Unsere Liebe Frau mit den Pfeilen

Unsere Liebe Frau mit den Pfeilen
Stilisierte Darstellung auf einer Briefmarke von 1949 (Gestaltung: René Cottet)
Wallfahrtsandenken, 1920
Aufstellung des Gnadenbildes 1913, auf einem aus der Benediktinerabtei Wiblingen dazu gekauften Altar

Unsere Liebe Frau mit den Pfeilen, kurz Pfeilenmadonna, ist der Name einer etwa 80 cm hohen, aus Eichenholz geschnitzten Pietà (Vesperbild) aus dem 14. Jahrhundert, die ursprünglich im Kloster Gräfinthal und heute in der Heilig-Kreuz-Kapelle in Blieskastel aufbewahrt wird.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Die Skulptur – eine bekrönte Maria, die den toten Jesus auf ihrem Schoß hält – ist farbig gefasst; die Krone besteht aus vergoldetem Silber. In der Skulptur stecken fünf eiserne, mittelalterliche Pfeilspitzen; in einer dieser Pfeilspitzen steckt noch deutlich der abgebrochene Schaft.

Ein ganz ähnliches Bild, allerdings ohne Bezug oder historischen Zusammenhang mit der Pietà, zeigt das Stadtwappen von Blieskastel: Der Heilige Sebastian, Schutzpatron der 1668 erbauten Stadtkirche, wurde von fünf Pfeilen getroffen. Diese Figur wird seit dem 16. Jahrhundert als Siegel, seit 1837 auch als Wappen verwendet.[1]

Der Legende nach wurde „Unsere Liebe Frau mit den Pfeilen“ von einem zum frommen Einsiedler gewordenen Ritter geschaffen, der das Bildnis in seiner Klause nahe dem heutigen Bliesmengen-Bolchen mit großer Kunstfertigkeit schnitzte und zur Andacht in einer Baumnische aufstellte. Eine Räuberbande soll den Eremiten überfallen und aus Wut darüber, dass sie bei ihm nicht das Geringste fand, die Armbrust auf die Gottesmutter angelegt haben. Dort, wo ein Pfeil das Herz Jesu traf, sei Blut hervorgequollen; daraufhin seien die Räuber geflohen. Weiter heißt es, ein blinder Mann, der von diesem Ereignis erfuhr, habe sich zu der Figur führen lassen, an die blutfeuchte Stelle gefasst und dadurch wieder sehen können.[2]

Auch die junge Gräfin Elisabeth von Blieskastel († 1273) soll von dem wundertätigen Bildnis gehört und es besucht haben; dabei sei sie von ihrem schmerzhaften Augenleiden befreit worden. Die Legende bringt die Gründung des Klosters Gräfinthal in Zusammenhang mit diesem Ereignis. 1671 erschien das Gräfinthaler Mirakelbuch im Druck, das heute nur noch in einem einzigen beschädigten Exemplar vorliegt, von zahlreichen Wundern bei Anrufung der Gottesmutter berichtet und zur Popularität des Wallfahrtsortes beitrug.[3]

Die Reformation und Aufklärung, insbesondere die Katholische Aufklärung und damit einhergehend die Abwendung von materiell-äußerlichen Manifestationen des Glaubens führten 1784 zu einem eingeschränkten Verbot von Wallfahrten durch den Bischof von Trier, Clemens Wenzeslaus von Sachsen; bereits ein Jahr später wurde der Orden der Wilhelmiten aufgelöst. Die Gräfinthaler Wilhelmiten siedelten 1786 als regulierte Chorherren in das Städtchen Blieskastel um und brachten das Bild mit in die Sebastianskirche. Die in Blieskastel residierende Gräfin Marianne von der Leyen stiftete „Unserer Lieben Frau mit den Pfeilen“ die Krone und das Rückbrett aus Kiefernholz. Die Krone trägt in französischer Sprache folgende Inschrift: „Der seligen Jungfrau gewidmet von der Gräfin von der Leyen und Hohengeroldseck, geborene Freiin von Dalberg, im Jahre 1787“. Das Gnadenbild hätte in der neuen Stiftskirche, mit deren Bau 1788 begonnen wurde, seinen Platz finden sollen.

