- Seidel & Naumann
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Seidel & Naumann wurde 1868 zunächst allein vom Unternehmer Karl Robert Bruno Naumann zu Königsbrück gegründet. Nachdem der Kaufmann Erich Seidel 1869 in die Firma investierte, wurde 1870 dessen Name dem Gründernamen vorangestellt. Trotz Seidels Ausstieg im Jahre 1876 blieb sein Name im Firmennamen erhalten. Innerhalb kürzester Zeit stieg das Unternehmen zum größten Nähmaschinen- und Schreibmaschinenproduzenten Deutschlands auf.
Inhaltsverzeichnis
Geschichte
Firmengründung und -expansion
Nach Absolvierung seiner Wanderjahre kehrte Karl Robert Bruno Naumann nach Dresden zurück und gründete am 5. August 1868 mit eigenen Ersparnissen in Höhe von einigen 100 Talern eine kleine Werkstatt für Feinmechanik. Schon im darauf folgenden Jahr produzierte Naumann Wheeler-Wilson-Nähmaschinen nach amerikanischem Patent. 1869 investierte der Kaufmann Emil Seidel 25.000 Taler in die Firma, die seit 1870 unter „Seidel & Naumann“ firmierte. Obwohl Seidel 1876 mit einer Abfindung in Höhe von einer viertel Million Reichsmark ausschied, blieb es weiterhin beim Firmennamen. Im Laufe der Firmengeschichte kam es zu mehreren Veränderungen der Produktionsschwerpunkte. 1872 war Naumann der erste in Deutschland, der hocharmige Nähmaschinen nach dem moderneren Singerprinzip produzierte und diese immer mehr verbesserte.
Im Jahr 1883 erwarb Naumann ein Baugelände außerhalb der eng bebauten Innenstadt und errichtete eine große Fabrik an der Hamburger Straße. Drei Jahre später wurde das Unternehmen in eine Aktiengesellschaft umgewandelt, die „Nähmaschinenfabrik und Eisengießerei vormals Seidel & Naumann“. In dieser Zeit waren in der Firma 1000 Arbeiter beschäftigt, die 80.000 Nähmaschinen im Jahr produzierten. Das neue Gebäude bot Platz für neue Produkte. So wurden um 1892 die Massenproduktion von Fahrrädern der Marke „Germania“ begonnen. Hinzu kamen Geschwindigkeitsmesser für Lokomotiven und seit 1887 Musikautomaten. Weltweite Anerkennung erlangten dann die Büroschreibmaschinen der Marke „Ideal“, die speziell nach Kundenwunsch mit Tabulatoren und unterschiedlichen Tastaturen ausgerüstet werden konnten. Seit 1900 gingen auch die Büroschreibmaschinen in die Massenproduktion. 1901 begann der Lizenzbau von Laurin & Klement Motorrädern vom Typ „Germania“ mit Ein- und V-Zweizylinder Motoren mit Leistungen von 2,5 bis 6 PS. Der Plan, eigene Motorfahrzeuge zu produzieren, wurde nach dem frühen Tod Naumanns im Jahre 1903 aufgegeben. Zu dieser Zeit beschäftigte das Unternehmen etwa 2500 Arbeitnehmer.
Bruno Naumann schuf für seine Beschäftigten eine Reihe sozialer Einrichtungen: eine Fabrikkrankenkasse für Arbeiter mit langjähriger Betriebszugehörigkeit sowie deren Angehörige, Beihilfekassen für längere Krankheits- und für Sterbefälle, Invaliditätskassen und eine Beamtenunterstützungskasse. In den Werkstätten gab es eine großzügige Grundausstattung mit Garderoben, Toiletten, Wasch- und Speiseräumen.
Firmengeschichte nach dem Tod des Gründers bis 1945
Die Firma Seidel & Naumann wurde von den Nachfolgern weiter geführt und war bis zu den schweren Beschädigungen bei Luftangriffen in den Jahren 1944/45 einer der wichtigsten Großbetriebe in Dresden. Weltberühmt wurde die 1910 erstmals produzierte zusammenklappbare Reiseschreibmaschine Erika Nummer 1, benannt nach Naumanns einziger Enkeltochter. Diese Schreibmaschine hatte nur drei Tastenreihen, dafür waren aber die Typen dreifach belegt. Für Exporte nach England und Frankreich gab es die besonderen Markennamen „Bijou“ und „Gloria“. Am 28. Januar 1910 beantragte Seidel & Naumann den Schutz des Markennamens „Erika“ für Schreibmaschinen beim Kaiserlichen Patentamt[1]. Die Eintragung erfolgte noch im gleichen Jahr am 3. August.
1912 wurde die eigene Gießerei nach Pirna verlegt. Die Produktion wurde auf Rechenmaschinen (Kleinstaddier- und Addiermaschinen Typ SuN, Rechenmaschinen Typ XxX), Buchungsautomaten (ab 1925 Typen Idealo und Blitz) und optische Profilschleifmaschinen (ab 1932) ausgeweitet, während die Fahrradproduktion 1938 eingestellt wurde.
Enteignung und Firmengeschichte nach 1945
Nach der Enteignung 1945/46 firmierte der Betrieb, seit 1951 zusammen mit der ehemaligen Clemens Müller AG, als VEB Schreibmaschinenwerk(e) Dresden (SWD). Ab 1979 zum VEB Kombinat Robotron (RSD) gehörend [2], wurden dort noch bis 1990 Schreibmaschinen produziert, oft weiterhin unter dem traditionellen Markennamen „Erika“. Der Betrieb hatte bis zu 3500 Beschäftigte und verfügte über eine eigene Betriebsberufsschule, an der jährlich ca. 300 Lehrlinge ausgebildet wurden. Die nach der Privatisierung 1990 gebildete „robotron Erika GmbH“ stellte 1991 die Produktion ein und meldete 1992 die Liquidation an. 2004 lief der Markenschutz aus und 2005 wurde die Marke „Erika“ nach 95 Jahren gelöscht.[3] Die seit 1975 unter dem Markennamen „Erika-Picht“ beim Patentamt eingetragenen Blindenschreibmaschinen nach dem System Picht[4] werden von der Firma multi-tech gGmbH weiterhin in Dresden produziert (Stand 2010).[5]
Einzelnachweise
- ↑ Eintrag im Markenregister des Deutschen Patent- und Markenamtes (DPMA), Aktenzeichen DD132928 (alt: A8000), Abfrage vom 7. September 2010 unter http://register.dpma.de/DPMAregister/marke/register/DD132928/DE
- ↑ Leonhard Dingwerth: Historische Schreibmaschinen. Battenberg Verlag, Regenstauf 2008, S.60, ISBN 978-3-86646-041-6
- ↑ Eintrag im Markenregister des Deutschen Patent- und Markenamtes (DPMA), Aktenzeichen DD600177, Abfrage vom 7. September 2010 unter http://register.dpma.de/DPMAregister/marke/register/DD600177/DE
- ↑ Eintrag im Markenregister des Deutschen Patent- und Markenamtes (DPMA), Aktenzeichen 39403570.4, Abfrage vom 7. September 2010 unter http://register.dpma.de/DPMAregister/marke/register/394035704/DE
- ↑ Moderne Nachfolger des Modells E500 von 1912 http://www.erikapicht.de/multi.htm
Weblinks
- H. Reckzeh: VEB Schreibmaschinenwerk Dresden, Förderverein der Technischen Sammlungen Dresden 2006, PDF (200 kByte)
- Biographie des Firmengründers Naumann (engl.)
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