- Frieden
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Frieden (älterer Nominativ: Friede) ist allgemein definiert als ein heilsamer Zustand der Stille oder Ruhe, als die Abwesenheit von Störung oder Beunruhigung und besonders von Krieg. Frieden ist das Ergebnis der Tugend der „Friedfertigkeit“ und damit verbundener Friedensbemühungen.
Frieden ist im heutigen Sprachgebrauch der allgemeine Zustand zwischen Menschen, sozialen Gruppen oder Staaten, in dem bestehende Konflikte in rechtlich festgelegten Normen ohne Gewalt ausgetragen werden. Der Begriff bezeichnet einen Zustand in der Beziehung zwischen Völkern und Staaten, der den Krieg zur Durchsetzung von Politik ausschließt.
In der Sprache deutschsprachiger Juristen ist von Frieden auch im Zusammenhang mit innenpolitischen Auseinandersetzungen (Straftatbestand des Landfriedensbruchs), mit dem Arbeitsleben (Störung des Betriebsfriedens als Kategorie des Betriebsverfassungsgesetzes) und mit dem Schutz des Privateigentums (Straftatbestand des Hausfriedensbruchs) die Rede. Zur Kennzeichnung von Grundstücken, die gegen Hausfriedensbrüche geschützt werden sollen, werden diese oft eingefriedet.
In der Sprache der Psychologie und der Theologie gibt es den Begriff Seelenfrieden (vgl. den englischen Begriff "peace of mind" oder "inner peace"[1]); diesen sollen Lebende anstreben und Verstorbene auf dem Friedhof bzw. im Jenseits finden.
Friedensbegriffe
In erster Linie ist mit dem Begriff Frieden die Abwesenheit von Gewalt oder Krieg gemeint. In diesem Sinne ist Frieden zwischen und innerhalb von Nationalstaaten, Religionen und Bevölkerungsgruppen ein Ziel vieler Personen und Organisationen, besonders der Vereinten Nationen. Frieden kann freiwillig sein, wenn potentielle Streitparteien sich entschließen, auf Störung des Friedens zu verzichten, oder er kann erzwungen sein, indem durch Sanktionen, die im Völkerrecht vorgesehen sind, oder innerstaatliches Recht diejenigen niedergehalten werden, die andernfalls eine solche Störung verursachen würden.
In der wissenschaftlichen Diskussion unterscheidet man zwischen dem oben genannten engen Friedensbegriff, der die Abwesenheit von Konflikten beinhaltet, und einem weiter gefassten Friedensbegriff. Letzterer umfasst neben dem Fehlen kriegerischer Gewalt, bei Johan Galtung direkte Gewalt genannt, auch das Fehlen kultureller und struktureller Gewalt. Nach dieser Definition bedeutet Frieden also zusätzlich das Fehlen einer „auf Gewalt basierenden Kultur“, sowie das Fehlen repressiver oder ausbeuterischer Strukturen. Ein struktureller Frieden wäre die konkrete Utopie eines sozialen Zusammenlebens in Harmonie und ohne Statuskämpfe und „Reibungsverluste“. Frieden wird hier positiv definiert als „die Fähigkeit [...], Konflikte mit Empathie (= der Bereitschaft und Fähigkeit, sich in die Einstellung und Mentalität anderer Menschen einzufühlen), mit Gewaltlosigkeit und mit Kreativität oder spielerisch zu klären und zu lösen.“ Dies erfordert neben kommunikativer Friedensarbeit das Erkennen der Bedeutung von „Rechtskommunikation“ und eine intensivere Beschäftigung mit den Ursachen streitlegenden Verhaltens, das mit „Machtkommunikation“ Streiteskalationen provoziert und begünstigt. Ein Beispiel für ein „Friedensdorf“ ist Neve Schalom / Wahat as-Salam.
Der Friedensgedanke in der Geschichte
Prähistorisches China
Die Anfänge der bis heute überlieferten chinesischen Geistesgeschichte reichen bis ins 3. Jahrtausend v.Chr. zurück und sind dem taoistischen Klassiker „I Ging – Das Buch der Wandlungen“ zu entnehmen. Darin wird eine strukturell dualistische Naturphilosophie zugrunde gelegt, in welcher alle Erscheinungen aus den sich immer wieder wandelnden Beziehungen zwischen den beiden Urprinzipien „Yin“ (auch das Empfangende, Weibliche, die Erde), und „Yang“ (auch das Schöpferische, Männliche, der Himmel) zu verstehen sind. Der Begriff „Frieden“ wird in diesem System symbolisch dargestellt durch die Anordnung: Yang unten, Yin oben. Das Empfangende, dessen Bewegung sich nach unten senkt, ist oben; das Schöpferische, dessen Bewegung nach oben steigt, ist unten. Ihre Einflüsse begegnen daher einander und sind in Harmonie, so dass alle Wesen blühen und gedeihen. Das Zeichen deutet in der Natur auf eine Zeit, da sozusagen der Himmel auf Erden ist. Der Himmel hat sich unter die Erde gestellt. So vereinigen sich ihre Kräfte in inniger Harmonie. Dadurch entsteht Friede und Segen für alle Wesen. Dieser Kraftstrom muss vom Herrscher der Menschen geregelt werden. Das geschieht durch Einteilung. So wird die unterschiedslose Zeit entsprechend der Folge ihrer Erscheinungen vom Menschen in Jahreszeiten eingeteilt und der allumgebende Raum durch menschliche Festsetzungen in Himmelsrichtungen unterschieden. Auf diese Weise wird die Natur mit ihrer überwältigenden Fülle der Erscheinungen beschränkt und gebändigt. Auf der andern Seite muss die Natur in ihren Hervorbringungen gefördert werden. Das geschieht, wenn man die Erzeugnisse der richtigen Zeit und dem richtigen Ort anpasst. Dadurch wird der natürliche Ertrag gesteigert. Diese bändigende und fördernde Tätigkeit der Natur gegenüber ist die Arbeit an der Natur, die dem Menschen zugute kommt. In der Menschenwelt ist es eine Zeit gesellschaftlicher Eintracht. Die Hohen neigen sich zu den Niedrigen herab, und die Niedrigen und Geringen sind den Hohen freundlich gesinnt, so dass alle Fehde ein Ende hat. Wenn die Guten in der Gesellschaft in zentraler Stellung sind und die Herrschaft in Händen haben, so kommen auch die Schlechten unter ihren Einfluss und bessern sich. Wenn im Menschen der vom Himmel kommende Geist herrscht, so kommt auch die Sinnlichkeit unter seinen Einfluss und findet so den ihr gebührenden Platz. Himmel und Erde stehen im Verkehr und vereinigen ihre Wirkungen. Das gibt eine allgemeine - tendenziell allerdings vorübergehende - Zeit des Blühens und Gedeihens.[2]
Europäische Antike
Ursprünglich scheint der Friede nirgends als Normalzustand angesehen worden zu sein. Er musste „gestiftet“ werden (vergleiche den germanischen Rechtsbegriff der „Einfriedung“).
