Peter Paul Rainer (Politiker)

Peter Paul Rainer (Politiker)

Peter Paul Rainer (* 20. Juli 1967 in Bozen) ist ein Südtiroler Historiker und ehemaliger Politiker. Er sitzt zur Zeit eine Haftstrafe von 22 Jahren und sechs Monaten für den Mord an seinem politischen Weggefährten Christian Waldner ab.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Rainer war von 1985 bis 1992 Funktionär der Südtiroler Regierungspartei Südtiroler Volkspartei (SVP), von 1989 bis 1992 politischer Geschäftsführer der SVP-Jugendorganisation Junge Generation und Mitglied des Parteiausschusses. Er gehörte jener Richtung an, die für Südtirol das Selbstbestimmungsrecht einfordert. 1988 war er persönlicher Referent des Regionalratspräsidenten von Trentino-Südtirol Luis Zingerle und Organisator der Kampagne „Paketabschluss, so nicht“.

Rainer war ein Gegner des Abschlusses der Autonomieverhandlungen mit Italien und der Abgabe der Streitbeilegungserklärung vor den Vereinten Nationen und trat deshalb 1992 aus der Südtiroler Volkspartei aus. Im selben Jahr unterstützte er als Vorsitzender eines Promotorenkomitees die Gründung der Partei Die Freiheitlichen als Südtiroler Schwesterpartei der österreichischen FPÖ, ohne selbst eine Parteifunktion zu übernehmen.[1]

1994 wurde er im Südtiroler Schützenbund zum Bildungs- und Kulturreferenten berufen und Mitglied der Bundesleitung. Zur selben Zeit verfasste er auch mehrere Beiträge, welche 1994/95 in der Wochenzeitung Junge Freiheit erschienen, eine Tätigkeit, welche er während seiner Haftzeit im Gefängnis von Trient wieder aufnahm.[2]

Am 14. April 2007 heiratete Rainer in der Kirche von Winnebach im Pustertal Gerlinde Nöbauer, welche ihn bei seiner Flucht im Jahre 2000 unterstützt hatte und wie er bei Radio Horeb im Allgäu tätig war. Für die Feierlichkeiten erhielt Rainer eine Woche Hafturlaub.[3][4][5][6]

Mord und Prozess

Am 15. Februar 1997 wurde der ehemalige Parteivorsitzende der Freiheitlichen Christian Waldner, der 1995 aus der Partei ausgeschlossen worden war, am Reichrieglerhof ermordet. Fünf Tage nach dem Mord wurde Peter Paul Rainer verhaftet. Da die Staatsanwaltschaft Rainer ein gefälschtes Alibi nachweisen konnte, gestand er beim ersten Verhör – noch ohne Rechtsbeistand – die Tat. Am nächsten Tag informierte er seine engsten Familienangehörigen, dass er unschuldig sei. Am selben Tag führte Rainer die Polizei zu seinem bei Sigmundskron im Wald versteckten Norinco Jagdgewehr, welches sich – laut Staatsanwaltschaft Bozen – als Tatwaffe erwies. Kurz darauf bestätigte er in einem in der italienischen Rechtsgeschichte einmaligen und auf seinen Wunsch hin stattfindenden Fernsehinterview des dritten Programms des Senders RAI erneut Christian Waldner ermordet zu haben. Als Grund gab Rainer an, dass er sein Maturadiplom gefälscht habe. Rainer hatte in Innsbruck dank einer Studienberechtigung Geschichte studieren können, jedoch werden derart erlangte Titel in Italien nicht anerkannt. Daher fälschte Rainer nachträglich ein Maturadiplom, um die Anerkennung seines Studientitels zu erreichen. Waldner habe von der Fälschung gewusst und ihn damit erpresst – so Rainer. Nach seiner ersten Verurteilung holte Rainer im Gefängnis von Trient die Matura nach.[7]