Die Französische Revolution vereitelte dies. Die Ausleerungskommission der Französischen Republik ließ das Gnadenbild „Unsere Liebe Frau mit den Pfeilen“ 1794 zur Versteigerung ausrufen. Den Zuschlag erhielten die Jungfern von Blieskastel. Nach Auflassung der Sebastianskirche im Jahre 1809 wurde das Gnadenbild in die neue Pfarrkirche von Blieskastel – die Schlosskirche - übertragen und zur Verehrung am linken Seitenaltar aufgestellt. 1829 fand das Gnadenbild in der Heilig-Kreuz-Kapelle eine neue Heimat. Hier stand es unbeachtet mit Kleidern verhüllt an der linken Seitenwand ziemlich hoch auf einer Konsole und geriet schließlich in Vergessenheit. Nach ihrer Wiederentdeckung wurde sie 1911 einer Restaurierung in München unterzogen, bei der vor allem die Patina entfernt wurde.[3] Nach Abschluss der Arbeiten 1913 setzte wieder eine starke Pilgerbewegung ein, und Blieskastel entwickelte sich zu einem Wallfahrtsort.[2]

Während noch 1962 die Entstehung der Pietà von dem damaligen Leiter des Denkmalschutzes, Martin Klewitz, auf „um 1400“ taxiert worden war, schreibt Heinrich Klein, der als letzter 1980 die Skulptur bearbeitet hat und im selben Jahr einen Aufsatz über das ehemalige Kloster Gräfinthal eröffentlichte, die Liebe Frau mit den Pfeilen müsse vom Beginn des 14. Jahrhunderts stammen, also 100 Jahre älter sein, als noch 20 Jahre zuvor geschätzt.[4]

1925 gab das Saargebiet und 1949 das Saarland Briefmarken mit dem Motiv „Unsere Liebe Frau mit den Pfeilen“ aus.

Bewertung

Altarraum mit Pfeilenmadonna

Der künstlerische Ausdruck dieses Vesperbildes (Pietà), so benannt nach dem mittelalterlichen Brauch, zur Sterbestunde Jesu – zugleich Vesperzeit – eine besondere Betrachtung der heiligen fünf Wunden abzuhalten, wird hoch bewertet. Die relativ großen Hände und Füße betonen die Wundmale, die Wunde in der Seite zeigt zum Betrachter hin; damit ist der Andachtsgegenstand deutlich hervorgehoben. Die im Verhältnis zu Maria körperlich kleine Christusfigur weist Analogien zu den mystischen Schriften des Bernhardin von Siena auf, der schrieb, Maria habe sich ihren toten Sohn als Kind zurückerträumt. Menschwerdung und Leiden Christi als Erlösungstatsachen verschmelzen hier ineinander. Bernhardin von Siena wirkte allerdings hauptsächlich Anfang des 15. Jahrhunderts, während die Entstehungszeit der Pfeilenmadonna ins 14. Jahrhundert fällt. Daher könnte die relativ kleine Christusfigur auch ein Hinweis darauf sein, dass die "Madonna mit dem Kind" Vorbild für die Vesperbilder gewesen sein könnten. Thomas Meyer wies 2002 in seiner Beschäftigung mit dem "Mirakelbuch" (der ältesten erhaltenen Quelle sowohl für die Gründungslegende des Klosters als auch für die Herkunft der Madonna) nach, dass die einzelnen Elemente der Legende (Waldbruder, Madonna, Räuber, Blutwunder, Heilung, die Blieskasteler Grafen) literarisch unverbunden nebeneinander stehen und auf weitverbreitete religionsgeschichtliche Motive zurückgehen, so dass ein konkreter historischer Zusammenhang sowohl der einzelnen Elemente untereinander als auch mit der vorliegenden Madonnenfigur nicht zwangsläufig gegeben sein muss.[5]

Literatur

Einzelnachweise

  1. Private Site zu Familien-, Gemeinde- und Städtewappen
  2. a b Sammlergilde St. Gabriel
  3. a b http://home.vrweb.de/~thomhilmeyer/graefinthal/kommentar.htm
  4. Joseph Adolf Schmoll gen. Eisenwerth: „Die Pietà aus dem Kloster Gräfinthal in der Kreuzkapelle auf dem Klosterberg bei Blieskastel/ Saarland. Zur Datierung des hölzernen Vesperbildes ins 14. Jahrhundert; in: Saarpfalz. Blätter für Geschichte und Volkskunde; Sonderheft 1994; ISSN 0930-1011, Seite 51
  5. Thomas Meyer: Das sog. Gräfinthaler Mirakelbuch, Kap. 4.3.3.

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