In der griechischen Antike bezeichnete der Begriff „eirene” (ειρήνη) bis ins 5. Jahrhundert v. Chr. einen statischen Zustand von Ordnung, Wohlstand und Ruhe. Die Göttin Eirene als personifizierter Friede wurde mit dem Füllhorn, dem Symbol des Reichtums dargestellt. Der Krieg galt als Normalzustand in den Beziehungen zwischen den griechischen Poleis. Entsprechend wurden Friedenszeiten meist mit Begriffen wie „spondai” (σπονδαι), „synthekai” (συνθῆκαι) oder „dialysis polemon” (διάλυσις πολέμων) umschrieben, die in etwa die Bedeutung von „Waffenstillstand” hatten. Erst gegen Ende des Peloponnesischen Krieges wurde „eirene” zunehmend im heutigen Sinne des Worts „Friede” gebraucht. Auch Friedensverträge wurde jetzt als „eirene” bezeichnet. Beides ist ein Hinweis darauf, dass sich nach Jahrzehnten des Krieges die Einsicht durchsetzte, dass der Friede der anstrebenswerte Normalzustand sei. In der ersten Hälfte des 4. Jahrhunderts v. Chr. kam die Idee des Allgemeinen Friedens, der „koiné eiréne” (κοινή ειρήνη), auf, die eine dauerhafte Friedensordnung auf der Basis von Autonomie und Gleichberechtigung der griechischen Staaten vertraglich begründen sollte. Es erwies sich aber, dass eine solche Ordnung letztlich nur durch eine starke Hegemonialmacht garantiert werden konnte.
Die Römer benutzten als Friedensbegriff die lateinische Bezeichnung „pax“ (aus pangere einen Vertrag schließen). Man unterschied dabei den häuslichen, familiären Frieden, den zwischenstaatlichen Frieden, sowie den religiösen Frieden mit den Göttern. Nur der Friede auf allen drei Ebenen konnte ein ausgewogenes Leben garantieren. Zum Leitbild eines ausgreifenden Friedens wurde die Pax Romana bzw. Pax Augusta der römischen Kaiserzeit.
Judentum
Im Judentum hat der hebräische Begriff Schalom in der Bibel (dem Tanach) die Bedeutungen „Unversehrtheit“, „wohlbehalten sein“, „sicher sein“, „Glück“, „freundlich miteinander“, „im Frieden“. Er wurde zu einem zentralen Wort im Judentum und ist der gängigste Gruß unter Juden und im heutigen Israel. Das Wort ist mit dem arabischen „Salam“ auf das engste verwandt.
Christentum
Liegt im Alten Testament (AT) des hebr. „schalom“ v. a. das Moment des Wohlbefindens, setzte sich das griech. „eiränä“ als meistgebrauchte Übersetzung von „Friede“ durch mit dem hauptsächlichen Moment der Ruhe. Mit Jesus Christus ist der im AT verheißene Friedensfürst (Jesaja 9,5) erschienen, welcher die Feindschaft zwischen Gott und Mensch beendet, indem Jesus Christus die Strafe für die Sünde, den Tod, stellvertretend auf sich genommen hat. Dieser Friede kann für den Menschen Wirklichkeit werden, welcher sich als Sünder weiß und Jesus Christus als seinen Retter und somit persönlichen Friedensbringer annimmt. Erst dieser Friede mit Gott ermöglicht auch den Frieden unter Menschen. Frieden kommt also nicht ohne Zutun der Menschen über die ganze Menschheit (etwa zum Weihnachtsfest), sondern er muss von Menschen gestiftet werden. Wenn Jesus wiederkommt, wird er das Friedensreich aufrichten.
Im Neuen Testament nutzt Jesus Christus den Gruß Schalom, um seine Jünger zu begrüßen, und gibt ihnen diesen Gruß auf die Reise mit. Die Tugend der „Friedfertigkeit“ im Sinne der Fähigkeit und Bereitschaft, Frieden zu stiften, ist schon in den Seligpreisungen der Bergpredigt zu finden. Ein Friedensgruß oder -kuss ist Bestandteil aller klassischen christlichen Liturgien. Frieden hat für Christen die Bedeutung des „Schaloms“ aus der Bibel, das Wohlergehen an Leib, Seele und Geist.
Für die Römisch-Katholische Kirche ist der Friede auch eine Frucht des Heiligen Geistes, der von Gott auf die Menschen herabkommt (Pfingsten).
Augustinus entwarf das heilsgeschichtliche Modell zweier parallel existierender Reiche, eines göttlichen „civitas Dei“ sowie eines irdischen Staates, der „civitas terrena“, welch letzterer am Ende der Zeit zum ewigen Frieden gelangen sollte. Für die Gegenwart übernahm er jedoch den antiken Gedanken des gerechten Krieges. Im Mittelalter konkurrierte der Gedanke der Fehde als Mittel der Rechtsdurchsetzung mit verschiedenen Friedensidealen: dem Gottesfrieden, Landfrieden und Königsfrieden. Marsilius von Padua entwickelte im defensor pacis die Notwendigkeit einer eigenständigen politischen Friedensaufgabe. Mit dem Ewigen Landfrieden von 1495 wurde unter Maximilian I. die Abschaffung des mittelalterlichen Fehderechts verkündet.
Als einer der entschiedensten Verfechter gegen Krieg und für Frieden gilt der Humanist Erasmus von Rotterdam, der 1517 dem Frieden mit seiner Schrift Die Klage des Friedens eine „Stimme“ gab und sich vor allem in der Adagia 3001 (Süß erscheint der Krieg den Unerfahrenen) vehement gegen den Kriegs-Wahnsinn äußerte.
