NS-Dokumentationszentrum

NS-Dokumentationszentrum

Das NS-Dokumentationszentrum ist ein Projekt der Landeshauptstadt München gemeinsam mit dem Freistaat Bayern und der Bundesrepublik Deutschland.

Das NS-Dokumentationszentrum wird ein historisch-politischer Erinnerungs- und Lernort zur Auseinandersetzung mit der Geschichte und den Folgen des NS-Regimes und der zukunftsorientierten, historisch-politischen Bildungsarbeit am historisch-authentischen Ort sein. Ein wichtiger Bestandteil der Ausstellung wird die Rolle Münchens als „Hauptstadt der Bewegung“ beim Aufstieg der NSDAP und der Durchsetzung des NS-Regimes sein. Baubeginn für das Gebäude des NS-Dokumentationszentrums auf dem ehemaligen Gelände des Braunen Hauses in der Maxvorstadt ist 2011.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Erste Überlegungen nach 1945

Hitler bei der Einweihung des „Braunen Hauses“, München, 1930
Braunes Haus“, München, 1935
Fundament des „Braunen Hauses“, München, 2007
Bauarbeiten für das NS-Dokumentationszentrum in München

Nach dem Zweiten Weltkrieg veranlasste die amerikanische Militärregierung alle nationalsozialistischen Symbole wie Reichsadler oder Hakenkreuze zu entfernen. Die NS-Gebäude (z. B. der Führerbau), die noch standen, wurden umgenutzt, die „Ehrentempel“ am Königsplatz 1947 gesprengt. All dies gab den Debatten um einen angemessenen Umgang mit der NS-Vergangenheit Nahrung. Schon direkt nach Kriegsende wurde überlegt, ob man nicht in München für eine differenzierte Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus eine Erinnerungs- und Bildungsstätte aufbauen sollte. Doch lange bewegte sich nichts in dieser Richtung.

Neuer Anlauf 1989

Im Jahr 1989 gab der Münchner Stadtrat die Anregung ein „Haus der Zeitgeschichte“ zu errichten. Als Ort hatte man das Grundstück des „Braunen Hauses“ im Blick, wo während des 3. Reichs die Reichsleitung der NSDAP ihren Sitz hatte – gleich beim Königsplatz in zentraler Innenstadtlage. Das Vorhaben wurde jedoch zunächst nicht realisiert.

Neue Wege in den 1990er Jahren

Kurze Zeit später machte sich die Landeshauptstadt München Anfang der neunziger Jahre daran, mit Ausstellungen und Veranstaltungen stärker als bisher an die Zeit des Nationalsozialismus zu erinnern. Hierzu förderte sie vor allem bürgerschaftliche Initiativen und Erinnerungsarbeit vor Ort.

Der Durchbruch 2001

Die Landeshauptstadt München entschied dann 2001 in einem Grundsatzbeschluss, ein NS-Dokumentationszentrum aufzubauen. Sechs Monate später schloss sich der Freistaat Bayern dieser Idee an. In der Folgezeit wurden vier Symposien mit Bürgerbeteiligung durchgeführt.

2003 war ein wichtiges Jahr: Der Münchner Stadtrat beschloss umfangreiche Mittel für das Projekt. Doch auch im Umfeld der Bemühungen um ein NS-Dokumentationszentrum wurden wichtige Akzente für die Zukunft und die Einbindung dieses bundesweit bedeutsamen Projekts in die Münchner Stadtgeschichte gesetzt: Ebenfalls im Jahr 2003 wurde eine eigene Abteilung für stadtgeschichtliche Aspekte im Münchner Stadtmuseum eingerichtet – nicht als Konkurrenz oder Alternative zum NS-Dokumentationszentrum, sondern als ergänzender Teil einer umfangreicheren Erinnerungslandschaft. Im Juni 2008 konnte die Dauerausstellung „Nationalsozialismus in München – Chiffren der Erinnerung“ über Aufstieg und Herrschaft des Nationalsozialismus im Münchner Stadtmuseum eröffnet werden.

Im Jahre 2005 begann ein wissenschaftliches Team des Kulturreferats der Stadt München mit drei Fachgremien (politischer und wissenschaftlicher Beirat, Kuratorium) den Aufbau und die Einrichtung des NS-Dokumentationszentrums intensiv vorzubereiten. Ende desselben Jahres konnte die Standortfrage geklärt werden, als der Freistaat Bayern das Grundstück des „Braunen Hauses“ zur Verfügung stellte.