Zu Beginn des Prozesses am Landesgericht Bozen widerrief Rainer sein Geständnis und beteuerte seine Unschuld. Rainer wurde vom Landesgericht Bozen am 11. August 1997 wegen Mordes zu 20 Jahren und wegen illegalen Waffenbesitzes zu zweieinhalb Jahren Gefängnis verurteilt, wobei der Umstand der Erpressung durch Christian Waldner als mildernder Umstand anerkannt wurde. In zweiter Instanz sprach das Oberlandesgericht Trient Rainer am 2. Dezember 1998 jedoch „wegen erwiesener Schuldlosigkeit“ frei und setzte ihn umgehend auf freien Fuß. Während des Prozesses in Trient sorgten eine im Namen der in den Achtzigern aktiven Terrororganisation Ein Tirol gegen den vorsitzenden Richter gerichtete Morddrohung sowie ein an ihn geschicktes, fingiertes Dossier des italienischen militärischen Geheimdiensts SISMI, welches Rainer entlasten und dem Mordopfer Kontakte zum osteuropäischen organisierten Verbrechen unterstellen sollte, für Aufregung.[8] Im November 1999 ordnete das Kassationsgericht in Rom aufgrund einer Beschwerde der Staatsanwaltschaft Bozen eine Wiederaufnahme des Verfahrens am Oberlandesgericht Brescia an.

Am 20. Mai 2000 bestätige das Oberlandesgericht Brescia „aus der Beweislage heraus, wegen der Geständnisse, die Details zutage brachten, die nur der Täter wissen konnte, und wegen eines erwiesenen Tatmotivs“ den erstinstanzlichen Schuldspruch des Bozner Landesgerichts.[9] Als das Urteil erging, war Rainer unauffindbar. Bis dahin hatte Rainer unter einem Pseudonym beim christlichen Radiosender Horeb in Balderschwang im Oberallgäu gearbeitet.[10][11] Aus diesem Grund erließ das Gericht von Brescia nach der Urteilsverkündung einen internationalen Haftbefehl gegen Rainer „wegen Flucht- und Wiederholungsgefahr“ und da Rainer fortgesetzten Kontakt zu „ultranationalen, extremistischen Kreisen im Ausland“ habe, die ihn verstecken könnten.[12]

Nach fast achtmonatiger Fahndung durch Interpol wurde Rainer am 4. Januar 2001 von der österreichischen Polizei in Wien-Rudolfsheim verhaftet[13]. In der Zwischenzeit hatte das Kassationsgericht in Rom den in Brescia verhängten erneuten Schuldspruch bestätigt.[14][15]Rainer wurde daher trotz des Bemühens seines Rechtsbeistands, des ehemaligen österreichischen Justizministers Harald Ofner, am 28. Dezember 2001 an Italien ausgeliefert, da am 9. Oktober 2001 das mit dem Auslieferungsverfahren befasste Oberlandesgericht Wien befand, dass „ein sofortiger Beweis der völligen Unmöglichkeit seiner Täterschaft“ nicht gegeben sei.[16][17] Seitdem verbüßt er seine Haftstrafe im Gefängnis von Padua. 2005 wies das Oberlandesgericht Venedig einen Antrag Rainers auf Wiederaufnahme des Verfahrens ab.[18] Zu Jahresbeginn 2007 ordnete das Kassationsgericht in Rom die Wiederaufnahme des Verfahrens an, da die Verteidigung drei neue Entlastungszeugen aufbieten konnte. Dieses – nun achte – Strafverfahren im Mordfall Waldner wurde am Oberlandesgericht Triest verhandelt.[19][20] Am 20. Oktober 2008 entschied das Gericht, dass es bei 20 Jahren und sechs Monaten Haft für Peter Paul Rainer wegen Mordes bleibt, da, so die Urteilsbegründung, die drei neuen Entlastungszeugen nicht glaubwürdig seien.[21]

Wegen guter Führung kann Rainer inzwischen tagsüber einer Arbeit nachgehen.