Islam
Wie in der semitischen Schwestersprache Hebräisch lässt sich die Bedeutung des Wortes Frieden aus drei Radikalen herleiten. Die Radikalen Sin Lam Mim (S, L, M) bilden den Wortstamm. salâm: Sicherheit, Unversehrtheit, Ganzheit, Frieden (vgl. hebr. Schalom) Salima: sicher sein, heil sein, vollständig sein, frei sein; bewahren, von Schaden fernhalten, unversehrt übergeben, unterwerfen, zustimmen, grüßen; Frieden halten, (mit jem.), Frieden schließen; verlassen, aufgeben, sich hingeben; sich miteinander versöhnen, miteinander Frieden schließen
Der Islam untersagt Aggressionskriege und erlaubt nur Verteidigungskriege. Im Islam gab es zur Zeit der Kreuzzüge folgendes Friedenskonzept: Das Haus des Islams (Dar al-Islam), das auch Haus des Friedens (Dar as-Salam) genannt wird, steht in Feindschaft zum Haus der feindlich gesinnten Nichtmuslime, welches Haus des Krieges (Dar al-Harb) genannt wird. Frieden wird dadurch erreicht, dass es zu einem Friedensvertrag mit Dar al-Kufr (Haus in dem der Islam keine Bedeutung hat) kommt und/oder die feindlichen Handlungen eingestellt werden. Das arabische Wort (Hudna) kann in diesem Zusammenhang am ehesten mit dem Wort Waffenstillstand übersetzt werden. Mohammed selbst ging solch einen "Friedensvertrag" auf Zeit ein, bis die Kräfte seiner Truppen wieder stark genug für einen aussichtsreicheren Kampf waren. Einen dauerhaften Frieden kann es nicht geben, da der Frieden erst dann eintritt, wenn sich das Haus des Islam (Dar al-Islam) auf die gesamte Welt erstreckt, da das (Dar al-Harb) nach Ansicht des Islam der Grund für Unfrieden in der Welt ist. Schon zur Zeit des Osmanischen Reiches wurde die imperiale Doktrin aufgegeben, während der europäische Imperialismus seinen Höhepunkt erreichte. In der heutigen Zeit versuchen muslimische Staaten ihre nationalen Grenzen zu wahren.
Der arabische Begriff Salām ist auch in die Umgangssprache als Gruß eingegangen as-salamu ´alaikum (Friede sei mit Euch). Dieser Gruß darf auch gegenüber Nichtmuslimen mit "wa alaikumus-salam" beantwortet werden oder einem noch schöneren Gruß.
Neuzeit
Der Gedanke des Friedens in der Neuzeit wurde maßgeblich durch den Westfälischen Frieden von 1648 geprägt, der den Dreißigjährigen Krieg beendete. Dabei prägte Hugo Grotius († 1645) als maßgebliche Voraussetzung den Gedanken eines Völkerrechts innerhalb Europas, das die Anwendung von Gewalt zwischen den verschiedenen Konfessionen ausschließen sollte. Die rechtlichen und moralischen Prinzipien sollten prinzipielle und allgemein respektierte Gültigkeit erlangen, ohne Rücksicht auf die jeweilige Glaubensüberzeugung („Vom Recht des Krieges und des Friedens“ 1625).
Thomas Hobbes forderte 1651 mit dem „Leviathan“ innerstaatlich für alle Bürger gleiches Recht. Der Staat brauche eine entsprechende Autorität, um dieses Recht gegen Privilegien Mächtiger (zum Beispiel des Adels) und vor der Gewalt von Fanatikern zu schützen. Die Grundlage dafür sah er in dem menschlichen Streben nach Sicherheit, Selbsterhaltung und Unabhängigkeit von fremder Willkür. Damit bereitete Hobbes dem neuzeitlichen Zentralstaat ideologisch den Boden; die darin auch angelegten Gefahren staatlichen Machtmissbrauchs zeigten sich dann am deutlichsten in den totalitären Exzessen der faschistischen und kommunistischen Regime.
Im 18. Jahrhundert formulierte der Philosoph Immanuel Kant mit dem kategorischen Imperativ:
- „Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde“
die Grundlage zu seiner Schrift „Zum ewigen Frieden“ (1795), aus der sich einmal der Völkerbund (1919) und schließlich die Vereinten Nationen (1947) entwickeln sollte.
Nach marxistischer Auffassung könne nur die Arbeiterklasse die Ursachen des Krieges beseitigen und eine Gesellschaftsordnung herbeiführen, „deren internationales Prinzip der Friede sein wird, weil bei jeder Nation dasselbe Prinzip herrscht - die Arbeit“ (Marx/Engels-Gesamtausgabe, Bd. 17, S. 7). Der Frieden sei somit eine notwendige Folge des gesellschaftlichen Eigentums an den Produktionsmitteln und der damit einhergehenden gesellschaftlichen Verhältnisse, während der Krieg ebenso gesetzmäßig der Klassengesellschaft anhafte und von den herrschenden Klassen benutzt werde, um ihre Macht zu festigen und auszubauen. In der Klassengesellschaft sei daher der Frieden für den Marxisten lediglich eine Pause zwischen den Kriegen, die - vor allem im Imperialismus - lediglich dazu diene, auf dem Weg zur Weltherrschaft den nächsten Krieg nicht nur militärisch, sondern auch moralisch und propagandistisch, politisch und wirtschaftlich vorzubereiten.
Im Briand-Kellogg-Pakt 1928 kam es zu einer ersten völkerrechtlich verbindlichen Ächtung des (Angriffs-) Krieges als Mittel internationaler Politik. Hatte der Erste Weltkrieg mit vielfältiger intellektueller Unterstützung noch als Reinigungs- und Veredelungsprojekt der Individuen und Nationen propagandistisch unterfüttert werden können, so führte der Zweite Weltkrieg – neben dem NS-Holocaust - mit der Entwicklung und Erprobung der Atombombe (Hiroshima, Nagasaki) bereits die mögliche Selbstvernichtung der Menschheit in einem Atomkrieg drastisch vor Augen. Damit hat sich der Krieg als „Vater aller Dinge“ (Heraklit) in der Geschichte des 20. Jahrhunderts wohl endgültig als Verderber menschlicher Gesittung und Lebensqualität erwiesen, was auch die fortdauernden Auseinandersetzungen um den Einsatz von Atomwaffen bezeugen.
