Chinesische Regionen

Chinesische Regionen

Nordchina und Südchina sind geographische Bezeichnungen für die beiden Landeshälften des „Reiches der Mitte“ etwa nördlich und südlich des Jangtsekiang. Darüber hinaus sind sie historisch, aber auch sprachlich, ethnisch, religiös und kulturell eigenständige Regionen mit unterschiedlichen Identitäten als Ergebnis früherer unterschiedlicher Entwicklungen.

Eine auch nur ansatzweise ähnliche Unterscheidung zwischen Ost- und Westchina ist demgegenüber weitgehend unüblich.

Inhaltsverzeichnis

Geographisch-klimatische Unterschiede

Zum nördlich des Jangtse befindlichen Nordchina zählt vor allem das Tal des „Gelben Flusses“ Huang He, die alten Hauptstädte Chang'an, Luoyang, Kaifeng und schließlich Peking. Im weiteren Sinne gehören auch die Gebiete jenseits der Großen Mauer dazu: Innere Mongolei, Mandschurei, Sinkiang sowie Tibet.

Südchina hingegen reicht etwa von den Metropolen Nanjing und Shanghai (beide am Jangtse) bis nach Guangzhou und Hongkong. Im weiteren Sinne zählt Ostchina und auch die Insel Taiwan dazu sowie das von China beanspruchte Südchinesische Meer und das von Auslandschinesen bewohnte Indochina bis Singapur.

Klimatisch wird China vor allem durch das Qin Ling-Gebirge geteilt. Der Nordraum ist insgesamt trockener und kühler.[1] Während der Norden Chinas vor allem jenseits der Mauer eher aus Steppe, Taiga und Wüste (Gobi und Tarim besteht und daher dünner besiedelt ist, dominiert im stark besiedelten Landessüden, insbesondere im äußersten Süden, eine Berg- und Hügellandschaft mit einer beinahe subtropischen Vegetation. Während der Norden durch angewehten Löss sehr fruchtbar ist, verhinderte der Quin Ling Shan die Ablagerung von Lössboden im Süden - mit Ausnahme des fruchtbaren Berglands im Roten Becken. Der kalte Norden wird von trockenen sibirischen Schneestürmen, der warme Süden von pazifischen Monsunregen beeinflusst. Im Bereich der Südküste Chinas wird das Klima bereits tropisch, in Südostasien ist das Klima schließlich vollständig von Monsun beherrscht.[1]

Ethnische Unterschiede

Nord- und Südchina wurden möglicherweise aus unterschiedlichen Richtungen besiedelt, zuerst der Süden von Indien aus, der ausgestorbene ältere Peking-Mensch wurde nur in Nordchina gefunden. Entwicklungshistorisch dominierten vor der Herausbildung einer chinesischen Hochkultur im Norden Pferde und Schweine züchtende Nomaden, im Süden eher Bauern mit Rindern und Wasserbüffeln. Die Bauern im Norden wiederum bauten eher Weizen und Hirse, die im Süden eher Reis an.

Die nördlichen Nachbarn der Chinesen, die Mandschuren, Mongolen, Uiguren, und Turkvölker blieben Nomaden und dominieren noch heute geschlossene Minderheitengebiete in Nordchina. Im Süden wiederum zersiedelten die Chinesen die Gebiete der ebenfalls ackerbauenden Minderheiten Miao, Hakka, Jinchuan, Yao, Zhuang, Yi, Dong, Bai, Hani, Naxi, Tujia und anderen, die aber noch heute existieren. Während die Chinesen im Norden selbst immer wieder von turkmongolischen Minderheiten unterworfen wurden, unterwarfen die Chinesen im Süden ihrerseits zahlreiche Minderheitenvölker. Die nördlichen Minderheiten waren aber eher nord- und ostasiatisch beeinflusst, die südlichen Minderheiten eher südostasiatisch und ind(ochines)isch, siehe Völker Chinas

Sprachliche Unterschiede

Während die chinesische Amtssprache, das Hochchinesische, offiziell das ganze Land, im Süden zumindest die Großstädte dominiert, ist es dennoch ursprünglich die Sprache des kompakten Nordens.

