Robur-Werke

Robur-Werke
Robur Firmenlogo

Der VEB Robur-Werke Zittau war ein Nutzfahrzeughersteller in der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) aus Zittau. Bis 1946 wurde unter dem Namen Phänomen Werke Gustav Hiller AG produziert, bis 1957 firmierte der inzwischen Volkseigene Betrieb als VEB Kraftfahrzeugwerk Phänomen Zittau.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Phänomen Bob 98 cm³
Phänomen 10/30 (Baujahr 1916)
Kleinkraftrad Phänomen Ahoi, 1940–1943 gebaut

1888–1945

ehemaliges Logo

Im Jahr 1888 gründete Karl Gustav Hiller ein Unternehmen zum Vertrieb einer von ihm erfundenen und 1894 patentierten Textilmaschine zur Herstellung von Fadenbällchen (Bommeln). 1889 begann die Fahrradherstellung. Von einer Englandreise brachte er 1890 die exklusiven Importrechte Rover-Fahrrädern mit, der Lizenz-Nachbau begann ein Jahr später. Er wurde Teilhaber und später Eigentümer der Zittauer Maschinenfabrik Müller & Preußger, entwickelte die Rover-Fahrräder weiter und vertrieb sie ab 1894 erfolgreich als „Phänomen-Rover“. 1900 startete die Fertigung von Phänomen-Motorrädern. Waren die Motorräder anfangs noch mit Fafnir-Motoren ausgestattet, so wurden seit 1903 Einzylinder-Viertaktmotoren eigener Entwicklung verbaut. Mit dem Motorwechsel wurden der Fahrradrahmen verstärkt und 26-Zoll-Räder mit 2,25-Zoll-Reifen verwendet. Ständige Weiterentwicklungen und Verbesserungen führten darüber hinaus zu einem neuen Zweizylindermotor.

1905 begann die Serienfertigung des preiswerten Dreiradfahrzeuges Phänomobil. Der bekannte Zweizylindermotor aus der Motorradproduktion diente dem Phänomobil als Grundlage. Die Ähnlichkeit der Konstruktion mit der von Hüttel in Erlau/Sachsen entwickelten und in Berlin hergestellten Cyklonette führte zu Patentstreitigkeiten, zumal die Konstrukteure Hüttel und Svetescu zeitweilig bei Hiller beschäftigt gewesen waren. Ab 1910 kam ein von zwei Ventilatoren gekühlter Vierzylinder-Viertakt-Ottomotor zum Einsatz. Die Produktion lief bis 1927. Der 1917 in eine Aktiengesellschaft umgewandelte Betrieb bot zwischen 1912 und 1927 auch vierrädrige Pkw an, die sich gegenüber der starken Konkurrenz jedoch nicht durchsetzen konnten. Karosserien wurden seit 1922 vorwiegend von den Karosseriewerken Aug. Nowack bezogen.

Im Jahr 1927 wurde vor allem auf Forderung der Reichspost nach einem preiswerten und zugleich sicheren und leistungsfähigen Fahrzeug der Lkw 4 RL mit 0,75 bis 1 t Tragfähigkeit herausgebracht, der den Ausgangspunkt einer erfolgreichen Nutzfahrzeugproduktion darstellte. Das Interessante an der Firma Phänomen ist, wie schon bei den Motorrädern und dem Phänomobil gezeigt, dass der Vierzylindermotor des Phänomobil in diesem Fall die Grundlage für den 4 RL ist. Als die Nachfrage nach Lkw mit höherer Nutzlast stieg, kamen 1931 der Granit 25 (Nutzlast 1,5 t) und 1936 der Granit 30 (Nutzlast 2,5 t) auf den Markt. Im Zuge der Rüstungsproduktion wurde das Fahrzeug-Typenprogramm im Wesentlichen auf den Granit 1500 mit 1,5 t Nutzlast (nach dem Krieg Granit 27) reduziert.

Alle Phänomen-Lkw besaßen, genau wie die Dreiräder, luftgekühlte Motoren. Lediglich die vierrädrigen Pkw waren mit wassergekühlten Motoren ausgerüstet. 1930 nahmen die Phänomen-Werke Gustav Hiller A.G. Zittau unter Direktor Rudolph Hiller (Sohn von Gustav Hiller) die Produktion von Leichtmotorrädern mit Sachs-Einbaumotoren auf. Bis 1945 gab es bei Phänomen immerhin 14 verschiedene Leichtmotorräder.