Die Friedensbewegung unserer Zeit beruht nicht allein auf religiösen Quellen, sondern versammelt auch ökologisch und philosophisch motivierte Atheisten unter dem Banner des Pazifismus und hinter dem Projekt: „Schwerter zu Pflugscharen!“
Bertrand Russell (1872-1970), Philosoph, Mathematiker, agnostischer Autor und Nobelpreisträger, griff 1962 durch Telegramme an John F. Kennedy, Nikita Chruschtschow, den UN Generalsekretär U Thant und den britischen Premier Harold Macmillan in die Kuba-Krise ein, in der die Welt am Rand eines Atomkrieges stand. Chruschtschow schrieb Russel einen langen Antwortbrief, der durch die Nachrichtenagentur TASS veröffentlicht wurde und eigentlich an Kennedy und die westliche Welt gerichtet war. Und er lenkte ein, wodurch ein Atomkrieg abgewendet wurde.
Dimensionen des Friedens
Abwesenheit von Krieg zwischen Staaten
Frieden als Zustand des Nicht-Verwickelt-Seins in kriegerische Auseinandersetzungen ist in der Geschichte der Staaten und Völker eher die Ausnahme als die Regel. Dennoch gibt es Staaten, die seit dem 19. Jahrhundert nicht mehr an Kriegen teilgenommen haben.
Beispiele:
- Schweden (1815 - bis heute): Schweden ist bis zum heutigen Tag das Land mit dem am längsten andauernden Frieden. Seit seiner Invasion Norwegens zur Durchsetzung der Personalunion entsprechend dem Kieler Vertrag konnte es den Frieden aufrechterhalten.
- Schweiz (1848 - bis heute): Durch Bestehen auf Neutralität hat sich die Schweiz einen lang andauernden Frieden erhalten können.
Abwesenheit von Aufruhr, Fehden und Selbstjustiz in einem Land
Bereits in der heidnischen Zeit gab es unter germanischen Völkern und Stämmen die Sitte des Thing(s)friedens. Der Thingfrieden gebot allen Anwesenden, „aus Respekt vor den Göttern, den Geistern und den Ahnen“, während des Things keine Streitigkeiten offen auszutragen, sondern entweder eine Entscheidung vom Thing zu erbitten oder aber den Streit bis nach dem Thing ruhen zu lassen.[3]
Im christlichen Mittelalter gab es die Institutionen des Landfriedens, des Gottesfriedens und des Königsfriedens. Im heutigen Straftatbestand des Landfriedensbruchs (in Deutschland strafbar nach § 125 Strafgesetzbuch) ist die Vorstellung eines Landfriedens, den es zu schützen gelte, lebendig geblieben.
Gewaltmonopol des Staates
Der Frieden im Inneren eines Staates soll nach herrschender Lehre durch das Gewaltmonopol des Staates geschützt werden. Dieser ist demnach berechtigt, jeden durch Strafandrohung und Bestrafung an der Androhung und Anwendung von Gewalt zu hindern. Nur in Fällen der Notwehr und der Nothilfe darf Gewalt von jedem rechtmäßig ausgeübt werden.
Als legitim erscheint das Gewaltmonopol des Staates nur dann, wenn der Staat ein Rechtsstaat ist, in dem es eine Gewaltenteilung gibt, in dem der Verfassung gemäße Gesetze vom Volk selbst oder von einer gewählten Volksvertretung beschlossen werden und in dem die Exekutive und die Judikative an Recht und Gesetz gebunden sind. Zudem haben die Staatsorgane ein Interesse daran, Akten der Selbstjustiz dadurch vorzubeugen, dass der Rechtsfrieden im Land gewahrt bleibt.
In der Praxis ist es allerdings nicht möglich, Gewaltakte, die durch Privatpersonen ausgeübt werden, sicher zu verhindern, selbst in Gerichtssälen und Flugzeugen kann es sogar den Einsatz von Schusswaffen durch Privatpersonen geben.[4][5]
Recht zum Waffenbesitz, zum Waffentragen und zum Waffeneinsatz
Zur Aufrechterhaltung des Friedens in einem Land haben die meisten Staaten Vorschriften erlassen, die den Besitz, das Mitsichführen und den Einsatz von Waffen gesetzlich regeln.
In Deutschland benötigen Personen, die nicht der staatlichen Exekutive angehören, in der Regel einen Waffenschein, wenn sie legal eine Schusswaffe erwerben oder besitzen wollen. Auch für andere Waffen gibt es umfangreiche rechtliche Regelungen (z.B. das Verbot des Mitbringens von Waffen aller Art in Schulen), die verhindern sollen, dass durch den Einsatz von Waffen die Wirkung des Einsatzes körperlicher Gewalt verstärkt wird.
Instrument der Friedensbürgschaft
In der Schweiz gibt es gemäß Art. 66 des Schweizerischen Strafgesetzbuches[6] die Möglichkeit, einer Person, die mit der Begehung eines Vergehens oder eines Verbrechens gedroht hat, auf Antrag des Bedrohten das Versprechen abzunehmen, dass sie die Tat nicht ausführen wird, und sie dafür zur Leistung angemessener Sicherheit anzuhalten. Dieses Versprechen wird in der Schweiz Friedensbürgschaft genannt.
Gemeindefrieden
Auch in Städten und in politischen Gemeinden kann der Frieden (Gemeindefrieden) gestört sein. Insbesondere gilt dies für Fälle, in denen ein direkt gewählter Bürgermeister, dessen Amtszeit bis zu acht Jahren dauern kann, sich auf eine Weise verhält, die viele seiner Wähler nicht akzeptieren, indem er z.B.
- in der Gemeinde nicht seinen ersten Wohnsitz hat,
- in einer anderen Gemeinde für das Amt des Bürgermeisters kandidiert,
- sich zu stark überörtlich engagiert,
- häufig bei Vereinsfesten, Jubiläen usw. nicht anwesend ist,
- sich zu stark mit den Positionen einer Partei identifiziert und nur deren Positionen umzusetzen bestrebt ist.[7]
Viele Kommunalverfassungen sehen deshalb die Möglichkeit einer vorzeitigen Abwahl des Bürgermeisters vor.