Der Architekturwettbewerb für das NS-Dokumentationszentrum wurde im April 2008 durch den Münchner Stadtrat ausgelobt.

Im Juni 2009 wurde schließlich die bereits vereinbarte Zusammenarbeit für den Bau des Dokumentationszentrums zwischen dem Bund, dem Freistaat Bayern und der Landeshauptstadt München in einem feierlich Akt durch einen Vertrag besiegelt. Die drei Vertragspartner verpflichteten sich hierbei, die Baukosten von 28,2 Millionen Euro zu gleichen Teilen zu tragen. Sollten Mehrkosten enstehen, müssen diese von der Stadt übernommen werden. Anschließend wird die Stadt für den Unterhalt und den Betrieb des Dokumentationszentrums aufkommen.[1]

2011 begann der Neubau des NS-Dokumentationszentrums.

Schwierige Namensfindung

Umstritten war die Frage, wie der endgültige Name des neuen Dokumentationszentrums sein sollte. Hier bei waren sich die unterschiedlichen Gremien und Parteien uneins:[2]

In der entscheidenden Stadtratssitzung im März 2011 kritisierten das städtische Kulturreferat und die SPD das Kürzel „NS“, weil dies für „nationalsozialistisch“ stehe und damit ein Begriff der „Tätersprache“ der Nazis sei. Darüber hinaus wäre „NS“ im Ausland nicht verständlich und gebräuchlich. Nicht zuletzt wollte Kulturreferent Hans-Georg-Küppers (SPD) nicht, dass man im Ausland das Dokumentationszentrum als „nationalsozialistisches Zentrum“ missverstehe.[2]

Eine ähnliche Haltung zeigte im Vorfeld auch die damalige Gründungsdirektorin des Dokumentationszentrums, Irmtrud Wojak, und deren wissenschaftliches Team. Oberbürgermeister Christian Ude teilte diese Einschätzung und unterstrich die Einschätzung des Kuratoriums des Dokuzentrums, das mit nur einer Gegenstimme einen Namen favorisierte, der ohne den Zuzatz „NS“ ausgekommen wäre. Die Präsidentin der Iraelitischen Kultusgemeinde (IKG), Charlotte Knobloch hielt ihn für „absolut ungeeignet“[2], da er der Tätersprache entstamme.[2]

Dieser Haltung widersprachen alle anderen Parteien im Stadtrat. So argumentierten die Grünen, dass sich „NS“ schon lange in der Alltagssprache etabliert habe und sogar die zuständige Abteilung des Kulturreferats „NS-Dokumentationszentrum“ heiße. Darüber hinaus hätten der politische Beirat und der Initiativkreis einstimmig für den Namen „NS-Dokumentationszentrum“ votiert und der wissenschaftliche Beirat hätte sich zumindest noch mehrheitlich für diese Variante entschieden. Obendrein könne er sich nicht vorstellen, dass jemand im Ausland annehme, München würde hiermit ein Zentrum zur Verherrlichung der NZ-Zeit bauen: „Selbst der blödeste Neonazi kapiert doch, dass es hier um die Analyse des Terrors geht“,[2] so Siegfried Benker von den Grünen.

Marian Offman, einer der beiden Vizepräsidenten der IKG und CSU-Stadtratsmitglied, betonte, dass es auch innerhalb der Kultusgemeinde verschiedene Auffassungen hierzu gebe. Entscheidend sei für ihn, dass bereits im Kurztitel deutlich würde, worum es geht: „Es darf auch nicht der Eindruck entstehen, dass wir schamhaft etwas verschweigen.“[2]

In der anschließenden Entscheidung überstimmten schließlich CSU, Grüne, FDP, Linke und Bayernpartei die SPD und Christian Ude. Seither heißt das Zentrum: „NS-Dokumentationszentrum München – Lern- und Erinnerungsort zur Geschichte des Nationalsozialismus“.[2]

Zu erheblichen Verstimmungen zwischen den politischen Vertretern der Stadt München und dem wissenschaftlichen Team des NS-Dokumentationszentrums führte die öffentliche Stellungnahme des Teams, das Stunden später ungewöhnlich heftige Kritik an der Stadtratsentscheidung übte: Die Argumente des Teams hätten kein Gehör gefunden und die Stadtratsdiskussion sei ein Paradebeispiel dafür, „dass das Wort der Zeitzeugen kein Gehör mehr findet, wenn parteipolitische Überlegungen im Spiel sind“.[2] Das „Ausspielen der Zeitzeugen“ habe „etwas zutiefst Beschämendes an sich“ und lasse „das Schlimmste fürchten für die zukünftige Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus“.[2][3]