ab 1945

Von Mai bis Juli 1945 wurden durch die sowjetischen Besatzer Maschinen und Einrichtungen demontiert, Werksgebäude und Anlagen konnten vor der Schleifung durch den sächsischen Treuhänder bewahrt werden. Durch den Volksentscheid vom 30. April 1946 über das Gesetz über die Übergabe von Betrieben von Kriegs- und Naziverbrechern in das Eigentum des Volkes wurden auch die Zittauer Phänomen-Werke im Juni 1946 enteignet und gingen in Volkseigentum über. Neuer Firmenname war ab Juni 1946 Phänomen Werke Zittau, Industrieverwaltung 17, Fahrzeugbau Landeseigener Betrieb Sachsens. Neben der Produktion dringend benötigter Massenartikel wurden auch rund 1000 Fahrzeuge der Roten Armee instand gesetzt. 1949, im Jahr der Gründung der Deutschen Demokratischen Republik, wurde die Serienfertigung der Vorkriegsmodelle wieder aufgenommen, wenn auch in bescheidenem Rahmen. Anfangs wurden stationäre Motoren gebaut. Im Januar 1950 waren schließlich die ersten 13 Granit 27 fertiggestellt. Die Nutzlast dieses Lkw konnte im Jahr darauf von 1,5 auf zwei Tonnen erhöht werden. 1952 wurde der Prototyp Phänomen-Granit 32 vorgestellt, der erstmals mit einem luftgekühlten Dieselmotor ausgerüstet war – im Gegensatz zu den bisherigen Vergasermotoren der Zittauer Fahrzeugwerke. Die Serienproduktion des Dieselmotors wurde 1954 aufgenommen. Die Leistung des Vergasermotors des Granit 27 konnte dagegen ein Jahr später auf 60 PS gesteigert werden. Eingebaut wurde er in den weiterentwickelten Granit 30K.

Nach Veränderungen an Gestaltung, Fahrgestell und anderen Modifikationen des Granit wurde daraus der Typ Garant, der bis 1961 in über 50.000 Exemplaren in den Varianten Pritschenwagen, Kastenfahrzeug, Krankenwagen, Reisebus und Chassis für Sonderaufbauten gebaut wurde. Neben dem weiterhin als Garant K 30 bezeichneten Benziner gab es auch den „Garant 32“ mit ebenfalls luftgekühltem Dieselmotor.

Anfang 1957 wurde das Unternehmen nach einer erfolgreichen Klage der Alteigentümer in VEB Robur Werke Zittau umbenannt. Auch die Fahrzeugbezeichnung Granit durfte danach nicht mehr benutzt werden. Der Name Robur ist lateinisch und bedeutet Kraft oder Stärke. Auch die Deutsche Eiche trägt diesen Namen (Quercus robur). Das Design des Schriftzuges Robur ist in Anlehnung an eine Kurbelwelle gestaltet. Dem Betrieb wurden andere Fertigungsstätten angegliedert, darunter das Karosseriewerk Bautzen, das Motorenwerk Kamenz, das Karosseriewerk Winter Zittau, das Karosseriewerk Halle (Saale) und das Feuerlöschgerätewerk Görlitz. Dem erfolgreichen Garant folgte der Robur LO 1800, der erstmals zur Leipziger Frühjahrsmesse 1961 präsentiert wurde und dessen Konstruktion aktuellen internationalen Entwicklungstrends entsprach. Der moderne Frontlenker-Lkw mit 2,5 t Nutzlast war mit dem auf 70 PS gesteigerten, luftgekühlten Vergasermotor des Vorgängers ausgerüstet. Als allradgetriebene Variante mit 1,8 t Nutzlast entstand der Robur LO 1800 A.

Robur-Lkw waren nicht nur im RGW-Gebiet, sondern auch in vielen überseeischen Ländern im Einsatz. Für diese Exportmärkte wurde das Robur-Safari-Programm geschaffen, das den speziellen klimatischen und geographischen Bedingungen der angestrebten Einsatzländer angepasst wurde.

Die Serienfertigung der Fahrzeuge O 611/O 611A und D 609 wurde von der Regierung nicht gestattet, es durften nur die bisherigen Modelle weiter entwickelt werden.

Nach der Deutschen Einheit konnte auch der LD 3004 mit Deutz-Dieselmotor und neuer Optik den Untergang der Marke nicht verhindern. Die Produktion wurde 1991 eingestellt. 1995 wurde die Robur-Fahrzeug-Engineering GmbH neu gegründet und erwarb das gesamte Know-How der Robur-Werke Zittau. 1999 erfolgte die Gründung der FBZ GmbH Zittau mit 17 Mitarbeitern. FBZ steht für Fahrzeuge – Baugruppen – Zulieferungen. Das Werk in Bautzen wurde in einen Gewerbepark umgestaltet und hat heute wieder 1100 Mitarbeiter.[1]