Die Redakteure einiger Amtsblätter sind per Redaktionsstatut gehalten, Beiträge, die einen „den Gemeindefrieden störenden Charakter haben“, nicht zu veröffentlichen. Dazu gehören persönliche Angriffe, Verunglimpfungen und Beiträge, die gegen gültige Gesetze verstoßen.[8] Betreiber kommunaler Einrichtungen (etwa von Stadthallen) dürfen zur Wahrung des Gemeindefriedens Buchungsanfragen ablehnen.[9]
Religionsfrieden, Kirchenfrieden und Frieden zwischen den Religionen
Religionsfrieden
Mit dem Begriff Religionsfrieden wird in aller Regel nicht der Zustand des Friedens zwischen den Weltreligionen bezeichnet. Religionsfrieden ist vielmehr ein Fachausdruck der Geschichtswissenschaft zur Bezeichnung historischer Friedensschlüsse zwischen dem katholischen und dem protestantischen Lager im ersten Jahrhundert nach der Reformation. Konkret ist zumeist vom Nürnberger Religionsfrieden vom 23. Juli 1532 und vom Augsburger Reichs- und Religionsfrieden vom 25. September 1555 die Rede.
Kirchenfrieden
Der Begriff Kirchenfrieden hat mehrere Bedeutungen. Er bezeichnet
- die Einigkeit der Glieder oder Lehrer einer Kirche in gottesdienstlichen Angelegenheiten [10],
- die öffentliche Sicherheit gottesdienstlicher Orte, Personen und Sachen (dieser Friede war ein Friede des Ortes, der deshalb nicht bloß durch Verletzung der Kirche und der zu ihr gehörenden Gegenstände selbst, sondern auch durch einen Frevel an Personen verletzt wurde, welche sich an der heiligen, Schutz verleihenden Stätte befanden; als räumliche Grenze der befriedeten Stätte galt die Kirche, der Kirchhof und dazu noch ein gefriedeter Umkreis von einer gewissen Anzahl, z.B. 30 oder 40 Schritt; je nach der Größe und Bedeutung der Kirche wurde ihr ein mehr oder wenig hoher Friede beigelegt, der in der Höhe der Friedensstrafe Ausdruck fand[11]) und
- eine päpstliche Regel, die vorschrieb, wann und wie von christlichen Rittern gekämpft werden durfte.
Frieden zwischen den Religionen
Als Reaktion auf die Anschläge vom 11. September 2001 stellte der kritische katholische Theologe Hans Küng die folgenden vier Thesen auf:
- „Kein Frieden unter den Nationen ohne Frieden unter den Religionen.
- Kein Frieden unter den Religionen ohne Dialog zwischen den Religionen.
- Kein Dialog zwischen den Religionen ohne globale ethische Maßstäbe.
- Kein Überleben unseres Globus ohne ein globales Ethos, ein Weltethos.“[12]
Sozialer Frieden
Als sozialer Frieden werden heute überwiegend Verhältnisse bezeichnet, die verhindern, dass es in einem Staat zu einem „Aufstand der Unterschicht“[13] kommt, weil deren Angehörigen mehrheitlich das Ausmaß der Verteilungsungerechtigkeit in dem betreffenden Staat für unerträglich halten. Die Wahrung des „sozialen Friedens“ ist eine Hauptaufgabe des Sozialstaats. Stefan Dietrich bezweifelt allerdings, dass eine dauerhafte „Alimentierung der Ausgemusterten“ durch den Sozialstaat dem sozialen Frieden diene.[14]
Albrecht von Lucke versteht „sozialen Frieden“ als „soziale Integration, Zufriedenheit in der Bevölkerung mit der Demokratie […], durch Aufstiegsmöglichkeiten, mit der Möglichkeit, sich in der Gesellschaft zu betätigen, sowohl als sozialer wie als politischer Akteur.“[15]
Betriebsfrieden, Arbeitsfrieden
Die Abwesenheit von Arbeitskämpfen zwischen Sozialpartnern, insbesondere von Streiks und Aussperrungen, wird als Betriebsfrieden bzw. (vor allem in der Schweiz) als Arbeitsfrieden bezeichnet. Das Betriebsverfassungsgesetz stellt in Deutschland Regeln auf, nach denen sich die Rechtmäßigkeit von Arbeitskämpfen bemisst.
Zu den Verhaltensweisen, die als „Störungen des Betriebsfriedens“ gelten, sind auch die parteipolitische Betätigung von Beschäftigten oder Unternehmern im Betrieb, Mobbing und andere Formen sozial unerwünschten Verhaltens zu zählen. Eine „Störung des Betriebsfriedens“ durch einen Arbeitnehmer führt als „verhaltensbedingter Kündigungsgrund“ regelmäßig zur Entlassung des Störers.[16]
Schulfrieden
Der Begriff Schulfrieden hat drei verschiedene Bedeutungen:
- Erstens bezeichnet er die Abwesenheit von Gewalt und andauernden gravierenden Konflikten in einer bestimmten Schule.
- Zweitens bezieht er sich auf einen Zustand in einem bestimmten Land, der dadurch gekennzeichnet ist, dass der lang andauernde bildungspolitische Streit über die angemessene Schulstruktur und angemessenen Unterricht in den Schulen beigelegt ist.
- Drittens ist dann von Schulfrieden die Rede, wenn die Beziehung zwischen dem Schulträger und den von Schule und Unterricht Betroffenen nicht gestört ist.
Frieden in einer bestimmten Schule
Als Störungen des Schulfriedens werden (auch von Gerichten) bewertet:
- Störungen der konstruktiven Zusammenarbeit aller am Schulleben Beteiligten
- Gewaltanwendung und Mobbing[17]
- die Berufung darauf, Vorschriften der eigenen Religion im Rahmen der Religionsfreiheit in den Räumen der Schule während der Unterrichtszeit befolgen zu dürfen (z.B. in der Form, dass Lehrerinnen darauf bestehen, im Unterricht ein Kopftuch tragen zu dürfen, oder dass Schüler eigene Räumlichkeiten zur Verrichtung ritueller Gebete fordern)[18][19]
In Bayern wird es von Schulämtern auch als eine „Störung des Schulfriedens“ bewertet, wenn eine Lehrkraft einer Grundschule einen „zu hohen Anteil“ der Schüler ihrer Klasse für den Besuch des Gymnasiums empfiehlt.[20]
Konsens zur Schulentwicklung im Staat
Ein Beispiel für einen Schulfrieden in der zweiten Bedeutung des Begriffs stellt der im Dezember 2008 beschlossene „Konsens zur Schulentwicklung“ in Bremen dar. Die SPD, die Grünen, die CDU und die FDP in Bremen einigten sich darauf, zehn Jahre lang keine Initiativen zu ergreifen, durch die die im Jahr 2008 beschlossenen Maßnahmen zur Schulstrukturreform wesentlich abgeändert werden sollen.[21][22]
In Hamburg ist allerdings der Versuch der den schwarz-grünen Senat tragenden Parteien, einen Schulfrieden durch Einbezug der SPD und der Linken zu stiften[23], durch ein erfolgreiches Referendum gescheitert, indem die Mehrheit der Abstimmenden gegen die Einführung einer sechsjährigen Grundschule in Hamburg stimmte[24]. Ob Politiker einen Schulfrieden ohne Einbezug der betroffenen Bürger stiften können, ist daher strittig.
