Otto Reich (SS-Mitglied)

Otto Reich (SS-Mitglied)

Otto Reich (* 5. Dezember 1891 in Waldhausen, Landkreis Insterburg, Ostpreußen; † 20. September 1955 in Düsseldorf-Oberkassel)[1] war deutscher SS-Führer, Lagerkommandant im KZ Lichtenburg und Polizist während der Zeit des Nationalsozialismus.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Nach einem achtjährigen Volksschulbesuch schlug Reich die Laufbahn eines Berufssoldaten ein. Reich besuchte ab 1907 die Unteroffiziersschule Bartenstein und ab 1909 die Unteroffiziersschule Potsdam.[2] Reich trat 1911 in das 4. Garde-Regiment zu Fuß ein. Mit diesem nahm er von 1914 bis 1918 als Soldat am Ersten Weltkrieg teil, in dem er am 1. März 1915 zum Vizefeldwebel beförderte wurde. Nach dem Krieg gehörte er einem Freikorps an.[3] Reich machte sich 1921 mit einem Lebensmittel-Großhandel selbstständig, ging aber aufgrund der Inflation pleite.[2]

Reich trat 1929 in die NSDAP (Mitgliedsnr. 289.356) und in die SS (SS-Nr. 9.948) ein. Ab 1931 führte er den SS-Sturm 1/V/6 in Berlin.[2] Nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten wurde Reich am 17. März 1933 zur Leibstandarte-SS Adolf Hitler (LSSAH) versetzt. Er war damit einer der ersten 120 von Josef Dietrich persönlich für diese Eliteeinheit ausgesuchten SS-Angehörigen. Am 30. Juni 1934 nahm Reich an der als Röhm-Putsch bekannt gewordenen politischen Säuberungswelle der Nationalsozialisten vom Frühsommer 1934 teil: In der Nacht vom 29. zum 30. Juni führten er und Jürgen Wagner den Großteil, etwa zwei Drittel der Truppe umfassenden, Teil der Leibstandarte an, der in einer Nacht- und Nebelaktion mit Zügen von Berlin nach Bayern verlegt wurde, um sich dort unter dem Kommando des mit dem Flugzeug dort eingetroffenen Sepp Dietrich zur persönlichen Verfügung Hitlers zu halten. Am frühen Abend des 30. Junis kommandierte Reich als Beauftragter Dietrichs ein Exekutionskommando aus Angehörigen der LSSAH, das im Hof des Gefängnisses Stadelheim sechs prominente SA-Führer auf Befehl Hitlers erschoss.[4] Nach dem Ende der Aktion wurde Reich am 4. Juli befördert.

Bald danach wurde Reich durch den Reichsführer-SS Heinrich Himmler als Leiter der militärischen Grundausbildung an der SS-Junkerschule in Jüterbog eingesetzt. Aufgrund von Auseinandersetzungen mit dem Kommandeur der LSSAH Dietrich wurde er außerdem am 1. März 1935 von der Leibstandarte abberufen und als Lagerkommandant des KZ Lichtenburg eingesetzt. Auf diesem Posten verblieb Reich bis zum 30. März 1936. Auf eigenen Wunsch schied er dann als Lagerkommandant des KZ Lichtenburg aus und führte anschließend im KZ Esterwegen die Wachtmannschaft „Ostfriesland“. Anschließend führte er von Juli 1937 bis Oktober 1938 den SS-Totenkopfverband „Brandenburg“ im KZ Sachsenhausen und danach den SS-Totenkopfverband „Ostmark“ im KZ Mauthausen.[3]

Von April 1941 bis April 1942 war er Kommandeur von SS-Freiwilligen-Standarte Nordwest. Danach war er bis Mitte Februar 1943 Kommandant beim Nachschub der Waffen-SS und Polizei in Riga (Russland-Nord). Ab Mitte Februar 1943 war er beim Polizeipräsidenten in Breslau eingesetzt und war von August 1943 bis Juni 1944 Kommandeur des SS-Polizei-Regiments 4. Danach war er kurzzeitig in der Stabsabteilung des SS-Personalhauptamtes tätig und wechselte im August 1944 in das Hauptamt Ordnungspolizei. Ab August 1944 war er Kommandeur der Ordnungspolizei in Agram und nach dem Tod von Willi Brandner noch kurzzeitig dessen Nachfolger als Polizeigebietsführer Agram vom 28. Dezember 1944 bis 6. Januar 1945.[2] Danach war er bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges als SS-Führer in der Stabsabteilung des SS-Personalhauptamtes eingesetzt.

Reich wurde nach Kriegsende juristisch nicht belangt.[1]

Auszeichnungen

Reichs SS-Ränge
Datum Rang
6. Dezember 1931 SS-Untersturmführer
28. Juni 1933 SS-Sturmbannführer
30. Januar 1934 SS-Obersturmbannführer
1. Juli 1934 SS-Standartenführer
1. September 1941 Oberführer der Waffen-SS

Literatur

  • Karin Orth: Die Konzentrationslager-SS. dtv, München 2004, ISBN 3-423-34085-1.
  • Dirk Lüerßen: „Wir sind die Moorsoldaten“ - Die Insassen der frühen Konzentrationslager im Emsland 1933 bis 1936, Dissertation an der Universität Osnabrück 2001 (pdf)
  • Johannes Tuchel: Konzentrationslager. Band 39 von Konzentrationslager: Organisationsgeschichte und Funktion der Inspektion der Konzentrationslager 1934-1938. H. Boldt, 1991, ISBN 3-7646-1902-3

Einzelnachweise

  1. a b Dirk Lüerßen: „Wir sind die Moorsoldaten“, Osnabrück 2001, S. 71
  2. a b c d Johannes Tuchel: Konzentrationslager. Band 39 von Konzentrationslager: Organisationsgeschichte und Funktion der Inspektion der Konzentrationslager 1934-1938. H. Boldt, 1991, ISBN 3-7646-1902-3, S. 386f
  3. a b Karin Orth: Die Konzentrationslager-SS, München 2004, S. 143
  4. Roth: Der Sicherheitsdienst der SS und der 30. Juni 1934, S.132.

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