Verschwörungstheorien

Der Fall an sich, noch verstärkt durch den ungewöhnlichen Ablauf der polizeilichen Ermittlungen und die dubiosen Kontakte sowohl des Opfers als auch Rainers in geheimdienstliche Milieu, ließen eine ganze Reihe an Verschwörungstheorien erblühen. Medien in zumindest vier Ländern (Deutschland, Österreich, Italien und der Schweiz) berichteten jahrelang über den Fall.
Waldner und Rainer waren 1992 gemeinsam an der Gründung der Partei Die Freiheitlichen beteiligt. Waldner wurde Parteivorsitzender, in dieser Funktion jedoch 1994 abgewählt und wegen „finanzieller Unregelmäßigkeiten“ 1995 aus der Partei ausgeschlossen. Waldner behielt sein Mandat im Südtiroler Landtag und näherte sich vor seinem Tod der Lega Nord an. Carlo Palermo, ein führender Exponent dieser Partei, erklärte vor Gericht, dass Waldner über ein Dossier verfügt habe, mit welchem die „illegale Finanzierung einer Südtiroler Partei hätte nachgewiesen werden können“. Dieses Dossier wurde nie gefunden.[22] Die Staatsanwaltschaft stellte die Ermittlungen nach Rainers Geständnis und dem Auffinden seines Jagdgewehrs praktisch ein. So wurde z. B. das Gewehr von Rainer nicht mehr auf Fingerabdrücke untersucht. Diese Nachlässigkeit der Ermittler und die von der Presse aufgedeckten Kontakte des Opfers sowie des Täters zu rechtsextremen Kreisen und zu italienischen und österreichischen Geheimdiensten führte zu vier Parlamentsanfragen im österreichischen Parlament:

Der Südtiroler Journalist Arthur Oberhofer schrieb zwei Bücher zu dem Fall: Mordfall Waldner, in welchem er die Unschuld Rainers zu belegen versuchte, und drei Jahre später Mordfall Waldner – Die neuen Fakten, in welchem Oberhofer alle Ungereimtheiten in Rainers Verhalten, insbesondere nach dem Freispruch von Trient, analysierte.

Quellen

  1. Dolomiten, Lebensdaten
  2. z.B. Junge Freiheit, 25/98 12. Juni 1998, S. 7
  3. http://www.welt.de/print-welt/article427388/Radio_Horeb_und_der_Mordfall_Waldner.html
  4. http://www.heute.at/2007/04/17/news/wien/15790.php
  5. http://www.tirol.com/chronik/osttirol/60257/index.do
  6. http://adige.emmi.it/DatiGON/GONPDF/2007/04/15/AD1504ATT6-06.pdf ital. Quelle .pdf Format
  7. Dolomiten, Verfahren OLG Brescia
  8. http://www.jf-archiv.de/archiv01/081yy22.htm
  9. Dolomiten, Urteilsbegründung Brescia
  10. Dolomiten, Flucht
  11. http://www.welt.de/print-welt/article427388/Radio_Horeb_und_der_Mordfall_Waldner.html
  12. http://www.jf-archiv.de/archiv00/220yy23.htm
  13. Dolomiten, Verhaftung in Wien
  14. http://diepresse.com/home/panorama/welt/281291/index.do
  15. http://www.jf-archiv.de/archiv01/031yy11.htm
  16. Die Presse, Verfahren OLG Wien
  17. Berliner Zeitung, Auslieferung
  18. ORF Verfahren OLG Venedig
  19. Dolomiten, Verfahren OLG Triest
  20. http://trieste.rvnet.eu/2007/10/31/omicidio-waldner-tre-testimoni-per-un-colpo-di-scena/
  21. http://www.stol.it/nachrichten/artikel.asp?KatId=da&p=3&ArtId=133719&SID=0D7F Dolomiten, Alle drei Zeugen unglaubwürdig
  22. http://www.berlinonline.de/berliner-zeitung/archiv/.bin/dump.fcgi/1998/0629/blickpunkt/0007/index.html
  23. http://www.parlinkom.gv.at/pls/portal/docs/page/PG/DE/XX/J/J_02075/FNAMEORIG_000000.HTML
  24. http://www.parlinkom.gv.at/pls/portal/docs/page/PG/DE/XX/J/J_02127/daten_000000.doc Anfrage im .doc-Format
  25. http://www.parlinkom.gv.at/pls/portal/docs/page/PG/DE/XX/J/J_02157/daten_000000.doc Anfrage im .doc-Format
  26. http://www.parlinkom.gv.at/pls/portal/docs/page/PG/DE/XXI/J/J_03220/FNAMEORIG_000000.HTML

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