Bemühungen um einen Schulfrieden gibt es auch in Flächenländern.[25][26]
Konsens zur Schulentwicklung in einer Gemeinde, einem Kreis oder einem Schulverband
Störungen des Schulfriedens können sich auch aus Beschlüssen der Schulträger einer oder mehrerer Schulen in einer Region ergeben. Auslöser von Konflikten ist oftmals der demografische Wandel in einem Gebiet, der mit abnehmenden Schülerzahlen verbunden ist, oder verändertes Verhalten der Eltern im Hinblick auf die Wahl weiterführender Schulen in solchen Ländern, in denen der Elternwille über den Übergang eines Kindes in eine Schule des Sekundarbereichs I ausschlaggebend ist. Dabei geht es einerseits um den Bestandsschutz für vorhandene Schulen, andererseits aber auch um Zusammenlegung von Schulen verschiedener Schulformen und die Gründung neuer Schulen. Probleme ergeben sich bei sinkenden Schülerzahlen auch dadurch, dass Schüler infolge von Schulschließungen oftmals weitere Schulwege zurücklegen müssen. Ein Beispiel für einen Konflikt, der durch den Schulträger ausgelöst wurde, ist der Streit um die Zuweisung von Schülern im Rheingau-Taunus-Kreis in Hessen.[27]
Hausfrieden, Frieden im Haus und häuslicher Frieden
Die Respektierung des Menschenrechts auf Unverletzlichkeit der Wohnung (in Deutschland geschützt durch Art. 13 GG) wird auch Hausfrieden genannt. Die Verletzung des Hausfriedens erfüllt den Straftatbestand des Hausfriedensbruchs (in Deutschland strafbar nach § 123 Strafgesetzbuch). Einen Hausfriedensbruch kann man nicht nur dadurch begehen, dass man in private Wohnungen oder Wohnhäuser unbefugt eindringt, sondern auch durch das unbefugte Betreten fremder Grundstücke und das Betreten öffentlich zugänglicher Einrichtungen trotz eines Hausverbots oder dadurch, dass man eine Einrichtung nicht verlässt, obwohl man dazu aufgefordert worden ist.
Eine weitere Bedeutung besitzt der Begriff Hausfrieden als Analogiebildung zum Betriebsfrieden: Es zulässig, dass der Vermieter einem Mieter in einem Mehrfamilien-Wohnhaus mit der Begründung dessen Wohnung kündigt, er störe durch sein Fehlverhalten den Frieden im Haus.
Mit häuslicher Frieden wird das gedeihliche Zusammenleben in einem Haushalt bezeichnet. Als solcher gilt unter Umständen auch eine Wohngemeinschaft. Straftaten, die durch Mitglieder des Haushalts begangen werden, in dem das Opfer der Straftat lebt, werden nicht durch besondere Strafrechtsvorschriften verfolgt. Seitdem in Deutschland auch die Vergewaltigung und die sexuelle Nötigung in der Ehe strafbar sind, sind im Prinzip alle Vorschriften des Strafgesetzbuches auch auf Fälle häuslicher Gewalt anwendbar. Eine Ausnahme bildet im deutschen Strafrecht § 247 Strafgesetzbuch (Haus- und Familiendiebstahl), demzufolge um des „häuslichen Friedens“ willen der Diebstahl oder die Unterschlagung desjenigen, der mit dem Opfer in häuslicher Gemeinschaft lebt, nur auf Antrag verfolgt wird.
Frieden zwischen den Geschlechtern
Bereits 1250 führte Birger Jarl in Schweden ein Gesetz über den Frauenfrieden (schwedisch: kvinnofrid) ein, durch das Vergewaltigungen und Frauenraub schwer bestraft wurden.
Seit dem 1. September 1999 gibt es in Schweden den Straftatbestand des schweren Frauensfriedensbruchs.[28] Die neue rechtliche Norm des Frauenfriedensbruchs wurde entsprechend den Begriffen des Haus- und Landfriedensbruchs gebildet. Sie wurde bei ihrer Einführung als erforderlich gesehen, um z. B. die Strafverfolgung von anhaltender häuslicher Gewalt zu erleichtern.[29] Demzufolge umschreibt der Rechtsbegriff „grobe Verletzung der Integrität einer Frau“, kurz „Frauenfriedensbruch“, im schwedischen Strafrecht wiederholte Straftaten, die von Männern an Frauen begangen werden, zu denen sie eine enge Beziehung haben. Die einzelnen Taten würden, für sich allein genommen, möglicherweise nicht verfolgt, insgesamt dagegen wiegen sie schwer genug für eine Bestrafung.[30]
Weitere Dimensionen
→ siehe Burgfrieden
→ siehe Weihnachtsfrieden (Erster Weltkrieg)
→ siehe Weihnachtsfrieden (Öffentlicher Dienst)
→ siehe Weihnachtsfrieden (Skandinavien)Weltfriedenstag
Es gibt einen Antikriegstag am 1. September, gegründet vom DGB, einen Weltfriedenstag am 1. Januar, initiiert von Papst Paul VI., und den internationalen Friedenstag (International Day of Peace) am 21. September, eingerichtet von der UNO.
Symbole
→ Hauptartikel: Friedenszeichen
- Friedenstaube: Die Taube wird sehr häufig zur Darstellung des Friedens gebraucht. Meist trägt sie einen Olivenzweig in ihrem Schnabel
- Olivenzweig/ -baum
- Regenbogenfahne mit Aufschrift PACE
- Friedensglocke als Mahnmal für den Frieden
- Friedenslicht
Sprachkritik
Im Kontext der Aktivitäten der deutschen Friedensbewegung wurde in den 1980er Jahren kritisiert, dass das Wortfeld „Frieden“ im Deutschen viele bedenkliche Konnotationen aufweise, die eher zur Resignation beitrügen als dazu, den Prozess der Stiftung von Frieden zu befördern.[31]
Bereits Martin Luther habe bei der deutschen Übersetzung der Bibel in den Seligpreisungen der Bergpredigt nicht von Friedensstiftern, sondern von Friedfertigen gesprochen[32], einem Begriff, bei dem man laut Pasierbsky weniger an Kämpfer für den Frieden als an Menschen denke, die „in Frieden gelassen werden“ wollen, also an Konfliktscheue. Friedensstiftung setze aber (auch konfliktbehaftete) Tätigkeit und nicht Untätigkeit („Ruhe“) voraus. Es gehe nicht um Konfliktvermeidung, sondern um gewaltfreie Konfliktaustragung.
