeit“ unterstehen mehrere „Kammern“, in denen weitere Gottheiten verehrt werden. Zu diesen nachgeordneten Gottheiten gehören auch der Nationalheilige und Mediziner José Gregorio Hernández und der Pädagoge Andrés Bello. Die göttlichen Kammern sind für die Indios, Mediziner, Folklore, Lehrer, Afrikaner, katholische Heilige, Politiker und verstorbenen Delinquenten vorgesehen.

Ein María-Lionza-Altar mit den Abbildern der "Tres potencias"

María-Lionza-Altar

Im Zentrum der kultischen Veranstaltung steht ein María Lionza-Altar, der erst mit Beginn des 20. Jahrhunderts entstanden ist. Auffällig sind die auf dem Erdboden liegenden Kleidungsstücke, sie sind mit einem hellen Puder oder mit Mehl umrandet. Weiterhin sind auf dem Boden Abgrenzungen und Muster gemalt, auf denen Kerzen stehen, die während der Zeremonie brennen. Zur weiteren Altarausstattung gehören Steine aus Yaracuy-Region, die vor dem Altar aufgeschüttet werden. Auf diesen Steinen werden alkoholische Getränke, Blumen, Duftwasser, Zigaretten und Obst abgelegt. Der gesamte Altarraum wird mit bunten Stoffen und Kultbildern geschmückt. Auf dem Mittelbild ist die “Tres potencias” dargestellt.

Konfliktfelder

Der venezolanische Staatspräsident Hugo Chávez hat in der Vergangenheit vermehrt gegen die römisch-katholische Kirche argumentiert. Die Bevölkerung Venezuelas besteht nominal aus über 90 Prozent Christen, die sich zum katholischen Glauben bekennen. Es bestehen aber auch regionale Unterschiede, während im Westen Venezuelas eine tiefe Gläubigkeit vorherrscht, gibt es in einigen östlichen Gebieten weniger praktizierende Katholiken. Für die christlichen Kirchen, insbesondere für die katholische Kirche besteht nicht nur das Dilemma der Verschmelzung mit den indianischen Riten, sondern auch die Probleme in der Missionsarbeit. Es sind aber auch die aus den USA herüberkommenden evangelikalen Sekten, sowie die Zeugen Jehovas, die Mormonen oder auch die Angehörigen der Mun-Sekte, die die christliche Missionierung deutlich erschweren. Der synkretisch, christlich und schamanisch- animistisch geprägte María Lionza-Kult erhält immer mehr Anhänger, die bis in die Regierungsebenen vordringen. Der ehemalige Diktator Marcos Pérez Jiménez (1914-2001) ließ in Caracas das riesige Standbild für die Göttin María Lionza errichten.[3]

Literatur

  • Teresa Fauser, Synkretismus am Beispiel Venezuelas: Der Kult um María Lionza, VDM Verlag, Saarbrücken, June 2009, ISBN: 3639155505
  • Reiner Mahlke, Die María-Lionza-Religion in Venezuela, Dietrich Reimer Verlag, Berlin, 1992, ISBN: 3496004134
  • Lexikon der Weltreligionen, Verlagsgruppe Weltbild, Augsburg, 2007, ISBN: 3828949797

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Las Tres Potencias [1]
  2. Bildnis Negro Felipe [2]
  3. Adveniat – Venezuela Das gespaltene Land [3]

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