Konzeption und Pädagogik

Bisher soll das NS-Dokumentationszentrum ein zentraler Erinnerungs- und Lernort werden, in dessen Konzept und Arbeit die Topografie rund um den Königsplatz – dem ehemaligen NSDAP-Parteiviertel mit Braunem Haus, Führerbau und Ehrentempeln in München – eine wichtige Rolle spielen soll. Zugleich soll das NS-Dokumentationszentrum ein Bestandteil eines bundesweiten Netzwerks werden, das sich einerseits mit der Geschichte und den Folgen des NS-Regimes auseinandersetzt und andererseits eine zukunftsorientierte, historisch-politische Bildungsarbeit an einem historisch-authentischen Ort realisiert.

Ein bedeutender Aspekt soll auch die Rolle Münchens als „Hauptstadt der Bewegung“ beim Aufstieg der NSDAP und der Durchsetzung des NS-Regimes sein. Hierbei soll auf eine Erinnerungsarbeit in Form von offenen Debatten und kritischer Auseinandersetzung mit der Geschichte des Nationalsozialismus gesetzt werden – mit dem Ziel eine gegenwarts- und zukunftsorientierte Bürgergesellschaft, die sich um Menschenrechte bemüht, zu fördern.

Dieser Lernort soll nachfolgenden Generationen vermitteln, dass Toleranz und Demokratie immer wieder gesichert werden müssen, dass sie gestaltet und mit Leben erfüllt werden müssen, um auch in Zukunft bestand haben zu können.

Auseinandersetzung um die Konzeption

Wie letztlich das genaue Konzept des NS-Dokumentationzentrums aussehen wird, ist seit Ende Oktober 2011 offen, da Münchnes Kulturreferent Hans-Georg Küppers (SPD) die bisherige Gründungsdirektorin PD Dr. Irmtrud Wojak von ihrer Aufgabe enthob. Dieser Schritt wurde zuvor mit dem Wissenschaftlichen Beirat des NS-Dokumentationszentrums besprochen, der dies einstimmig unterstützte, nachdem Wojaks Grobkonzept für das Dokuzentrum in den Gremien des Dokumentationszentrums durchweg auf Ablehnung stieß.[3]

Küppers hat infolge dessen ein vierköpfiges Historiker-Gremium aus Mitgliedern des wissenschaftlichen Beirats gebildet, das bis Mitte Januar 2012 eine neue Konzeption entwerfen soll – unter Federführung von Hans Günter Hockerts, der bis 2009 an der an der Ludwig-Maximilians-Universität München den Lehrstuhl für Zeitgeschichte innehatte. Weitere Mitglieder des Gremiums sind Marita Krauss, Professorin für Bayerische und Schwäbische Landesgeschichte an der Universität Augsburg, Peter Longerich, Professor am Royal Holloway and Bedford New College der Universität London, wo er Direktor des Research Centre for the Holocaust and Twentieth-Century History ist sowie der Direktor des Architekturmuseums der Technischen Universität München und Architekturhistoriker Winfried Nerdinger.[4]

Die personelle Interimslösung für die Leitung des NS-Dokumentationszentrums wurde Angelika Baumann. Sie ist Abteilungsleiterin im Kulturreferat. Zwar übernahm sie damit keine repräsentative Funktion, fungiert dafür aber seither als Ansprechpartnerin für das Team des NS-Dokumentationszentrums und wurde zum Bindeglied zwischen dem o. g. Historiker-Gremium und den übrigen Mitarbeitern des Kulturreferats, bis das Konzept für das Dokumentationszentrum im Januar 2012 steht. Die Pressestelle des Kulturreferats übernahm die Bearbeitung aller öffentlichen Anfragen zum NS-Dokumentationszentrum.[5]

Weblinks

Einzelnachweise

  1. NS-Dokumentationszentrum – Der Bau ist besiegelt. auf: sueddeutsche.de, 29. Juni 2009.
  2. a b c d e f g h i "NS-Dokumentationszentrum München" Heftiger Streit um ein Kürzel. auf: sueddeutsche.de, 31. März 2011.
  3. a b NS-Dokuzentrum braucht neuen Chef. auf: sueddeutsche.de, 28. Oktober 2011.
  4. Chefin des NS-Dokuzentrums wurde gefeuert. auf: merkur-online.de, 28. Oktober 2011.
  5. NS-Dokumentationszentrum in München – Wojak klammert sich an ihr Amt. auf: sueddeutsche.de, 11. November 2011.
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