An der Vorstellung, Frieden sei ein Synonym für „Ruhe“, stört Sprachkritiker vor allem die Nähe zur Ruhe des Friedhofs. Die Vorstellung liege nahe, dass der Mensch erst im Tode den Frieden finden könne, der ihm im Leben versagt geblieben sei. Die Formel: „Ruhe in Frieden!“ schaffe eine begriffliche Nähe von Frieden und „Tod“, während es in Wirklichkeit der Krieg sei, der den Tod bringe, und der Frieden, der ein Weiterleben ermögliche. Demgegenüber vertreten viele Philosophen eben diese Ansicht, nach Hegel bspw. ist das Leben oder Veränderung im Allgemeinen nur durch das Aushalten von Widersprüchen, durch widerstreitende Momente möglich:
- "... Etwas ist also lebendig, nur insofern es den Widerspruch in sich enthält, und zwar diese Kraft ist, den Widerspruch in sich zu fassen und auszuhalten. Wenn aber ein Existierendes nicht in seiner positiven Bestimmung zugleich über seine negative überzugreifen vermag, so ist es nicht die lebendige Einheit selbst, nicht Grund, sondern geht in dem Widerspruch zugrunde."[33]
Aufgabe der Friedensbewegung sei es, die Konnotation zu beseitigen, wonach Frieden Konfliktvermeidung impliziere und nur das Prinzip „Krieg“ für „Leben“ stehe.
Siehe auch
Literatur
- Klassiker
- Jeremy Bentham: Grundsätze für Völkerrecht und Frieden, (1786/1789) übers. K. v. Raumer in: K. v. Raumer 1953, S.379-417.
- Émeric Crucé, Der Neue Kineas oder Abhandlung über die Gelegenheiten und Mittel, einen allge meinen Frieden des Handels auf dem ganzen Erdkreise zu begründen, Übertragung von "Thomas Willing Balch, Le Nouveau Cynée de Émeric Crucé. Réimpression du texte original de 1623 avec introduction et traduction anglaise, Philadelphia 1909" von Walther Neft in: K. v. Raumer 1953 S.289-320.
- Johanna J. Danis: Krieg und durchkreuzter Frieden, Triangulierung der Gegensätze, München 1996, ISBN 3-925350-70-5
- Erasmus von Rotterdam: Die Klage des Friedens, der bei allen Völkern verworfen und niedergeschlagen wurde (Querela Pacis undique gentium ejectae profligataeque), 1517, erste Herausgabe von Georg Spalatin, erste deutsche Ausgabe 1622.
- Sebastian Franck: Das Krieg Büchlin des frides. Ein krieg des frides, wider alle lermen, aufrur und unsinnigkait zu kriegen, mit gründlicher anzaigung, auß wichtigen eehafften ursachen, auß gründtlichen argumenten der Hailigen Schrifft, alten Leeren, Concilien, Decreten, der Hayden schrifft und vernunfft widerlegt, 1539 und 1. Nachdruck von Cyriacus Jacob zum Bock, Frankfurt/Main 1550.
- Friedrich Gentz: Über den ewigen Frieden, in: Historisches Journal, S.709-790, 1800.
- I Ging - Das Buch der Wandlungen. Hier verwendete Ausgabe 1974, Eugen Diederichs Verlag Düsseldorf; Köln. ISBN 3-424-00061-2
- Immanuel Kant: Zum ewigen Frieden. Ein philosophischer Entwurf, Verlag Friedrich Nicolovius, Königsberg 1795 und als vermehrte Auflage ebenda, Königsberg 1796.
- William Penn: Ein Essay zum gegenwärtigen und zukünftigen Frieden von Europa durch Schaffung eines europäischen Reichstags, Parlaments oder Staatenhauses, 1693 in: von Raumer 1953 S.321-342.
- Jean-Jacques Rousseau: Auszug aus dem Plan des Ewigen Friedens des Herrn Abbé de Saint-Pierre (1756 bis 1761) übers. v. Gertrud von Raumer in: K. v. Raumer 1953, S.343-368.
- Kurt von Raumer: Ewiger Friede. Friedensrufe und Friedenpläne seit der Renaissance, Karl Alber Verlag, Freiburg 1953.
- Carl Friedrich von Weizsäcker: Bedingungen des Friedens. Göttingen 1964
- Neuere Darstellungen
- Andrea Cagan: Frieden ist möglich. Prem Rawat - Sein Leben, sein Weg, 2007, ISBN 978-3-85219-031-0
- Wolfgang Dietrich, Josefina Echavarría Alvarez, Norbert Koppensteiner (Hrsg.): Schlüsseltexte der Friedensforschung, Wien, LIT-Verlag, 2006.
- Wolfgang Dietrich: Variationen über die vielen Frieden. Band 1: Deutungen, Schriften des UNESCO Chair for Peace Studies der Universität Innsbruck, Wiesbaden, VS-Verlag, 2008.
- Johan Galtung u. a.: Neue Wege zum Frieden. Konflikte aus 45 Jahren: Diagnose, Prognose, Therapie. 2003.
- Hans-Werner Gensichen: Weltreligionen und Weltfrieden. Göttingen 1985
- Alfred Hirsch, Pascal Delhom (Hrsg.): Denkwege des Friedens. Aporien und Perspektiven. Alber, Freiburg/München 2007. ISBN 978-3-495-48204-9
- Karlheinz Koppe: Der vergessene Frieden. Friedensvorstellungen von der Antike bis zur Gegenwart. Opladen 2001. ISBN 3-8100-3099-6.
- Norbert Koppensteiner: The Art of the Transpersonal Self; Transformation as Aesthetic and Energetic Practice; ATROPOS New York, Dresden; 2009.