Modelle

PKW-Modelle 1907–1927

Typ Bauzeitraum Zylinder Hubraum Leistung Vmax
Phänomobil 4/6 PS 1907–1912 2, V-Motor 887 cm³ 6–9 PS (4,4–6,6 kW) 50 km/h
Phänomobil 6/12 PS 1912–1920 4, Reihenmotor 1548 cm³ 12 PS (8,8 kW) 60 km/h
Phänomen 10/28 PS 1912–1919 4, Reihenmotor 2597 cm³ 28 PS (20,5 kW) 80 km/h
Phänomen M.T.C. 10/30 PS 1920–1924 4, Reihenmotor 2612 cm³ 30 PS (22 kW) 65 km/h
Phänomen M.T.C. 16/45 PS 1920–1924 4, Reihenmotor 4219 cm³ 45 PS (33 kW) 75 km/h
Phänomobil Typ V (6/12 PS) 1920–1927 4, Reihenmotor 1548 cm³ 12 PS (8,8 kW) 55 km/h
Phänomen Typ 412 (12/50 PS) 1924–1927 4, Reihenmotor 3132 cm³ 50 PS (37 kW) 100 km/h

LKW-Modelle 1927–1991

Robur

Siehe auch: Robur LO

Am häufigsten wurden die Modelle mit dem Ottomotor ausgestattet. Von der damit verbundenen Typenbezeichnung LO leitet sich der Spitzname Ello ab. Da rein äußerlich nicht zu erkennen ist, ob in einem Robur ein Otto- oder Dieselmotor steckt, wurden im Volksmund alle Robur-Fahrzeuge als Ellos bezeichnet.

Die Fahrzeuge wurden zu allen erdenklichen Zwecken gebaut, von der rollenden Apotheke bis zum Kipper. Im Großen können unterschieden werden:

Allradfahrzeuge
  • normale Motorlage
    • Fahrzeug LO 1800A/1801A mit Luftgekühltem Ottomotor (Allrad)
    • Fahrzeug LO 2002 mit 2 Tonnen Nutzlast
    • Fahrzeug LD 2002 mit 2 Tonnen Nutzlast und Luftgekühltem Dieselmotor
    • Fahrzeug LD 2202
    • Fahrzeug LD 2202 A ist die mit Dieselmotor ausgestattete zivile Variante des LO 2002 A
    • SAFARI-Modelle mit Modifikationen für den Export
    • Fahrzeuge mit geschlossenem Aufbau (Mehrzweck)
Hinterachsgetriebene Fahrzeuge
  • vorverlegter Motor
    • Bus (B21): LD 3001 FR M2/B21
  • normale Motorlage
    • Kühlkoffer
    • Leichtkoffer
    • Pritsche
    • Mehrzweckfahrzeug: LO 3002 Fr M5/MZ 11

Literatur

  • Konrad Brüchmann: Zukunft gestalten, Vergangenheit erhalten - Die Oldtimer der Deutschen Post stellen sich vor, Deutsche Post AG, Konzerneinkauf, November 2001, erhältlich im Museumsdepot des Museums für Kommunikation in Heusenstamm
  • Heinz Grobb: Der VEB Robur-Werke Zittau. Eine ökonomisch-geographische Studie. Die Textilindustrie, ein standortbildender Faktor für den Maschinenbau im Zittauer Becken. In: Sächsische Heimatblätter Heft 1/1967, S. 18–23
  • Heinz Grobb: Der VEB Robur-Werke Zittau. Eine ökonomisch-geographische Studie. Teil II. In: Sächsische Heimatblätter Heft 2/1967, S. 67–72
  • Hartmut Pfeffer:Phänomen/Robur - Geschichte eines Kraftfahrzeugwerkes und Dokumentation seiner Erzeugnisse 1888/1991 Band 1 1888 bis 1945 ISBN 3-928820-35-4
  • Hartmut Pfeffer:Phänomen/Robur - Geschichte eines Kraftfahrzeugwerkes und Dokumentation seiner Erzeugnisse 1888/1991 Band 2 1945 bis 1991 ISBN 3-928820-36-2
  • OKW: Vorschrift D 605/23 Leichtes Kraftrad 125 cm³ Phänomen Typ Ahoi, Gerätebeschreibung und Bedienungsanweisung, 1942
  • OKW: Vorschrift D 605/24 Leichtes Kraftrad 125 cm³ Phänomen Typ Ahoi, Ersatzteilliste, 1942

Weblinks

 Commons: Fahrzeuge von Robur – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
 Commons: Fahrzeuge von Phänomen – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Helga Koch: Arbeit für 1 100 Menschen an einstiger Robur-Stätte. Sächsische Zeitung, 2. Oktober 2003, abgerufen am 2. Mai 2011 (html, deutsch).

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