Der Süden Chinas zerfällt nicht nur in regionale Dialekte, sondern eine Handvoll südchinesischer Sprachen: Jiangsu-Zhejiang, Guangdong, Hunan, Hakka, Süd-Fujian (Min Nan), Nord-Fujian (Min Bei), Jiangxi, Xiang, Wu (Shanghai) und Kantonesisch – die Minderheitensprachen nicht eingerechnet. Kantonesisch wiederum dominiert unter den Auslandschinesen zum Beispiel Südostasiens. Oftmals ist eine Verständigung zwischen Nord- und Südchinesen allein durch die gemeinsame Schriftsprache möglich.

Kulturelle Unterschiede

Beispiele des gesellschaftlichen und kulturellen Lebens

Chinesische Küche

Beispielsweise gibt es keine einheitliche chinesische Küche. Die nordchinesische Küche (eher Getreide, vor allem Nudeln) unterscheidet sich von der südchinesischen (eher Reis) vor allem dadurch, dass die Küche des Südens – aufgrund des Bevölkerungsüberschusses – so nahezu alles zubereitet, was Füße oder Flügel hat außer Tische und Flugzeuge, wie ein nordchinesisches Sprichwort spottet. Hunde oder Katzen bereichern eher die südliche als die nördliche Küche.

Kung Fu (Wushu/Quan Fa/Kuen Fat)

Auch die regionalen Kampfsportarten weisen typische Unterschiede auf. Nordchinesische Kung-Fu-Stile (zum Beispiel Changquan) arbeiten – stark vereinfacht – mit langen und harten Kampfzügen und ausholend runden Bewegungen. Südchinesische Stile (zum Beispiel Wing Chun) sind meistens kurz, direkt und „weich“. Angeblich soll auch die Vegetation Auswirkungen auf die Schwerpunkte der verschiedenen Kung-Fu-Stile gehabt haben - das dicht bewaldete, subtropische Südchina war schlecht für Tritte geeignet, daher betonen südchinesische Kampfstile den Faustkampf - und vice versa.

Religion und Ideologie

Unter den Religionen in der Volksrepublik China ist zwar der Anteil von Buddhisten, Daoisten und Konfuzianisten im ganzen Land etwa gleichgroß, im Norden jedoch dominieren weiterhin Kommunisten. Von hier hatte der Maoismus einst zur Machtergreifung angesetzt, während der einstmals nationalistische Süden bis heute eher marktorientiert und prowestlich ist. Die meisten der ehemaligen Vertrags- oder Pachthäfen sowie alle Sonderwirtschaftszonen Chinas befinden sich in Südchina.

An missionarischen Religionen ist der Islam stärker im Norden und Westen, das Christentum stärker im Süden und Osten verbreitet. Bis 1949 bestand in Shanghai zudem eine blühende jüdische Gemeinde.

Reichsteilungen in der Geschichte

Die deutlichsten Unterschiede zwischen Nordchina und Südchina finden sich in der Geschichte Chinas. Im Laufe seiner mehrtausendjährigen Geschichte war das chinesische Kaiserreich mehrfach geteilt, fast ebenso lange wie tatsächlich geeint, wobei sich fast immer nördliche und südliche Reiche bzw. Dynastien gegenüberstanden.

Beispiele aus Antike und Mittelalter

Schließlich wurde China von aus dem Norden kommenden Tungusen, Mongolen, dann von den Mandschuren erobert, der chinesische Widerstand verlagerte sich in den Süden (Hangzhou) und auf Taiwan, wo bis zum Untergang der Mandschu-Dynastie 1911 immer wieder Aufstände der Chinesen und nichtchinesischen Minderheiten ausbrachen. Der antimandschurische Taiping-Aufstand beispielsweise erfasste ab 1850 dem gesamten Süden, der promandschurische Boxeraufstand um 1900 nur den (gesamten) Norden.