- Samrat Schmiem Kumar: Bhakti - the yoga of love. Trans-rational approaches tp Peace Studies; (= Masters of Peace/1) LIT Verlag Münster, Wien; 2010
- Terry Nardin: The Ethics of War and Peace: Religious and Secular Perspectives. The Ethikon Series in Comparative Ethics, Princeton University Press 1996.
- Terry Nardin: The Philosophy of War and Peace, in: Routledge Encyclopedia of Philosophy 9 (1998), 684-91.
- Nachschlagewerke
- Wolfgang Dietrich, Josefina Echavarría Alvarez, Gustavo Esteva, Daniela Ingruber, Norbert Koppensteiner (Hrsg.): The Palgrave International Handbook of Peace Studies. A Cultural Perspective. London, Palgrave MacMillan, 2011
- Nigel Young (Hrsg.): The Oxford International Encyclopedia of Peace. Oxford University Press, 2010
Weblinks
Wiktionary: Frieden – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, ÜbersetzungenWikiquote: Frieden – ZitateCommons: Frieden – Album mit Bildern und/oder Videos und AudiodateienWikiversity: Institut Friedens- und Konfliktforschung – Kursmaterialien, Forschungsprojekte und wissenschaftlicher AustauschWikisource: Frieden – Quellen und Volltexte- Online-Bibliographie Theologie und Frieden des IThF - Die Online-Bibiliographie Theologie und Frieden des Instituts für Theologie und Frieden (IThF), Hamburg, enthält ca. 148.000 durch detaillierte Deskriptoren sacherschlossene Titel. Berücksichtigung findet dabei für friedensethische Forschung relevante Literatur aus einzelnen Disziplinen der Theologie und anderen Wissenschaften
- AG Friedensforschung der Uni Kassel
- Arbeitsgemeinschaft für Friedens- und Konfliktforschung (AFK)
- Zentrum für Friedensforschung und Friedenspädagogik an der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt
- Manifest gegen die Wehrpflicht und das Militärsystem (dreisprachig)
- Deutscher Friedensrat e. V.
Einzelnachweise
- ↑ en:Inner peace
- ↑ Ein Teil dieses Textes wurde direkt vom antiken Kommentar aus dem 'I Ging - Das Buch der Wandlungen' übernommen. In der verwendeten Ausgabe (s! Literatur) pp. 62-63
- ↑ Liberpaganum: Stichwort Thingfrieden
- ↑ Martin Kotynek: Gewalt im Gerichtssaal. Die Justiz rüstet auf. In: Süddeutsche Zeitung. 13. November 2009
- ↑ Pistole in Flugzeug mitgenommen. Sicherheitspanne am Frankfurter Flughafen. Rheinische Post. 6. September 2003
- ↑ Art. 66 Schweizerisches Strafgesetzbuch
- ↑ Timm Kern: Warum werden Bürgermeister abgewählt? Eine Studie aus Baden-Württemberg. Kohlhammer. 2008. S. 357
- ↑ Amtsblatt der Großen Kreisstadt Leinfelden-Echterdingen. Redaktionsstatut. Abschnitt 1: Grundverständnis
- ↑ Gemeinde Birenbach: Benutzungsordnung für die Gemeindehalle Birenbach § 1 Abs. 4 Satz 2
- ↑ Johann Christoph Adelung: Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart. Leipzig. 1793
- ↑ Ernst Götzinger: Reallexicon der Deutschen Altertümer. Leipzig. 1885
- ↑ Hans Küng: Kein Frieden ohne Frieden der Religionen. Über die Rolle der Religionen nach den Anschlägen in den USA vom 11. September. Reader´s Digest. 11/2001, S.12 ff.
- ↑ Inge Kloepfer: Aufstand der Unterschicht - was auf uns zukommt. Hamburg. Hoffmann und Campe. 2008. ISBN 3-455-50052-8
- ↑ Stefan Dietrich: Gefangen im Sozialstaat. Frankfurter Allgemeine Zeitung. 19. Oktober 2006
- ↑ Nico Nissen: Der soziale Frieden in Deutschland ist gefährdet. Albrecht von Lucke über bedenkliche Entwicklungen im postdemokratischen Zeitalter. heise.de. 18. Dezember 2009
- ↑ Stichwort: Betriebsfrieden. www.kuendigung.de
- ↑ Schulrecht: Gewalt gegen Mitschüler rechtfertigt sofortigen Schulausschluss
- ↑ Juraforum: Urteile von Verwaltungsgerichten zum Thema „Schulfrieden“
- ↑ Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg: Urteil vom 27. Mai 2010 (Aktenzeichen: OVG 3 B 29.09)
- ↑ Christian Bleher: Störerin des Schulfriedens: Kritische bayerische Lehrkraft versetzt. taz. 4. August 2008
- ↑ Eckhard Stengel: Bremen schließt Schulfrieden. Der Tagesspiegel. 5. Januar 2009
- ↑ CDU Bremen: Bremer Konsens zur Schulentwicklung. 19. Dezember 2008
- ↑ Kaija Kutter: Hamburger Schulreform – Parteien schließen Schulfrieden. taz. 23. Februar 2010
- ↑ Albrecht-Thaer-Gymnasium: Volksentscheid erfolgreich! 18. Juli 2010
- ↑ Klaus Wallbaum: GEW schlägt „Schulfrieden“ vor. Hannoversche Allgemeine Zeitung. 25. März 2010
- ↑ Theo Schumacher: Bildungsgipfel: Rot-Grün in NRW sucht den Schulfrieden. Westdeutsche Allgemeine Zeitung. 22. September 2010
- ↑ Oliver Bock: Rheingau-Taunus-Kreis: Kein Schulfrieden im Idsteiner Land. Frankfurter Allgemeine Zeitung. 13. Juni 2009
- ↑ Elke Wittich: Friede den Frauen! Vergewaltigung in Schweden. jungle world. 3. September 2003
- ↑ Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend: Auszug aus der Untersuchung „Auswirkungen des Prostitutionsgesetzes“. Abschlussbericht. Fußnote 526
- ↑ Von Österreich lernen. Die Zeit. 1. April 2004
- ↑ Fritz Pasierbsky: Krieg und Frieden in der Sprache. Eine sprachwissenschaftliche Textanalyse. S. Fischer. Frankfurt/Main 1983. S.11-27. ISBN 3-596-26409-X
- ↑ Matthäus 5,9. Lutherbibel. 1912
- ↑ [G.W.F. Hegel - Wissenschaft der Logik - Die Lehre vom Wesen (1813) S.61 Meiner Verlag 2. Auflage ]
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