Neuere Zeit

Auch die kaiserliche Flotte war beispielsweise regional gegliedert. 1884 noch gab es drei Flotten, die Ostflotte in Futschou, die Südflotte in Kanton und die Nordflotte in Shanghai. Später wurde die Nordflotte als Peking-Flotte reorganisiert. Erstere wurde 1885 durch die Franzosen vernichtet, von den zwei verbliebenen versenkten Japaner 1895 die letztere, den Stolz der Chinesen. (Noch heute ist Chinas Marine wieder dreigeteilt.) Das Riesenreich geriet unter ausländische Vorherrschaft: im Norden dominierten mit Russland (bis ins Huang-He-Becken) und Japan östliche Mächte (und bekämpften einander), im Süden grenzten die Westmächte Frankreich und Großbritannien (von Shanghai bis Tibet) mit ihren Kolonien an und nahmen massiv Einfluss, siehe Ungleiche Verträge.

Neuzeit

Schließlich wurde die Monarchie 1912 abgeschafft, neue Hauptstadt wurde Nanjing. In Peking scheiterten 1915-17 monarchistische Restaurationsversuche, das Land fiel unter die Herrschaft regionaler Kriegsherren. Die „Nördlichen Militaristen“ der „Peking-Armee“ bekämpften mit Hilfe Japans südliche Rivalen aber auch einander um die Macht in Peking, wo die Japaner 1935 einen nordchinesischen Marionettenstaat („Ost-Hopei“) abspalten wollten, nachdem 1932 schon die Mandschurei abgespalten worden war.

Im Süden stiegen seit 1917 vor allem die republikanischen Nationalisten der Kuomintang auf, deren Gegenregierung 1927 von Kanton aus Nanjing, 1928 auch Peking eroberte, dann aber in einen chinesischen Bürgerkrieg mit Mao Zedongs Kommunisten und in den Zweiten Weltkrieg mit Japan verwickelt wurde (Zweiter Japanisch-Chinesischer Krieg). Erstere zogen sich im „Langen Marsch“ von Südchina geschlossen nach Nordchina zurück, letztere eroberten 1937 die Hauptstadt Nanjing, 1938 auch die Ausweichresidenz Hankou (Wuhan), wo die republikanische Bewegung 1911 begonnen hatte.

1938-44 waren die in den Süden geflohenen Nationalisten unter Chiang Kai-shek (Chongqing, provisorische Hauptstadt 1938-45) zu keiner Gegenoffensive fähig, in Nanjing bildeten abtrünnige Nationalisten unter Stellvertreter Chiang Kai-sheks Wang Ching-wei 1940-44 sogar eine projapanische Gegenregierung. Die Japaner weigerten sich aber, ihre nördlichen Marionettenstaaten (Mandschukuo, Ost-Hebei mit Peking, Innere Mongolei) mit Nanjing zusammenzuschließen. Das Land blieb geteilt.

Auch auf der anderen Seite zerbrach die kurzlebige Einheitsfront (1937-41) gegen die japanische Armee, im Norden regierten die Kommunisten, im Süden die Nationalisten. Nach der Niederlage Japans 1945 brach 1946 der Bürgerkrieg zwischen Kommunisten und Nationalisten erneut offen aus. Erstere wurden massiv von den Sowjets unterstützt, letztere massiv von den USA. 1946-49 war China faktisch geteilt, ehe Maos Truppen 1949 nach der Einnahme Pekings auch die Eroberung Nanjings und des Südens gelang. Die USA konnten nur noch Chiang Kai-sheks Rückzug von Chengdu (letzte Residenz Ende 1949) nach Taiwan (seit 1950) decken.

Seitdem ist Peking Hauptstadt der Volksrepublik China, Taiwan der verbliebene Rest der 1912 proklamierten Republik China. Obwohl auch Nanjing seit 1949 wieder zur Volksrepublik gehört, so ist des doch weiterhin zumindest formal noch Hauptstadt der Republik. Nanjing war bereits unter den Taiping, unter der frühen Ming-Dynastie sowie einigen noch älteren Dynastien (zum Beispiel Südliche Jin) Hauptstadt Chinas gewesen.

Einzelnachweise

  1. a b Kerstin Barth u.a. (Bearb.): Der Asiatisch Pazifische Raum. Bayerischer Schulbuchverlag, München, 2001, ISBN 3-7627-6323-2

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